Video des Tübinger Tortenattentats 02.11.05

Torte Armee Fraktion 07.11.2005 14:52 Themen: Bildung Kultur Soziale Kämpfe
Hier das versprochene Video des Tortenattentats auf den Präsidenten
der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Peter Gaehtgens.
Der folgende Text ist grob und mit Ergänzungen aus dem Indymedia-Artikel vom 03.11.05 zitiert:

Aktion:

Noch bevor der Gast, Dr. Peter Gaehtgens mit seiner Rede beginnen konnte, betraten mehrere Studierende in Anzügen die Bühne. Zwei davon trugen bunte Geschenkkartons.

Mit den Worten: "Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten uns hiermit bei Herrn Prof. Gaehtgens für seinen Einsatz für Studiengebühren bedanken", unterbrach einer der Studierenden den Festakt, um im gleichen Augenblick den Deckel des Kartons zu heben und dem Herrn Prof. Gaehtgens mit Hilfe eines sehr sportiven Ausfallschrittes eine Sahnetorte voll ins Gesicht zu drücken. Eine weitere schoko-sahnige Überraschung traf den Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz zeitgleich von der Seite.

Sofort sprangen aus den ersten Reihen des Publikums eilende Retter auf, die jedoch die türmenden Tortenwerfer nicht mehr erreichten.
Prof. Gaehtgens brauchte einige Zeit, die Fassung wieder zu erlangen, wischte sich zur freien Sicht einen Streifen Sahne aus seinem Gesicht und trat mit den Worten ans Mikro: " Es gibt ganz verschiedene Formen des Danks" und: „Die vier Herren haben in der Sache Recht, ich bin für Studiengebühren“. Dann leckte er sich genüsslich einen Finger ab und meinte: "Auch war es gar nicht mal die schlechteste Torte". (Die Torten waren übrigens beide von Aldi!)

Reaktion:

Diese Art des Protestes gegen Studiengebühren erschütterte die Offiziellen sowie die Medien in der sonst leider als ziemlich ruhig-beschaulich zu nennenden Region erheblich. Von diversen Regionalzeitungen und Radiosendern bis hin zur (gewohnt unreflektiert berichtenden) Bildzeitung wurde der Tathergang minutiös rekonstruiert. Der Rektor der Uni Tübingen, Eberhard Schaich, schien über den Torten-Angriff auf seinen Gast besonders empört zu sein (siehe Gesicht im Video - Der Mann mit der Goldkette).
Weil er einen der Tortenwerfer erkannt hatte, verhängte er gegen diesen, der glücklicherweise sein Studium zu diesem Zeitpunkt bereits beendet hat, ein Hausverbot an der gesamten Universität. Zu einer Strafanzeige konnte er Dr. Gaehtgens jedoch nicht überreden.

Das hier veröffentlichte Video mussten wir leider teilweise zensieren, um andere Beteiligte zu schützen. Das mindert allerdings keineswegs den Spaß beim Betrachten.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Aktion bundesweit den Protest gegen die Einführung allgemeiner Studiengebühren ein klein wenig inspiriert.
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Ergänzungen

Obergeiles Video

Hesse 07.11.2005 - 16:59
Dieses Video würde ich zum besten Video auf Indymedia 2005 vorschlagen. Die Aktion war so genial, die Musikunterlegung so passend schön. Großes Lob für alle Beteiligten. Wenn es dieses Video in DVD-Qualität gibt, hätte ich daran Interesse. Wenn es zu Repressionen gegen den angeblich erkannten Werfer kommt, würde ich mich an den Repressionskosten beteiligen.

Die Musik...

Torte Armee Fraktion 07.11.2005 - 20:11
... des zweiten Teils ist "Black Mask" von der
Gruppe "The (International) Noise Conspiracy"


Grüße,
Torte Armee Fraktion

Toll

Ich 07.11.2005 - 20:40
Ich saß mit einer "Strike"-Bewegung vor meinem Rechner und musste richtig lachen, als er das Ding in die Fresse bekommen hat :) Die Musik hat wirklich ihr übriges getan, lustigstes Video bisher :)

geiles video

Hamburger 07.11.2005 - 21:04
Dieses Video würde ich zum besten Video auf Indymedia 2005 vorschlagen. Die Aktion war so genial, die Musikunterlegung so passend schön. Großes Lob für alle Beteiligten. Wenn es dieses Video in DVD-Qualität gibt, hätte ich daran Interesse. Wenn es zu Repressionen gegen den angeblich erkannten Werfer kommt, würde ich mich an den Repressionskosten beteiligen.

geht mir genauso!!!

Repression

Torte Armee Fraktion 07.11.2005 - 21:37
Staatliche Repressionen scheinen auszubleiben, da Tortenanschläge Antragsdelikte sind, und Herr Gaehtgens so fair war, auf eine solche Anzeige zu verzichten (trotz aller inhaltlichen Differenzen ist an dieser Stelle Anerekennung angebracht).

Repression gibt es nur von Seiten der Universität Tübingen, welche allerdings durch Geld nicht abzuwenden ist.

Trotzdem vielen Dank für die Solidarität.


Torte Armee Fraktion.

Schade

Die Musik 08.11.2005 - 04:16
stört den restlichen O-ton. Den hätte ich gerne gehört.

Gabs auch mal in Bochum

RUB Studi 08.11.2005 - 13:16
Einen Tortenwurf gegen Studiengebühren gabs auch mal in Bochum, im Streik gegen 2002. Damals war das Ziel die Bochumer SPD-Abgeordnete Carina Goedecke. siehe auch  http://mein-bochum.de/goedecke-revanche.htm

funzt nicht

xy 09.11.2005 - 20:51
bei mir gehts auch nich - schade

Verzicht auf Strafanzeige ist bloße Taktik

armer Student 11.11.2005 - 12:19
Der Verzicht auf die Strafanzeige: man kann ihn als "fair" bezeichnen, wie oben, die "Torte Armee Fraktion"
allerdings ist es sicher auch im Interesse des Beworfenen, dass hier keine weitere Publicity entsteht. diese ist doch gerade das Interesse der Werfenden. Sie wollen auf die Missstände aufmerksam machen. Und dies in aller Öffentlichkeit. Die Nichtanzeige ist also sinnvoll, will man hier die Öffentlichkeitswirkung eindämmen. Dies scheint nur Prof. Schaich nicht verstanden zu haben. naja, wen wundert's

Nachgedacht, mitgemacht

Verbindungen kappen! 11.11.2005 - 13:13
Hi, Gunnar Müller-Henneberg :).

Ich finde es schön, dass Leute wie du das Medium Indymedia nutzen. Vielleicht lernst du doch irgendwann einmal eine Welt abseits deiner bierseligen Kameraden und verbohrten alten Herren kennen.
Doch solltest du solche unreflektierten neo-konservativen Thesen wie in deinem Beitrag doch eher "auf dem Haus" bei einer Runde Schach erörtern, als in diesem Zusammenhang hier. Nein, wir kennen uns nicht - worüber ich garnicht so unglücklich bin. Aber deine Mitgliedschaft im Schachclub hat dich leider als Verbindungsstudent in einer der hässlichsten Tübinger Verbindungen geoutet...

"Gunnar hat als Jurastudent und Mitglied der studentischen Verbindung Frankonia inzwischen ein enormes Wissen über das historische Tübingen erworben, das ihn jederzeit zum professionellen Stadtführer qualifizieren würde."

Schreibt man Franconia nicht mit c ? :)

So, nun zu deiner Argumentation:

1.)

"Wir leben in einer Demokratie. Das bedeutet, dass wir die Politiker, die Gesetze beschließen, mehrheitlich gewählt haben. Wir haben ihnen unser Vertrauen geschenkt, dass sie meistens mindestens eine Legislaturperiode lang halten.
Wer nun also mehr oder weniger blind gegen die momentane politische Richtung läuft, der darf sich nie als Pfleger des Allgemeinwohls bezeichnen, weil er zu sabotieren versucht, was die Mehrheit beschlossen hat. Das bedeutet, zum Wohle der Wenigeren soll die Mehrheit zurückstecken."

- Wer hat das Recht, mir zu unterstellen, ich hätte die Leute, die jetzt mein Leben durch Studiengebühren einschränken wollen, gewählt?
Selbst wenn ich bei dieser Bundestagswahl gewählt hätte, dann hätte diese Entscheidung auf die geplante Einführung von Studiengebühren keinerlei Effekt gehabt - ob ich nun die Linkspartei, die Grünen oder die CDU gewählt hätte, was hätte das an der momentanen Lage zu den Studiengebühren verändert?

Dieser Tortenwurf ist nicht ein blindes Anrennen gegen die politische Richtung, er ist eine Ausdrucksform des Protestes, ein Aufschrei von politisch machtlosen Studenten gegen ein System, das über ihre Lage entscheidet, sie in die Entscheidungsfindung aber keinesfalls einzubinden gedenkt.
Von daher gebieten es allein schon "Anstand und Sitte" eines Studenten (was für schrecklich reaktionäre Begriffe), sich gegen eine solche Einschränkung des Rechts auf freie Bildung zur Wehr zu setzen. Da diese Auseinandersetzung effektiv nur durch mediale Aufmerksamkeit geführt werden kann (-was auch schon etwas über unsere wunderbare Demokratie aussagt), stellt der Tortenwurf ein absolut adäquates Mittel dar. Herr Gaehtgens sollte im Gegenteil noch froh darüber sein, dass er nicht Opfer einer militanten Aktion, sondern einer friedlich-harmlosen wurde.

2.)

"Sind die Studenten oder Akademiker nicht mehr in der Lage, differenziert zu denken? Muss sich der Student von der Allgemeinheit als Edelhooligan ansehen lassen ? Weil er sich nicht mehr durch Spitzenleistungen, Ehrgeiz, Wissbegierde und Feinsinnigkeit auszeichnet, sondern durch Wildes, blindwütiges, anarchistisches Torpedieren aller politischen Richtungen? Sind wir Studenten Denker oder ein wilder Haufen, der schreiend auf die Straße geht, um Politik zu machen?"

- Es geht bei der Einführung von Studiengebühren mitnichten um Ehrgeiz, Spitzenleistungen oder andere Attribute, die unsere schöne Leistungsgesellschaft - und in dieser besonders die rechtskonservativen Burschenschaften, Corps und Verbindungen uns einzuimpfen versucht. Es geht um soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Wenn die (aufgrund unseres selektiven Schulsystems ohnehin nicht wirklich bestehende) Möglichkeit des Universitätsstudiums sozial schwächeren Menschen durch Studiengebühren zusätzlich erschwert oder ganz verbaut wird, dann haben diese sowieso von vorneherein keine Möglichkeit mehr dazu, die oben genannten Eigenschaften zu entwickeln oder anzuwenden. (ganz abgesehen davon, dass Konkurrenz, Wettbewerb und Leistungsdruck ein mit dem ganzen System zusammen abzuschaffendes Übel unserer Gesellschaft sind) Dass du den Tortenwurf als anarchistisches Torpedieren aller politischen Richtungen bezeichnest, zeugt davon, dass du dir über Anarchismus noch nicht wirklich Gedanken gemacht hast, und ihn wie die meisten Übrigen auch gleichsetzt mit unzutreffenden Klischees. DAS ist geistige Armut, und in dieser Beziehung solltest du vielleicht mal mit studentischer Begeisterung und Wissbegierde an deiner wissenschaftlichen Feinsinnigkeit arbeiten.

Verbindungen kappen!



Der Verzicht...

... 11.11.2005 - 13:16
...auf Strafanzeige war selbstverständlich Taktik, das ist richtig.
Aber den Werfern gegenüber lässt er sich durchaus als fair bezeichnen, da die erwünschte Publicity sowieso erreicht wurde (unzählige Interviews, Zeitungsartikel, Internetberichte, Filme etc. sind genug Öffentlichkeit, denke ich).

Außerdem hat ja die Staatsanwaltschaft durch ihre eigenmächtig eingeleiteten Ermittlungen Gaehtgens Plan durchkreuzt.

Stellungnahme Gunnar Müller-Henneberg

Gunnar Müller-Henneberg 11.11.2005 - 19:03
Hallo.

Mir ist es leider nicht möglich, diejenigen direkt anzusprechen, die meinen Schrieb beantwortet haben, da ich ihre Namen nicht kenne. Sie scheinen jedoch den meinen gut zu kennen und über meine Person bestens Bescheid zu wissen. Das ehrt mich zwar, zieht jedoch eine Debatte in die Länge, weil ich mich genötigt sehe, auf die Ausführungen über meine Person Stellung zu nehmen. Ich möchte keinen falschen Eindruck erwecken.
Ich bin Schachspieler und Corpsstudent, das stimmt. Jedoch sind die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden, sämtlich falsch.
Ich bin keineswegs patriarchisch, noch pflege ich, gröhlend durch die Straßen zu ziehen. Vermutungen über meine politische Gesinnung treffen ebenfalls nicht zu. Das Corps Franconia ist auch nicht eine „rechtsaußenstehende Verbindung“.
Aber da hier über Verbindungen wohl Unkenntnis herrscht, werde ich die Fakten kurz umreißen:

Verbindungen ist der Oberbegriff aller studentischen Corporationen. Es gibt: Corps, Burschenschaften, Landsmannschaften, Turnerschaften, Sängerschaften, Akademische Gesellschaften usw... Die verschiedenen Sorten sind in verschiedenen Dachverbänden organisiert und haben im Grunde nichts miteinander zu tun. Es gibt z.B. keine gemeinsamen Veranstaltungen zwischen Burschenschaften und Corps (außer in fechterischen Belangen)
Ich kenne nicht alle Arten von Verbindungen gut, bin auch noch nicht so lange dabei. Corps kenne ich natürlich am besten. Corps zeichnen sich seit jeher durch das Toleranz- und Liberalitätsprinzip aus. Das heißt, hier darf jeder mitmachen, gleich welcher Herkunft oder religiöser und politischer Gesinnung. Einzige Voraussetzung: Es muss ein männlicher Tübinger Student sein. Wir sind unpolitisch. Das ist eine der Voraussetzungen, die auch unsere Dachverbände an uns stellen. Das ist nicht nur ein Programmsatz, das setzt sich auch durch. Wir haben hier wirklich fast jede Nation und Religion vertreten.
Außerdem achten wir auch auf unser Auftreten nach außen. Gerade WEIL wir eben so in der Kritik stehen. Es wird nie vorkommen, dass ein Tübinger Franke gröhlend auf der Straße zu sehen ist. Leider gibt es unter den Verbindungen schwarze Schafe, die sich eben durchaus daneben benehmen. Dagegen können wir aber leider überhaupt nichts machen, da wir keinen Einfluss nehmen können auf Verbindungen anderer Dachverbände.
Verbohrte Alte Herren haben wir nicht. Es ist keine neue Erkenntnis, dass alte Menschen geistig nicht mehr so flexibel sind wie junge. Aber bei uns entscheiden die jungen, nicht die alten Mitglieder. Die Verbindungen werden finanziell von den Alten Herren getragen, die Arbeit müssen jedoch die jungen Mitglieder erledigen. Das ist manchmal recht hart neben dem Studium, da es eben schon seine Zeit kostet. Da man nur vier Semester aktiv ist, das Corps jedoch mindestens drei junge Corpsburschen braucht, um fortzubestehen, ist man natürlich beflissen, Nachwuchs anzuwerben. Das ist schwierig, nicht nur wegen der Torpedierung an der Universität, sondern auch, weil heutzutage eben einfach nicht mehr so viele Studenten sich zutrauen, eine Aufgabe zusätzlich zum Studium zu übernehmen. Außerdem ist ja auch das Studium wesentlich anspruchsvoller geworden, als es früher war. In dieser Problematik entmutigt es natürlich, wenn man für sein Engagement nur Hohn und Anfeindung kassiert, im besten Gewissen, etwas richtig zu machen.
Früher war das anders: Bis zum Anfang der dreißiger Jahre gab es pro Semester –zig Bewerber, die Mitglieder werden wollten, von denen man sich 10 aussuchte. Im dritten Reich waren die Verbindungen unbeliebt. Sie sollten im NS-Studentenbund gleichgeschaltet werden. Das wollten die Verbindungen ja schon allein deshalb nicht, weil eben die feinen Unterschiede zwischen den Verbindungen ja gerade den Reiz des Umganges unter Verbindungsstudenten ausmachen und auch letztlich der Grund dafür sind, warum man in DIESER und nicht in einer anderen Verbindung aktiv geworden ist. In den späten dreißiger Jahren wurden die Verbindungen dann konkret verboten, nachdem schon vorher Auflagen erfolgt waren, z.B. jüdische Corpsbrüder auszustoßen. Dieser Forderung wurde jedoch nicht Folge geleistet, was zur Zwangssuspension aller Verbindungen Ende der dreißiger Jahre führte. Die jungen Mitglieder wurden in den Krieg eingezogen und fielen zu großen Teilen. Wenige Verbindungen brachten nach dem Krieg den Kraftakt fertig, wieder aufzuerstehen, weil ja kaum noch Mitglieder vorhanden waren. In den fünfziger und Anfang der sechziger Jahre war immer noch fast 50 % der männlichen Studenten in einer Verbindung. Nachwuchsprobleme gab es nicht. Um 1900 waren fast 100% der Studenten in Verbindungen. Das ließ aber allein schon dadurch nach, dass ab 1903 auch Frauen an den Universitäten waren. Dieser begrüßenswerte Umstand wirkte sich faktisch auch nicht negativ auf die Verbindungen aus, da auch die Gesamtzahlen der Studenten stieg und die Männer immer noch fast alle in Verbindungen gingen.

Zielsetzung der Studentenverbindungen war ursprünglich völlig unterschiedlich. Besonders hervorgetan hat sich die deutsche Burschenschaft durch die damals revolutionäre Idee eines gesamtdeutschen Reiches. Inzwischen ist die Einung der deutschen Gebiete kein Ziel mehr (da sie ja geschehen ist). Relikte davon sind jedoch z.B. noch in der Tatsache vorhanden, dass die DB (Deutsche Burschenschaft = Dachverband vieler Burschenschaften) verlangt, dass ein Mitglied Wehrdienst geleistet hat und mindestens einen deutschen Elternteil hat.
Zielsetzung unseres Corps (Wie oben erwähnt, sind Burschenschaften und Corps sehr unterschiedlich) ist vorwiegend die Förderung von seinen Mitgliedern in akademischer Hinsicht, also wissenschaftliche Zwecke. Dies scheint auch zu funktionieren. Von unseren 250 Alten Herren (Diesen Status erreicht man mit der erfolgreichen Beendigung seines Studiums) haben immerhin 10% eine Habilitation und über 50% eine Promotion vorzuweisen. Es ist auch ganz praktisch, während des Studiums höhere Semester (Das betrifft jedoch eher die jüngeren Corpsbrüder, die vor dem Examen stehen) als Ansprechpartner zu haben, wenn man als Neueinsteiger im Studium noch keine Ahnung hat. Auch die auf dem Haus befindliche Fachbibliothek spart viel Zeit. Ein kleiner Gegenwert zu dem Zeitaufwand, den man in seiner Aktivenzeit betreibt.

Man schließt natürlich seine Mitbewohner, die Conaktiven, während der sehr intensiven Aktivenzeit ins Herz und möchte schließlich das Corps nicht mehr missen, da es eben einen Teil der Studentenzeit ausgemacht hat; und die ist ja nun unbestritten einer der tollsten Lebensabschnitte. Dies führt dazu, dass man als Alter Herr, wenn man ja nun Geld bezahlen muss, überhaupt nicht mehr in Erwägung zieht, auszutreten.

Zum Teil waren dies Informationen, bei denen ich unsicher war, sie herauszugeben, weil ich ja nun weiß, wie wenig die Studentenschaft vor Destruktion zurückschreckt, wenn sie sich eben nun einmal ein Ziel gesucht hat. Dass wir irgendwie gefährlich sind und man uns um jeden Preis bekämpfen muss, kommt wohl nicht in Frage. Da die meisten Verbindungen unpolitisch sind (eigentlich alle, die ich kenne), hoffe ich, nicht mit erneuten Hetzkampagnen aufgrund der Informationen, die ich hier verbreite, rechnen zu müssen. Dass wir der Gesellschaft irgend etwas einzuimpfen versuchen, ist ja allein schon deshalb völlig unrealistisch, weil wir ja überhaupt keine geöffnete Einrichtung sind, die durch massigen Publikumsverkehr in der Lage wäre, politisch tätig zu werden. Freilich sind einige Verbindungsstudenten in Wirtschaft und Politik zu hohen Posten aufgestiegen (zum Beispiel ist unser Ministerpräsident Günter Oettinger bei der Landsmannschaft Ulmia Tübingen aktiv gewesen, Otto von Bismarck war Corpsstudent, Hanns-Martin-Schleyer und Karls Marx ebenso), jedoch werden die Politiker ja nun mal vom Gesamtvolk gewählt, nicht von den wenigen tausend Verbindungsstudenten, die es gibt.

Klar: Wir sind zum Teil konservativ, man muss aber auch einfach das Wort „konservativ“ einmal genauer unter die Lupe nehmen. Es beinhaltet, dass man versucht, etwas zu erhalten, zu „konservieren“. Auch Fortschrittlichkeit, Progressivität ist ein konservierbarer Wert. Und genau das ist auch die Dynamik, die ein Corps anstrebt, wohingegen es jedoch an anderer Stelle Fortschritte zu bremsen sucht, jedenfalls innerhalb der eigenen Reihen. So muss man eben auswählen, welchen Wert man konserviert, um ihn zu tradieren und welchen Wert man ablehnt. So lehnen zum Beispiel viele konservative Personen die Rechtschreibreform ab, weil sie sie als stilistischen Rückschritt betrachten. Trotzdem wissen diese konservativen Personen zumeist, dass dieser Fortschritt eben nicht aufhaltbar ist.
Mit „Rechtswählen“ hat diese Form der Konservativität noch nichts zu tun.
Zwar ist unsere Parteienlandschaft spärlich besiedelt, so dass man manchmal gar keine wählbare Richtung findet, mit denen man wirklich zu 100% übereinstimmt. Aber immerhin wird vom Wähler bisher noch nicht verlangt, sich zwischen Fortschritt und Stillstand zu entscheiden oder zwischen Sozialstaat oder Elitentum. Man hat eingesehen, dass diese radikalen Ansichten erstens engstirnig sind und zweitens zu nichts führen.

Ich empfand bei dieser Wahlperiode, dass der Schwerpunkt der Wahlentscheidung auf der wirtschaftlichen Seite lag und man eben entscheiden musste, welcher Idee man die größeren Erfolgschancen beimisst. Unglücklicherweise wahren sich die beiden großen Wahlprogramme sehr ähnlich. Ein Unterschied bestand jedoch darin (stark vereinfacht), dass die CDU die Sozialkosten anders finanzieren wollte als die SPD.
Dass Sozialkosten einfach anfallen und es etwas wert ist, zu erreichen, dass ein gewisser Lebensstandard allen Bürgern möglich ist, darin waren sich alle einig. Einig waren die Parteien aber auch, dass es erstrebenswert ist, dass jeder Abiturient studieren können soll. Dennoch wurden die Studiengebühren beschlossen. Weil eben einfach das Geld fehlte. Wo soll man das Geld nun hernehmen?
Der Gedankengang ist kurz, dass man die Kosten des Dienstleisters demjenigen aufbürdet, der die Dienstleistung auch empfängt und der den Nutzen davon hat. Statistiken belegen, dass immer noch die meisten Studenten aus finanziell vernünftig situierten Familien kommen, so dass die Studiengebühren ein Studium nicht unmöglich machen würden. Für den Rest sind umfangreiche Darlehensprogramme (die sehr ähnlich wie BAFöG funktionieren) beschlossen worden. Klar kommt ein Student, der am Ende seines Studiums einen Kredit abbezahlen muss, später zu Vermögen als ein anderer. Aber man kann ja nun vom Staat auch nicht verlangen, dass er Vermögen verschenkt!
Wenn man nun auf dem Standpunkt steht, dass alles Vermögen, auch das private, umverteilt werden soll, so dass jeder gleich viel hat, befindet man sich im tiefsten Kommunismus, der als politisches Konzept auf der Welt bisher immer gescheitert ist.

Wenn nun Studiengebühren anfallen, die bereits beschlossen sind, dann sind sie von den Personen beschlossen worden, die die Mehrheit gewählt hat. Freilich ist es individuell möglich, etwas anderes gewählt zu haben. Aber das berechtigt innerhalb einer Demokratie eben nicht zur Torpedierung der Beschlüsse. Denn die MEHRHEIT hat entschieden. Also ist es FÜR DAS ALLGEMEINWOHL offenbar sinnvoll, Studiengebühren zu erheben. Eine Regierung, die diesen Schritt unternimmt, obwohl er vermeidbar ist, muss ja befürchten, nicht mehr gewählt zu werden. Also wird es kaum Eigennützigkeit sein, die diese Entscheidung motiviert hat.

Außerdem war es sicherlich nicht im Alleingang Herr Prof. Dr. Gaethgens, der das unternahm. Aber er wurde Opfer des Tortenanschlags und musste offenbar „froh sein, dass er nicht Opfer einer militanten Aktion“ geworden ist. Ja wo leben wir denn? Kann man sich hier denn nicht mehr seines Lebens sicher sein, wenn man eine gewisse Meinung vertritt?!
Ich dachte, in der Grundschule irgendwann gelernt zu haben, dass –egal was für ein Konfliktfall vorliegt- Gewalt jedenfalls keine Lösung ist und immer vermieden werden soll, schon aus den Regeln der Menschlichkeit heraus. Offenbar ist das nicht der Fall. Offenbar sind viele Personen einverstanden mit dem gewaltsamen Vorgehen. Und sie wissen offenbar auch alle, dass die Rechtfertigung der Handlung nicht etwa im vorhergehenden Verhalten von Professor Gaethgens liegt, sondern man will ja in die Presse! Und dazu muss Herr Gaethgens eben herhalten, das ist gerecht so!
Dass diese Handlungsweise erforderlich ist, weil man ja nur durch mediale Aufmerksamkeit diese Diskussion führen kann, überzeugt natürlich nicht. Wir wählen mehrheitlich Menschen, die unsere Interessen vertreten, bzw. die Interessen der Mehrheit. Nachdem viele Jahre dieses Thema durchdiskutiert wurde, ist beschlossen worden. Die Diskussion ist beendet. Man kann sich noch beschweren, aber das deklassiert den Tortenwurf ja auch zu einem Racheakt; und Rache ist ja ebenso verwerflich wie Gewalt. (Wahrscheinlich war meine Grundschule auch neo-konservativ, denn die hat mir das beigebracht)
Dass „Konkurrenz, Wettbewerb und Leistungsdruck ein mit dem ganzen System zusammen abzuschaffendes Übel unser Gesellschaft sind“ möchte ich an dieser Stelle nur soweit kommentieren, dass ich froh bin, dass diese Meinung im Bundestag nicht vertreten wird.

Abschließend habe ich noch eine Frage:
Es trifft tatsächlich zu, dass ich über Anarchie noch nie lange nachgedacht habe, ich habe aber mal in der S-Bahn nachts wirklich beeindruckende Betrachtungen hierzu gehört, als eine gröhlende Horde Jugendlicher zugestiegen war. (Die Horde war nicht interessant, die Betrachtungen schon). Ich bitte also jemanden, der sich damit auskennt, mir ein wenig dazu zu berichten. Ich werde auch wahrscheinlich nicht dazu Stellung nehmen, keine Sorge, aber ich werde es jedenfalls mit großem Interesse lesen. Da ich die Seite hier wahrscheinlich nur noch selten besuchen werde, ist hier noch meine aktuelle Email-Adresse:

 g.mueller-henneberg@web.de

Vielen Dank

Literatur

egal 11.11.2005 - 20:35
Hier ein paar nützliche Hinweise:

Zu studentischen Verbindungen

 http://clubhausia.fsrvv.de/ <- Reader mit Argumenten

 http://www.nadir.org/nadir/archiv/Antifaschismus/Burschenschaften/verbindungen-kappen/inhalt.htm

Zum Anarchismus

Grosche, Monika: Anarchismus und Revolution - Zum Verständnis gesellschaftlicher Umgestaltung bei den anarchistischen Klassikern Proudhon, Bakunin, Kropotkin, 2003

Stowasser, Horst: Freiheit pur, Die Idee der Anarchie,
Geschichte und Zukunft, 1995 <- Im Netz zu lesen unter  http://www.utopie1.de/S/Stowasser/

Zu Konkurrenz, Leistungsprinzip und Kapitalismus

Marx, Karl: Das Kapital <- Im Netz zu lesen unter  http://www.marx-forum.de/das_kapital/kapital_1/inhalt_1.html

Kurz, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus - Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft, 2003 <- Im Netz zu lesen unter  http://www.sozialistische-klassiker.org/kurz/kurz01.pdf

Und speziell zum ach so oft gescheiterten Kommunismus (wann lernt ihr endlich die Unterscheidung zwischen real existierendem Sozialismus und Kommunismus???)

Kurz, Robert: Der Kollaps der Modernisierung - Vom Zusammenbruch des Kasernensozialismus zur Krise der Weltökonomie, 1991








Die BILD

Matze 15.11.2005 - 20:14
Erstmal dickes Lob an alle Beteiligten! Geniale Aktion! Ich bin selber zwar noch kein Student, sondern stecke mitten in meiner "schulischen Ausbildung", aber da ich mir schon jetzt Gedanken über mein Studium mache, finde ich es richtig, dass der Typ mit der Torte ordentlich was auf die Fresse bekommen hat. Hat der "Tortenwerfer" irgendwie speziell ausgeholt? Die BILD hat irgendwas gelabert, vonwegen "mit einem besonders gezielten Stoß blablabla Kuchen ..."
Aber die einzige Sache, die ich ergänzen wollte:
Die BILD hat ihren Namen als "Zeitung" wegen unterschiedlicher Vorfälle verloren, und gilt nur noch als "Boulervard-Magazin", und darf nicht mehr als Zeitung gewertet werden.

Bild (in der Schreibweise des Verlags BILD, heute umgangssprachlich und früher auch offiziell Bild-Zeitung)

Ist echt so! Die BILD ist keine Zeitung!
Also, macht den Quatsch mit "BILD-Zeitung" ganz schnell da weg!

Cya,
Matze

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Herrlich! — Hendrik

Hervorragend — Caligvla

schade... — ...das die...

ihr mörder! — schnitzelfreund

Schöne AKTION! — naschkatze

Ich will auch! — jupp

Konsequenzen — Ex-FS-Soziologie

Ausdrucksformen von Studenten — Gunnar Müller-Henneberg

Musik ist Trumpf — Frank

Liberalität ohne Frauen? — ogrepansen

Oh Gott wie erbärmlich — Bin Erschrocken