Kiel: Sommer, Sonne, Arbeitsdienst - 1€Jobs

Beobachter 05.09.2005 09:56 Themen: Soziale Kämpfe
Geteiltes Echo auf 1€Job-Theateraktion am Falkensteiner Strand

10 Mitglieder des Kieler Bündnisses gegen Sozialabbau und Lohnraub führten am Sonntagnachmittag (04.09.) im Vorfeld des bundesweiten Aktionstages der sozialen Bewegung eine Theateraktion am Falkensteiner Strand durch.
Der Falkensteiner Strand wurde als Aktionsort gewählt, da dort seit diesem Sommer 1€-Jobber tätig sind: Im prestigeträchtigen Projekt „Strandgut“ der DLRG werden Liegestühle, Sonnenschirme und Kinderbetreuung angeboten. Weniger auffällig sind die 1€-Jobber, welche morgens ab fünf Uhr für die Reinigung des Strandes sorgen; eine Aufgabe welche früher tariflich bezahlte MitarbeiterInnen der Stadtwerke erledigten.

Zu Beginn der Theateraktion wurde das Projekt „Aktion statt Depression“ vom Chef des „Amt für Arbeit“ vorgestellt, während einheitlich in weiß gekleidete Helfer des „Amt für Arbeit“ zwei „Baustellen“ am Strand vorbereiteten. Nach der Begrüßung der Strandbesucher wurde ihnen der Charakter des Projekts „Aktion statt Depression“ erklärt: Der Schnuppertag des „Amt für Arbeit“ biete heute die Möglichkeit, sich den neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes zu stellen und selber erstmalig im Rahmen eines Strandburgbauens als 1€-Jobber tätig zu werden. Das „Amt für Arbeit“ wolle sich bürgernah zeigen und auch eine Befragung bei allen Strandbesuchern und Projektteilnehmern durchführen. Für das „Amt für Arbeit“ sei dies eine wichtige Maßnahme, da die Flure im Amt für Arbeit übervoll seien. Um diese wieder leer zu bekommen, sei die einzige realistische Maßnahme der rasche Ausbau weiterer 1€-Jobs.

Die Aktion wurde nicht mit „Vorsicht Satire“ oder ähnlichen deutliche Hinweisen auf Theater versehen. Nach tätlichen Angriffen zweier empörter Strandbesuchern gegen den Chef des „Amt für Arbeit“ und gegen einen Pressevertreter musste die Aktion vorzeitig abgebrochen werden.

Trotzdem sorgte das Theater für Aufsehen und die empörte Reaktion sowie die herbeigerufene Polizei spiegelten die Brisanz des Themas. In Gesprächen und mit Flugblättern konnte die Intention deutlich gemacht werden.

Das Bündnis gegen Sozialabbau und Lohnraub setzt sich ein
Für die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten!
- Für einen gesetzlichen Mindestlohn, der Armutslöhne verhindert!
- Für drastische Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
- Für eine existenzsichernde Grundversorgung für alle!
- Für gleiche Rechte für alle Menschen, die hier leben!



Kiel, 04.09.05


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Dieser Begrüßungsbeitrag sorgte für viel Wirbel:

Sehr geehrte Strandgäste, liebe Kinder

Ich möchte Sie am heutigen Tage hier an unserem herrlichen Stadtstrand im Namen des „Amtes für Arbeit Kiel“ herzlich willkommen heißen. Sie haben die bislang einmalige Gelegenheit sich an unserem 1€-Schnuppertag zu beteiligen.
Mein Name ist Karl Heinz Freudenberg ich leite unsere Abteilung für niedrigschwelligen Kundenservice am „Amt für Arbeit Kiel“. Im Laufe dieses Nachmittages werde ich sie mit meinem Team vertraut machen.

Unser gemeinsames Motto für diesen erste 1€-Schnuppertag lautet:
„Aktion statt Depression.“

Unser Service für Sie heute hier am Strand: Wir möchten Sie vertraut machen mit den neuen Instrumenten gegen Beschäftigungskrise.
Aktion statt Depression
Machen wir gemeinsam Schluss mit Hoffnungslosigkeit und trübsinniger Nörgelei in unserem Lande.
Nutzen Sie die Chance und beteiligen auch Sie sich an unserem heutigen 1€-Schnuppertag. Bereiten Sie sich heute schon aktiv auf das vor, was Sie vielleicht schon morgen erwartet.

Aber was haben 1€-Jobs mit diesem Strand zu tun? Warum hier, wo doch Erholung und Freizeit im Vordergrund stehen?

Nein, meine lieben Kundinnen und Kunden, gerade hier, wo wir bereits über 30 1€-Jobs in unserem Projekt Strandgut und in der Strandreinigung einrichten konnten. Gerade hier, wo Arbeit noch Mangelware ist, können wir den Niedriglohnsektor ausbauen. Hier leisten unsere Jobber bereits Pionierarbeit. Sie sammeln hier Ihren Müll, tragen Ihre Strandliegen und betreuen Ihre Kinder – und das alles für nur einen Euro die Stunde.

Werden auch sie zu Pionieren des neuen Beschäftigungssektors und beteiligen sie sich an unserem 1€-Schnuppertag.

Meine Kolleginnen und Kollegen haben bei Ihrer Beratungsarbeit im „Amt für Arbeit“ immer wieder feststellen müssen, dass unsere Kunden oftmals schlecht vorbereitet sind auf die Möglichkeiten und Anforderungen, die bei 1€-Jobs auf sie warten.
Wir sind sicher, die Zahl von 5 Millionen Erwerbslosen in unserem Lande wird weiter steigen. Statt Arbeitszeitverkürzung wollen Politik und Wirtschaft die Wochen- und Lebensarbeitszeit weiter ausbauen. Das heißt mehr Arbeit für immer weniger regulär Beschäftigte auf der einen Seite und vollere Flure in unserem Amt für Arbeit auf der anderen Seite. Denn je mehr die einen arbeiten sollen, umso weniger bleibt für die anderen übrig.
Aber dagegen können wir jetzt mit Ihrer Mithilfe aktiv werden:

Aktion statt Depression! Deutschland muss sich heute fit machen für die Zukunft.
Und dafür brauchen wir Ihre Unterstützung.

Wir wollen Sie heute auf die veränderten Anforderungen des wachsenden Niedriglohnsektors vorbereiten. Arbeitslosigkeit kann heute jeden treffen, daher bitte ich Sie um Ihre Mitarbeit.
Wenn zukünftig meine Mitarbeiter mit einem 1€-Job auf sie zutreten wird ihre Teilnahme nicht mehr freiwillig sein. Mit unseren neuen 1€-Jobs warten mitunter unbequeme Aufgaben auf Sie.
Aber sind Sie wirklich bereit, auch Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen?
Arbeiten, die schmutzig sein können?
Arbeiten im Freien ohne Zuschläge und Schlechtwettergeld?
Arbeiten für einen Euro die Stunde, wenn andere am Wochenende ausschlafen?
Arbeiten, bei denen Sie sich in einer signalfarbenden Weste in öffentlichen Parks oder hier am Strand nach dem Müll ihrer Mitbürger bücken müssen?
Arbeiten, die entweder überflüssig erscheinen oder reguläre Beschäftigungen verdrängen? Sind sie wirklich bereit, Ihren Teil beitzutragen zum Aufbau unseres neuen Niedriglohnsektors?

Aktion statt Depression – unser 1€-Schnuppertag soll ihnen helfen, sich darauf vorzubereiten.

Wir bieten ihnen einen einfachen Einstieg in die neue Arbeitswelt:
Wir bieten leicht verständliche Arbeitsaufträge,
kompetente Anleitung durch erfahrene 1€-Jobtrainer,
körperliche Herausforderungen,
psychologische Betreuung,
Informationen zu unseren aktuellen 1€-Jobangeboten
und nicht zuletzt eine Möglichkeit, Ihre Meinung, ihre Ideen und Ihre Wünsche bei unserer großen Kundenbefragung einzubringen.

Aktion satt Depression!
Heute können Sie noch freiwillig schnuppern, damit Sie morgen vorbereitet sind auf unsere verpflichtenden 1€-Job-Maßnahmen.

Aktion statt Depression! Wir bringen Deutschland auf Vordermann!

Ich darf ihnen bereits jetzt für Ihre Aufmerksamkeit danken und darf Ihnen nun den Ablauf unseres ersten Kieler 1€-Schnuppertages vorzustellen:

Wir beginnen mit einem Stück körperlicher Ertüchtigung:
Bis 16:00 werden meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausschwärmen und Sie in die konkreten Arbeitsbereiche einführen. Mit Ihrer Mithilfe werden an unserem Strand zwei mächtige Strandwälle entstehen. Symbole für Tatkraft und stolze Zuversicht. Selbstverständlich werden wir sie dabei angemessen entlohnen: Für jede abgeschlossene Arbeitsstunde erhalten Sie einen Euro Startguthaben.

Ab 16:00 kommen wir dann zu unserer großen Kundenbefragung: Wie stellen Sie sich Ihrer zukünftige Mitarbeit im unserm 1€ Job-Programm vor? Auf welche Stärken können wir bei Ihnen zählen, welche Fähigkeiten müssen Sie noch ausweiten, damit Sie fit sind für unseren Nieriglohnsektor.

Aber nun genug der Worte.
Nun wünsche ich Ihnen und uns allen eine konzentrierte Mitarbeit am heutigen Trainingsprogramm.

Aktion statt Depression
heute schnuppern, damit Sie morgen richtig zupacken können
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Ergänzungen

Finden wir toll

anonym 05.09.2005 - 12:13
schließlich geht es um ein Gesetz,das Menschen ,die einfach mehr PECH gehabt haben ,einer falschen Ausbildungspolitik "zum Opfer" gefallen sind oder auf diesem beschissenen Arbeitsmarkt einfach NICHTS FINDEN ,die nicht so arbeiten wollen ,zu arm sind für Selbstständigkeit oder Betriebsgründung oder schlicht WEGRATIONALISIERT oder gekündigt wurden,zu Drecksarbeiten ,ungeliebten Arbeiten ,überflüssigen Arbeiten zu einem Stundenlohn um die drei Mark (West )verpflichtet und in eine datensammelndes Zwangssystem einspeist,das mit STRAFEN bei Verweigerung der Zumutungen (der Zwang zum Tragen alberner Arbeitskleidung in der Öffentlichkeit ,Annahme von Jobs weit unter Qualifikation ,erzwungene Ortswechsel,demütigende Behandlung durch eine Öffentlichkeit ,die über die Restchancen und das besserverdiente Geld weiter allein verfügen möchte ,...)arbeitet und vollkommen vorbei arbeitet an IDENTITÄTEN,in Persönlichkeitsrechte eingreift,diese überschreitet und nicht in der Lage ist,strukturell bedingte Arbeitslosigkeit zu beheben.
Bisher nicht umsetzbare Ideen .man könnte eine JOBTAUSCHBÖRSE für falsch vermittelte einrichten (nicht als Antihartz-Publicity-Show-Projekt,sondern als Maßnahme zur konkreten kollektiven Selbsthilfe !)und eine FOTOMAPPE von Outfits von Berufstätigen machen (queers in job)und ins Netz stellen zum Abgleich für Leute ,an deren Selbsrepräsentation rumgemeckert wird.Das Insistieren auf sauberen Fingernägeln ist außerhalb der gastronomischen und medizinischen Tätigkeitsfelder übrigens ein Relikt aus der nationalsozialistischen BDM-Mädchenerziehung und dort Mittel der SCHIKANE gewesen,weltanschauliche Gründe ! )
Hartz ist schwarz !Und eine PDS ,die für Lohnarbeit und gegen Ein-Euro-Jobs ist,sollte sich aml fragen ,wieso sie FÜR Lohnarbeit ist.Lohnarbeit ist Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaftsweise,ist meistens fremdbestimmte Arbeit und macht selten Spaß.

Ganz viel Lob!

Surfer 07.09.2005 - 09:40
Zuerst einmal muss ich euch Lob ausprechen-die Aktion scheint ja doch ganz gut geklappt zu haben. Schade nur,das ich nichts von einem stattfinden wusste....
achja,wer genau hat das organisisert?Das Kieler Bndniss ist ja breit gefächert.)
Trotzdem eine schöne Aktion!

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Konkrete Frage — Oliver