Essen: tödliche Übergriffe

Antifa Essen Z 22.07.2005 18:16
Stellungnahme der Essener Antifa zu den tödlichen Übergriffen der vergangenen Wochen.
Am 1. Juli wurde in Essen am Rheinischen Platz ein 44-jähriger Mann von Skinheads brutal verprügelt und verstarb wenig später in Folge innerer Verletzungen. Die Täter, zwei 15- und 17-jährige Brüder gestanden wenige Tage später, den als Drogenkonsument bekannten Mann getreten und misshandelt zu haben. Gegen beide erging Haftbefehl wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Am Freitag den 15. Juli wurde in Steele ein ebenfalls 44-jähriger Mann bewusstlos aufgefunden. Er lag unbekleidet in den Ruhrwiesen, der Körper war gänzlich mit Kot verschmutzt. In den Nachmittagsstunden des gleichen Tages erlag der Mann seinen Verletzungen. Die durchgeführte Obduktion ergab, dass schwerste innere Verletzungen und Kopfverletzungen mit Verbluten nach Innen todesursächlich waren.

Der Tatverlauf konnte inzwischen durch die Polizei geklärt werden. Gegen den 19-jährigen Täter erging Haftbefehl wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Demnach hatte das spätere Opfer bereits in den früheren Nachtstunden einen Busfahrer um Hilfe gebeten, da er von Skins überfallen und zusammen geschlagen worden sei. Die Polizei konnte die späteren Täter nicht im Bereich der Ruhrwiesen auffinden und verließ mit Einverständnis des späteren Opfers die Örtlichkeit wieder. Ein erneuter Angriff seitens der als Skinheads beschriebenen Täter, der zum Tod des 44-jährigen führte, ereignete sich einige Stunden später, gegen 4:30 Uhr.

Die Polizei bestreitet in beiden Fällen einen rechtsradikalen Hintergrund der Taten.

Die Täter sind in beiden Fällen anhand ihres äußeren Erscheinungsbilds der rechten Szene zuzuordnen. Die beiden 15 und 17-jährigen Brüder sind nach Polizeiangaben bereits 38 bzw. 33mal in Zusammenhang mit Gewalt- und Vermögensdelikten "aufgefallen". Der 19-jährige Täter wurde unter anderem wegen Körperverletzung erst im März aus der Jugendhaft entlassen. In beiden Fällen suchten sich die Täter Obdachlose bzw. Drogenabhängige aus. In beiden Fällen waren die Täter sich ihrer körperlichen Überlegenheit bewusst und suchten ihre Opfer danach aus. Auch wenn die Täter weder bei der Tatausführung noch im Anschluss explizit rechtsextremes Gedankengut äußerten und die Tat wahrscheinlich nicht explizit politisch motiviert war, ist es dennoch kein Zufall, dass die Täter das Aussehen stereotyper rechter Skinheads aufweisen.

Die rechte Szene in Essen ist traditionell sehr stark und in bestimmten Stadtteilen seit Jahren kontinuierlich existent. Der geringste Teil der rechten Szene und ihres Umfeldes sind politisch organisiert und ideologisch geschult. Das aggressivere, offen gewalttätige Potential der rechten Szene geht aber gerade von diesem unorganisierten Spektrum aus.

Die offensichtliche Freude und die Bereitschaft Menschen zu quälen und zu töten macht allerdings die konsequente Umsetzung einer Ideologie deutlich, die Menschen in Hoch- und Minderwertig einzuteilen vermag.

Die Gewaltbereitschaft der rechten Szene in Essen stellt gerade in Stadtteilen wie Steele und Borbeck linke und alternative Jugendliche vor ein zunehmendes Problem. Teile der Steeler Ruhrwiesen, in der der letzte Mord begangen wurde, sind unter linken Jugendlichen und MigrantInnen seit längerem als "no-go-area" bekannt. Dort halten sich an jedem Wochenende bis zu 30 Nazis auf, die nicht nur dann Menschen, die sich nicht in ihr Weltbild fügen, beschimpfen, einschüchtern und angreifen.

Bei den Taten handelt es sich offensichtlich um weitere Morde, die durch Angehörige der rechten Szene im Ruhrgebiet innerhalb weniger Monate begangen wurden. Anfang April hatte bereits die Ermordung eines 32-jährigen Punks durch einen Dortmunder Neonazi bundesweit Aufsehen erregt.

In Essen stellt diese neue und bisher unvorstellbare Qualität der Gewalt nur die Spitze des Eisberges dar. In diesem Zusammenhang sei der versuchte Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Altendorf Anfang April erwähnt sowie die mehrmaligen Angriffe von Nazis auf linke und alternative Jugendliche in Essen-Steele.

Der polizeiliche Staatsschutz leugnet noch im April dieses Jahres beharrlich die Existenz rechtsextremistischer Strukturen in Essen. Eine Leugnung, die angesichts zweier landesweit agierender nationalsozialistischer Kameradschaften in Essen und der Häufung rassistisch und faschistisch motivierter Übergriffe, nur als Verharmlosung gewertet werden kann.

Die beiden Morde stellen einen neuen Höhepunkt der Gewalt dar, der nicht unbeachtet und unbeantwortet bleiben darf.
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Ergänzungen

Und nun?

abc 22.07.2005 - 18:39
Nach dem Lesen dieses Textes bin ich leider auch nicht schlauer. Die Antifa Essen schreibt: "Die Täter sind in beiden Fällen anhand ihres äußeren Erscheinungsbilds der rechten Szene zuzuordnen." Was bedeutet äußeres Erscheinungsbild? Habt ihr die Täter gesehen (Fotos) oder habt ihr nur die Beschreibung aus der Zeitung gelesen? Gerade die Antifa sollte nicht soweit gehen und Menschen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zuordnen. Vermutlich ist es hier mal wieder die Glatze.

Brandanschlag

ergänzer 22.07.2005 - 18:49
Bei dem Brandanschlag ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Täter aus der rechten Szene kamen. Bei dem damaligen Indyposting handelte es sich jedenfalls aller Wahrscheinlichkeit nach um ein Nazifake, da der Bericht wenige Minuten später in sämtlichen Naziforen verlinkt wurde.
Für das Gerücht, dass der Anschlag von Migranten verübt wurde gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte, eine polizeiliche Stellungnahme hat es nach den Vorfällen nie wieder gegeben.

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Brandanschlag? — wohl verlesen!?