Datenschutz ist passe in Nds. und anderswo

Schnüfflerin 22.06.2005 14:38 Themen: Repression
Auch in Nds. findet gerade ein so genannter "Mikrozensus" statt (BRD- und EU-weite Aktion). Ein Prozent der Haushalte müssen Fragen beantworten, die weit über den Fragenkatalog der Volkszählung 1983 und 1987 hinaus gehen.
Diese "eingeschränkte" (weil zahlenmäßig begrenzte) Volksbefragung dient nicht der Demokratie und ist möglicherweise nur eine "Gehorsamsübung".
Datenschutzrechtlich ist das höchst fragwürdig, was dort abgefragt wird.
Folgende Info erhielten wir von einem Menschen, der ab Juni 2005 vier Jahre lang (jährlich ein Mal) am "Mikrozensus" teilnehmen soll.
Grundlage: Bundes- und Landesgesetz(e) sowie EU-Recht, da EU-weit solche Befragungen stattfinden.

Nach Durchlesen der 150 Fragen auf 43 Seiten (+ vier Seiten Erläuterungen), stellt sich die Frage wozu es eigentlich Mitte der 1980er Jahre eine "Volkszählungsentscheidung" des BVerfG in KA gegeben hat (Recht auf "informationelle Selbstbestimmung").
Auch scheint das Steuergeheimnis keine Rolle mehr zu spielen (genaues Einkommen wird erfragt).
Man ist sogar verpflichtet den Namen und die Adresse des Arbeitgebers/Arbeitgeberin zu benennen (Frage 42 Seite 9).
Vor Gericht gibt es wenigstens noch die Möglichkeit der Aussageverweigerung. Diese wird einem nicht einmal punktuell eingeräumt, laut Mikrozensus-Erläuterungen (Ausnahme: einige erfragte Angaben sind "freiwillig").
Jeder betroffene Haushalt (= 1 % der Haushalte der BRD; "zufällig und repräsentativ" ausgewählt) bekommt eine Nummer, die sich in (Regierungs-)Bezirk, kleinerer "Auswahlbezirk" und Haushaltsnummer aufschlüsselt. So ist jede Antwort zu nahezu jeder Zeit und nahezu von Jeder/Jedem einem bestimmten Haushalt zuzuordnen.
Die Befragungsergebnisse sind für Politik, Verwaltung, Statistikämter und -Stellen der Länder, des Bundes und der EU, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Diese Stellen werten aus, bewerten und "arbeiten" mit den erhobenen Daten frei und fast unkontrolliert.
Der Fragebogen ist innerhalb einer Woche auszufüllen und an den "Erhebungsbeauftragten" zurück zu leiten (persönlich oder brieflich).
Etwa eine Woche bevor der Fragebogen vom "Erhebungsbeauftragten" abgegeben wurde, kündigte er sich per Brief an (Termin mit Uhrzeit)und schickte auch eine mehrseitige Erläuterung zum Mikrozensus mit. In dieser Erläuterung wird erklärt was warum gefragt wird und für wen das alles angeblich ist.
Zum Fragekomplex "Arbeitsplatz und Einkommen" heißt es dort: " Diese Daten dienen der Politik als Entscheidungshilfe in Arbeitsmarktfragen."
Das kann nur eine Verarschung sein: Dass wir 4,5 bis 5 Mio registrierte Arbeistslose haben, wissen doch schon alle. Welche Entscheidung zur Abschaffung der Arbeistlosigkeit würde verhindert werden, wenn niemand sich am Mikrozensus beteiligte?

In den Erläuterungen heißt es weiter: "Die erhobenen Einzelangaben werden nach § 16 BStatG grundsätzlich geheimgehalten."
"grundsätzlich" meint bei JuristInnen: "Es gibt Ausnahmen."
Ferner heißt es, dass zu wissenschaftlichen Zwecken die Einzelangaben zur Verfügung gestellt werden dürfen, wenn diese
"so anonymisiert sind, dass sie nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft dem Befragten oder Betroffenen zugeordnet werden können."
Das heißt, dass alle Daten selbstverständlich technisch problemlos zugeordnet werden können. Der Missbraucher/Missbraucherin muss nur angeben, dass die Kosten für ihn/sie zu hoch seien und er/sie deswegen verspricht (wem eigentlich? dem Befragten???), keinen Missbrauch begehen zu wollen. Wer bitte schön entscheidet darüber welcher Aufwand gerechtfertigt ist?

Wer hat Erfahrungen mit diesem Thema?
Welche Boykottmaßnahmen gab/gibt es?
Welche Möglichkeiten, des Protests, des Widerstands?

Unserer Meinung nach, darf diese Befragung so nicht durchgeführt werden.
Wir brauchen landesweiten Protest.
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Ergänzungen

@MUK

MAK 22.06.2005 - 15:34
Einfach wegschmeißen ist nicht - weil ist verboten. Dann gibt's eine Anzeige. Bei der Volkszählung 1987 sind sogar einige Leute für den Boykott in den Knast gewandert. Also lieber erst informieren und sich dann entscheiden ob und wie damit umgegangen wird. Der Schaden ist immerhin größer, wenn bei einer representativen Umfrage welche ausfallen, weil die Verfälschugn höher ist. Was auch immer betroffene tun: Organisiet Euch!

Meine Tonne

Warhead 22.06.2005 - 16:21
Mein Mülleimer war gelb,da hab ich die Unterlagen reingeschmissen,adressiert an den Absender.Das war ein lustiges Spielchen und ging mehrere Monate hin und her.Irgendwann stand ein Mann vor der Türe und drückte mir die Papiere direkt in die Hand,nachdem ich das ganze Konvolut erneut in den Briefkasten stopfte,hörte ich nie wieder was von denen

Nidersachsen und Datenschutz

Mhhh 22.06.2005 - 16:27
War Niedersachsen nicht das Bundesland, indem der Datenschutz schrittweise ausgehebelt werden soll und zu diesem Zweck das Ressort des Datenschutzes direkt dem Innenministerium unterstellt wird? War irgendwann im April oder Mai ein Artikel bei Heise dazu.

Formen des Protestes

Sisyphus 22.06.2005 - 16:36
Vielleicht lohnt tatsächlich ein Blick auf die 80er: Kreativer Umgang mit Daten hieß das damals, meine ich. Das ist bei nachträglich genauer Zuordnung von Fragebogen und Befragten natürlich auch eine knifflige Geschichte, sodass auch meine Empfehlung wäre: Zusammenschließen und anwaltlichen Rat einholen.

erlogene Unabhängigkeit

Holsteiner 22.06.2005 - 17:04
Vorsicht Rosstäuscher am Werk.
Ein so genanntes "Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein" bietet sich als Info-Quelle für den Bürger (die Bürgerin) in Sachen Mikrozensus an: (Adresse: Holstenstraße 98, 24103 Kiel, fon: 0431-988-1207, fax: 0431-988-1223, E-Mail:  mail@datenschutzzentrum.de

Wer im jährlich erscheinenden "Fischer-Weltalmanach" oder einfach im Telefonbuch nachschlägt, findet sehr schnell und einfach heraus, dass das Landeszentrum für Datenschutz S.-H." eine Regierungsstelle ist.
Siehe Telefonnummern.
0431-988-xxxx = Ministerpräsident (in Kiel).
0431-988-yyyy = "Landesministerium für Bla-bla" ... usw.
0431 988-1207 = das ominöse Unabhängige Zentrum f. Datenwirrwar in S.-H.

Wer macht sich da noch Sorgen um die Unabhängigkeit?

@holsteiner

tagmata 22.06.2005 - 17:35
klar ist det ne Landesnummer: unter 0431 988-1206 erreicht ihr euren Landesbeauftragten für Datenschutz und könnt ihn gerne mal fragen, was er dazu meint *grinz*

Post nicht empfangen!

muss nix! (auch nicht komische bögen ausfülln 22.06.2005 - 18:18
Es gibt immer noch das übliche spiel, einfach nicht zu antworten. (Post kann ja verloren gehen.) oder war das ein einschreiben, dass du persönlich entgegen genommen hast? wenn nicht einfach nicht beachten. keiner kann dir nachweißen, dass dieser shit ankam.... und fall einschreiben kommt, behaupten, dass du die person nicht bist und auch nicht für sie stellvertretend unterschreiben möchtest. Posturkunde musse dann beantworten, aber vielleicht meldet sich ja vorher jemand... ;)

Aktueller TB des LfD Niedersachsen

Hektor 22.06.2005 - 19:55
Schaut Euch mal bitte den aktuellen Tätigkeitsbericht (TB) der Behörde des obersten niedersächsischen Datenschützers an. In den TB andere Landesbeauftragter für Datenschutz (LfD) finden sich Sachverhalte (Eingaben u. Beschwerden) von Bürgerinnen und Bürgern - doch nicht in diesem TB. Kann es also sein, dass es in Niedersachsen einfach keine Probleme mit dem Datenschutz gibt? Nachfolgende Sache wurde vom LfD Niedensachsen einfach ignoriert und taucht selbverständlich im aktuellen TB nicht auf. Die Behörde des LfD Niedersachsen lehnte es seinerzeit ab hierzu zu recherchieren.

Aus den Cuxhavener Nachrichten v. 27.09.04:

"Die 'kleinen Brüder' schauen nie weg: Kamera-Überwachung in Cuxhaven Videobeobachtung im öffentlichen Raum durch Private sg. - 'Big Brother is watching you' - das Schlagwort von der totalen Überwachung aus Orwells '1984' passt nicht auf Cuxhaven. Statt des einen großen Bruders sind es eher viele 'kleine Brüder', deren Kameras auf den öffentlichen Raum im Stadtgebiet blicken. (...) Und da anstelle der Polizei Private den öffentlichen Raum überwachen, stellt sich die Frage nach dem Datenschutz. Was mit den Aufnahmen der Kamera passiert, treibt auch Befürwortern der Kamera-Überwachung zur Verbrechensabwehr die Sorgenfalten ins Gesicht: 'Wer kontrolliert die Überwacher?', fragt Bernd Michaels vom kommunalen Präventionsrat und weiter: 'Man weiß nicht, wo die Daten landen und wie sie benutzt werden.' (...) Auch ein professioneller Überwacher wie Claus Nöckel von der Detektei Nöckel beobachtet den Umgang mit Bildern von privaten Überwachungskameras im öffentlichen Raum mit Skepsis. 'Es ist haarsträubend, wie leichtfertig mit Daten umgegangen wird', sagt der Detektiv, der im Auftrag seiner Kunden beispielsweise die Kameras beim Stadion am Meer aufgestellt hat. So würden mancherorts Videokopien von den Bildern der Überwachungskameras gezogen und mit nach Hause genommen oder es gebe Voyeurismus. Zu häufig fehlten beispielsweise die Schilder, die nach dem Bundesdatenschutzgesetz auf eine Videoüberwachung hinweisen müssen und wer diese durchführt, so Nöckel."

Presseartikel zum Thema

Leser 22.06.2005 - 23:10
Die Hannovercshe Allgemine Zeitung schrieb vor einigen Wochen/Monaten zu der Vorstellung des Tätigkeitsberichtes:

Nedden rügt zunehmende Ausforschung

Hannover (mak)
Der Landesdatenschutzbeuaftragte befürchtet eine schleichende Abschaffung von Bürgerrechten. "Die Befugnisse zur Überwachung und Ausforschung der Bürger haben ein Maß ereicht, wo Bürgerrechte stark beeinträchtigt werden", sagte Burckhard Nedden am Freitag bei der Vorlage seines Berichts für die Jahre 2003 und 2004. Nedden meinte, dass beim Kampf gegen den Terrorismus immer mehr Bevölkerungsgruppen zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt würden. "Der Rechtsstatt ist dabei, sich von einem Schutz- zu einem Sicherheitsstaat zu wandeln", sagte Neden. Diese Entwicklung lasse sich auch nicht mit Terror- und Kriminalitätsgefahren rechtfertigen.

Der Datenschutzbeauftragte übte scharfe Kritik an der Landesregierung. "Bei der Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden nimmt Niedersachsen eine Spitzenstellung ein", sagte Nedden. Als Beispiel nannte er die vorsorgliche Überwachung von Telefonen, die nach dem neuen niedersächsischem Polizeigesetz erlaubt ist. "Das meiste passiert heimlich, ohne dass Betroffene davon erfahren", berichtete er. Nedden geht davon aus, dass eine zur Zeit vor dem Verfassungsgericht laufende Klage gegen das Polizeigesetz Erfolg haben wird.

Fragebogen

Arno Nymus 23.06.2005 - 15:35
Gibt es den besagten Fragebogen irgendwo zur Einsicht, damit man sich das Ding auch selber mal komplett anschauen kann und sich seinen Teil denken kann.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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hö ? — MUK

irgendwas — irgendwo