Fotos und Bericht zum 1. Mai in Berlin

Umbruch Bildarchiv 02.05.2005 19:52 Themen: Soziale Kämpfe
Im Outfit von Darth Vader ("Star Wars") celebrierten am Abend des 1. Mai vermummte Polizei- und BGS-Einheiten ihre sogenannten "Deeskalationsstrategien". Gegen 21 Uhr postierten sich kleinere Trüppchen rund um den Heinrichplatz und wirkten wie bestellt und nicht abgeholt. Fast zwei Stunden bestimmte eine seltsame Atmosphäre das andauernde MyFest. Während die meisten FestbesucherInnen die aufgebotenen Einheiten schlicht ignorierten und weiterfeierten, warteten andere irgendwie auf den Startschuß - nur das sich dieses Jahr keiner so richtig zuständig fühlte ihn abzugeben. Gegen 22.30 Uhr ergriffen dann die ersten Polizeieinheiten beherzt die Initiative und schubsten sich mehrmals durch die tanzende Menge vor dem "SO 36". Dafür ernteten sie die erwarteten vereinzelten Flaschenwürfe, die von den im Hintergrund wartenden Eingreiftrupps zuerst sorgfältig dokumentiert wurden und anschließend mit gezieltem Herausgreifen der ÜbeltäterInnen verfolgt wurden. Eine Bilderseite über den 1. Mai in Berlin unter  http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/010505berlin.html
In diesem Jahr wurde die traditionelle revolutionäre 1. Mai-Demonstration von den AnmelderInnen abgesagt, weil die gewünschte Demonstrationroute durch die Oranienstraße und den Kiez nicht genehmigt wurde. Hintergrund war jedoch auch, das sich das autonome und antifaschistische 1. Mai-Spektrum an verschiedenen Events beteiligen wollte. Rund 4000 Menschen blockierten in Leipzig massiv eine Demonstration von rund 1000 Neonazis, in Hamburg beteiligten sich zahlreiche BerlinerInnen an der "Euro-Mayday-Demonstration".
In Berlin zogen am Nachmittag rund 500 Menschen aus Solidarität mit der von Räumung bedrohten Yorck 59 von dort in den Waldekiez. Die orthodox kommunistisch orientierten Gruppierungen begannen ihre Demonstration wie üblich um 13 Uhr vom Oranienplatz.
Das Myfest mit zahlreichen Musik-Bühnen und Ständen quoll fast über vor BesucherInnen. Die Atmosphäre war relaxed wie jedes Jahr am Nachmittag. Als eine Spontandemonstration gegen das Demoverbot um 18 Uhr vom Oranienplatz die Oranienstraße runterzog, schlossen sich viele FestbesucherInnen der Demo an. Nach mehreren Runden durch das Fest zog die Demo weiter in Richtung Springer und wurde dort von der Polizei gestoppt. Bei der folgenden Auseinandersetzung mußte ein umgestürzter Opel Korsa als Barrikade dran glauben.
Ob die nicht ungeschickte Strategie der Polizei aufgeht, wird sich wohl erst im folgenden Jahr erweisen. Lassen sich die OrganisatorInnen des Myfestes von den Polizeistrategen, die am Abend selbst das Myfest gezielt aufgemischt haben weiterhin als Zuckerbrot gegen die "bösen Chaoten" funktionalisieren? Eine mögliche Alternative wäre, im nächsten Jahr sich nicht nur die Anmeldung der revolutionären 1. Mai-Demo zu schenken sondern auch die des Myfestes. Der 1. Mai findet auf den Straßen statt, so oder so.
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Ergänzungen

Angriff der Polizei auf das MyFest

MamaSu 02.05.2005 - 21:19
Der Text und die Bilder beschreiben anschaulich das SKANDALÖSE Aufmischen des MyFestes durch diverse Polizeieinheiten. Gegen 22h war die Situation am Heinrichplatz und in der O-Straße relativ relaxt und es herrschte weitgehend Partystimmung. Eine Stunde zuvor gab es anscheinend nähe Mariannenplatz einen kleinen unbedeutenden Schlagabtausch. Als Reaktion darauf postierten sich an allen Kreuzungen im Festbereich behelmte Polizeieinheiten. Diese Einheiten standen sich die Beine in den Bauch und wurden von den Festbesuchern so gut wie ignoriert! Ausgelassen Feiern war zu dieser Zeit wesentlich interessanter als sich mit Deutschen Beamten zu beschäftigen. Ich war dann also ab 22h auf der Straße vor dem SO36 und tanzte und feierte gemeinsam mit den anderen Gästen des MyFests. Um 23h war dann anscheinend für die deutschen Beamten das Maß voll. Am 1.Mai in Kreuzberg von den Anwohnern und ihren Gästen so penetrant ignoriert zu werden, aus Sicht irgend eines Polizeiführers kann das nicht sein, es darf nicht sein. So bahnte sich ein relativ schwarz gekleideter (Bremer?) Polizeitrupp schubsend, drängelnd und in voller Montur durch das absolut friedlich tanzende und feiernde MyFest-Publikum. Dieses Vorgehen der Polizei war nichts anderes als ein gewalttätiger Angriff auf ein friedliches MyFest! Die Reaktionen: ungläubiges Kopfschütteln, Beschimpfungen, SO36-DJ ruft die Polizei über Mikrofon auf diese Provokation zu unterlassen. Mehr aber auch nicht. Der Polizeitrupp der gerade durch das Publikum gestürmt war, sammelte sich erstmal um ein zweites mal, jetzt von der anderen Seite wieder anzugreifen. Die Reaktionen der Angegriffenen waren auch dieses Mal völlig gewaltfrei! Einen Augenblick später war aber endgültig Schluß mit Lustig. Ein dieses Mal grüner (Berliner?) Polizeitrupp ging jetzt massiv schubsend auf breiter Front gegen die Gäste vor. Reaktionen: Musik aus, Panik, Wildes Auseinander- und Durcheinander-Laufen, Flüchten in Hauseingänge, jetzt aggressive Reaktionen gegen die Polizisten, erste Flaschenwürfe. Das war das von der Polizei angezettelte gewalttätige Ende eine überwiegend schönen und friedlichen MyFests. Die nächsten zwei Stunden dann die üblichen Maifest-Spiele mit einer unbekannten Zahl Verletzter. In den Nachrichten liest sich das so: "Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte am Montag im RBB, es sei an diesem Wochenende gelungen, die seit 18 Jahren existierende Gewaltspirale "weiter nach unten zu drücken". Körting äußerte sich zufrieden über den Polizeieinsatz am Sonntagabend. "Die Bürger von Kreuzberg sind zur Seite gegangen und haben die Polizei durchgelassen. Das ist eine neue Erfahrung, die wir seit dem letzten Jahr haben."
ICH FORDERE DIE ORGANISATOREN VOM "MyFEST" UND DAS MANAGEMENT VOM SO36 AUF ANLÄSSLICH DES POLIZEIANGRIFFS UM 23H AUF DAS "MyFEST" BZW AUF DIE TANZENDE MENSCHENMENGE VOR DEM SO36 STRAFANZEIGE GEGEN DIE VERANTWORTLICHEN POLIZEIFÜHRER ZU ERSTATTEN! Es kann nicht angehen daß friedliche Bürger die dem "MyFest"-Aufruf folgen und friedlich feiern von der Polizei zu Trainingszwecken angegriffen werden.

kundgebung

solimensch 02.05.2005 - 21:25
am mittwoch wirds eine solikundgebung um 18.00 uhr vorm knast moabit geben. da immernoch verdammt viele menschen im knast sitzen (es gibt leider noch keine zahlen).
kommt alle und seid laut.
kein knast steht ewig.

my, my

tagmata 02.05.2005 - 23:30
Hat ganz gut geklappt alles, scheint es: die antilinken Berichte in den Massenmedien halten sich sehr in Grenzen. Daß die Krawalle zurückgehen, kann mindestens genauso gut statt an der Polizei an der simplen Tatsache liegen, daß auch Autonome irgendwann alt werden - die brennenden Barrikaden sind ja eher ein Phänomen, das seinen Ursprung und seine große Zeit in den späten 80ern und frühen 90ern hatte; die autonome Szene hat sich in den letzten 10 Jahren auch ganz schön verändert.

Das Myfest ist ein guter Anknüpfungspunkt; politische und Polizeistrategie ist es offenbar, die 'guten' von den 'bösen' Linken zu trennen, also die bürgerlichen von den radikalen. Aber das ist eine künstliche Konstruktion, in Wirklichkeit sind die Übergänge fließend.

Die von MamaSu geschilderten Polizeiexzesse lassen sich näxtens Jahr bestimmt noch verwerten, als Flugis oder so, für Leute auf dem Myfest, um sie zu warnen, daß sie sich in der Schußlinie wiederfinden könnten. Dabei darf nun nicht der Fehler gemacht werden, daß es sich so liest, als würden Polithooligans unbescholtene Linksbürger als menschliche Schutzschilde mißbrauchen! Das ist nie der Fall gewesen, allenfalls bei Faschos, die irgendwelche Jungrenees in die erste Reihe stellen, als Flaschenfang quasi, kommt so Verhalten vor, und da soll es auch bleiben.

Die geschickte Einbindung des Myfest in radikalere Proteste ist ein Experiment gewesen, um die Strategie der Staatsgewalt zu unterlaufen; sie hat wohl recht gut funktioniert, ist natürlich ausbaufähig. Mal schauen, was die Typen sich näxtes Jahr so einfallen lassen.

Fakt ist, daß an keinem Punkt der Geschichte radikale oder aktive Kräfte des gesellschaftliche Wandels eine nennenswerte Größe darstellten. Es kommt mindestens genauso auf die mehr oder minder schweigende Masse und ihre Sympathien an! Diese Leute, deren Unterstützung für das alte bzw das neue System oder die Zustände entscheidend ist, gilt es sich langfristig warmzuhalten. Natürlich ist ein radikaler linker Wandel der Gesellschaft wünschenswert, aber Gesellschaft ist ein träges Viech. Ein Ansatz, der zu radikal ist und sich auf eine kleine, elitäre Minderheit stützt, kann nie progressiv sein. Die Mobilisierung des linken Bürgertums ist im großen und ganzen nicht mehr wesentlich ausbaubar; mehr Potenzial ist bei den politisch undifferenzierten Stinos (wenn wir sie nicht kriegen, kriegt sie die Rechte).

Knapp 3/4 der Bevölkerung in der BRD lehnen die herrschenden Machtstrukturen ab. Ungefähr die Hälfte ist linken Ideen gegenüber bereits aufgeschlossen; ein weiteres Viertel ist zumindest ansatzweise oder für bestimmte Aspekte überzeugbar. Trotzdem ist nur ein kleiner Teil der Menschen bereit, bei einem militanten Wandel von links aktiv mitzuwirken; die Bereitschaft für passives Engagement ist aber bedeutend größer (zB der Trend, auf schäbige Arbeitsverhältnisse mit schäbiger Arbeit zu reagieren ist momentan im starken Anstieg begriffen). Diese beiden Fakten gilt es in der Praxis zu vereinen. Der Appetit auf kraftvolle Formen des politischen Kampfes kommt mit dem Essen. Die meisten Leut sind so desillusioniert, daß sie den Glauben an ihre Kraft und Fähigkeiten verloren haben. Ihnen diesen wiederzugeben, bevor konservative oder schlimmere Rattenfänger es tun ist auf mittlere Sicht einer der vorrangigen Jobs der Linken im 'Westen'.

Wo ist bitteschön...

...der Sinn ... 03.05.2005 - 00:06
...eines am Straßenrand umgekippten Corsas als Barrikade??? Standen die Bullen auf dem Bürgersteig???

Stampf Stampf

Warhead 03.05.2005 - 11:50
Was da die O-Straße die Nacht auf und abstampfte bzw hoch und runterrempelte waren Orgs aus Nordrhein-Westphalen,stets begleitet von einem Berliner Greiftrupp mit Videokamera und zwei behelmten Rot-Kreuz Sanitötern.Bremer Orgs hingegen hockten gelangweilt in der Köpenicker und Waldemar und spuckten stets vorbeikommenden vor die Füße um eindrucksoll zu belegen was sie von Zivilisten halten

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X-Berg wehrt sich — Körting