2.europaweiter Aktionstag 1/2.April: Nürnberg

Caravan 01.04.2005 16:06 Themen: Antirassismus
Bis zu 70 Menschen darunter auch einige NichtmigrantInnen nahmen an der Kundgebung zum 2.Europaweiten Aktionstag für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht vor dem Ausländeramt in Nürnberg teil.
Konkreter Anlass hier waren die massenhaften Arbeitsverbote für geduldete Flüchtlinge, die z.T. schon 5-12 Jahre hier sind, hier ihren Lebensmittelpunkt haben und die alle seit mehreren Jahren mit einer "nachrangigen" (Deutsche zuerst, dann EU Bürger, dann der Rest (!) ) Arbeitserlaubnis gearbeitet, ihren Lebensunterhalt selbst bestritten, eigene Wohnungen gemietet haben und Verbindlichkeiten eingegeangen sind.
Bisherige Berichte:
 http://de.indymedia.org/2005/03/108725.shtml
 http://de.indymedia.org/2005/03/110244.shtml
Als Begründung musste den Behörden die Beschäftigungverfahrensordnung herhalten, die Teil des neuen Zuwanderungsgesetzes ist, darin insbesondere der §11 über die sogenannten "Versagungsgründe" .(Schüttel) Genauer siehe Links oben)
Dies betrifft nicht nur die "Stadt der Menschenrechte", Nürnberg,sondern ist überall in der BRD so, obwohl es durchaus Unterschiede in der Handhabung dieser Gesetze gibt.
Nun, so schlecht, wie die gesetzlichen Vorlagen sind: die Ausländerämter, namentlich das von Nürnberg übertrafen sich in der Übererfüllung des Gesetzes zu ungunsten der Betroffenen. Dabei verschanzten sie sich bisher immer hinter den Paragrafen, behaupteten, sie hätten überhaupt keinen Spielraum und würden sich strafbar machen, wenn sie weiterhin Geduldeten Arbeitserlaubnisse erteilen. Grundlage ist dabei die pauschale Unterstellung fehlender Mitwirkung bei der Papierbeschaffung und bei der eigenen Abschiebung.
Dabei hat sich an der geltenden Rechtslage gegenüber früher substanziell nichts geändert, einzig die Zuständigkeit: Für die Erteilung der Arbeitserlaubnis war früher das Arbeitsamt, nun ist das Auländeramt zuständig.
Dies wurde inzwischen auch aus dem Innenministerium bestätigt: aus einer Erläuterung an die Innenministerien der Länder geht hervor, dass die Behörden unzulässigerweise die Versagungsgründe für das Augenthaltserlaubnisse auf Arbeitserlaubisse für Geduldete angewandt haben.
Es wurde so auch vom innenpolitischen Sprecher der SPD-Faktion im Bundestag Dieter Wiefelspütz und von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluiese Beck in Briefen an die in Nürnberg besonders betroffenen Äthiopier Innen bestätigt: daraus geht hervor, dass die Bundesregierung diese Arbeitsverbote nie beabsichtigte, (ausser Schily freilich) dass die Rechtslage der früheren entspricht und die Ausländerbehörden die Versagungsgründe falsch interpretieren würden. zur Not, wenn die Entscheidungspraxis sich nicht ändern würde, müsste die derzeitige Regelung überdacht werden, so Wiefelspütz.
Also von wegen kein Ermessens,-Beurteilungs oder was weiß ich für Spielraum: eher ein klassisches beispiel für vorauseilenden Gehorsam deutschen Beamtentums.
Es hat sich nun in Nürnberg aufgrund der öffentlichen Kampagne eine breiter Protest gegen diese Arbeitsverbote formiert, was sogar Stadtratfraktionen und den Ob umfasste. Das freilich erst, nach öffentlichem Druckaufbau

Nun, die Kundgebung fand eine grosse öffentliche Aufmerksamkeit auch bei der recht zahlreich erschienenen Presse.
Auf den Transparenten stand: Nach 10 Jahren immer noch keine Integration in der Stadt der Menschenrechte; nach 10 Jahren Aufenthalt, wohin?
Jeder Mensch hat das Recht, sich innerhalb der Grenzen eines Landes frei zu bewegen (Art.13 Deklaration der Menschenrechte, wg. Residenzpflicht)

Es gab Redebeiträge zum 2. europaweiten Aktionstag, zur Situation der von den Arbeitsverboten Betroffenen, und ein offener Brief des Bündnis aktiv für Menschenrechte, Sprechchöre (kein Mensch ist illegal, Bleiberecht für alle; Arbeitsverbot ist keine Integration; statt Sozialhilfe Arbeitserlaubnis...
Dazu gab es einen Infostand an dem viele PassantInnen einen Zwischenstop einlegten und die Forderungen der Karawane an die Stadt unterschrieben.
Auch viele die gerade zufällig aus dem Ausländeramt kamen gesellten sich spontan für eine Weile zu der Kundgebung.
Die Offiziellen des Ausländeramts liessen sich nur kurz vor dem Amt sehen, ohne den direkten Kontakt zu suchen: sie sprachen nur mit der Polizei.
Es scheint, sie werden so langsam dünnhäutig.
Nun, im Verhältnis dazu: die von ihren Massnahmen betroffenen Menschen haben ihre Arbeit verloren und müssten, falls sie jetzt wieder eine Arbeitserlaubnis erhalten, unter den Bedingungen der Nachrangigkeit den derzeitig ja recht abgegrasten Arbeitsmarkt absuchen... schlechte Aussichten.
Wie sich so Beamte fühlen, die mit einem Federstrich Existenzen vernichten, wird mir unbegreiflich bleiben.
Also, Nürnberg rockt!

Besucht die anderen Demos, Und Kundgebungen in eurer Stadt, informiert euch oder nehmt Teil an der Mini-Anti-Lager Tour:

Zum europaweiten „Aktionstag für die Bewegungsfreiheit
und gegen menschenverachtende Flüchtlingslager“ wird es am 2.
April 2005 bei der Ausländerbehörde in Senftenberg und im zwölf Kilometer
entfernten Internierungslager in Bahnsdorf (Landkreis
Oberspreewald-Lausitz in Brandenburg) Aktionen für Bewegungsfreiheit und
Bleiberecht geben.
Treffpunkt in Berlin:
Bahnhof Lichtenberg 02.04.2005 (Berlin)
Uhrzeit:08:40 Uhr
Mini-Anti-Lager-action-Tour

Um 08:49 Uhr fährt der Regionalzug nach Senftenberg (140 km von Berlin
entfernt). Von dort sind es noch 12 km bis nach Bahnsdorf(mit der
Regionalbahn von Senftenberg zu erreichen) wo das Flüchtlingslager sich
befindet. Hier gibt es um 11:30 die Auftaktkundgebung.
Das Lager in Bahnsdorf soll besichtigt werden. Anschießend gibt es
eine Demo durch Bahnsdorf. Wer nicht zum Vorbereitungstreffen
(01.04.05 um 20 Uhr im Mehringhof) kommen konnte und kein Auto hat: es gibt auch Züge nach
Bahnsdorf (Adresse des Lagers: Friedhofstraße 1,03103
Bahnsdorf)

Oder wenns zu weit ist: Naziaufmarsch in München am 2.4.verhindern
Vergesst dabei wenn möglich den Bezug zum 2.Europaweiten Aktionstag nicht...
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Ergänzungen

was fehlt

Caravan 01.04.2005 - 20:25
Unsere Forderungen:Bleiberecht für alle.
Sofortige Wiedererteilung von Arbeitsgenehmigungen.
Einrichtung einer Härtefallkommission in Bayern
Weg mit Residenzpflicht für uneingeschränkte Bewegungsfreiheit
Zerschlagt die Festung Europa
Alle sollen bleiben könne, wo sie wollen.
Nazis auf den Mond.

Presse dazu:

Caravan 10.04.2005 - 15:05
Folgenreiche „Bund-Länder-Lyrik“
Unerwünschte Nebenwirkungen des Einwanderergesetzes — 70 auf der Straße

Rund 70 Flüchtlinge aus Eritrea und Äthiopien haben vor einigen Wochen ihre Arbeitserlaubnis verloren. Während sie auf der Straße stehen, betonen jetzt in Berlin SPD, Grüne und die Flüchtlingsbeauftragte des Bundes, dass diese Nebenwirkung des neuen Zuwanderergesetzes keineswegs gewollt sei.

Offenbar hat das Gesetz die Kompromissverhandlungen zwischen Bund und Ländern nicht unbeschadet überstanden. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion nimmt in einem Schreiben an den Äthiopischen Kulturverein Nürnberg „diese Tendenz besorgt zur Kenntnis“. Das Gesetz müsse „überdacht werden, wenn sich die Entscheidungspraxis nicht ändert“, so Dieter Wiefelspütz. Die Berliner Migrationsexpertin Jutta Graf (Grüne) argumentiert in ihrer Stellungnahme ähnlich.

Wirtin blitzte ab

Wie mehrfach berichtet, hat das Nürnberger Ausländeramt den nach einem abgelehnten Asylantrag geduldeten 70 Migranten plötzlich die Arbeitserlaubnis verweigert und sich dabei auf eine neue Verordnung berufen. Die Betroffenen, oft seit Jahren in festen Stellen, wurden zwangsweise zu Sozialhilfeempfängern. Sie müssen schlimmstenfalls wieder in Asylbewerberheime ziehen.

Anspruch auf Arbeitslosengeld haben sie trotz jahrelang gezahlter Beiträge nicht, weil sie dem Arbeitsmarkt ja nicht zur Verfügung stünden, heißt es. Keine Arbeitserlaubnis, kein Arbeitslosengeld, heißt die Gleichung. Die Betroffenen fühlen sich nicht nur übel behandelt, sondern auch noch enteignet.

„Die vielen kleinen rassistischen Anfeindungen im Alltag und das Gefühl, hier nicht willkommen zu sein, begleiten uns Ausländer tagtäglich“, schrieb Lepesse Kassu vom Äthiopischen Kulturverein an Marieluise Beck, die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung. Seine Landsleute bräuchten endlich eine Perspektive für ihr Leben, sonst gingen sie psychisch zu Grunde.

Marieluise Beck kritisiert in ihrer Antwort an die Äthiopier denn auch die „schwerwiegenden Folgen der ausländerbehördlichen Praxis der Stadt Nürnberg“ und verweist darauf, dass „öffentliche Stellen . . . in der Startphase einzelne Abläufe noch nicht eingeübt haben“ könnten.

Aus Sicht der Grünen-Politikerin wollte der Gesetzgeber eigentlich bisher geduldeten Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis und damit eine Bleibeperspektive erhalten. Beck geht davon aus, dass sich „die von Ihnen beschriebene Praxis nicht verfestigen wird“.

Dafür gibt es allerdings keinerlei Anzeichen. Obwohl sich Arbeitgeber wie die Inhaberin des Restaurants „Ca’sandra“, Sandra Müller, intensiv für bewährte Küchenhelfer und Putzkräfte einsetzten, bleibt die Behörde bei ihrem Vorgehen. Auch Wirtin Müller blitzte ab: „Es hieß nur, alles sei rechtens.“ Sie selbst ist da anderer Meinung, doch der Betrieb muss weiterlaufen.

Rechtslage bleibt gleich

Ein Schreiben des Bundesinnenministeriums an alle 16 Bundesländer gießt nun zusätzlich Wasser auf die Mühlen der Kritiker der Ausländerbehörde. Gerold Lehnguth, Chef der Migrationsabteilung, teilt „aus gegebenem Anlass“ mit, dass trotz des neuen Gesetzes hier „keine Änderung der Rechtslage“ eingetreten sei.

Organisationen wie Flüchtlingsorganisation Karawane, Arbeitskreis Asyl der Innenstadtgemeinden oder Ausländerbeirat sehen sich bestätigt — Rechtsdirektor Hartmut Frommer dagegen hält sich an den Buchstaben des Verordnungstextes. Auch wenn er ihn kaum mehr begreift. „Das ist Bund-Länder-Lyrik“, schimpft Frommer. Das Gesetz sei zu Tode kompromisst worden und er allein könne nicht entscheiden, ob Integration oder ausländerpolitische Härte gewollt seien.

CLAUDINE STAUBER
9.4.2005 0:00 MEZ

© NÜRNBERGER NACHRICHTEN

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