Der 3.Prozesstag in Aachen

UnterstützerInnen 30.03.2005 22:53
Heute war der 3. Prozesstag gegen Jose Fernandez Delgado, Bart De Geeter, Gabriel und Begona Pombo da Silva
Prozessbericht 3.Prozesstag in Aachen 30.03.04

Der 3. Prozesstag gegen Bart de Geeter, Gabriel Pombo da Silva, Jose Fernandez Delgado und Begonia Pombo da Silva begann heute gegen 10.20 Uhr.
Sven Lindemann, einer der Anwälte von Bart, stellte zunächst den Antrag, dass aus den Videoaufnahmen der Ueberwachungskameras der Tankstelle „Stangenhäuschen“ zu protokollieren sei, dass Bart keine Schusswaffe bei sich hatte und die auch nicht versteckt haben konnte, da er mit einem T-shirt und einer engen Blue-Jeans bekleidet war und auch keinen Rucksack oder dergleichen bei sich trug in dem eine Waffe verborgen gewesen sein könnte. Dagegen wäre zu sehen, dass Bart sich abgeduckt hatte, in Deckung ging, sich weiterhin passiv verhielt und sich aus der Bedrohungssituation raushielt. Desweiteren sei er nicht in den ersten „Fluchtwagen“ mit eingestiegen. (Der gesamte Antrag kann auf der website www.escapeintorebellion.info nachgelesen werden.)

Die folgenden ZeugInnenvernehmungen begannen mit der Befragung der Geisel Frau Schulz. Sie erzählte, dass sie und ihr Mann an dem betreffenden Tag, 28. Juni 2004, auf der Tankstelle gewesen waren, um ihr Auto zu reinigen. Als sie mit Saugen beschäftigt war, hörte sie wie ihr Mann sagte, sie solle in Deckung gehen. Zwei Täter, die sie als Jose und Gabriel benannte, kamen, einer hielt ihrem Mann eine Waffe an den Kopf und wollte mit ihm zum nebenstehenden Auto. Ihr Mann sagte, die Täter sollen die Frau da lassen und nur ihn mitnehmen, aber der andere Täter hielt auch ihr eine Waffe an den Kopf und zwang sie, sich in das Auto zu setzen. Da das Auto nicht ansprang, fragte ihr Mann, ob er es versuchen solle, aber auch er konnte das Auto nicht starten und alle mussten wieder raus. Einer der Täter schoss in die Luft, die Polizisten sollten weggehen.
Gabriel und Jose „gingen“ daraufhin mit den Geiseln zu dem roten BMW, dem Wagen, mit dem Bart, Gabriel, Begonia und Jose gekommen waren, da sie offensichtlich ein schnelles Auto brauchten und ihres, ein Fiat Punto, kaputte Stossdämpfer hatte.
Laut Aussage der Frau war Gabriel der Fahrer, sie selbst sass hinten in der Mitte, links von sich Jose, rechts Bart und ihr Mann vorn auf dem Beifahrersitz.
Während der Flucht, wobei sie „rote Ampeln“ überfuhren, hielt der Mann links neben ihr, ihr mehrfach die Waffe an den Kopf. Ihr Mann fragte, wohin sie wollen, woraufhin die Antwort „Belgien“ kam und ihr Mann meinte, dass er den Weg kennen würde. An einer Kreuzung kam ihnen ein Polizeifahrzeug entgegen und sie dachte erst, dass es sie rammen wolle. Als Fahrer (Gabriel) daraufhin nach links anstatt nach rechts fuhr, gab es einen Unfall. Sie setzten zurück und flohen weiter. Während der Fahrt schoss der Mann links neben ihr (Jose) mehrmals aus dem Fenster auf die sie verfolgende Polizei, indem er sich rausbeugte. Ihr Mann wollte, dass sie sich anschnallt, was sie tat und er sagte, sie sollen die Knarre von ihrem Kopf nehmen. Die Täter sagten, dass sie ihnen nichts tun wollten, aber sie verstand nicht, warum sie dann immer wieder die Waffe am Kopf hatte.
Das Auto hielt dann an. Sie hatte den Eindruck, es war beschädigt. Die Täter stiegen aus und gingen zu einem anderem Auto, einem Mercedes und wollten, dass der Fahrer ausstieg, was er erst nicht tat. Daraufhin schlug einer mit der Waffe auf die Scheibe.
Der Mercedesfahrer hatte eine leichte Verletzung am Kopf. Sie und ihr Mann sassen währenddessen im BMW und warteten auf das was folgen sollte. Ein Täter wollte die Beiden mitnehmen, aber die anderen wollten weiter und sie flüchteten ohne die Geiseln weiter.
Als dann Polizei kam, hörte ihnen niemand zu und ihr Mann wurde ärgerlich. Dann holten sie einen Krankenwagen und sie bekam eine Infusion zur Beruhigung. Die erste Vernehmung seitens der Polizei war noch am selben Tag.
Auf die Frage des Richters wieviele der Männer bewaffnet waren, sagte sie „Zwei.“ Und zeigte auf Bart, als die Frage kam, welcher von den Angeklagten keine Waffe trug. Sie sagte auch, dass Bart gar nichts weiter gemacht hatte, ausser ihr den Gurt zum anschnallen zu geben. Er war auch bei der eigentlichen Geiselnahme nicht dabei.
Begonia hatte sie erst an der Tankstelle gesehen, als sie bereits im Fluchtwagen sassen.
Jose und Gabriel hätten sich in einer Sprache unterhalten, die sie nicht verstand und sie auch nicht wusste, was für eine Sprache das war. Sie meinte aber, dass Jose es war, der Gabriel übersetzte, was ihr Mann sagte wegen der Wegbeschreibung.
Auf die weitere Frage des Richters nach der Geschwindigkeit, sagte sie, dass sie über 50km/h stellenweise 70-80km/h fuhren, auch über Bürgersteige flüchteten.
Der Richter wollte wissen, was Bart tat, als die anderen das Fluchtfahrzeug wechselten. Sie sagte, dass er im Endeffekt mit einstieg und sie keine Waffe bei ihm sah.
Sie hatte auch nicht mitgekriegt, ob sich jemand von den Tätern mit dem Mercedesfahrer unterhielt. Er war sehr nervös.
Sie beschrieb auch die Täter als nervös.
Aus der Klinik kam sie noch am selben Tag raus, war dann aber in psychologischer Behandlung.
Zu dem Zeitpunkt der Geiselnahme war sie in der 6.Woche schwanger und ist vor vier Wochen Mutter geworden.
Auf Nachfragen blieb sie dabei, dass links neben ihr Jose sass und er übersetzt hatte, da der Fahrer auch damals keine Haare hatte, wie Gabriel jetzt.
Auf die Frage von Gabriels Anwalt Martin Poell sagte sie, dass die Polizei bei der Vernehmung nicht danach gefragt hatte, wie die konkrete Bedrohungssituation für sie aussah, von der sie jetzt erzählt hatte.

Herr Schulz, der Ehemann und zweite Geisel, bestätigte insoweit die Aussagen seiner Frau. Er ergänzte, dass Bart und Begonia an der Tankstelle am Fenster mit den beiden anderen geredet hatten, woraufhin Bart ins Auto einstieg, Begonia an der Tankstelle blieb. Auf seine Aufforderung, die Waffe von seiner Frau zu nehmen, wurde das auch gemacht.
Auf die Frage, warum er bei der Vernehmung den Fahrer als Jose identifiziert hatte und den Mann links neben seiner Frau als Gabriel, heute aber andere Aussagen machte, sagte er, dass er sich jetzt an die Mimik erinnert hatte, als er die Beiden im Saal sah.
Auf die Frage des Richters, wie er bei der Prozesseröffnung den Gesang und den Applaus empfunden hatte, sagte er, dass er Wut und Hass hatte. Allerdings sei hinterher eine Frau zu ihm gekommen und hätte gesagt, dass das nichts damit zu tun hat, dass die Leute, die Situation seiner Frau und ihm nicht verstehen würden und es ihnen leid tat. Er hatte sich auch bereits mit Hintergrundinformationen zu Gabriel und Jose beschäftigt.

Nach diesen ZeugInnenvernehmungen verlass der Richter eine Verfügung, die beinhaltete, dass Bart und Begonia eine untergeordnete Rolle bei dem Prozess spielten. Da Gabriel und Jose eine führende Rolle innehatten, aufgrund der Bewaffnung und falscher Papiere, bestünde eine erhöhte Fluchtgefahr. Diese rechtfertige die extremen Sicherheitsbedingungen, die die Hand-und Fussfesselung, letztere auch im Saal, sowie das Verschliessen von Augen und Ohren. Desweiteren rechtfertige die Situation die Kontrolle der ZuschauerInnen, davon ausgenommen sind Polizei und Anwälte. Bei jedem Zusammenkommen der Angeklagten mit nicht kontrollierten Personen, sprich der Anwälte, sind die Angeklagten erneut zu kontrollieren. Die jeweiligen Kontrollen mit Ausziehen vom Weg JVA-Gericht-JVA sind richtig.
Da Jose keine ersichtlichen Angstzustände hat, wird auch kein Arzt vorsorglich bestellt. Es ist auch nicht klar, ob Jose nicht inzwischen Deutsch gelernt hat, weswegen auch seine Ohren verschlossen werden.
Diese Verfügung bezog sich auf die Anträge von Martin Poell, Gabriels Anwalt und Ulf Israel, dem Anwalt von Jose, die sie beim zweiten Prozesstag gestellt hatten und denen damit „abgeholfen“ wurde.
Ulf Israel und Martin Poell rügten daraufhin die Verfügung, was eine gerichtliche Entscheidung (Vorsitzender sowie die beiden Nebenrichter) nach sich zieht.

Martin Poell beanstandete, dass die Verteidigerpost seines Mandanten (Gabriel) nach Verhandlungstagen kontrolliert würde, was eine Einschränkung der Verteidigung ist und keine Sicherheitsbestimmung.

Gabriel sagten zu den Sicherheitsverfügung, dass Sicherheitsbestimmungen das eine sind, Amtsmissbrauch aber das andere. In spanischen Gefängnissen sei er von Faschisten wie dem Richter gefoltert worden. Sich dreimal nackt auszuziehen heisst gedemütigt zu werden. Was solle das Verschliessen von Augen und Ohren für einen Sinn haben, wo er an einem festen Punkt, dem Aachener Knast sitzt. Es geht nicht um Sicherheit, sie inszenieren ein Spektakel, in dem sie als Terroristen vorgeführt werden. Wohin sollten sie gehen mit den Fussfesseln und den Bullen um sie rum!

Gabriel zweiter Anwalt Rubarth sagte darauf zum Richter, dass der an Gabriels Reaktion auf die Verfügung sehen könne, welche Erfahrungen Gabriel hat, dass er das Verschliessen von Augen und Ohren als Folter empfindet und der Richter diese Hintergründe Gabriel in der Verfügung nicht berücksichtigt hat.

Weiter ging es mit dem Zeugen Bender, der der Fahrer des Mercedes an der Tankstelle war, der nicht gestartet werden konnte. Er beschrieb sehr genau, was er wahrgenommen hatte, von der Kontrolle des BMW bis hin zu Begonias sportlicher Figur. Er war nachdem er seinen Autoschlüssel zu den Tätern geworfen hatte, was er erst nicht machen wollte, ihn aber der BGS-Beamte auch aufforderte zu tun, ins Feld gerobbt und als er später zurückkam, waren alle weg, bis auf einen LKW-Fahrer. Das sein Auto noch stand, verwunderte ihn und er schloss daraus, dass die Frau den Wagen starten wollte und nicht geschafft hatte, da er einen elektronischen Schlüssel benutzte.
Er meinte sich daran zu erinnern, dass alle bewaffnet waren, alle gleichermassen beteiligt waren. Wohin der Schuss ging, der abgefeuert wurde, sah er nicht. Da er vorher davon sprach, dass die Frau eine Sonnenbrille trug, konnte er nicht so genau sagen, woraus er schloss, dass Begonia und der Mann mit dem Rucksack, der dann die Waffe zog (Gabriel) sich mit den Augen verständigten. Er nahm es einfach an, weil sie nichts sagten.

Nach dieser Zeugenvernehmung ergriff Staatsanwalt Geimer das Wort, zu der verlesenen Sicherheitsverfügung und den daraus folgenden Worten Gabriels. Er sagte, dass Gabriel sich mal überlegen sollte, was sie den Geiseln zugemutet hatten, worauf Martin Poell sagte, der Staatsanwalt möchte bitte solche Propagandasprüche lassen, da das eine nichts mit dem anderen zu tun hätte.

Dann wurde der Zeuge Fechte aufgerufen, der der Fahrer des LKW’s war, welcher zur Tatzeit an der Tankstelle „Stangenhäuschen“ stand. Zu dem eigentlichen Vorgang wusste er nichts weiter zu sagen, da er mit seinem „Leiharbeiter“ im LKW sass und Mittagspause machte. Er hatte Schreiereien „Waffen weg!“ gehört, wusste aber nicht wer geschrien hatte und versteckte sich mit dem „Leiharbeiter“ und „älteren Herrschaften“ hinter seinem LKW. Ein Beamter neben seinen Auto sprach ins Funkgerät „...nehmen Geiseln“ und dann sah er einen BMW davonrauschen. Anschliessend waren alle weg. Er schloss die offenen Türen des FIAT Punto und räumte die umstehenden Gepäckstücke aus dem BMW zusammen, weswegen er dann auch Fingerabdrücke bei der Polizei lassen musste. Ein Handy, was er fand, steckte er zu dem Gepäck.
Eine Frau (Begonia) lag auf dem Boden und über ihr ein Polizist. Die Frau wurde dann in den Kofferraum des Polizeiwagens verbracht und sie fuhren weg. Auf Nachfrage von RA Pusch, Begonias Anwalt, erinnerte er sich, dass die Frau gerufen hätte, er wäre ihr Zeuge für die Behandlung.

Als letzte Zeugen für diesen Tag kamen nacheinander POM (Polizeiobermeister) Vengels und PM’in (Polizeimeisterin) Schroiff. Beide in dem dritten, dem Fluchauto folgenden Polizeiwagen gesessen. Die Verfolgung nahmen sie auf, nachdem über Funk die Durchsage der Flucht mit Angabe „roter BMW“ mit Kennzeichen „KA“ (Karlsruhe) kam. Beide beschrieben die Fluchtroute, die mit Risiko in dem dichten Verkehr mit überhöhter Gescheindigkeit genommen wurde. Den Abstand zu dem Fluchtauto konnten beide nicht belegen. Es wurde geschossen auf die Verfolgerautos, wobei Vengels beschrieb, wie der Mann, der schoss, sich aus dem Fenster lehnte. Auf Nachfrage von Barts zweitem RA Franke, mussten der Fluchtwagen sich zu dem Zeitpunkt nicht durch den Verkehr schlängeln. Sie hätten auch teilweise die Geschwindigkeit gedrosselt, weil sie ansonsten irgendwo aufgefahren wären.
Zu einem Zeitpunkt beschrieben beide, dass sie das Fluchtauto aus den Augen verloren hatten und da sie sich nicht mehr in ihren „Wachbereich“ befanden, von Passanten weisen lassen. Sie kamen an ein Gelände, auf dem die Werkstatt war und aus der später Gabriel und Jose rauskamen um sich zu ergeben. Von da an war die Situation „statisch“. Das Gelände, die Häuser wurden durchsucht, woran sich PM’in nicht beteiligt hatte. Sie beschrieb dann, das die Männer später zögerlich, aber nicht agressiv aus der Werkstatt kamen, wo sie sich auf den Boden legten und festnehmen liessen.

Am Ende des Prozesstages bestimmte der Vorsitzende Nohl, dass die Sicherheitsverfügung bestehen bleibe auch nach dem Hinweis auf die Situation in spanischen Knästen.
Gabriel sagte danach noch einmal, nachdem der Richter sich zuvor verbat als „Faschist“ bezeichnet zu werden, dass es genug Sicherheitsmassnahmen sind mit Hinweis auf die vielen Zivis im Saal. Er sagte, die Verfügung ist falsch. Der Richter sehe nicht, was in der JVA und auf dem Transport passiert. Seine Klamotten kämen durch eine Kammer zu ihm, dann muss er sich vor 15 Männern in einer Garage im Knast ausziehen, was demütigend ist. Er sagte, er sei ein „kleiner politischer Gefangener, ein Sozialaktivist, kein Terrorist“ und das ganze Spektakel ist absurd.

Martin Poell bestand noch einmal darauf, dass die Verteidigerpost und die Notizen vom Prozess Tabu sind und auch in der JVA zu beachten sind.
Der Vorsitzende wolle an die JVA weitergeben, dass nichts weggenommen werde.
RA Ulf Israel kündigte einen Antrag für den neuen Prozesstag, morgen 31.03.04 an, damit dieser nicht dann als zu spät abgwiesen werden kann.

Morgen 9.00Uhr geht es weiter im Saal 339.
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looo — ooo

An den Indyzensor — Punxatan

@ Punxatan — Stalinos stinken