"Scheisse Dessau!"

cotopaxi sound 26.03.2005 22:36 Themen: Antirassismus Repression
In Dessau fand heute die Trauerfeier für Oury Jallow statt. Der 21-jährige Flüchtling aus Sierra Leone war am 7.Januar 2005 im Polizeigewahrsam in Dessau verbrannt. Im Anschluß an die Trauerfeier bewegte sich eine Demo mit etwa 200 Menschen durch Dessau und forderte die Aufklärung des Todes von Oury Jallow und ein Ende der rassistischen Polizeigewalt.
Kurze Rückblende:
Am 7.Januar 2005 wird Oury Jallow in Dessau in Polizeigewahrsam genommen. Ihm wird vorgeworfen, Frauen belästigt zu haben, aus "Sicherheitsgründen" wird er nach der Durchsuchung in seiner Zelle mit Handschellen an Händen und Füßen an das Bett gefesselt. Die Durchsuchung muss sehr oberflächlich gewesen sein und andere mysteriöse Faktoren im Spiel gewesen sein, denn laut Polizeiangaben schafft es Jallow, seine nicht brennbare Matratze in Brand zu setzen, obwohl er am Bett fixiert ist. Die anwesenden Polizisten ignorieren die Gegensprechanlage und den Feuermelder. Oury Jallow verbrennt bei lebendigem Leibe.

Trauerfeier:
Heute fand auf dem Dessauer Friedhof die Trauerfeier für Jallow statt. An die 200 Menschen hatten sich zusammengefunden, größtenteils Flüchtlinge aus Brandenburg und anderen Gegenden, einige wenige deutsche AktivistInnen und auch ein Vertreter des Innenministeriums und der Dessauer Oberpfarrer, der später noch eine unrühmliche Rolle spielen sollte.
Die Leiche Jallows war im geschlossenen Sarg neben den Rednern aufgebahrt,
nach einer einleitenden Trauermusik nahm ein Teil der Trauergäste an einem islamischen Trauergebet teil, danach wurden von Vertretern verschiedener Gruppen Reden gehalten. Die Stimmung war getragen, die Presse gut vertreten, unter anderem war ein von Filmteam vom ZDF anwesend. Unter anderem sprachen ein Vertreter der Dessauer Gemeinde, der Bruder Oury Jallows und ein Vertreter der Berliner Flüchtlingsplattform. In den Traueransprachen wurde deutlich auf die Weise zu sprechen gekommen, in der Jallow, vor den Kriegen Westafrikas geflohen, im deutschen Polizeigewahrsam starb. Der Beitrag der Flüchtlingsplattform ist unten dokumentiert. Nach einer Schweigeminute ergriff ein Vertreter des Innenministeriums, der Vertreter des Staatssekretärs, Herr Veil das Wort und schaffte es aus bemerkenswerte Weise, die Ignoranz und Plumpheit deutscher Bürokratie darzustellen. Er sagte sinngemäß, dass er als Vertreter des Innenministeriums hier sei, um die Betroffenheit der Behörde auszudrücken, und das sei "der einzige Grund".
Das allerdings war noch sehr freundlich im Vergleich zu den peinlichen Versuchen, Dessau vom Makel des Labels "fremdenfeindlich" reinzuwaschen, in denen sich der Oberpfarrer Dessaus erging, der danach sprach. Nach einigen Floskelsätzen über die Betroffenheit und die Gleichheit aller Menschen vor Gott entblödete sich der Pfarrer nicht, vor den Angehörigen und Freunden Jallows, vor AktivistInnen und Flüchtlingen wieder und wieder zu wiederholen, das Dessau keine fremdenfeindliche Stadt sei. Einige Menschen verließen den Trauersaal, als er sagte, daß "jeder Dessauer versucht, die Ausländer zu integrieren". Seine ganze Rede scherte sich einen Scheissdreck um den Tod Jallows, um die Schmerzen seiner Angehörigen und um die Ungerechtigkeit eines rassistischen Alltags. Es ging ihm einzig und allein um das Bild Dessaus. Seine einzige Sorge, die aus dem Tod von Jallow entsteht, ist die um die öffentliche Wahrnehmung Dessaus. Der Gipfel war erreicht als er sich anmaßte, die Freunde und Angehörigen Jallows indirekt aufzufordern, ruhig zu bleiben und keine Vorwürfe zu erheben. Das Zitat sinngemäß: "Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, und wir sollten voreilige Schlußfolgerungen vermeiden, denn sie heizen die Atmosphäre nur an." Diese unglaubliche Frechheit, im Bewußtsein der Art und Weise, wie Jallow starb, nämlich lebendig zu verbrennen den Begriff "anheizen" zu benutzen, steht exemplarisch für eine deutsche Verwaltung und Gesellschaft, die sich in guter alter Tradition im Ausschließen, Wegsehen und Vergessen übt.
Bald nach dem genannten Zitat wurde der Pfarrer endlich durch einen Zwischenruf unterbrochen, der ihn aufforderte, zu verschwinden. Er folgte nach einem kurzen Moment der Verwirrung der Aufforderung und wurde vor dem Ausgang der Trauerhalle von aufgebrachten Trauergästen mit dem Vertreter des Innenministeriums beschimpft und verließ schnell das Gelände.
Es wurde nun die Trauerfeier beendet und es war allen Gästen frei gestellt, sich am nun geöffneten Sarg von Jallow zu verabschieden. Einige Menschen taten dies (die AutorIn diese Beitrags nicht) und vor dem Ausgang des Trauersaals spielten sich nun ergreifende Szenen ab. Nach der "Verabschiedung" der beiden deutschen Herren waren einige Menschen nach der Betrachtung des völlig entstellten Körpers Jallows völlig außer sich vor Trauer und Entsetzen. Es kam zu Streitigkeiten darüber, wie nun weiter vorgegangen werden sollte, glücklicherweise wurde sich ziemlich schnell geeinigt.

Demo:
Vom Bahnhofsvorplatz ging nun eine sehr emotionale und chaotische Demo los. Wiederum etwa 200 Menschen gingen, mit drei Tranpis und vielen Flyern, die den wenigen anwesenden DessauerInnen in die Hände gedrücktr wurden, zwei Stunden lang durch Dessau. Dabei bekam sowohl die zurückhaltend anwesende Polizei als auch Dessauer BürgerInnen zu spüren, was an Wut und Trauer in den Herzen der Demonstrierenden vorhanden war. Kurz nach Beginn der Demo ging die Spitze schnell und laut skandierend auf einen auf einer Rasenfläche postierten Streifenwagen zu. Die offensichtlich verängstigten BeamtInnen verzogen sich schnell in ihr Auto, dass nun umlagert, bespuckt und dem auch einige Teile abgetreten wurden. Die Stimmung war äußerst aufgeheizt, emotional, gut. Es war deutlich zu spüren, dass hier Menschen, die sonst bis zur ihrer Abschiebung in menschenunwürdigen Sammellagern eingesperrt sind und von dieser Gesellschaft nichts als Verachtung und Bedrohung in Antwort auf ihre Bitte um Hilfe bekommen, einen Moment des Agierens gewonnen hatten. Das war auf der ganzen Demo immer wieder zu spüren.
Beim Verteilen der Flyer trafen wir auf ein geteiltes Echo: Kommentare wie "Gut, dass ihr das macht" und unangenehm berührte "Ach ja, das..." wechselten sich mit "Ach, hau ab!" und "Na ja, er war ja in Polizeigewahrsam, also muss er ja irgendwas gemacht haben!" ab.
Nachdem die Polizei kurzzeitig einschreiten musste um eine Dessauerin zu schützen, die die Demo vom Bürgersteig beschimpft und angeschrien hatte und der ziemlich ruppig gezeigt wurde, dass die Flüchtlinge sich heute nichts gefallen lassen, fand vor dem Polizeirevier, in dem auch Oury Jallow starb, eine Zwischenkundgebung statt. Hier fiel aus der Demo auch der Satz, der diesem Artikel den Titel gab und exemplarisch für die Situation vor Ort gelten kann: "Scheisse Dessau!"
Der Redebeitrag der Flüchtlingsplattform wurde noch einmal gehalten und es war kein Spaß, sich die Gesichter der PolizistInnen anzuschauen, die das Revier schützten. Mittlerweile mit fünf oder sechs Wannen im Schlepptau ging die Demo wieder zurück zum Bahnhof und löste sich dort auf.

So endete ein ergreifender und bewegender Demotag. Für die AutorIn bedeutete er einen der ergreifendsten überhaupt und trotz des grauenvollen Anlasses war es eine Freude, an einer solchen Aktion teilzunehmen. Hier hatte mensch das Gefühl, an einer konkreten politischen Handlung teilzunehmen und keine Pseudo-Kämpfe und -Diskurse mittelständischer Kids und Twens mitverfolgen zu müssen.

Also auf zur Mini-Lager-Action-Tour vom 1.-3.April und zum Aktionstag am 2.April!

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Hier der Redebeitrag der Plataforma:

Wir sind heute hier vesammelt um dem Leben – und dem Tod – Oury Jalloh zu gedenken. Wir sind hier, um unseren Respekt zu bekunden für einen Menschen der für viele Bruder und Freund war. Jetzt, ist er nicht mehr unter uns.

Es ist sehr schwer Worte zu finden die das beschreiben was sich am 7. Januar 2005 zugetragen hat. Für viele von uns, die wir aus den Ländern der sogenannten 3. Welt kommen, ist klar, das der Tod Oury Jallohs jeden und jede von uns hätte treffen können. In einer Gesellschaft mit so vielen rassistischen Kontrollen, Missbrauch und Gewalt scheint es nur eine Frage davon zu sein, sich als falsche Person, zur falschen Zeit am falschen Ort zu befinden.

Genau wie für euch, sind auch für uns noch viele Fragen zum Tod Oury Jalloh's offen. Es gibt zu viele Widersprüche und Versuche die Wahrheit zu vertuschen. Sogar die deutsche Kriminalpolizei sagt zu den Untersuchungen in diesem Fall: „Hier wurde der Anschein einer gleichgültigen und unfähigen Polizei erweckt.“ Wenn Sie das schon selbst sagen, was sollen wir dann denken.

Oury, ein Flüchtling in diesem Land ist Tod. Als Flüchtling geboren und als Flüchtling gestorben. Sein ganzes Leben Flüchtling. Mit in sein Grab nimmt er den Status der ihm zugewiesen wurde, weil er Schutz vor Verfolgung suchte: die Duldung.

Aber Oury war nicht alleine. Er war einer von vielen Flüchtlingen die gestorben sind weil sie gezwungen wurden, auf der Suche nach einem besseren Leben aus ihrem Land zu flüchten.
Weil sie etwas zu essen wollten oder -Oury war erst 21 Jahre alt- studieren. Aus Gründen, die wir nicht verstehen wird dies von vielen Europäischen Regierungen und ihren Bürgern als Verbrechen betrachtet. Flüchtlinge, die Schutz suchen, werden als Kriminelle behandelt. Und Menschen, die von der Gesellschaft kriminalisiert sind, werden ihrer Rechte und Würde beraubt.
Flüchtlinge sind Menschen, für die Chancen und Respekt Fremdworte bleiben, denen jede reale Bedeutung fehlt. Besonders hier. Besonders in Deutschland, wo wir isoliert und von der Gesellschaft ausgeschlossen sind.

Es ist wieder Frühling in Europa. Der Wind dreht sich, das Wetter wird wärmer und das Mittelmeer beruhigt sich. Das bedeutet neue Möglichkeiten für die europäischen Touristen, vor allem aber, dass wieder mehr tote Körper an den Küsten der Festung Europa angespült werden. Symbole eines Traums, der auf der Reise starb. Es sind Zehntausende, einige tot und einige, die es schaffen, noch einen Tag zu überleben. Sie riskieren ihr Leben, um hierher zu kommen – und wofür?

Was ist der Preis um die Küsten der Festung Europa zu erreichen? Welchen Preis zahlte Oury Jalloh um hierherzukommen, seine Flucht überlebend, nur um im Paradies lebendig zu verbrennen? Und seine Familie? Welche Gedanken kamen ihnen in den Kopf? Hatte ihr Sohn es nach Europa geschafft? Würde ihr Sohn Oury endlich die Chance haben, mehr zu sein als ein Flüchtling? Würde er Bildung und Arbeit finden? Würde er letztendlich den Ort von Zivilisation,Fortschritt und Möglichkeiten erreichen?

Glaubt Ihr, das Oury seiner Familie von den Bedingungen erzählt hat in denen er gezwungen wurde als Flüchtling zu leben? Erzählte er ihnen von Duldung und Heimen, Residenzpflicht und Abschiebung? Erzählte er ihnen, das er oft kontrolliert und misshandelt wurde, weil er schwarz war? Das ihm die Möglichkeit zu arbeiten, zu studieren, sich frei zu bewegen und deutsch zu lernen verweigert wurde? Erzählte er ihnen, das die einzige Möglichkeit, die ihm gelassen wurde war im Heim zu sitzen -zu essen und zu schlafen, zu essen und zu schlafen – bis der Abschiebebescheid kam und seine Duldung endete. Erzählte er ihnen, dass er abgeschoben werden würde oder -noch einmal!- fliehen müsste um zu überleben?

Jetzt ist es zu spät. Oury Jalloh hat nicht überlebt. Er starb in einer Gefängniszelle in einer Stadt namens Dessau. Oury starb; er verbrannte bei lebendigem Leib, mit Händen und Füssen ans Gefängnisbett gefesselt.

Wir sind heute auch hier mit Worten an euch alle, die heute hier sind. Wir sind hier um euch zu sagen, dass diese Situation nicht weiter bestehen darf und dass wir nicht mehr schweigen werden im Angesicht von solcher systematischer und verbreiteter Unmenschlichkeit.

Hiermit rufen wir die deutsche Gesellschaft und die deutsche Regierung auf: Stoppt die Gewalt!
Die Ausgrenzung, die Kriminalisierung und die rassistischen Kontrollen müssen aufhören!
Hört auf, Menschen wegen der Farbe ihrer Haut oder ihrer Pässe wie Kriminelle zu behandeln!
Beendet diese Ungerechtigkeit!

Den anderen Flüchtlingen und Migrantinnen möchten wir heute sagen: Der einzige Weg, um Oury Jalloh aufrichtig zu ehren/gedenken besteht darin, alles in unserer Macht stehende zu tun, um so etwas nicht nochmal geschehen zu lassen.Wir müssen uns gegenseitig unterstützen, um unsere Furcht zu überwinden und aus unserer Isolation auszubrechen.

Um Oury Jalloh unseren aufrichtigen Respekt zu bekunden, müssen wir versuchen, dass sein ungerechter Tod etwas Positives bewirkt: Dass wir gemeinsam sagen: Genug! Genug Gewalt! Genug Ungerechtigkeit!

Und noch ein letztes Wort: Der palestinensische Dichter Muhammad Aziz al-Hababi schrieb in seinem Gedicht „Wie lange noch?“:
„Wann werden wir die Früchte unseres Landes und die süsse unseres Himmels geniessen können? Wann wird die Sonne einen Platz in unseren Herzen finden? Wird dieser Tag kommen? Genauso für alle anderen? Alle Menschen suchen Frieden. Wir ziehen es vor, gegen den Tod der uns erblinden lässt, zu kämpfen.[...] Jeden Tag, ohne Unterlass! Auch wir glauben dass dies ein Kampf gegen diese Kultur, gegen diese Logik des Krieges und des Todes, gegen diese Logik der historischen Ungerechtigkeit ist. Wenn wir das in unseren Herzen bewahren, ist dies etwas, was wir gemeinsam gestalten können.
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Ergänzungen

nestbeschmutzer

kollegenschwein 26.03.2005 - 23:37

die staatsanwaltschaft ermittelt gegen mindestens zwei beamte, unter anderem wegen des verdachts der körperverletzung mit todesfolge und unterlassung der hilfeleistung.
zwei kurze fakten, die dazu führten:
1. der verantwortliche beamte hat zwie mal den feueralalarm abgestellt, den der rauchmelder in der zelle ausgelöst hat, ohne nachzuschauen was ihn ausgelöst hat. nicht nur im sinne des dienstgesetzes und der bransicherheit von gebäuden wäre dies ein eindeutiger verstoss.
2. der man wurde von polizeibeamten mit hanschellen ans bett gefesselt, um den stark betrunkenen und gewalttätigen mann ruhig zu stellen.
eine solche fesselung zur ruhigstellung darf grundsätzlich nur einem artzt angeordnet oder durchgeführt werden, jeder andere der dies tut, begeht eine körperverletzung.

Monitorbericht

caravan 27.03.2005 - 17:31

endlich

trauer 27.03.2005 - 18:54
Aufklärung im Fall Oury Jalloh gefordert

von Initiative für Oury Jalloh - 22.03.2005 11:54

Oury Jalloh starb am 7. Januar 2005 in einer Gewahrsamszelle der Dessauer Polizei. Der 21-Jährige Mann aus Sierra Leone verbrannte bei lebendigem Leib auf einer Pritsche gefesselt, ohne dass ihm jemand zu Hilfe kam. Viele Fragen zu den genauen Umständen des Todes und dem Verhalten der verantwortlichen Polizisten sind noch ungeklärt. Im folgenden soll ein Überblick über das was geschehen ist und die AKtivitäten in diesem Zusammenhang gegeben werden.


MigrantInnen und Flüchtlinge fordern Aufklärung im Fall Oury Jalloh

* Dringender Aufruf zu einer Faxkampagne: Initiative im Gedenken an Oury Jalloh fordert unabhängige Röntgenuntersuchung
* Stellungsnahme der Anwältin von Oury Jalloh zur Presseerklärung der Staatsanwaltschaft
* Trauerfeier- und Demoaufruf
* Chronologie der Ereignisse um den Feuertod
* Weitere Links

Mehr Information:
 http://www.thevoiceforum.org
 http://www.attac.de/halle/oury/


Dringender Aufruf zu einer Faxkampagne: Initiative im Gedenken an Oury Jalloh fordert unabhängige Röntgenuntersuchung
Oury Jalloh starb am 7. Januar 2005 in einer Gewahrsamszelle der Dessauer Polizei. Der 21-Jährige Mann aus Sierra Leone verbrannte bei lebendigem Leib auf einer Pritsche gefesselt, ohne dass ihm jemand zu Hilfe kam. Viele Fragen zu den genauen Umständen des Todes und dem Verhalten der verantwortlichen Polizisten sind noch ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt momentan gegen zwei Polizisten wegen Körperverletzung mit Todesfolge und fahrlässiger Tötung. Es wäre jedoch nicht das erste Mal das derartige Ermittlungen eingestellt bzw. zu Gunsten der Staatsbeamten ausgehen würden.

Nun wollen die Behörden den Leichnam nach Guinea abschieben, bevor die genauen Umstände seines Todes geklärt werden, wofür eine Röntgenuntersuchung notwendig wäre. Deswegen fordern wir:

Überführungsstop bis zur Überprüfung des rechtsmedizinischen Abschlussgutachten

Der Trauerfeier findet am 26. März statt. Die Behörden wollen spätestens am 29. März seine Leichnam abschieben. Wir müssen das unbedingt verhindern!!!

Unten steht die Faxnummer und E-Mail Adresse der Staatsanwaltschaft Dessau. Um die Überführung zu stoppen, muss es Druck geben.

Wir bitten Euch, immer einen Kopie Eures Schreibens an: "plataforma at riseup.net" zu schicken.

Staatsanwaltschaft Dessau
Ruststr. 5, 06844 Dessau
Telefon: 0340 / 202-0
Telefax: 0340 / 202-2150
E-Mail:  poststelle@sta-de.justiz.sachsen-anhalt.de


Stellungsnahme der Anwältin von Oury Jalloh zur Presseerklärung der Staatsanwaltschaft
Von der Rechtsanwältin der Mutter von Oury Yallow wurde beantragt, eine Röntgenuntersuchung am Leichnam des Getöteten durchzuführen, um festzustellen, ob bei Herrn Yallow knöcherne Verletzungen bestanden.

Die Staatsanwaltschaft hat dies nach Rücksprache mit dem Rechtsmedizinischen Institut abgelehnt. Für eine derartige Untersuchung bestehe kein Anlass.

Eine derartige Untersuchung ist deshalb erforderlich, da zum einen kurz nach dem Tod von Herrn Yallow der Presse zu entnehmen war, die Handgelenke seien gebrochen gewesen. Außerdem ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen, dass Herr Yallow gegen seine Festnahme durch die Polizei Widerstand geleistet haben soll. Es ist durchaus denkbar, dass Herrn Yallow in diesem Zusammenhang Knochenverletzungen zugefügt wurden.

Außerdem ist nach wie vor ungeklärt, wie das Feuerzeug in die Gewahrsamszelle kommen konnte, da Herr Yallow vor seiner Verbringung in diese Zelle auf gefährliche Gegenstände hin untersucht wurde. In ihrer ersten Vernehmung gaben die Polizeibeamten an, es sei ausgeschlossen, dass im Rahmen dieser Durchsuchung ein Feuerzeug hätte übersehen werden können.

Eine weitere Ungereimtheit ergibt sich daraus, dass dieses Feuerzeug auf einer Asservatenliste vom 10.1.2005 nicht auftaucht, jedoch auf einer weiteren Asservatenliste vom 11.1.2005. Dazu erfolgte bislang noch keine Erklärung seitens der Staatsanwaltschaft.

Weitere ungeklärte Fragen sind:

* Warum wurde Herr Yallow über einen Zeitraum von mehreren Stunden an allen vier Gliedmaßen angekettet, in dieser Gewahrsamszelle festgehalten.
* Wie kann eine Matratze, die mit einem nicht entflammbaren Überzug überzogen ist, von einem gefesselten Menschen mit einem Feuerzeug in Brand gesetzt werden.
* Soweit es in Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft heißt, es sei zu prüfen, ob Selbstmord oder ein Unglücksfall vorliege, so ist dazu zu sagen, dass schon aus den bisherigen Ermittlungen zu entnehmen ist, dass auf jeden Fall ein starkes Maß an Fremdverschulden vorliegt, wenn man sich nur auf die Tatsache bezieht, dass über mehrere Minuten Rauchmelder und Alarm der Lüftungsanlage ignoriert wurden.
* Weiterhin ist davon auszugehen, dass ein Mensch, auf einer brennenden Matratze liegt, unter derartigen Qualen leidet, dass minutenlanges Schreiben zu hören gewesen sein muss, auch dann, wenn letztlich die Todesursache nicht das Verbrennen ist.



Trauerfeier- und Demoaufruf
Wer kennt Oury Jallow oder Laye Kondé? Wer weiss etwas über ihre Leben und deren Familien, die sie zurückließen, über ihre Gefühle und Ängste? Wer weiß, wie sie starben und warum?

Am 7. Januar kamen in den Händen der Polizei zwei Afrikaner zu Tode. Am 7. Januar war in Deutschland einfach ein Tag, wie jeder andere. Gewöhnlich. Ein Tag, der für viele Menschen schon längst der Vergangenheit angehört und damit wie so oft in Vergessenheit gerät. Schlicht ein Freitag im ersten Monat des neuen Jahres, nicht mehr und auch nicht weniger.

Es gibt aber auch Menschen mit angespannterem Gedächtnis, die nicht so leicht vergessen. Aber was soll´s, da sind einfach ein paar Leute mehr, für die der 7. Januar etwas verdeutlicht. Nämlich das Weiterwirken der unrühmlichen Kolonialgeschichte dieses Landes und des Kontinents. Es sind Leute, die den Tod zweier Afrikaner einfach als Beweis für das Fortbestehen von vergangenen Verhältnissen in der Gegenwart sehen. Ein einziger Alptraum

Die Fakten:
Oury Jallow und Laye Kondé, beide aus Sierra Leone, starben, weil sie und ihres gleichen in diesem Land nicht willkommen sind. Sie starben, weil sie sich in einem Land wiedergefunden haben, in dem man nicht müde geworden ist "Ausländer Raus!" zu schreien. Sie starben, weil ihnen der deutsche Staat und die deutsche Gesellschaft nur Ausschluss und Isolation, Zerstörung und Abschiebung entgegen brachten, wie vielen, vielen anderen Menschen auch.

Oury starb an einem Bett festgebunden im Polizeigewahrsam der Stadt Dessau. Er verbrannte dort bei lebendigem Leibe. Ein Suizid meinen die Beamten gesehen zu haben. Laye starb in der Stadt Bremen. Seine Lungen waren aufgefüllt mit einem Getränk, welches ihn die Polizei erst befahl, dann zwang zu trinken. Es sollte ihn zum Übergeben und die im Magen vermuteten Drogen zum Vorschein bringen.

Wollt ihr mehr Informationen erhalten? Sollten wir objektiver sein? Wie sieht es damit aus: Gemäß eines Artikels der Wochenzeitschrift ?Die Zeit? vom 9. März wurden allein im Januar diesen Jahres jede Stunde ein rechtsextremes Verbrechen begangen. Offiziell beliefe sich die Anzahl auf 745 Verbrechen und 39 Gewaltakte von Rechtsextremen in Deutschland. Im letzten Jahr gab es den Statistiken zu Folge 7.943 Verbrechen und 489 Gewaltverbrechen der rechtsextremen Szene.

Denken Sie, dass Oury und Laye in diesen Statistiken ein Platz zukam? Es besteht zumindest kein Zweifel, dass solch hässliche Verbrechen im Stillen begangen werden, so wie die Behörden sich um dessen Vertuschung oder Verharmlosung als Unfall bemühen. Verbrechen, welche vor langer Zeit ein täglicher Schrecken für viel Menschen des nicht-europäischen Erbes waren.

Aber was wir hier berichten, das ist nichts neues. Es wird wohl weder Euch noch uns als Neues gelten. Und Ihr werdet es genau wie wir ziemlich genau wissen. Wird nicht das, was normal genannt wird? Ist dies nicht banal, eine alltägliche Begebenheit, auch wenn nicht für Sie oder Ihn persönlich? Aber dann sehen Sie dies wieder nicht als Ihr Problem an. Es ist ja jemand Anderem zugestoßen. Wenn Sie dies lesen sollten, dann werden Sie sich vielleicht unwohl fühlen oder sogar aufgebracht sein. Das dürfte auch eine normale Reaktion sein. Sie werden wie wir an diese Gleichgültigkeit gewöhnt sein.

Und nun noch einmal zurück zu einigen Informationen, welche von der Tageszeitung herausgegeben wurden. Einer Studie des Konflikt-. und Gewaltforschers Wilhelm Heitmeyer zufolge sei die große, schweigende Masse überwältigend groß. 60 Prozent aller Deutschen glauben, dass schon zuviele Ausländer in diesem Land leben würden. 69 Prozent sind angenervt, weiterhin mit den Verbrechen gegen die Europäischen Juden in Verbindung gebracht zu werden. Von diesen 69 Prozent bezeichnet sich gut die Hälfte politisch als Mitte.

In Dessau wies der ermittelnde Staatsanwalt die Möglichkeit zurück eine zweite unabhängige Autopsie zu unternehmen. Dabei hätten dort unbeantwortete Fragen gelöst werden können, wie: war sein Handgelenk wirklich gebrochen oder nicht? Nun scheinen sie ihre Gedanken geändert zu haben und die Behörden bereiten Schwierigkeiten für die öffentliche religiöse Beisetzung eines Afrikaners, der vielen Freund und Bruder war.

Freunde von Oury sagten, sie würden die Prozession mit oder ohne Genehmigung der Behörden durchführen. Und sie werden nicht halt machen, die eigentlichen Ereignisse in Dessau anzuklagen. Seit solch starke Positionen häufig bezogen wurden, bedeutet es für die, welche es widerstanden ihre Köpfe zu senken, oft allein gelassen zu werden. Deswegen ist es um so wichtiger, dass wir ihr Streben unterstützen und Oury einen würdigen Abschied erweisen, zumindest einen, den letzten.

Abschließende Worte. Es wird Sie weder viel Zeit in Anspruch nehmen noch viel Geld kosten, Ourys Freunde für das zu unterstützen, was ihm zu Lebzeiten in diesem Land vorenthalten wurde: Würde und Respekt. Es wird nur ein einziger Tag ihres Alltages sein. Kommen Sie nach Dessau.

Wir fordern:
Überführungsstop bis zur Überprüfung des rechtsmedizinischen Abschlussgutachten Eine unabhängige Ermittlung der Umstände Ourys Tod Einen Gerichtsprozess gegen die verantwortlichen Polizeibeamten wegen Tötung Entschädigung für die Familie Oury Jallows Ein Ende der Polizeikontrollen und ?gewalt Gerechtigkeit!!!

Contact:  plataforma@riseup.net


Chronologie der Ereignisse um den Feuertod
Hier die Chronologie der Ereignisse um den Feuertod des Asylbewerbers am 7. Feb 2005, so wie es sich der Staatsanwaltschaft Dessau, nach den bisherigen Ermittlungen, darstellt.
Zitat:

08:30 Uhr: Einlieferung des Oury Jallow in das Polizeirevier Dessau; Bewachung durch zwei Beamte im Untersuchungsraum des Gewahrsamsbereichs

08:45 Uhr: Durchsuchung des Oury Jallow im Untersuchungsraum des Polizeireviers Dessau

09:10 bis 09:30 Uhr: Ärztliche Untersuchung des Oury Jallow und Blutentnahme, wobei Oury Jallow aufgrund seines unruhigen Verhaltens bereits mit Hand- und Fußfesseln auf der Untersuchungsliege fixiert wurde

09:30 Uhr: Verbringen des Oury Jallow in die Zelle 5 und Fixierung der Hand- und Fußfesseln in der Zelle

10:00 Uhr: Zellenkontrolle, wobei Oury Jallow orientiert vorgefunden wurde und mit den beiden Beamten sprach

10:03 Uhr: Erneute Kontrolle durch einen anderen Beamten. Dieser fand Oury Jallow schlafend oder sich schlafend stellend vor

10:37 Uhr: Weitere Zellenkontrolle durch einen Beamten ohne Feststellung von Besonderheiten.

11:05 Uhr: Nach Wahrnehmung klappernder Geräusche nochmalige Zellenkontrolle durch zwei Beamte, mit welchen Oury Jallow dann sprach

11:45 Uhr: Zwei Beamte prüften wiederum die Zelle und sprachen mit Oury Jallow

11:54 Uhr: Die beiden Beamten, welche die Zelle ab 11:45 Uhr kontrolliert hatten, verließen den Keller

Kurz vor 12:00 Uhr: Der Dienstgruppenleiter stellte während eines Telefonats den Ton der Wechselsprechanlage zwischen seinem im ersten Obergeschoss gelegenen Dienstraum und der Zelle des Oury Jallow leise, weil er den Gesprächsteilnehmer am Telefon nicht verstehen konnte. Die im Zimmer des Dienstgruppenleiters anwesende Kollegin drehte den Schalter jedoch unverzüglich wieder auf laut, so dass die akustische Verbindung zwischen dem Raum des Dienstgruppenleiters und der Zelle nur kurze Zeit unterbrochen war. Die nachfolgenden Zeiten bedürfen noch minutiöser Rekonstruktion. Sie können deshalb an dieser Stelle noch nicht genau angegeben werden:

Zwischen 12:04 Uhr und 12:09 Uhr: Über die Wechselsprechanlage nahmen der Dienstgruppenleiter und seine Kollegin plätschernde Geräusche wahr und der Rauchmelder schlug an. Weil in der Vergangenheit mehrere Fehlalarme stattfanden, stellte der Dienstgruppenleiter den Alarm ab.

Über die Wechselsprechanlage hörten der Dienstgruppenleiter und die Kollegin danach Rufe des Oury Jallow und eine Intensivierung des Plätscherns. Anschließend schlug der Rauchmelder erneut Alarm. Während der Dienstgruppenleiter den Alarmknopf wiederum ausdrückte, alarmierte die in dessen Raum anwesende Kollegin eine Verwaltungsmitarbeiterin pflichtgemäß vom Alarm des Rauchmelders. Unmittelbar danach schlug auch der Lüftungsschalter Alarm. Über die Wechselsprechanlage konnte ein sehr intensives Plätschern in der Zelle des Ouri Jallow festgestellt werden.

Nunmehr begab sich der Dienstgruppenleiter von seinem Zimmer aus in den Keller.

Die Kollegin blieb im Zimmer des Dienstgruppenleiters und hörte über die Wechselsprechanlage nun erstmals den Ruf Oury Jallows: Feuer. Zur selben Zeit hörte sie, wie Schlüssel in das Zellenschloss gesteckt wurden. Sie informierte über den Alarm des Lüftungsschalters nochmals pflichtgemäß die Verwaltungsangestellte.

12:09 Uhr bis 12:11 Uhr: Versuche, in die Zelle einzudringen und Oury Jallow zu retten, scheiterten an der starken Rauchentwicklung

12:11 Uhr: Ein Beamter hatte sich eine Decke besorgt und kroch auf dem Boden in Richtung der Zellentür. Auf Grund des zu starken Qualms musste auch er umkehren. Er vernahm bereits kein Lebenszeichen Oury Jallows mehr.

12:15 Uhr: Abfahrt der Rettungskräfte von ihrem Standort

12:18 Uhr: Ankunft des Rettungswagens des Deutschen Roten Kreuzes im Polizeirevier Dessau

12:20 Uhr: Ankunft der ersten Einheit der Berufsfeuerwehr Dessau im Polizeirevier Dessau

12:21 Uhr: Vordringen des ersten Rettungstrupps der Feuerwehr in den Keller. Nachfolgend erreichten noch zwei weitere Rettungstrupps den Keller

12:35 Uhr: In der Zelle wurde das Brennen der Leiche Oury Jallows wahrgenommen. Es erfolgte sofortiger Löschmitteleinsatz, ohne dass die Leiche verändert worden wäre.

Bittmann
Leitender Oberstaatsanwalt

Quelle: Staatsanwaltschaft Dessau


Weitere Links
Indymedia
tödliche Polizeigewalt in Dessau und Bonn

Demonstration am 22.01.05 - 12.30 in Dessau

Selbstverbrennung oder doch eher Mord?

Presse:
Einfach sterben lassen
 http://www.freitag.de/2005/08/05080203.php

Video Link von Spiegel TV:
 http://www.spiegel.de/video/content/0,4916,7782-1-0,00.html

»Ich gehe nicht von einem Selbstmord aus«
 http://www.jungewelt.de/2005/02-17/020.php

Gleichgültigkeit mit Todesfolge
 http://www.sueddeutsche.de/sz/2005-02-18/politik/artikel/sz-2005-02-18-008-constanze_tod-a.constanze_tod/

Mehr Information:
 http://www.thevoiceforum.org
 http://www.attac.de/halle/oury/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 2 Kommentare

@nestbeschmutzer

Kollegensau 27.03.2005 - 01:01
Im Sinne des Dienstgesetzes ? Was meinst Du ? OBG, Beamtengesetz oder wie oder was ?
Fesselung darf nur durch einen Arzt durchgeführt werden ? Hä ? Na denn viel Spaß ! Den Arzt möcht ich sehen !
Wenn Du schon den Anschein erwecken willst, Du wärst Bulle, dann mach es gefälligst geschickter. Ganz zu schweigen von der Orthografie....

sollte man kennen

nestbeschmutzer 02.05.2005 - 04:09
@ kollegenschwein;
gemeint hatte ich mit "diesntgesetz" das "polizeidienstgesetz des bundes", die übergeordnete grundlage deines handelns. ein anders "dienstgesetz" gibt es ja auch nicht.
sollte man eigentlich kennen.
sogar bei der bereitschaft.

mit "fesselung" hatte ich die fixierung ans bett gemeint, diese massnahme darf nur ein arzt durchführen.
sollte eigetlich auch jeder kollege wissen.
sogar bei der bereitschaft.

sogar in sachsen-anhalt.