Agenturschluss in Göttingen mit Fotos

Unsere Agenda heißt Widerstand 03.01.2005 14:35 Themen: Soziale Kämpfe
Heute am 3. Januar 2005 wurde im Amtshaus Göttingen gegen Hartz IV und die Agenda 2010 protestiert. Die Aktion im Rahmen der bundesweiten Initiative Agenturschluss fand nicht wie in anderen Städten in der Agentur für Arbeit statt, sondern im Amtshaus, weil Göttingen eine der 69 Städte ist, in der das Optionsmodell praktiziert wird.
Etwa 50 Leute fanden sich pünktlich um 9.00 Uhr im Amtshaus ein. In der Eingangshalle wurde eine Frühstückstafel mit Kaffee, Brötchen und Infomaterial aufgebaut. Zeitgleich wurde der Eingang mit Kartons „dicht“ gemacht. Ein schmaler Spalt ermöglichte es aber den BesucherInnen ins Amtshaus zu gelangen, um ihre ALG II Angelegenheiten zu regeln, wie zum Beispiel die verspätete Auszahlung.

Im Amtshaus konnte Dosenwerfen geübt werden. Die 1-Euro-Cheerleading-Truppe zog immer wieder durchs Amtshaus und verschonte auch nicht die Büros der SachbearbeiterInnen. Transparente wurden an der Außenfassade ausgehangen. Im Gebäude selber wurden überall Transpis, Plakate und verschiedenste Aufkleber angebracht. Ein wahrer Konfettiregen legte seinen Schleier über die Amtsflure und Büros. Einige Leute verliehen ihrer Wut Ausdruck durch das Zünden von Böllern im Gebäude selber.

Die Polizei, die durch die Aktion völlig überrumpelt wurde, war zu Anfang gar nicht am Amtshaus, sondern an der Arbeitsagentur. Dorthin war öffentlich mobilisiert worden. Am Arbeitsamt befand sich eine Gruppe von etwa 15 Leuten, die dort protestierten und später zum Amtshaus dazukamen.

Von der Stadt Göttingen waren einige der Verantwortlichen vor Ort vertreten, wie die Sozialdezernentin, der Sozialamtsleiter und der Leiter der Beschäftigungsförderung. Allesamt glänzten sie durch überaus freundliche Zurückhaltung. Wie so oft wurde bekundet, dass sie dieses Gesetz auch nicht in Ordnung finden, sie aber ja nur für die Umsetzung zuständig seien.

Beim Verlassen des Gebäudes nach circa 2,5 Stunden wurde die Haupteingangstür mit einer Kette und Schloss symbolisch versperrt. Es gab abschließend eine Spontandemo durch die Innenstadt. Unter anderem gab es dabei auch einen Abstecher durch C&A mit lauten Parolen wie „Weg mit dem Sozialabbau, organisiert den Kaufhausklau!“ oder „Kommt Hartz IV, plündern wir!“.
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Ergänzungen

Verteiltes Flugblatt

mein name 03.01.2005 - 14:48
Heute ist Agenturschluss!
Heute am 3. Januar 2005 tritt Hartz IV in Kraft, die vorerst letzte Stufe zur Entrechtung und Verarmung der Erwerbslosen. Aus Protest gegen Hartz IV finden heute bundesweit, in über 40 Städten Protestaktionen vor den Arbeitsagenturen statt. Hartz IV soll gestoppt werden!
In Göttingen wird dieses Gesetz nicht vom Arbeitsamt, sondern vom Landkreis und der Stadt Göttingen umgesetzt. Für alle Göttinger Erwerbslosen ist daher das "Amtshaus", das ehemalige Wohngeldamt, erste Anlaufstelle. Deshalb protestieren wir in Göttingen vor allem hier am Amtshaus.
Angriff heißt sich wehren müssen!
"Die Kernaufgabe bei der Schaffung eines Niedriglohnsektors liegt darin, dass neue Stellen geschaffen werden und dies setzt eine Reform der Sozialhilfe voraus, die die Anspruchslöhne und mit ihnen die tatsächlichen Löhne senkt."
(Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2002)
Deutlicher lässt sich kaum ausdrücken, worum es bei den Hartz Gesetzen geht. Über den steigenden Druck und die steigende Verarmung der Erwerbslosen wird auch der Druck auf die unteren Einkommen drastisch verschärft.
345/331 Euro reichen nicht zum Leben, bis zu 245 Euro reichen meistens nicht für die Miete - ausreichend bekommen wir nur Druck und Ausgrenzung. Zu faul, zu unflexibel, zu krank oder arbeitsunwillig - so werden wir betitelt. Deshalb müssen wir gezwungen werden zu arbeiten, notfalls durch die völlige Streichung des Geldes. Schon in den letzten zwei Jahren sind die Sperrzeiten bundesweit um über 300% gestiegen. Unser "PAP" im Amtshaus (persönlicher Ansprechpartner) wird uns schon dabei helfen.
Und der Angriff auf die unteren Löhne und die Arbeitsbedingungen hat geradezu Hochkonjunktur: immer mehr arbeiten, für immer weniger Geld, mit immer weniger Rechten. Wer noch Arbeit hat, traut sich kaum noch, seinen Urlaub zu nehmen. Durchschnittlich ließ jede/r Arbeitnehmer/in im Jahr 2004 2,3 Tage Urlaub verfallen. Wer noch Arbeit hat, traut sich nicht mal mehr, krank zu Hause zu bleiben. Der Krankenstand ist so niedrig, wie nie zuvor.
Krank sind nur noch die Erwerbslosen, weil, so wissen die Experten zu berichten, arbeitslos sein macht krank. Dass nicht die Arbeitslosigkeit als solche, sondern vielmehr die gesellschaftliche Ausgrenzung und die Armut krank machen, und dass Arbeit erst recht krank macht, darüber schweigen sich alle aus. Als Medizin müssen da sogar die 1-Euro-Jobs herhalten, das Rezept gibt es bei unseren PAPs. Aber wie Schröder schon sagte, jede Arbeit ist besser als keine. Selbst sinnlose Aktivitäten, wie immer wieder dieselbe Wand hochmauern oder immer wieder die selbe Wand streichen, wie etwa bei den Hamburger 1-Euro-Jobs, sollen besser sein als nichts tun.
Jahrelang wurde an den untersten Gruppierungen der Gesellschaft ausprobiert, wie Entrechtung, wie Verarmung und Drangsalierung, wie Entsolidarisierung funktioniert. Vor allem an Flüchtlingen wurde vorgemacht, was heute vielen von uns droht: Absenkung der Sozialhilfe, Sachleistungen statt Geld und nur minimalste medizinische Versorgung. Und die Ausgrenzung und Verarmung wird auch bei ihnen wieder weiter getrieben als bei uns. Es geht immer noch einer drauf.
Hartz IV ist dabei nur ein Bestandteil der Agenda 2010, ein ganzes Programm zur Umgestaltung der Gesellschaft, zur Umverteilung von unten nach oben. Zusammen mit den ganzen anderen so genannten Reformen im Gesundheits-, Renten- und Bildungswesen und der Steuerreform werden alle gesellschaftlichen Risiken privatisiert und denen, die eh nichts haben der letzte Cent aus der Tasche gezogen. Rot-Grün-Schwarz war erfolgreich: die Reichen werden immer reicher, und die Armen werden immer ärmer. Das hat jetzt der so genannte Armutsbericht bestätigt.
Wir machen da nicht mehr mit!
Wir sind nicht bereit, unsere Entrechtung kampflos hinzunehmen!
Heute ist Agenturschluß!

Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet es den Reichen wie den Armen auf den Straßen zu betteln, unter Brücken zu schlafen und Brot zu stehlen. (Anatol France)

bilder

bambule 03.01.2005 - 14:51
alle bilder gehen nicht. wenns probleme mit dem space gibt nutzt  http://www.imageshack.us/

Plakat

(muss ausgefüllt werden) 03.01.2005 - 17:34
Das Plakat auf dem vierten Bild von unten, mit dem brennenden Gebäude, kann mir davon jemand ein besseres Bild schicken ? Ich hatte es schon einmal gesehen und es ist wirklich super, würde es gern weiterverbreiten. Wenn also jemand etwas in dieser Richtung hat wäre ich sehr dankbar wenn er oder sie es mir zuschicken könnte. Danke im voraus.


riot[at]revolutionz.zzn.com

plakat

hmmm 03.01.2005 - 19:14
das plakat muss unbedingt weiterverbreitet werden. deshalb würde ich um eine zu sendung an
 jungeautonome@zeromail.org

bitten

danke

Sollen nur Arbeitslose demonstrieren?

frag ich mich 04.01.2005 - 13:34
Die gewählte Uhrzeit für die Demo ist ja vielleicht für Arbeitslose oder Studierende passend. Für alle anderen ist sie jedoch am Vormittag nicht so einfach, sich an einer Demo zu beteiligen. Wen wundert es da noch, wenn nur ein kleines Häuflein von Leuten sich an der Demo beteiligt. Oder soll damit belegt werden, wie wenig sich die Menschen für Hartz IV und Co. interessieren?

Plakat

05.01.2005 - 15:17
Plakat ist wegen des Brandanschlags auf das Göttinger Arbeitsamt 1997 gedruckt worden. Ist eher etwas old-style mit so aufgebrachten Menschen mit Palituch und so on vorm angesteckten Arbeitsamt. Aber gibt bestimmt noch welche, wer´s mag...