Agenturschluss Berlin: Polizeiübergriffe

Vuk Pirkerowitz 03.01.2005 13:11 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Über 500 protestieren vor Arbeitsamt Wedding. Starke Polizeikräfte im Einsatz. Pepperspray, Festnahmen, Faustschläge in Gesicht gegen Demonstranten. Polizeigewahrsamsraum im Arbeitsamt eingerichtet. Proteste konnten erst gegen Mittag von Polizei beendet werden.
Die Manifestation vor dem Arbeitsamt Wedding war kraftvoll und zog sich stundenlang bis in die Mittagstunden hin. Über 500 Teilnehmer, zwar überwiegend aus dem linkradikalen Spektrum, waren um 10 Uhr auf den Leopoldplatz gekommen. Von da gings zum Arbeitsamt. Es war wenig "Stino-Bevölkerung" beteiligt, aber ein Anfang wurde gemacht. Die Proteste werden sicherlich ein großes Echo bei den Arbeitslosen finden, das weitere Poteste hervorrufen wird. Es war auch so etwas wie eine neue Einheit zu spüren, da sich Aktivisten der MLPD solidarisch den Protesten angeschlossen hatten. Ebenso beteiligte sich die w.a.s.g Wahlalternative, die SAV und die FAU. Trotz der sozialchauvinistischen Propaganda der Deutschlandzentristen (ADS) hatten sich erstaunlich viele Antifa-Aktivisten für Sozialprotest entschieden. Die Polizei war mit starken behelmten Robocops vor Ort. Das von unzähligen Farbbomben getroffene Arbeitsamt war wie eine Festung abgeriegelt. Trotzdem wurden die Absperrgitter mehrmals an einigen Stellen von Manifestanten durchbrochen. Drinnen schauten viele Schaulustige dem Protest zu. Der Arbeitsamtsleiter persönlich schützte, bewaffnet mit einem Megafon, zusammen mit zahlreichen Zivilbeamten den Eingang des Arbeitsamtes, während an ihm vorbei Festgenommene von der Polizei in einen Gewahrsamsraum im Arbeitsamt geschleifft wurden. Auch die Weddinger SPD-Zentrale "Kurt-Schumacher-Haus" gegenüber wurde durch Robocops geschützt. Kurz nach Beginn der Kundgebung erklärte Peter Grottian die Kundgebung für beendet. Es wurde zum Besuch des Arbeitsamtes aufgerufen. Wenig später stürmten Ropocops den Kundgebungswagen. Zu den Klängen der sambaband flammten immer wieder Auseinandersetzungen auf. Mehrmals stürmten Robocops in die Menge. Es gab Festnahmen. Die Polizei schlug Demonstranten mit Fausthieben ins Gesicht. Spray wurde von Cops gezielt ins Gesicht gespritzt. Erst um 13.30 gelang es den Cops die Proteste zu beenden.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Hellseher?!

karla kolumna 03.01.2005 - 13:34
Der Artikel stimmt im großen und ganzen wohl mit den Geschehnissen überein, aber ich frage mich, wie du um 13:11 Uhr schreiben kannst, daß die Proteste um 13:30 beendet wurden?!

vor dem Amt

... 03.01.2005 - 13:34
Hier nur ein kleines Bild, es folgen ja mit Sicherheit noch einige Bildberichte.

Oben am Eingang halt viele behelmte Polizisten. Unten an der Treppe Absperrgitter, links und rechts vom Eingang Polizeihunde, auf der Straße dirket vor dem Eingang diverse Polizeibusse, mindestens 5 Polizisten mit Kamera direkt vor dem Eingang die fleissig filmten (im weiteren Umkreis sicherlich nich mehr).
Polizisten auf dem Dach von Karstadt (am Auftaktort), auf dem Eingangsdach des Arbeitsamtes (zweiter Eingang rechts vom Haupteingang), auf dem Balkon des schräg gegenüberliegenden SPD-Büros, links und rechts der Kundgebung, quasi alle behelmt.
Polizeibusse vor dem Eingang und somit in der Menge der Demonstranten im Standgas - bei Beschwerden trat eine "nette" Polizistin gleich nochmal aufs Gas und grinste die Leute dabei an.

Aufgrund des "entführten" Lautsprecherwagens (Polizei mußte den Weg freiprügeln/schubsen) keine vernünftigen Reden möglich.

Nachdem die Müllerstraße geräumt war und alles vorbei, kam n-tv und berichtete "Live"...mehr muss man da nicht mehr sagen.

Am Abend geht der Widerstand weiter

Andy 03.01.2005 - 13:38
Ich war vorhin mit ein paar Freunden in der Müllerstrasse, weil ich die Idee gut fand, am ersten Tag der Umsetzung von Hartz IV vormittags auch vor den Arbeitsämtern zu demonstrieren.

Die Veranstalter sprachen im Vorfeld von einem Höhepunkt des Widerstands gegen Hartz IV und einer neuen Qualität und Radikalisierung der Proteste.
Die Realität war leider eine andere. Die Polizei war gut vorbereitet, so dass sie den Protest unter ihrer gewaltsamen Kontrolle hatte. Die Besetzung des Arbeitsamtes und die dortige Durchführung der geplanten Veranstaltungen fielen damit ins Wasser.
Die Mehrzahl der Demoteilnehmer waren Leute aus der linken Szene.
Nachdem die Bullen den Lautsprecherwagen beschlagnahmt hatten, bröckelte die Demo nach und nach auseinander.
Warum wurde danach über Flüsterpropaganda nicht zu einem anderem Treffpunkt (z.B. das Kreuzberger Arbeitsamt) mobilisiert, um dort für den Polizeiapparat überraschend wirksam weiterzuprotestieren?

Ich denk mir, dass die Veranstalter sich im Vorfeld hätten bewusst sein müssen, das der Protest mit großer Warscheinlichkeit so endet. Zu kritisieren ist auch, dass es kein Offenes Mikro gab und nicht dazu aufgerufen wurde, dass die Betroffenen sich organisieren.
Die Leute sind auseinandergetrieben worden und zurück blieb bei vielen ein Gefühl der Ohnmacht. Haben wir uns nicht verarschen lassen?

Das es auch anders geht, zeigt die Arbeit des Berliner Bündnisses Montagsdemo gegen Agenda 2010. Auch nach dem 2. und 3. Oktober führt das Bündnis die Montagsdemo vom Alex trotz kräftige Gegenwind erfolgreich weiter. Dort sind überwiegend Betroffene, die sich mittlerweile in zahlreichen, Stadtteilkomitees organisiert haben und einen festen und harten Kern des Widerstands gegen Hartz IV und auch zukünftige Angriffe bilden. Diese demokratische Selbstorganisation von Unten ist absolut wichtig, damit der Widerstand eben nicht wieder auseinanderfällt.

Erstaunlicherweise haben die berliner Veranstalter der Aktion in der Müllerstrasse mit keinem Wort auf die Berliner Montagsdemo hingewiesen.

Das sei hier nochmal nachgeholt:
Auch heute abend findet um 18 Uhr die traditionelle Montagsdemo statt. Sie führt vom Alex diesmal wieder zur SPD-Zentrale nach Kreuzberg.

Macht mit bei der Montagsdemo - organisiert Euch - gegen Agenda 2010, Regierung und das menschenverachtende kapitalistische System!

Weg mit Hartz IV - das Volk sind wir!

Agentur Mitte

- 03.01.2005 - 13:41
Anschließend sind ca. 150 Leute in die Agentur-Mitte gefahren. Dort gelang es allen in dem Foyer der Agentur einzudringen. Kurze Zeit später wurde Feuer-Alarm ausgelöst und das gesammte Gebäude evakuiert. Ein Dutzend Wanne fuhren auf um die entschlossene Menge aus der Agentur zu befördern. Dies gelang erst nach langer Zeit durch den Einsatz von Pfefferspry. Fazit: Diese Agentur wurde definitiv geschlossen!

unwahrscheinlich

karg 03.01.2005 - 14:45
"Es war wenig "Stino-Bevölkerung" beteiligt, aber ein Anfang wurde gemacht. Die Proteste werden sicherlich ein großes Echo bei den Arbeitslosen finden, das weitere Poteste hervorrufen wird."

Wenig "Stino-Bevölkerung" war wohl auch deshalb beteiligt, weil mit der im Demoaufruf verbundenen Arbeitsamtsstürmung für viele eine Teilnahme gar nicht erst in Frage kam - aus Angst vor Ausschreitungen (von welcher Seite auch immer).
Ob diese Demo ein "ein großes Echo bei den Arbeitslosen finden (wird), das weitere Proteste hervorrufen wird" halte ich für fraglich. Besser strukturierte Demos mit (wie schon weiter oben erwähnt) der Möglichkeit zu Redebeiträgen (z.b. der "Stino-Bevölkerung"), anderen kreativen Aktionen und ohne die Aussicht auf körperliche Auseinandersetzungen dürften wesentlich mehr Betroffene mobilisieren.

nicht spalten, gemeinsam gegen hartz!

a.lo.it 03.01.2005 - 15:24
@andy

Das du wirklich von www. montags-gegen-2010.de (bzw. mpld) bist, glaub ich dir nicht:
Die mpld hat auch zum agenturschluss mitaufgerufen hier gibts also nichts zu spalten und
wenn du wirklich vom alexbündnis wärst würdest du wissen,
daß es dem protest nix bringt wenn energien in spalterquatsch verschwendet werden.
Politisch andersdenkende in indy öffentlich niedermachen tun nur träger dieses scheissystems die hartz toll finden.
Also gemeinsam weiter gegen hartz, montags und die anderen tage ebenfalls, es bleibt uns eh nix anderes übrig!

tagesschau

tagesschauer 03.01.2005 - 15:34
www.tagesschau.de schreibt: "Mit dem Jahreswechsel ist die Arbeitsmarktreform Hartz 4 in Kraft getreten. Statt Arbeitslosen- oder Sozialhilfe wird nun das neue Arbeitslosengeld II ausgezahlt - und zwar von heute an. In vielen Städten waren Proteste angekündigt. In Berlin gab es Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei. Insgesamt sei die Reform aber relativ ruhig angelaufen, teilte die Bundesagentur für Arbeit mit."

video....

faust 03.01.2005 - 22:31
... auf kanal b

Rangeleien zw. Polizei und Hartz-IV-Gegnern

AP, Stand: 03.01.05, 12:42h 04.01.2005 - 14:44
Berlin (AP) Bei den Protesten gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV ist es am Montag in Berlin zu Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Rund 400 Menschen hatten sich am Montagmorgen vor der Arbeitsagentur im Bezirk Wedding versammelt und versucht, in das Gebäude einzudringen, wie die Polizei mitteilte. Danach sei es zu kleineren Ausschreitungen zwischen Beamten und den teils vermummten Demonstranten gekommen.

Die Beamten versuchten den Angaben zufolge, die Protestierer hinter die polizeiliche Absperrung zurückzudrängen. Dabei wurde auch Pfefferspray eingesetzt. Mehrere Personen wurden nach Polizeiangaben vorläufig festgenommen.

Zu den Initiatoren des Protestes im Rahmen der bundesweiten Aktion Agenturschluss zählte auch der Berliner Professor der Freien Universität, Peter Grottian. In rund 80 Städten sollte es am Montag zu Besetzungen der örtlichen Arbeitsagenturen kommen. Die Organisatoren der Anti-Hartz-Proteste hoffen auf eine Ausdehnung der Demonstrationen ähnlich wie im Sommer, als Hunderttausende vor allem in Ostdeutschland gegen die Arbeitsmarktgesetze auf die Straße gingen. Aktionen waren unter anderem für Dortmund, Düsseldorf, Rostock, Leipzig, Oberhausen, Wiesbaden, Magdeburg und Hannover angekündigt.

Argenturtmeldung 12:43

ddp Berlin 04.01.2005 - 14:45
Auseinandersetzungen bei Anti-«Hartz»-Protest in Wedding - Vier Festnahmen

Rund 400 Menschen haben am Montag vor der Arbeitsagentur in Berlin-Wedding gegen den Start der umstrittenen «Hartz-IV»-Reform demonstriert. Bei der Aktion unter dem Motto «Agenturschluss», die Teil bundesweiter Proteste gegen das neue Gesetz ist, kam es zu Gerangel und Handgreiflichkeiten mit der Polizei, die vereinzelt auch Pfefferspray einsetzte. Vier Personen wurden unter anderem wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vorläufig festgenommen. Die Sicherheitskräfte lösten die Demonstration nach rund eineinhalb Stunden auf. Von dem am Samstag in Kraft getretenen «Hartz IV»-Gesetz sind in Berlin rund 270 000 Menschen direkt betroffen.

Die Teilnehmer waren entgegen der Polizeiauflage vom Leopoldplatz vor das Gebäude in der Müllerstraße gezogen, anstatt sich in einem nahe gelegenen Park zu versammeln. Der Versuch, das Haus zu stürmen, wurde jedoch von mehreren hundert Beamten verhindert. Sie hatten den Haupteingang abgesperrt. Außerdem entfernten sie ein Transparent, das «Hartz»-Kritiker beim Eintreffen des Zuges an der Agentur an einem Fenster im Obergeschoss angebracht hatten.

Ungeachtet dessen erreichten die Demonstranten indirekt ihr Ziel, die Arbeit der Behörde lahm zu legen. Zwar wurde niemand von ihnen in das Gebäude hineingelassen, aber auch Arbeitssuchende kamen vorübergehend nicht durch und mussten vor dem Gebäude ausharren. Erst nach 90 Minuten wurde die Behörde wieder für den Publikumsverkehr freigegeben.

Während der Demonstration zur Agentur kritisierte eine Sprecherin des Bündnisses «Ende der Bescheidenheit» die Reform als «Armut per Gesetz». Außerdem werde mit dem Gesetz die Umverteilung von unten nach oben vorangetrieben. Die Teilnehmer der Aktion machten ihrem Unmut unter anderem mit Trommeln Luft.

Hartnäckig weigerten sich die Demonstranten, den Aufforderungen der Polizei zum Verlassen des Platzes nachzukommen. Nach dem fünften erfolglosen Appell drängten die Sicherheitskräfte die Teilnehmer ab, die sich dann der höheren Gewalt beugten.

Eine Klage des Bündnisses gegen die Polizeiauflagen zum Veranstaltungsort war am Vortag vom Verwaltungsgericht abgewiesen worden. Bereits am Wochenende hatten unbekannte Täter Farbbeutel gegen das Gebäude in Wedding geworfen. Ein Polizeisprecher ging davon aus, dass der Anschlag mit den Protesten im Zusammenhang steht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

@ vuk und @ andy — anti