RadioBallett in der Hamburger Innenstadt...

warda 04.12.2004 22:56 Themen: Freiräume Kultur
...fand großen anklang

es war eine wundervolle aktion, nur der empfang in der innenstadt lässt zu wünschen übrig, wir sollten eine eigene Antenne bauen ;)
diesem aufruf bin ich gefolgt ->

Kult der Zerstreuung
Übungen in abweichendem Verhalten

„Wenn die Leute nicht mehr ihre Alltäglichkeit leben können, beginnt eine
Revolution.“
Henri Lefebvre (1968)

Alltag. Gibt es etwas normaleres als den Alltag in der Hamburger Innenstadt? Alles ist wie immer an seinem Platz. Alles folgt den Gesetzen
des Warentauschs: Die Schaufenster laden zum Bummeln ein, die KonsumentInnen erwerben Waren und Obdachlose erfragen etwas Geld. Ein permantenter Kult ohne Priester und Glaubensbekenntnis. Für seine Durchführung müssen weder Zwang noch Kontrolle ausgeübt werden: Alle sind gläubig. Im Kult der Zerstreuung wiederholen die KonsumentInnen rituell die immer gleichen Gesten und Bewegungen: Flanieren, am Schaufenster stehen bleiben, den Laden betreten und mit einer Plastiktüte wieder herauskommen, weitergehen. Wer sich konform verhält, hat Anteil am Glück, das der Warentausch verspricht: Eigentum.
Unterbrechung. Gelegentlich wird diese Normalität unterbrochen: Der Verkehr stockt und politische Meinungen werden auf der Straße kund getan.
Aber diese Momente werden seltener und sind zur Weihnachtszeit ausgeschlossen: Als vor zwei Jahren anläßlich der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule verstärkt versucht wurde, den innenstädtischen Raum zu politisieren, wurde keiner einzigen Demonstration erlaubt, den Weg durch die Mönckebergstraße zu nehmen. Das Interesse des Einzelhandels war wichtiger als das Recht auf Demonstration, Umsatz war wichtiger als Politik.
Ritual. Demonstrationen sind Rituale mit eigenen Normen und Regeln. Das
bedarf keiner Kritik: Sie haben ihre wichtige Funktion als Artikulation politischer Abweichung immer wieder von neuem bewiesen. Doch bleibt die Frage, ob sie als sichtbare Unterbrechung der alltäglichen Normalität nicht die Normalität des Warentauschs trotz dessen politischer Kritik bestätigen. Manche Transparente werben für eine bessere Welt als ließe sich diese kaufen. Unterdrückte Völker werden wie Marken aufgebaut, mit denen es sich zu iden-tifizieren gilt. Der Warenfetisch wird durch den Fetisch des linken Opferkults ergänzt.
Demonstration. Gründe, auf die Straße zu gehen, gibt es genug. Nachdem der rechtspopulistische Senat in Hamburg den Weg für einen rechten Senat geebnet hat, wird die rot-grüne Politik der Stadtentwicklung – die
Politik der Aufwertung und der Ausgrenzung – repressiv forciert.
Bauwagenplätze – die letzte kollektiv abweichende Nutzung städtischen
Raums – werden geräumt, ihre BewohnerInnen vertrieben. Unter dem Motto
Metropole Hamburg – Wachsende Stadt beschleunigt der Senat die Verwertung, Zonierung und Privatisierung urbaner Räume: Keine Zweideutigen Räume mehr! Ein Raum – eine Funktion!! Nach dem Modell Hauptbahnhof wird ab Januar durch den Business Improvement District (BID) ein neues Instrument geschaffen, mit dem Geschäftsleute die Gestaltung öffentlicher Räume bestimmen können: Straßen, in die keine Demonstration mehr passt.
Staatliche Kontrolle und private Interessen finden so in einer Public-
Private-Partnership zusammen.

Repression. Gleichzeitig wird für die Kontrolle des verbleibenden
öffentlichen Raums nachgerüstet. Die CDU Bürgerschaftsfraktion hat
Maßgaben für ein neues Polizeigesetz entwickelt, deren Umsetzung ange-
sichts der Kräfteverhältnisse in der Stadt nichts im Wege steht. Gemeinsam
ist allen vorgesehenen Maßnahmen, die Schwellen für den Einsatz der
Polizei zu senken. So soll etwa der Unterbindungsgewahrsam auf bis zu 14
Tage verlängert werden für Leute, die verdächtigt werden, eine Straftat
vollbringen zu wollen. Will die Polizei in Zukunft jemanden von der Straße
haben, etwa im Vorfeld von Demonstrationen, braucht sie der Person also
nur die Absicht zur Straftat anzudichten, um eine entsprechende Anordnung
vom Gericht zu bekommen. Zur Rechtfertigung einer einfachen
Personenkontrolle ist nicht einmal mehr ein konkreter Verdacht vonnöten:
Will die Polizei mal schauen, was wer so in der Tasche hat, braucht sie
nur „tatsächliche Anhaltspunkte“ zu haben, eine Straftat verhindern zu
können. Wer wird im nachhinein beweisen können, dass die Anhaltspunkte nur
Vorwand waren? Durch die Novellierung des Gesetzes wird Projektion als
Grundlage polizeilichen Handels rechtlich abgesichert. Vorraussetzung für
das Eingreifen ist nicht mehr das Handeln von irgend jemandem, sondern
der angenommene Wille zur bösen Tat oder die Anwesenheit am falschen
Platz zur falschen Zeit. Damit gilt im öffentlichen Raum wie in den pri-
vatisierten Zonen: nur wer sich unauffällig verhält, darf bleiben. Die
anderen holt die Polizei.

Kritik. Wir fordern nicht, dass diese Entwicklungen zurückgedreht werden:
Früher war nichts besser. Vielleicht läßt sich im Aufhalten der ein oder
anderen Entwicklung ein Freiraum wie ein Bauwagenplatz erhalten, der
praktische Kritik ermöglicht. Das ist gut. Besser wäre selbstverständlich,
wenn die Totalität kapitalistischer Vergesellschaftung sich zersetzt
hätte, die Ökonomie des Eigentums verschwunden wäre und der
Phallogozentrismus alltäglich zerstreut würde. Bis dahin bleibt, in der
Grauzone zwischen öffentlichen und privaten Räumen politisch
handlungsfähig bleiben: ihre Ambivalenz zu genießen und Modelle der
Aneignung zu erproben.
Anomalie. Die Stadtentwicklung bewirkt, dass kein anderer Alltag als der
herrschende vorstellbar ist. Konsum ist normal, die einzelne Abweichung
ist normal. Eine Abweichung lässt sich polizeilich kontrollieren. Was
aber passiert, wenn die Abweichung massenhaft wird? Was passiert, wenn die zerstreute Wiederholung der Gesten mit einem Mal ausfällt und durch
eine gleichzeitige Zerstreuung anderer Gesten ersetzt werden? Was
passiert, wenn die anomale Geste zur Regel und die normale Geste zur
Ausnahme wird? Die alltäglichste Geste kann anomal werden, wenn sie von
vielen gleichzeitig, zerstreut und ohne sichtbare Absprache durchgeführt wird: Immer gehen alle vorwärts, warum also nicht mit vielen anderen rückwärts gehen? Immer verhalten sich alle unverdächtig, warum also sich nicht mit vielen anderen verdächtig verhalten? Alle kaufen Scheiß, warum also nicht Radio hören? Alle folgen dem Kult des Warenfetischs, warum also nicht den Kult der Zerstreuung ?

Radioballett. LIGNA lädt ein, den Kult des Warenfetischs mit einem Kult
der Zerstreuung zu begegnen: Am Samstag, dem 4. Dezember, punkt 16.30
Uhr, strahlt das Freie Sender Kombinat auf 93,0 MHz ein Programm aus, das Übungen für abweichendes Verhalten vorschlägt. Je mehr mit transportablen Radios und Kopfhörern dieses Programm in der Hamburger Innenstadt verfolgen, desto wirksamer wird die Abweichung von der Norm der Konsumzone Innenstadt sein. Massenhaft anomale Gesten können die
Normalität des Alltagslebens nachhaltig erschüttern.
Kommt zum LIGNA-Radioballett! Bringt Freunde mit!! Zerstreut Euch!!!
Es gibt keine richtige Norm im Falschen! Die Stadt an alle!
Verschwendung statt Warentausch!!
Dissémination partout!
Am Samstag, dem 4. Dezember 2004, 16:30-18.00 Uhr in der Hamburger
Innenstadt (Spitalerstraße, Mönckebergstraße) und auf FSK 93,0 MHz. Eine
rote Plastiktüte mitnehmen!!






und das gibt es zu berichten ->

es hat wahnsinnig viel spass gemacht!!!!! (c:
es waren mindestens zweihundert leute da, das gemeine volk war mutig und interessiert, viele konsumenten haben sich entgegen der normalen ignoranz an antennenträger gewandt und sich erklären lassen, worum es hier ging, es gab keine übermäßige polizeipräsenz, nur die übliche weihnachtsmarktstreife, die war allerdings auch eher verwirrt und belustigt über diese vielen merkwürdigen verhaltensweisen
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Ergänzungen

Radioballet am 3. Januar

ana 05.12.2004 - 13:00
Hey eine kleine Idee, für all jene Städte, die 24 h- freies Radio haben.
Am 3. Januar soll es doch die Aktion "Agenturschluss" geben, wie wärs, an diesem Tag in diversen Städten+entsprechenden freien Radios, Radioballette in Arbeitsagenturen zu machen?

Stell ich mir wunderbar vor, die Gänge des Arbeitsamtes mit Menschen gefüllt, die seltsame, aufrührerische oder einfach nichtkonformistische Dinge tun..

Idee kann gern weiterverwurstet werden.

viva la Bambule

Sand Im Getrieb 05.12.2004 - 13:44
bambule am 18.12.04
in der Innenstadt
warum denn nicht, sontst hat der Kapitalistischgeist seine Brütstätte in Innenstadt weiter

xXx

xXx 05.12.2004 - 14:30
Also, ich kann mich auch nur positiv zu der Aktion ausprechen. Sowohl die Art und Weise wie die ganze Sache gelaufen ist, als auch die Inhalte, die vermittelt wurden, lassen für mich erkennen, dass in diesen Zeiten hingegen aller auseinandersetzungen innerhalb der Linken ein gemeinsamer Ansatz entsteht, auf dem sich eine neue Bewegung aufbauen lässt.
Dies ist ein Ansatz, der neben der, längst überholten, Bambule-Bauwagen-Bewegung entlich mal ein wenig frischen Wind an aktionismus und Kritik erkennen lässt. Man sollte die Aktion auf jeden fall, vielleicht auch während den diesjährigen Wheinachtswochenenden, wiederholen. !!!

NOCHMAL NOCHMAL NOCHMAL

dagewesen... 05.12.2004 - 15:26
ich möchte auch meine begeisterung für diese andere art der "versammlung", "demo" oder wie man das nennen sollte ausprechen!!!
die city wurde zu einem riesigem spielplatz, auf dem man sich si verhält, wie es keiner erwartet... SUPER!!!!

diese aktion war ein voller erfolg und desshalb möchte ich meine zustimmung geben, UNBEDINGT WIEDERHOLEN!!!!!!!!!

ALSO:
an alle organisatoren (fsk,...) : NOCHMAL NOCHMAL!!!!!!
an alle anderen hamburger freunde: wir sehen uns am 18.12 ;)

bis dann

noch mehr bilder???

internetmaulheld 05.12.2004 - 15:53
ich habe gestern viele leute mit kameras, etc. rumlaufen sehen, hab aber bis jetzt kaum fotos im netz gefunden, wäre somit sehr dankbar für ein paar links, wenn ihr was findet, veröffentlicht oder so...

danke

18.12!!!!!!!!!!!!!

Photos

Aggressor 05.12.2004 - 17:02
Hier noch ein Bild vom Radioballett

vorweihnachtszeit ... demozeit

den nagel aufn kopf treffen 05.12.2004 - 21:06
das ist doch mal ne ansage:

innenstadtaktion zur verschönerung des weihnachtsbummels!
18.12., 16 uhr (wenns dunkel ist!!, gerhard-hauptmann-platz
oder wo es einem sonst gefällt!!)
werdet kreativ, rottet euch zusammen, nehmt euch den raum!!!

gegen privatisierung öffentlicher flächen,
für ein selbstbestimmtes leben!!!

Klasse

Hamburg 05.12.2004 - 22:39
Das Radio ballett war klasse teilweise tanzten leute mit uns nur 2-3 leude wurden handgreiflich und hauten sich den weg frei... Auch empörung an schaufnestern mit denen wir grade kontakt hatten, die leude klonnten leider nicht gucken und ahbend ie aktion null verstanden.

Zum 18.12

Alle die jenigen die gegen an prangern und was von anmelden reden können wir einfach mal als bullen bzw spalter betrachten

Die letzten beiden jahre waren nicht angemeldet weil es einfach nicht möglich is eine protest kundgebung anzumelden in der city um diese jahreszeit.
Die zeit 16 uhr kommt denen gelegen die von ausserhalb kommen, die müssen dann nicht so früh los wenn se zB aus berlin etc kommen. Treffpunkt Mö bereich is auch klar wobei auch gänsemarkt etc belagert werden soll.

Diesen Samstag vor weihnachten könnte man ähnlich gestallten, mit bunten aktionen, die bullen werden sicha wieder wie letztes jahr schreiend durch die menge rennen aba uns kriegen is nich eifnach bei so vielen anderen menschen...Die Stille in der City könnte man wieder mit ruf chören stören...

Übrigens FSK aktion war auch nich angemeldet an die heulkinder die alles angemeldet haben wollen und die letzten beiden jahre weihnachts bambule auch nich wie schon erwähnt.

Einfach mal die fresse halten und nich alles kaputt reden und einfach mit allen freundinnen und freunden in die City kommen... Flyer machen Poster machen sprüht es rum, egal...

Kommt alle nach Hamburg am Samstag den 18.12 in die Innenstadt (Hbf Hamburg) zeit wird wohl 16 uhr sein die Tage gibts mehr infos

radioballet in wien

mein name 06.12.2004 - 04:06
vom 26.10.04 gibts auf der neuesten kanalB ausgabe:  http://austria.kanalb.org/edition.php?clipId=63

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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BITTE — ...

ich finde — muss ausgefüllt werden

Was ist das denn — n.n.

Nichts zu sagen — dronf

Weißte,was wichtiger — Ab.Kotzen

Kein 18.12! — .

A goog victim — J.Sinclair

Die Gänse des — n.n.