Massaker von Tak Bai/Thailand

kh. 19.11.2004 01:24 Themen: Weltweit
Am 25. Oktober gab es im Süden Thailands ein Massaker an Teilnehmern einer Demonstration. Die Polizei schoß in die Menge und tötete 7 Demonstranten, etwa 1300 Verhaftete wurden in stundenlanger Fahrt in wenigen LKWs zusammengepfercht, so daß 78 beim Transport umkamen. (s. kurzer Bericht auf http://de.indymedia.org//2004/10/96778.shtml) Hier soll anhand verschiedener Medienberichte auf nähere Einzelheiten und Hintergründe eingegangen werden -
Eine Auswertung von Berichten und Reportagen verschiedener Zeitungen und Nachrichtenagenturen vor allem asiatischer Länder (siehe Linksammlung unten). Es kann nur eine unvollständige Darstellung sein. Wer sich genauer informieren möchte, sollte sich die Zeit nehmen, einige der Links anzuklicken.

Ein genaues Bild, was genau passierte, scheint es noch immer nicht zu geben. Die offizielle Darstellung der Ereignisse weicht stark von dem ab, was in verschiedenen Medien auf Grund von Zeugenbefragungen bruchstückhaft berichtet wird.

Etwa 2000 Demonstranten hatten vor der Polizeistation von Tak Bai, einer kleinen Stadt in der südlichen Provinz Narathiwat nahe der malaysischen Grenze, die Freilassung von sechs dort inhaftierten Männern gefordert. Diese waren unter der Beschuldigung festgenommen worden, in ihrer Eigenschaft als "freiwillige Verteidiger" (Dorfmilizionäre) Waffen "gestohlen" und an separatistische Untergrundkämpfer weitergegeben zu haben. Wie es aussieht, waren sie von Bewaffneten gezwungen worden, ihnen ihre Waffen zu übergeben. Die Proteste basierten darauf, daß die Beschuldigten keinen Rechtsschutz durch Anwälte erhielten; es wurde befürchtet, daß ihnen durch Folter Geständnissse abgepreßt werden sollten (Forum-Asia). Die Polizei weigerte sich, auf die Forderung der Protestierenden einzugehen und war nicht bereit, sie auf Kaution freizulassen.

Am Morgen sollen sich zunächst einige Dutzend Protestierende vor der Polizeistation versammelt haben, im Laufe des Tages sei dann die Menge auf mehrere Hundert und schließlich auf 2000 - 3000 angewachsen (die Angaben schwanken). Nach offizieller Darstellung hätten die Demonstranten schließlich versucht, die Polizeistation und ein angrenzendes Regierungsgebäude zu stürmen, Steine geworfen, Autos umgestürzt und Absperrungen vor dem Polizeigebäude niedergerissen. Daraufhin habe die Polizei Wasserwerfer und Tränengas gegen sie eingesetzt und in die Luft geschossen. Mehrere Zeitungen und Augenzeugen berichten jedoch von scharfen Schüssen auf die Demonstranten. Sechs Menschen wurden erschossen, ein weiterer starb später im Krankenhaus an seinen Verletzungen, viele weitere wurden durch Schüsse verletzt.

In einer Meldung der malaysischen Nachrichtenagentur Bernama wird auch von einer Massenpanik infolge der Schießerei berichtet, wodurch viele Menschen zu Schaden kamen. Einige von ihnen sprangen in einen nahen Wasserkanal. Im Laufe des Tages wurden dann auch 3 Leichen aus dem Kanal oder Fluß geborgen. Militär und Polizei gingen nach Zeitungsberichten davon aus, es mit einer von Separatisten aufgeputschten Menge zu tun zu haben und gingen äußerst brutal gegen sie vor: "Die Polizei war wie verrückt und verhielt sich, als ob sie Amok laufen wollte", sagte später ein Augenzeuge aus. Ein Lebensmittelhändler [Foto] berichtete, wie er von einem nahegelegenen Rastplatz (Wakaf) weg wortlos von der Polizei verhaftet und zur Polizeistation geschleift wurde, wo er mit dem Kolben eines Maschinengewehrs geschlagen wurde, bis er in Ohnmacht fiel. Als er wieder aufwachte, lag er mit einem Schulterdurchschuß vor der Polizeiwache.

Die Aktion muß mit ausdrücklicher Billigung und Kenntnis des thailändischen Premierministers Thaksin Shinawatra erfolgt sein, denn er befand sich während dieser Vorgänge in einem Militärlager unweit des Ortes, wie einige Zeitungen melden. Zumindest versäumte er, die Situation zu entschärfen (Freilassung auf Kaution) und die Militäreinheiten zu mäßigem Verhalten aufzufordern. Darauf weist die thailändische Zeitung The Nation in einem kritischen, sehr aufschlußreichen Artikel hin. Die Sicherheitskräfte waren nicht mit Schutzschilden und Gummiknüppeln ausgerüstet, sondern nur mit Feuerwaffen. 1000 Mann starke Armee-Einheiten sollen vor Ort gewesen sein.

Eine Massenverhaftung von ca. 1300 Menschen aller Altersstufen (zw. 14 und 60) folgte, darunter auch vonvielen völlig Unbeteiligten und Zuschauern(Foto). Dabei wurden sie von ihren Bewachern getreten. Das Ganze soll der malaysischen Nachrichtenagentur Bernama zufolge landesweit im Fernsehen übertragen worden sein. Lokale Fernsehsender hätten wiederholt gezeigt, wie Militäreinheiten Demonstranten beschossen und verhaftet hätten.

Noch immer so gefesselt, wurden die Verhafteten buchstäblich in mehreren Schichten übereinander in wenige LKWs verladen [de] - es sollen 22 bis 25 gewesen sein. Journalisten wurde dabei der Zuttritt verwehrt. In diesem Zustand - die tropische Hitze darf man dabei nicht vergessen - wurden sie nach Angaben der Armee ca. sechs Stunden lang zu dem ca. 120 km entfernten Armeecamp Inkayuth Bariharn in der Provinz Pattani transportiert und später auf mehrere Militärcamps in verschiedenen Provinzen verteilt. Unerklärlich bleibt dabei u.a. die auffallend lange Fahrtdauer. Ein Regierungssprecher entschuldigte den menschenunwürdigen Transport in katastrophal überfüllten Lastwagen mit einem Mangel an Transportfahrzeugen. Die bewachenden Soldaten hätten Angst gehabt und befürchtet, daß die Verhafteten auf sie losgehen würden. Deshalb hätten sie ihnen befohlen, sich mit dem Kopf nach unten auf den Boden zu legen.

Bei der Ankunft waren 78 Menschen tot. Diese entsetzlich hohe Opferzahl wurde erst mehr als 24 Stunden später bekanntgegeben, nachdem einiges gerüchteweise an die Öffentlichkeit durchzusickern begann. Die bekannte Gerichtsmedizinerin Thailands, Dr. Pornthip Rojanasunant, stellte fest, daß ca. 80% der Opfer erstickt waren, andere seien an Hitzschlag und Krämpfen (convulsions) umgekommen, bei zwei oder drei sei das Genick gebrochen gewesen, was durch den Transport verursacht sein könnte. 16 Demonstranten befänden sich mit schweren Schußverletzungen in Krankenhäusern.

Gefangene sagten später aus, sie wären während des Transports geschlagen und mit Gewehrkolben traktiert worden, wenn sie sich bewegen wollten. Man habe sie wie Hühner oder Vieh transportiert. Die unten Liegenden hätten nur mit äußerster Mühe den Kopf so drehen können, daß sie noch atmen konnten. Es stellte sich heraus, daß die Mehrzahl der Toten gesunde junge Männer waren. Wie ein Senator jetzt erklärte, lag die Zahl der Todesopfer vielleicht noch viel höher: Über 200 Überlebende teilten der Untersuchungskommission mit, daß die Soldaten Leichen auf LKWs aufgeladen hätten. 2 oder 3 Armeelastwagen hätten jeweils 10 bis 15 Tote abtransportiert, mit unbekanntem Ziel.

Premierminister Taksin Shinawatra meinte zu der hohen Opferzahl zunächst nur, die Gefangenen seien eben durch das Fasten im Ramadan geschwächt gewesen. Niemand habe ihnen etwas getan. Er lobte sogar das Verhalten der Sicherheitskräfte ("They did a great job. They have my praise"), mußte aber in einer späteren Fernsehansprache Fehler einräumen. Bei einigen Demonstranten seien Waffen festgestellt worden, die Sicherheitskräfte hätten sich stark bedrängt gefühlt und wegen der anhaltenden Stress-Situation überreagiert. Sie hätten jedoch nur in die Luft geschossen. Die Tatsache der erschossenen und weiteren zahlreichen Personen mit Schußverletzungen, sowie Zeugenaussagen stehen jedoch dieser Darstellung entgegen. Auch die Behauptung, daß die Demonstranten Waffen bei sich gehabt hätten, wird stark angezweifelt. Die Armee präsentierte zwar einige Gewehre, die sie aus dem Fluß gefischt haben wollen. Mehrere Medien berichten von einem Foto der thailändischen Zeitung Matichon, das einen am Boden liegenden Soldaten zeigt, wie er auf Demonstranten schießt (leider in der Internet-Ausgabe dieser Thai-sprachigen Zeitung schwer aufzufinden). Armeevertreter in der Region setzten sogar in einer vorgetäuschten "Pressekonferenz" Journalisten massiv unter Druck, ihnen ihre Video-Aufnahmen, die sie während der Demonstration gemacht hatten, auszuliefern. Dabei versuchten sie auch den Autor des oben erwähnten Fotos herauszubekommen.

Ein Regierungssprecher entschuldigte die Aktion damit, daß sie von ein paar Armeeangehörigen niederer Dienstgrade ausgeführt worden sei - was bei einer solchen Großaktion ziemlich unglaubwürdig ist. Die große Zahl von Verhafteten erklärte er damit, daß die ca. 100 Gewalttätigen in der Menge untergetaucht seien und die Soldaten daher alle hätten verhaften müssen, um sie zu fassen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des thailändischen Senats, Kraisak Choonhavan, äußerte die Ansicht, daß der Regierungschef noch nicht mit der Wahrheit herausgerückt sei. Er machte den Premier direkt für dieses Massaker verantwortlich. Eine unabhängige Senatskommission begab sich unmittelbar danach in die Militärcamps, wo die Gefangenen festgehalten wurden. Die neunköpfige Kommission, darunter drei Moslems, unter Vorsitz eines früheren Parlaments-Ombudsmans soll am 2. Dezember dem thailändischen Regierungschef das Ergebnis ihrer Untersuchungen vorlegen. Vertreter der islamischen Gemeinschaft haben unabhängig davon eine eigene Untersuchung angekündigt, wollen aber auch mit der offiziellen Kommission zusammenarbeiten. Der verantwortliche Kommandeur der Region, Gen.-Leutnant Pisarn Wattanawongkiri, der enge Kontakte zum Premier haben soll, wurde einstweilig an einen anderen Ort versetzt.

Am 30. Oktober wurden die meisten Gefangenen wieder freigelassen, danach blieben noch 189 in Haft, von denen die meisten nach und nach gegen Kaution entlassen wurden; am 5. Nov. waren noch 33 inhaftiert. Den zuletzt noch Festgehaltenen droht eine Anklage wegen Aufruhr, bei Verurteilung eine Mindeststrafe von 20 Jahren. Premierminister Thaksin hatte die strafrechtliche Verfolgung von über 300 Verhafteten angekündigt. Unter ihnen befinden sich jedoch viele Dorfbewohner, die bloße Zuschauer der Protestaktion waren. die Die Angehörigen der Opfer sollen eine "Entschädigung" von 100 000 Baht (ca. 2500 US$) erhalten. Den Hinterbliebenen in der Provinz Narathiwat wurden jedoch bisher nur 7000 Baht (175 US$) ausgezahlt. Noch immer werden ca. 40 Menschen vermißt, in manchen Fällen fand man Geldbörsen und Ausweispapiere der Verschwundenen. 28 der Getöteten konnten nicht identifiziert werden, man stellte aber angeblich durch Gen-Analyse fest, daß keiner der Vermißten unter ihnen war.

Bei den Befragungen von Bewohnern der Region durch Journalisten fällt auf, daß diese sich oft betont vorsichtig äußern, ihren Namen nicht preisgeben wollen oder erkennen lassen, daß sie Angst haben, ihr Haus zu verlassen (siehe weitere Links zu Zeitungsberichten). Während Thaksins Amtszeit sind 17 Menschenrechtsaktivisten ermordet worden oder "verschwunden". Unter ihnen befindet sich der islamische Anwalt Somchai Neetaphaijit, Strafverteidiger von 5 wegen Kontakten zu Separatisten angeklagten Moslems, der im März dieses Jahres in Bangkok entführt wurde und seither nicht wieder auftauchte. Man nimmt an, daß er von Militärs ermordet wurde.

Die Bangkok Post verglich die derzeitige Lage mit den Unruhen im Mai 1992, als viele Demonstranten, die Demokratie einforderten, verschwanden und bis heute nicht wieder auftauchten. Das hatte damals zum Sturz der Regierung geführt.

Hintergrund:
"Der Thai-Staat annektierte im letzten Jahrhundert [1902], als die Region durch den westlichen Imperialismus geformt wurde, die drei südlichen Provinzen, die zum Sultanat Pattani gehörten. Seitdem wurde die örtliche Moslembevölkerung immer wie zweitklassige Bürger behandelt. Sie werden in der Schule und im Umgang mit repressiven Funktionären gezwungen, Thai zu sprechen, und ihre Kultur und Religion ist vom buddhistischen Thai-Staat nie respektiert worden. Dies ist die tiefe Ursache für jede heutige Opposition gegen den Staat. Konfrontiert mit Forderungen nach elementarster Respektierung hat der Staat stets mit Gewaltanwendung reagiert."(Giles Ji Ungpakorn, Workers' Democracy Thailand)

Zu diesen Gründen gehören eine hohe Arbeitslosigkeit in diesem Gebiet und die Benachteiligung seiner Bewohner gegenüber dem Rest des Landes in wirtschaftlicher Hinsicht. In diesen drei Provinzen Narathiwat, Yala und Pattani, wie auch in der nördlich angrenzenden Provinz Songhkla gibt es einen überwiegend islamisch-malaiischen Bevölkerungsteil (90%). Die Bevölkerung spricht Yawi, einen malaiischen Dialekt, und ähnelt sprachlich und kulturell mehr den Einwohnern des benachbarten Malaysia, deren Regierung sich jedoch eher zurückzuhalten scheint, um einen Konflikt mit Thailand zu vermeiden. Beide Staaten gehören zur ASEAN-Staatengemeinschaft und unterhalten gemeinsame Entwicklungsprojekte.

Der Konflikt ist vom Ursprung her eher nationalistischer/ökonomischer/kultureller Natur als religiöser. Durch die rücksichtslose Mißachtung religiöser Gefühle gewinnt diese Komponente allerdings zunehmend an Gewicht. Hier droht sich "im Kleinen" zu wiederholen, was die Länder des Westens seit Jahrzehnten verfehlter Politik gegenüber den islamischen Ländern angerichtet haben, aus einem Standpunkt des vermeintlich wirtschaftlich-technologischen Überlegenseins, was sich zu rächen beginnt.

Obwohl die Moslems Süd-Thailands insgesamt eher als moderat gelten, führte die Diskriminierung schließlich zur Bildung separatistischer Gruppen, die in den 70er Jahren einen Aufstand machten. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen ließen erst in den 90er Jahren nach, als die Regierung versprach, dieser Region mehr Gelder zukommen zu lassen und dem islamischen Bevölkerungsteil mehr politisches Mitspracherecht einzuräumen. Bei den Gewaltakten spielen aber auch Rivalitäten zwischen Militärs und Polizei, politische Fehden und Auseinandersetzungen unter Schmugglern, Drogenhändlern und kriminellen lokalen Banden eine Rolle. Zumindest wurde das Letztere von der Thai-Regierung bisher meist als Ursache betont.

An den Unruhen sind vermutlich islamistische Separatistengruppen beteiligt, von denen bekannt ist, daß sie in Süd-Thailand operieren: PULO (Pattani United Liberation Organisation), BRN (Barisan Revolusi Nasional - Revolutionäre Nationale Truppen) und GMIP (Gerakan Mujahedeen Islam Pattani). Diese Gruppen sollen Kontakte zu übernationalen islamistischen Organisationen haben, wie Jemaah Islamiyah, die u.a. für die Sprengstoffanschläge auf Bali verantwortlich war, und die ‚Bewegung Freies Aceh' (GAM) in Nordsumatra (Indonesien). Direkte Beweise für solche Verbindungen scheint es jedoch nicht zu geben.

Seit dem Jahr 2002 kam es in diesem Gebiet wieder vermehrt zu Unruhen. Am 4. Januar dieses Jahres überfielen Bewaffnete ein Armeedepot, töteten vier Soldaten und erbeuteten ca. 400 Schußwaffen, meist M-16-Gewehre. Seitdem gab es immer wieder Zwischenfälle und Angriffe militanter Moslems gegen Soldaten, Polizeibeamte und Funktionäre des Staates, aber auch gegen viele zivile Angehörige der Thai-Bevölkerung, vor allem Lehrer und buddhistische Mönche. Dabei agieren meist 2 Motorradfahrer in sogenannten ‚hit-and-run-attacks'. Auch mehrere Bombenanschläge gab es und mehrere Schulen wurden angezündet. Seit Beginn der Unruhen Anfang dieses Jahres sind über 450 Menschen ums Leben gekommen.

Am 28. April ereignete sich eine weitere Eskalation, als militante Moslems Außenposten der Armee und andere Ziele angriffen. 107 (nach anderen Angaben 113) der schlecht bewaffneten Angreifer wurden getötet, darunter 32 Jugendliche, die sich in der Krue Se-Moschee in Pattani verschanzt hatten. Sicherheitskräfte stürmten die Moschee mit Handgranaten und töteten die nur mit Messern und Parangs (Macheten) Bewaffneten. Die lokalen Moslemgemeinden kritisierten die Armee-Einheiten wegen der Anwendung exzessiver Gewalt, weil sie mit einem Panzerfahrzeug in die Moschee gerammt waren und alle töteten, die sich darin aufhielten. Die alte Moschee aus dem 16. Jahrhundert wurde dabei stark beschädigt (Foto).

Seit diesem Zwischenfall gibt es zunehmend Haß gegen die anwesenden Militäreinheiten, die sich über die Gefühle der Moslems hinwegsetzen. Das kürzliche Massaker und die unwürdige Behandlung vieler Unschuldiger, noch dazu während des für Moslems heiligen Fastenmonats Ramadan, hat natürlich diese Stimmung weiter angeheizt. Auch die Atmosphäre zwischen den Bevölkerungsgruppen hat sich verschlechtert: "Wir haben immer friedlich Seite an Seite miteinander gelebt, aber jetzt beäugen sich die Nachbarn gegenseitig mit Mißtrauen" - so die Äußerung eines buddhistischen Einwohners.

Wie befürchtet, haben nach diesem Ereignis die tagtäglichen Angriffe auf Angehörige der Thai-Bevölkerung durch militante Moslems stark zugenommen. Nach dem Massaker hat es mindestens 2 Bombenanschläge mit vielen Verletzten und 25 Morde gegeben. Zu den Opfern der letzten Tage unter der buddhistischen Zivilbevölkerung gehören u.a.:
Ein 35-jähriger Lehrer, der spät abends mit seinem Motorrad nach Hause fuhr, ein 69-jähriger Bauer in seinem Haus, ein Ladenbesitzer (erschossen), ein Händler (erstochen), ein 52-jähriger Eisverkäufer, der hinterrücks erschossen wurde, als er mit seinem Karren durch ein Dorf fuhr, ein stellvertretender Dorfvorsteher und ein 60-jähriger Arbeiter einer Gummiplantage, als er nachts in seiner Hütte schlief - beide grausam enthauptet - explizit "als Vergeltung" für das Massaker, 2 Landarbeiter erlitten schwere Schnittverletzungen durch Machete-schwingende Männer, ein 19-jähriger Schweißer, dem in seiner Werkstatt ins Bein geschossen wurde, ein staatlicher Angesteller beim Reinigen einer Straße... -
Sinnlose Morde oder Mordversuche an ebenso unschuldigen Menschen, die mit dem Massaker nicht das Geringste zu tun hatten. Weitere Racheakte wurden von Extremisten angekündigt. Oberhäupter islamischer Gemeinden und Organisationen befürchten, daß die Situation weiter eskaliert und warnen, daß sie nicht mehr zu kontrollieren sein könnte.

Die gegenwärtige Regierung hat bisher vor allem mit drastischen militärischen Maßnahmen reagiert, anstatt die Verhältnisse grundlegend bessern zu wollen. Allerdings kündigte Premierminister Thaksin in seiner jüngsten Rede die Beschleunigung von Entwicklungsprojekten im Süden des Landes an. Eine Autonomie der Region wird aber kategorisch ausgeschlossen: Ein entsprechender Vorschlag des früheren malaysischen Premierministers Mahathir wurde vom thailändischen Außenministerium zurückgewiesen. Das im Januar über die Südprovinzen verhängte Kriegsrecht gilt weiterhin. Danach dürfen Verdächtige 7 Tage lang ohne Haftbefehl festgehalten werden. In der Region wurden ca. 10 000 Soldaten stationiert. Gegen diese harte, militärische Haltung gibt es in Thailand zunehmend Kritik. Ein Politikwissenschaftler der Universität Thammasat warf jetzt der Regierung systematisches Versagen bei der Lösung der Krise vor, da sie den Sicherheitsbeamten erlaube, ungesetzliche Methoden anzuwenden, um Verdächtige "loszuwerden". In vielen Fällen greife der Staat zu denselben Mitteln wie die Gewalttäter, was auf Staatsterrorismus hinauslaufe. Daneben gibt es unter der Thai-Bevölkerung aber auch rückhaltlose Zustimmung für das harte Vorgehen gegen die Protestierenden von Tak Bai, die, der offiziellen Darstellung folgend, pauschal als "Gewalttäter und Separatisten" gesehen werden. Die zunehmenden Morde an der Thai-Zivilbevölkerung werden sie natürlich in diesem Urteil bestärken.

Nach neuesten Meldungen scheint der Regierungschef auf Vorschläge einer Gruppe von Akademikern eingehen zu wollen, die sich in einem offenen Brief an ihn gewandt hatten. Danach soll eine nationale Versöhnungskommission aus Vertretern verschiedener ziviler Gesellschaftsgruppen eingesetzt werden, um gemeinsam Wege zur Wiederherstellung des Friedens zu suchen. Er willigte auch ein, zukünftige Konflikte in Zukunft politisch lösen zu wollen, anstatt sich auf Militäroperationen zu stützen; zukünftig soll bei Protestaktionen oder Ausschreitungen Polizei statt Militär eingesetzt werden. Die Sicherheitskräfte sollen für den Umgang mit Demonstrierenden ein Anti-Riot-Training erhalten. Aber ob das Letztere wirklich ein Fortschritt sein wird?

Quellen und Links:Deutsch:

Englisch:

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Ergänzungen

wow

observer 20.11.2004 - 02:22
na fällt was auf?

ausser der taz kaum tiefergehende berichte in der germanozentrischen medienlandschaft. im internett dafür gute berichte bei asien aktuell.

 http://www.umwaelzung.de/aaktuell.html

leider zeigen die das hässliche gesicht der globalisierung.

18.11.04
"Tarlac (s.a. 4438) Die Zahl der Toten beim Überfall von Militär und Polizei auf Streik/Blockade beim Zuckerunternehmen Hacienda Luisita ist auf 14 gestiegen. Darunter sind zwei Kinder, die am Tränengas erstickt sind, die anderen wurden wohl erschossen."

danke für den bericht

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