Verdeckter Ermittler in Hamburg aufgeflogen!

W. Jantosch 15.11.2004 13:11 Themen: Repression
In der letzten Woche ist in Hamburg ein verdeckter Ermittler der Polizei enttarnt worden, der sich ein Jahr lang in linken Zusammenhängen engagiert hat.
Am Montag letzter Woche wollte "Christian Trott", wie sich der Beamte nannte, noch an einer Aktion teilnehmen (http://de.indymedia.org//2004/11/97958.shtml). Als eine Person auftauchte, die er von früher kannte, verschwand er wortlos und war nicht mehr zu erreichen.
Der Person, die ihn wiedererkannte, wurden aktuelle Fotos von "Christian" vorgelegt, auf denen er erneut eindeutig als Kristian Krumbeck identifiziert wurde. In der darauffolgenden Recherche wurden Fotos aus der Schülerzeitung des Gymnasiums Lütjenburg bei Kiel ausfindig gemacht, auf denen er von Personen aus unterschiedlichen betroffenen Zusammenhängen als "Christian Trott" identifiziert wurde. Nach mehrtätiger Recherche stand fest, dass es sich bei "Christian Trott" in Wirklichkeit um Kristian Krummbeck handelte, der nach seinem Abitur zur Polizei gegangen ist.

Kristian K.
Kristian K. kommt aus dem Dorf Behrensdorf bei Kiel. Er ist auf das Gymnasium in Lütjenburg gegangen und hat dort 1998 Abitur gemacht. In der Schule spielte er in der Band "Brüllmücken" (später: "fast gelebt") Schlagzeug. Bereits gegen Ende seiner Schulzeit äußerte er mehrfach den Wunsch, zur Polizei zu gehen. Eine Person aus seinem früheren Umfeld hat bestätigt, dass er bis mindestens vor einem Jahr bei der Polizei war.

"Christian Trott" - Die Legende
Vor etwa einem Jahr ist "Christian Trott" in Hamburger Zusammenhängen aufgetaucht.
Er behauptete, keine Ausbildung und kein Abitur gemacht zu haben und 22 Jahre alt zu sein. Zunächst habe er als Fahrer Geschäfte mit Fleisch beliefert. Diesen Job habe er verloren, nachdem er Ende Juli beim Diebstahl erwischt worden sei. Anderen Personen erzählte er, er habe einen Unfall gebaut. Er sagte, dass er nicht angezeigt worden sei und dass er kein Arbeitslosengeld beantragt habe. Nach seiner Entlassung habe er die Miete für seine Wohnung im Scheideweg 35a nicht mehr bezahlen können, woraufhin er zunächst zu seinem Vater nach Lübeck gezogen sei. Mehrere Angebote einer übergangsweisen Unterkunft in Hamburg lehnte er ab und verschwand im August für drei Wochen. Nach seiner Rückkehr Ende August erzählte er, dass er in einer Wohnung von einem Freund seines Vaters in Norderstedt untergekommen sei. Er sagte, er habe einen neuen Job bei der Fa. Hermes in Langenhorn gefunden. Zu seiner Tätigkeit dort machte er widersprüchliche Angaben: Einigen erzählte er, er würde wieder als Fahrer arbeiten, anderen wiederum, er arbeite im Ersatzteillager. Nach Anfragen in beiden Hermes-Niederlassungen Langenhorns hat sich bestätigt, dass dort kein "Christian Trott" beschäftigt ist.
Er war unter den Telefonnummern 040-99990078 und 0176-22065535 zu erreichen. Seine E-Mail-Adresse war S.PIRAT@gmx.de. Es wird dazu aufgerufen Mail-Verteiler auf diese Adresse hin zu überprüfe.
"Christian" hat hellblondes kurzes, zerzaustes Haar, blaue Augen, ist ca. 175cm groß, sportliche Erscheinung und ist zwischen 25 und 27 Jahre alt.

Die Vorgehensweise des Ermittlers
Im November 2003 kam er das erste Mal auf ein Treffen der Anti-Hartz-Gruppe, kurz darauf nahm er zusätzlich an den Treffen der FAU teil. Nachdem er am 7. Januar auf dem Widerstandsforum Personen der Hamburg-Umsonst-Kampagne kennen gelernt hatte, beteiligte er sich auch dort regelmäßig am Plenum. Bei den Treffen verhielt er sich zurückhaltend und äußerte sich nicht inhaltlich, galt in allen 3 Gruppen allerdings als zuverlässig. Er nahm gern an Aktionen, Demonstrationen und vor allem an anderen Bündnistreffen teil, auf denen er sich als Delegierter der Anti-Hartz-Gruppe oder von Hamburg-Umsonst vorstellte.

Im Internet wird folgende Liste mit Kristians a.k.a. "Christians" Tätigkeiten verbreitet:
Seit November 2003: Anti-Harz-Gruppe
seit Dezember 2003: FAU-Plenum
seit Januar 2004: Widerstandsforum
seit Mitte Januar 2004: Hamburg-Umsonst-Plenum
31. Januar 2004: Antifa-Demo Barmbek
Seit Frühjahr 2004: Kneipenschichten im libertären Zentrum "Schwarze Katze", Teilnahme an Zentrumsplena & Strukturtagen
März/April 2004: Vorbereitungen zur sozialrevolutionären 1. Mai DemoApril 2004: Plenum zur Räumung der Henriette
Mai 2004: Buko in Kassel
Juli und Ende August 2004: Wendebecken-Plenum, - Demos und - Räumung
August/September 2004: sozialrevolutionäres Plenum und Vorbereitung Anti-Harz-Demonstration in Wilhelmsburg
Insbesondere Oktober/November 2004: Vorbereitungen zu Agenturschluss, Teilnahme an bundesweiten Demos gegen Sozialabbau wie Berlin 02.10., Nürnberg 06.11


Zuletzt zeigte "Christian" Interesse am SZ in Norderstedt und an den Aktivitäten der attac-AG Sozialer Ungehorsam. In letzter Zeit versuchte er anscheinend darüber hinaus verstärkt persönlich Kontakte zu knüpfen. So spielte er Schlagzeug in einer Band und erkundigte sich nach freien Zimmern in politischen WG's. Außerdem versuchte er in den AStA hereinzukommen.

Ob "Christian Trott" auch in anderen politischen Zusammenhängen aktiv war, ist nicht bekannt. Unter der E-Mail-Adresse christiantrott(a)gmx.de werden von betroffenen Gruppen Informationen über "Christian" gesammelt.

Eine längere Stellungnahme ist angekündigt worden.
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Ergänzungen

Titel der Ergänzung

Dein Name 15.11.2004 - 14:36
ich frage mich immer wieder, wieso leute sowas mitmachen? die guten verarschen und das vertrauen menschen zumissbrauchen!! ...

du kannst davon ausgehen, dass der irgendwelche nummer hat - was ist nu mit dem? abgetaucht? kein kontakt mehr zuniemandem? wie siehts mit persönlcihem kontakt aus? hat er zu best. personen extrem engen kontakt? also evtl. sogar eine persönliche beziehung?!

Zum Thema

`~^v~\| 15.11.2004 - 22:22
Paranoia bedeutet Angst, und die mag als Warnzeichen nützlich sein, ist aber als Ratgeber denkbar schlecht.

Die Bullen machen, was machbar ist. Spitzel (ist ja nicht der erste, und auch nicht der letzte, der enttarnt wird), Überwachung, Agents Provocateurs, Zivis, Anquatschversuche, Repression, Desinformation, ISMI, Forumtrolls, etc.

Gegen alles gibt es eine Gegenstrategie, die der eher kreativ + dezentral gelagerten Linken zugänglich sein müsste.

Man könnte überlegen,

- wie man die Recherche ausweiten könnte.
- ob man eine Art verification etabliert.
- ob man heikle Aktionen in Zellen, oder, wie zB im Kampf um Algier, mit jeweils nur 2 Ansprechpartnern organisiert.
- ob man einfach den Krieg um die Köpfe zur Hauptsache macht und dadurch die Bewegung verbreitert.
- ob unbedingt die als erstes die Verantwortung zugeworfen kriegen, die inhaltlich am wenigsten bringen, nur weil sie bwl-technisch straight sind.
- ob man versucht, die linken Strukturen durch eine bessere Finanzierung so zu organisieren, dass nicht alles immer an denen hängen bleibt, die sich halt chronisch opfern. Gerade im Hinblick auf die zunehmende Verarmung – auch der linken Szene, könnte man darüber zumindest mal Gedanken spinnen. Lohnarbeit für Berufsrevolutionäre überflüssig machen durch breite Solidarität, sozusagen.
- was falsch läuft, wenn aus dem „bildet Banden“ ein „Einzelpersonen bitte anstellen“ wird. Wobei ich finde, das Anonymität in linken Zusammenhängen nicht primär wegen Spitzeln nix zu suchen hat, sondern, weil wir trotz Zwanglosigkeit und persönlicher Autonomie doch Menschlichkeit und Teilhabe und nicht Anonymität und Ignoranz als Ideal haben.
- wie man das Wissen der linken Zusammenhänge besser organisieren könnte.
- wie man diesen Typen wieder findet.

Für diese Spitzel ist das zumindest zum Teil eine schwierige emotionale Situation (bitte hier kein Mitleid mit den Schweinen hineindeuten). Sie betrügen die Menschen, mit denen sie eine lange Zeit verbringen. Anders als bei Spionen merken sie, dass es hier um wirklich notwendige und legitime Ziele geht, und das Miteinander ist bei vielen linken Zusammenhängen (nicht grade bei denen, die sich am lautesten präsentieren) ein warmes, zwangloses. Es handelt sich bei diesen Spitzeln um intelligente, urteilsfähige Menschen, und nicht um „Wir sind stärker“-Prügelorks. Sie werden wohl dran zu beißen haben, und ihre Entscheidungen werden – wahrscheinlich auch für sie – noch unverständlicher.

@ . wegen ISMI

küsschen 16.11.2004 - 13:31
Ich vermute mal, dass IMSI gemeint ist.
Das ist die eindeutige SIM-Kartennummer in Handys. Zusammen mit der IMEI, der eindeutigen Handy-Gerätenummer eignet sie sich für viele Formen der Überwachung; z.B. Personen aufspüren und verfolgen, Bewegungsbilder von Personen erstellen bis hin zur Gesprächsüberwachung mit IMSI-Catchern.

ist aussgefüllt

auch 18.11.2004 - 11:00
aktuell dazu auch ein artikel in der taz-hamburg:


 http://www.taz.de/pt/2004/11/18/a0320.nf/text

artikel zum thema auch hier:

der nestscheisser 18.11.2004 - 18:47

artikel in der mopo

sogar mit foto 19.11.2004 - 20:53
unter folgendem link gibts nen artikel aus der mopo. in der print version sogar mit bild (lohnt sich:-)
 http://archiv.mopo.de/archiv/2004/20041119/nachrichten/hamburg/politik_wirtschaft/hmp2004111818377611.html

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Frage! — Ano Nymus

lass woanders luft ab — mega genau

verwundert — verwunderter

re: re: Frage! — Verdammte Drecksscheiße

nürnberg — fiffi

@`~^v~\ — Ingo Fick

@ `~^v~\| — .

kein mitleid mit spitzeln — yx-ungelöst

bzgl. "einmal im leben pünktlich sein" — pünktlicher mensch

locker bleiben — meiner

!!! — *****