Warum gewinnen die Nazis Stimmen

Max Brym 16.06.2004 19:58
Wahlerfolg der Faschisten-Was tun

Erstveröffentlichung
Einige Notizen und Gedanken zu den Europawahlen und Kommunalwahlen am 13. Juni 04

Mit 21,5% hat die SPD ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1945 in Deutschland eingefahren. Das Institut Allensbach bescheinigt der SPD einen „Identitätsverlust, der zum Machtverlust führen wird“. Insgesamt verlor die SPD gegenüber den letzten Europawahlen 2,8 Millionen Wähler. In den neuen Bundesländern rangiert die SPD klar hinter der PDS. Ihr schlechtestes Wahlergebnis erzielte die SPD in Sachsen mit 11,9%. Zum Teil sind die Ergebnisse der SPD anläßlich der Kommunalwahlen in einigen Bundesländern noch katastrophaler. Die klassische Klientel der SPD, die Arbeiter und Arbeitslosen straften die SPD am deutlichsten ab. Die Masse der ehemaligen SPD-Wähler verweigert sich dem Wahlgang, eine Hinwendung zu anderen Parteien findet nur partiell statt. Auch die CDU/CSU verlor gegenüber 1999 rund eine Million Wähler. Leitartikler und Kommentatoren sprechen in den Medien von einer um sich greifenden Politikverdrossenheit. Diese Diagnose ist falsch und oberflächlich. In Wahrheit handelt es sich um eine Parteiverdrossenheit, nach einer Studie des „Allensbach Institutes“ empfinden 73% der Menschen in Deutschland „die gegebene Wirtschafts- und Sozialpolitik als sozial ungerecht“. Unter dieser ziemlich richtigen Einschätzung leidet besonders die SPD, aber auch die Union. Die Grünen hingegen können ihre Anhängerschaft aus der Intelligenz und dem neuen Mittelstand mobilisieren. Von der Rentenkürzung, der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe dem finanziellen Abenteuer eines Arztbesuches, ist die Klientel der Grünen nur partiell betroffen. Ähnliches gilt für die FDP mit ihrer soziologischen Basis. Diesen Leuten reicht der Katalog sozialer Grausamkeiten noch nicht. Die PDS hingegen konnte Gewinne verbuchen, schaffte locker den Sprung in das Europaparlament und ließ die SPD bei den Landtagswahlen in Thüringen mit 26 zu 14,5% weit hinter sich. Die Ankündigung der PDS, soziale Politik zu machen, zahlte sich aus. Allerdings nicht in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern, in diesen beiden Bundesländern gibt es eine SPD-PDS Koalition und demzufolge eine Politik, die den sozial Schwachen schadet. In den genannten Bundesländern verlor die PDS zusammen mit der SPD an Stimmen, allerdings die PDS nicht so dramatisch wie der große Koalitionspartner.

Schröder - „Weiter so“

Schröder erklärte nach den Wahlen: „Ich kann und werde keine andere Politik betreiben“. Der SPD-Chef Müntefering nannte die Sache mit den fehlenden SPD Wählern ein „Mentalitätsproblem“. Damit vollzog Müntefering eine Wende, hieß es einst die SPD hätte ein Vermittlungsproblem, so ist es jetzt ein „Mentalitätsproblem“. Damit wird der Wähler endgültig zum begriffsstutzigen Wesen erklärt. Solange von einem Vermittlungsproblem gesprochen wurde, sagte man nur, „ihr begreift uns noch nicht ganz richtig, aber das werden wir schon hinkriegen“, wenn es ein „Mentalitätsproblem“ ist, „dann kann mit euch nichts mehr gemacht werden“. Schröder ließ sich am Dienstag, den 15. Juni von BDI-Chef Rogowski ermuntern, „an seinem Kurs festzuhalten“. Klar dem BDI-Boß paßt der gelockerte Kündigungsschutz, der neue Billiglohnsektor und die Tatsache, dass sich nur Deutschland und Österreich (entwickelte Industriestaaten) den Luxus erlauben, keine Vermögenssteuer zu erheben. Die Herrschaften verstehen sich, wobei Herrn Rogowski das Schicksal der SPD egal ist, es geht um Kapitalverwertung. Die Regierung wie die Opposition haben den Anspruch Arbeitslosigkeit zu beseitigen aufgegeben, die neue Religion ist, „es geht nicht anders“ oder „wir führen einen Überlebenskampf in einer globalisierten Welt“, dabei gilt es für Deutschland „den Platz an der Sonne“ zu gewinnen. Dazu ist der Gürtel enger zu schnallen und es wird nationale Hingabe eingefordert. Allerdings hat eine nationale Standortagitation das Problem, kalt, ökonomistisch und technokratisch zu erscheinen. Der Propaganda fehlt das Pathos, sie gibt dem Gemüt nichts, dem „Standortlogiker“ fehlt das Fleisch, um das chauvinistische Knochengerüst attraktiv erscheinen zu lassen. In diese Lücke stößt der parteipolitisch organisierte Nazismus in Gestalt der Republikaner und der NPD.

Nazistische Wahlerfolge

Die schon längst totgesagten Republikaner verbesserten ihr Europawahlergebnis von 1,7 auf 1,9%. Auf den ersten Blick erscheint das nicht dramatisch zu sein. Diese Einschätzung muß sofort korrigiert werden, wenn das Kommunalwahlergebnis der Republikaner in Chemnitz betrachtet wird, dort erreichten die „Republikaner“ 10,3%. Der organisierte Nazismus und Rechtspopullismus hat regionale Zentren, in ihrer alten Hochburg Rosenheim kamen die Republikaner wieder auf über 5%. Generell muß festgehalten werden, die faschistischen Gruppierungen legten überall zu und erzielten anläßlich der Kommunalwahlen teils erschreckend hohe Ergebnisse. Die NPD bekam zu den Europawahlen in Deutschland mehr als 200.000 Stimmen. In Prozenten ausgedrückt sind das 0,9% und ein Zugewinn von hunderttausend Stimmen. Besonders stark ist die NPD bei den Kommunalwahlen in Sachsen geworden. Mit über 4,1% ist das sogenannte „Nationale Bündnis“ in Dresden mit drei Abgeordneten in den Stadtrat gekommen. In der „Sächsischen Schweiz“ erzielte die NPD Ergebnisse, die sich nur mit den Ergebnissen der NSDAP Ende der zwanziger Jahren vergleichen lassen. In der Gemeinde Königstein erhielt die NPD 21,1%, in Sebnitz 13,2% und der absolute Spitzenwert wurde in dem Nest Reinharsdsdorf-Schönau mit 25,2% erreicht. Die PDS erreichte in Reinhardsdorf-Schönau 20% und die SPD trat gar nicht erst zu den Kommunalwahlen in dem Ort an. Für den sächsischen Verfassungsschutz sind die Erfolge der Faschisten „nicht überraschend“. Der Verfassungsschutz ließ verlauten: „Vor allem in ihrer Hochburg der Sächsischen Schweiz“, seien Rechtsextremisten in der Mitte der Gesellschaft integriert“. Der Verfassungsschutz weiß wovon er spricht, ließ er doch durch seine Rolle in der NPD, den Verbotsprozeß gegen diese Partei platzen. In teilen Sachsens scheint die Strategie der NPD der „National Befreiten Zonen“ aufgegangen zu sein. In einem Papier des jetzt in München lebenden Wolfgang Bendel (geschrieben Anfang der neunziger Jahre) wurde diese Strategie entwickelt. Bendel schlug eine lokale Konzentration der Nazigruppen vor, in Anlehnung oder Umdrehung von Gramsci, wollte er eine kulturellen Hegemonie der Nazis erreichen. Diese Hegemonie wurde in vielen Teilen Ostdeutschlands Realität, Ausländer werden gejagt, geschlagen und wenn möglich umgebracht. Natürlich sind jüdische Friedhöfe ein besonderes Anschlagsziel der „kulturellen Hegemonisten“. Die Existenz solcher Gebiete wird der bundesdeutschen Öffentlichkeit seit Jahren vorenthalten, statt dessen wirbt die „Sächsische Schweiz“ mit ihren touristischen Möglichkeiten. Es wäre allerdings ein Trugschluß, die Erfolge der NPD auf Ostdeutschland zu beschränken, in der saarländischen Stadt Völklingen bekam die NPD bei den Kommunalwahlen 10% der Stimmen.

Woher kommt der Erfolg der Nazis?

Dieses Thema kann hier nur angerissen werden. Prinzipiell profitiert der Nazismus von drei Phänomenen. 1. Die gegebene Politik predigt den „Wirtschaftsliberalismus“. Prinzipien, „wie jeder ist sich selbst der nächste“ oder „der stärkere frißt den Schwächeren“, werden direkt aus der Ökonomie in den Bereich der Ideologie übertragen. Daran knüpft der Nazismus an, er muß das Ganze nur weiter treiben und rassistisch verabsolutieren. 2. Immer mehr Leuten geht es in Deutschland wirtschaftlich schlechter, es findet eine reale Umverteilung von Unten nach Oben statt. Dies ermöglicht den Nazis offene Ohren in Puncto sozialer Demagogie zu finden. Selbstverständlich ist für den Nazi der „Ausländer“ der „Schmarotzer“ und besonders der „Jude“ verantwortlich für die Verwerfungen des kapitalistischen Weltmarktes. Hier kann der Nazismus auf verbreitete „Verschwörungstheorien“ setzen und verkürzte „Kapitalismuskritiken“ benützen. Die Nazis geben sich als soziale Opposition aus, dies ermöglicht u.a. die Regierungspolitik. 3. In Deutschland gibt es einen weitverbreiteten rassistischen Grundkonsens. Die Union führt offen rassistische Kampagnen durch (früher Doppelpaß, heute z.B. EU Beitritt der Türkei, „islamische Gefahr“ usw.), während Innenminister Schilly Abschiebemaßnahmen gegen Asylbewerber und Flüchtlinge von Monat zu Monat intensiviert. Den Nazis kommt dieses Klima entgegen, sie geben sich in Sachen Rassismus als Original und nicht als Kopie aus. Seit Jahren sagt jede seriöse Untersuchung, dass zwischen 15 und 20% der Bundesbürger ein relativ geschlossenes antisemitisches Weltbild haben. Dieses Potential zu erschließen, fällt bekanntlich in Zeiten der Krise den Nazis leichter, als zu anderen Zeiten.


Ausblick

In Dresden fand am Abend, an dem der nazistische Wahlerfolg bekannt wurde, eine skurrile „Antifa-Demonstration“ statt. „Bomber Harris und die Flut, dass tut den Deutschen gut“, war eine der Hauptparolen der Demonstranten. Mit solch menschenverachtenden und nationalistischen Parolen wird den Nazis geholfen. Denn in Dresden haben 4,1% der Wähler die Nazis gewählt und nicht die ganze Stadt. Wenn jedem Dresdner „Bomber Harris“ an den Hals gewünscht wird, dann ist der Aufbau einer antifaschistischen Struktur in Dresden unmöglich. Zudem wird der Nazismus verharmlost, denn wenn alle Nazis sind und „Die Flut“ verdienen, dann ist der tatsächliche Nazi gar nichts mehr besonderes. Solcher Irrsinn gehört entschieden zurückgewiesen. Notwendig ist es, den Nazis überall offensiv entgegenzutreten. Es gilt ein Klima zu schaffen, in dem der Kampf gegen den Sozialabbau entwickelt wird. Die historische Erfahrung lehrt, dass eine starke und entschiedene Arbeiterbewegung ein Wall gegen Faschisten sein kann. Durch soziale Kämpfe können Menschen mobilisiert werden und Menschen unterschiedlicher Nationalität aufgrund ihrer gleichen Interessenslage zusammenfinden.


Max Brym

Quellen SZ.15.6.04 FAZ 16.6.04 FR. 16.6.04 BZ. 16.6.04
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Ergänzungen

auch im Saarland

spiegel ander wand 16.06.2004 - 21:35
von den alten Bundesländer bekam die NPD im Saarland mit 1,7 Prozent am meisten. Saarbrücken balam sie bei den Stadtratswahlen insgesamt 4,3 Prozent, in Sozialschwerpunkten von 6,5 % bis 18 %.
n Völklingen ( 20 km von SB ) sogar insgeamt 10,5 %

NAZIS ENTGEGENTRETEN - ob auf Straße, Stadtrat oder im Denken

alternative Antwort

Nachdenker 16.06.2004 - 21:36
Eine andere Antwort auf die eingangs gestellte Frage wäre: Niedrigere Wahlbeteiligung = weniger Stimmen reichen für höhere Prozentwerte. Die SPD-Wähler bleiben weg, die NPD-Wähler bleiben. Niemand gewinnt Stimmen hinzu und dennoch verbessern die Nazis ihr Wahlergebnis. So einfach kann Politik manchmal sein.

Lächerlich

abc 16.06.2004 - 21:37
Diese "Analyse" kann mensch in jeder Tageszeitung, vermutlich noch besser formuliert, nachlesen. Auf die Ursache der "Wahlerfolge" der Nazis wird, trotz anderslautender Überschrift, fast gar nicht eingegangen. Fakt ist, dass die Faschisten in Deutschland, zumindest politisch, keine Bedrohung für die Menschen sind. Dagegen haben in unseren europäischen Nachbarstaaten Rechte unterschiedlichser Radikalität erhebliche Einfluss auf die Parlamente. Auch das neue Europa-Parlament wird davon nicht verschont bleiben.

na vielen dank auch aus dresden

antifa 16.06.2004 - 22:59
vielen dank für den hinweis wie daneben die spontandemo in dresden gegen das nationale bündnis war. im übrigen war die lieblingsparole dieser demo: "scheiss dresdner bürger, ihr habt es so gewollt - das Nazi-Bündnis ins Rathaus geholt". für den neuen stadtrat zumindest hat diese antifa-aktion einen anderen effekt gehabt. besser nachzulesen hier
 http://venceremos.antifa.net/ddneonazis/nationales-buendnis-dresden/demo13juni04.html
mit der demo wurde berechtigte wut zum ausdruck gebracht. wo ist das problem?

REP auch in Ludwigshafen am Rhein

LUzifer 17.06.2004 - 01:01
Die REPs bekamen auch in Ludwigshafen am Rhein mit mind. 9,1% 6 Sitze bei der Stadtratswahl...

Warum wählt keiner mehr die Nazis?

gute Frage 17.06.2004 - 02:46

Die soziale Lage verschärft sich immer mehr, und trotzdem wählt kaum einer die Nazis. Selten waren Rechtsparteien so bedeutungslos wie heute.

1969 erreichte die NPD bei Bundestagswahlen 4,9 Prozent, die Republikaner bei den Europawahlen 1989 in Bayern 14,9 Prozent. Damals herrschte noch Wohlstand, eine "Agenda 2010" war unvorstellbar.

Noch vor 10 Jahren gab es viel dramatischere Ergebnisse. Die Frage muß eigentlich lauten, warum in Deutschland die Nazis selbst vor dem Hintergrund einer allgemeinen Politikverdrossenheit offenber keinerlei Chance haben, über 5 Prozent zu kommen.

Zum Vergleich: In Israel und den USA sind die rassistischen Rechtsparteien längst an der Macht. Die dortigen Gesellschaften stehen Krieg und Folter überaus aufgeschlossen gegenüber. Warum eigentlich? Das ist eine Frage, der Max Brym vielleicht einmal nachgehen sollte.

wahlbeteiligung

Der oder die AutorIn muss angegeben werden 17.06.2004 - 09:27
@nachdenker

die wahlbeteiligung war in den ortschaften in der sächsischen schweiz, in denen die npd überdurchschnittlich viele stimmen für den gemeinderat bekommen hat, höher als der durchschnitt. das kann mensch auch an dem zuwachs der absoluten stimmen erkennen. so einfach kann informieren sein.

alternative Antwort ist falsch

Zahlenangucker 17.06.2004 - 11:01
Hinsichtlich der Wahlerfolge der NPD in Sachsen ist es falsch, dass die Partei nur aufgrund einer geringeren Wahlbeteiligung, aber Mobilisierung der Stammwählerschaft ihren prozentualen Anteil am Wahlergebnis erhöhen konnte. Beispielsweise hat die NPD bei der Wahl zum Europaparlament im Kreis Sächsische Schweiz den Kreis ihrer Wählerschaft verdoppelt. Hier ist das Denken der NPD, dass sich in den Aktionen der Skinheads Sächsische Schweiz handfester ausdrückte, mittlerweile fest im Denken und Handeln großer Teilen der Bevölkerung direkt angekommen. Wer es nicht glaubt, sollte einfach mal ein paar Tage Urlaub in der an und für sich schönen Region machen. Das ist tatsächlich eine "National Befreite Zone".


Zahlen finden sich hier:
 http://www.statistik.sachsen.de/pls/wpr_neu/pkg_w04_nav.prc_index?p_anw_kz=EW04

Wählen oder Nichtwählen, das ist die Frage!

avanti 17.06.2004 - 12:41
Nicht erst die Europawahl, auch die vorhergehende Hamburger Wahl und andere Wahlen zeigen in Deutschland einen immer stärkeren Rechtstrend. Damit meine ich nicht die von Max Brym oberflächlich beschriebene Zunahme von Stimmen der rechtesten Parteien, also hierzulande der Salon-Faschisten von NPD, Rep, DVU, Schillpartei usw., sondern den Rechtstrend a l l e r zu den Wahlen antretenden Parteien. Nicht erst die Wählerstimmen, wenn sie in der Urne zur Ruhe kommen, wandern nach rechts, sondern schon das wählbare Angebot der Parteien. Ist denn die SPD von heute dieselbe, wie vor 10 Jahren, als der dann an sich selbst gescheiterte Oskar Lafontaine noch in deren Führung saß? Inzwischen hat die SPD mit Schily den besten CDU-Innenminister seit langem hervorgebracht und betreibt einen rigiden antisozialen Kurs, den die deutschen Eliten ihr so konsequent nicht zugetraut hätten. Ist die PDS noch dieselbe, wie zur Zeit ihrer Gründung als sie mit der Angst des Untergangs im Nacken dennoch am Rettungsring Sozialismus festhielt und Gysi sich als frecher Antikapitalist gebärdete? Inzwischen hat er sich im Netz der Bonusmeilen des Kapitalismus der Moderne verheddert und seine PDS ist zu einer stink normalen kleinbürgerlichen deutschen Standortpartei mutiert, die schon mal ihre Wähler mit der offen rechten DVU austauscht, wie bei der anhaltinischen Landtagswahl 1997 geschehen, als sich ehemalige PDSler mit 12,5 % als DVU-Wähler outeten. Rechte und linke Sozialdemokraten
sind auch in Deutschland außen rot, aber innen weiß. „Eine starke und entschiedene Arbeiterbewegung“ als „Wall gegen Faschisten“ existiert nur im Geschichtsbuch Max Bryms, aber nicht in der Geschichte.
Wollen wir nicht die CDU vergessen, die ihr letztes stolzes Hamburger Wahlergebnis von 47 % doch nur dadurch einfuhr, das die vormals rechts von ihr etwa 15 % geparkten Schillpartei-Stimmen zur Mutterpartei zurückfanden. Es lebe der Unterschied. Aber auch heute ist in der CDU/CSU was anderes drin, als noch vor 10 Jahren. Folter, Internierungslager, Sicherheitshaft sind gerade in dieser Partei nicht vom Schlussstrich betroffen, den Martin Hohmann unter die deutsche Tätergeschichte gerne ziehen wollte, nein sie sind zwar umstrittene aber zugelassene innovative Ideen der künftigen deutschen Regierungspartei. Die Grünen haben ihren Marsch nach rechts durch die Institutionen längst beendet und statt Polizisten zu prügeln und den Staat anzugreifen, schicken sie selbst Militär nach Afghanistan, in den Kosovo, nach Djibuti. Das sind Entscheidungen, die früher nur der Kaiser traf.
Die Erbsenzählerei rechtsradikaler Wählerstimmen, wie sie Max Brym betreibt, ist Augenauswischerei. Sie kann uns zwar einen ersten wohltuenden Schreck einjagen, aber das eigentliche deutsche Rechtsproblem liegt viel tiefer. Alle Parteien betreiben, zwar nuanciert aber im Wesen, eine Rechtspolitik, die nur von ihren Parteilogos und der Mentalität ihrer Wähler, auf die sie verbal Rücksicht nehmen müssen, verdeckt wird. Anders gesagt: Der bürgerliche Staat wird sich für die Viertelfaschistische Sächsische Schweiz, Völklingen und andere Nazi-Zonen etwas einfallen lassen, z.B. ABM, Ausbildungsplätze, Anti-Gewalt-Prävention, Knast für die rechtsradikale SSS, Handwerkerförderungen, Radwege und EU-Mittel. Bei den nächsten Wahlen halbieren sich dann die Nazi-Stimmen und CDU oder PDS erringen grandiose Wahlerfolge. Ist dann die Welt wieder in Ordnung?
Dieses Spiel wird nun schon 14 Jahre in Deutschland gespielt. Eine erste Analyse sollte deshalb zweierlei in den Blick nehmen.
1. Unter der Decke und zuweilen auch über der Oberfläche nehmen staatsautoritäre, deutsch-nationalistische, lobbyistisch-antisoziale und rassistische Stimmungen in der gesamten Bevölkerung und in allen Parteien zu, weil von keiner Partei (auch der beabsichtigten neuen Linkspartei) eine wirkliche Alternative verfolgt wird, da es an klarer antikapitalistischer Kompetenz mangelt. Gerade die größten „linken“ politischen Demonstrationen der beiden letzten Jahre, die Friedens-Demo am 15. Februar 2003 und die Sozial-Demo am 3. April 2004 enthielten keine klare antikapitalistische Aussage, stattdessen waren sie linke Happenings für Deutschland als Standort des Friedens und der Arbeit. Dieser linke Lobbyismus ist nichts anderes als die Agenda 2010 nur auf niedrigerem Niveau.
2. Immer mehr Menschen verspüren die Auswirkungen dieses Rechtskurses, den sie als solchen jedoch nicht durchschauen, d.h. sie wissen nicht, wer dafür verantwortlich ist. Die Macht der Eliten hat für sie keine Hausnummer mehr. Bislang sind sie ihren Parteien, die sie für sozial und friedlich hielten, in jede Wahlkabine gefolgt. Nunmehr sind diese Wähler irritiert und weil sie nicht beliebig ihre politische Meinung durch Voten für andere Parteien ändern wollen, genehmigen sie sich eine Auszeit und wählen eben nicht. Dieser Trend der Nichtwählerschaft ist das eigentliche Konfliktpotential des so erfolgreichen Rechtstrends hierzulande. 66 % Nichtwähler sah die Eurowahl und dies obwohl sich die herrschenden Eliten mit der Zusammenlegung des Wahltermins mit einer Landtagswahl und 6 Kommunalwahlen eine positivere Wahlbeteiligung erhofften. Die Medien schaffen heute viel. Sie können eine Partei niedermachen, wie die Schillpartei oder aufbauen, wie die Grünen, aber sie haben noch kein Kraut entdeckt, dass die Wähler an die Urnen treibt. Gibt es das überhaupt? Menschen, die eine andere Politik hierzulande wollen, müssen sich darüber einen Kopf machen, anstatt auf Wahlergebnisse, Parteien und Programme zu schauen. Veränderung beginnt mit Verweigerung.

Teilerklärung der NPD Wahlerfolg"

jeff 17.06.2004 - 12:55
Im Marzahn-Hellersdorf hat nur 13,9 prozent der Wahlberechtigten gewählt. Die NPD konnte dadruch ca. 10 prozent erreichen, obwohl nur fünf Leute NPD gewählt haben (TAZ, 17.6.04). Naturlich ist das fünf Stimme zu viel, aber das zeigt, dass die NPD keine grossere gesellschaftliche Unterstutzung, sondern, dass NPD Wähler einfach entschlossener sind.

eiertanz

ER 17.06.2004 - 13:14
wie immer liefert brym viel gejammer, wenig analyse. angebliche nazisturkturen quer durch staat und gesellschaft und tief verwurzelter antisemitismus - hilfe, mich verfolgt ein kernkraftwerk.

entfesselter wirtschaftsliberalismus und unmverteilung von unten nach oben - da kommt brym der realität schon näher. man vermißt freilich wenigstens den versuch einer analyse, warum diese klassischen linken wahlkampfthemen den linken parteien nicht mehr nutzen. die "linke", soweit sie hier in indymedia reoräsentiert ist, nimmt die sorgen und ängste der potentiellen klientel schon lange nicht mehr ernst. das ist der unterschied zur historischen linken.
diese wahl war europaweit ein sieg der europakritiker. wenn im land von bomber harris die eu-erweiterung als bedrohung für die sozialsysteme und auftakt zu noch mehr umverteilung von unten nach oben dargestellt wird, ist das ein thema der gesellschaftlichen mitte. hierzulande wird das zu einem nazithema stigmatisiert. und wer den rassistischen züchtungsphantasien der ad nachhängt, kann den beitritt der türkei auch nur begrüßen. die ärgerlichen antiislamischen tendenzen in der union hin oder her, wenn die linken parteien sich nicht mit der frage auseinandersetzen, ob die eu wirklich eine außengrenze zum irak bekommen soll, wird auch nach den nächsten wahlen der gleiche eiertanz von vorne losgehen. das problem der linken sind ihre ideologischen scheuklappen. aber politik fängt bekanntlich mit einer unverzerrten realitätswahrnehmung an.

Falsche Frage

rioter 17.06.2004 - 13:31
Die Frage ist doch viel eher: warum gewinnen die Nazis so WENIGE Stimmen, und das obwohl sich die soziale Situation immer mehr verschärft? Es gab Zeiten, da ist die NPD bei Bundestagswahlen nur knapp an der 5%-Hürde gescheitert! Es gab Zeiten da wurden Parteien wie die REPs ins Europaparlament gewählt!

Hier werden ein paar einzelne Städte herausgesucht, die die These, dass Nazis immer erfolgreicher werden, vermeintlich bestätigen. Aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: trotz extrem geringer Wahlbeteiligung (die normalerweise rechtsradikalen Parteien fette Prozentpunkte beschert) bekommen die Nazis in Deutschland keinen Fuß auf den Boden. Keine einzige rechtsextreme Partei kam auch nur annähernd, auch nur in die Nähe der 5%-Hürde (was an sich schon wenig genug wäre... 5% sind auch nicht viel).

Wir haben also in Deutschland die glückliche Situation, dass rechtsextreme Parteien keinerlei Zuspruch finden - von einigen ganz wenigen Hochburgen abgesehen.

UND DAS IST AUCH GUT SO!
Deshalb sollte man hier auch nicht einen "Erfolg" der Nazis konstruieren, den es so überhaupt gar nicht gibt.

was tun ?

enough is enough 17.06.2004 - 13:36
zum Beispiel:

Eu-Wahl möglich anfang einer Neuortierung

x 17.06.2004 - 18:20
also vorne weg mal jede Stimme für die Nazis ist eine zu viel deshalb heißt es weiter aufmerksam sein. Das sie so schwach sind liegt denke ich darin einerseits, dass es in der Naziscene selbst nicht recht weiß wo sie hin will Kameradschaften laufen als Black Block auf die NPD hat kein Bock drauf, Worch organsiert sehr viele kleine Demos(welche öfters mal nett so doll sind,) worauf einige Kameradschaften kein Bock ham und die NPD führt eine Disskussion darüber ob nun das Blut notwenigdige notwendikeit für Deutsch sein ist. Hinzu kommt, dass die Nazis dem Wirtschaftsstandort zur Zeit nicht weiter bringen anders als anfang der 90ziger (faktisches Ende des Aslyrechts).Dass sie trozdem ein paar Stimmen gewonnen haben liegt denke ich daran das ja auch die bürgerlichen Partein ein ziemlich großes Problem haben sie müssen Menschen dafür begeistern dass sie gewählt werden aber können als dankeschön nur """sinnvolle""" Streichungen für diese durch führen.
Die Mehrheit dieses schönen Landes weiß aber anscheinent nicht was also ein Sinnvoll Rezept aus der kriese seien könnte. Tja jetzt haben fast 60% nett gewählt, sind sie links oder rechts drauf? Ist dies eingefährlicher oder hoffnungsvolle Situation ?
Ich muss sagen ich weiß es nicht, aber ich möchte noch ein paar Gedanken niederschreiben. Geschichte wiederholt sich nicht, dies geht ja auch gar nicht da z.B. einen neues Nazideutschland mit Atomwaffen ausgestattet wäre und es eh immer andere Waffen und Produktionsmittel geben muss.
Ich denke die Geschichte verläuft auch nicht zwangsweise hin zum Kommunismus bzw. Faschismus dies hat sie woll eindrucksvoll bewiesen.
Meine 3 These ist die Nichtwähler habeb kein geschlossens Weltbild sondert nur einige Kritikpunkte, welche sowohl linke wie rechte Ansätze haben, das dies so ist leite ich aus der Politischen Realität ab, welche ja nicht gerade von irgendwelchen radikalen/extremitischen Foren gekennzeichnet ist.
Tja also das system ist in der Kriese auch wenn diese die nächsten 2Jahre mal ne kleine Pause bzw. etwas abschlaft aber auf jeden Fall wirtschaftlich mit den 30ziger vergleichbar ist.
Das die Menschen bzw. die Deutschen jetzt vernüpftig werden ist reines wunsch Denken da sie es ja gerade sind welche dieses System reprodzieren und im zweifelsfall immer die anderen Schuld sind stimmt mich eher pessimitisch.
Es gibt nichts gutes außer mensch tut es!

Auch dazu ..

Finderin 18.06.2004 - 08:21
.. gefunden "Die Mitte der Gesellschaft? Braune Kreuze in Sachsen bei den Kommunalwahlen (...) @  http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17665/1.html

Werter Max

yy 18.06.2004 - 18:23
Deine Fragestellung ist sicher nicht uninteressant.
Vielleicht solltest du sie an ein Meinungsforschungsinstitut richten,
die antworten meist mit umfangreichen Papieren.

Solltest du sonst noch Fragen haben,
Zur braunen Rechten, Linken oder Mitte
 http://www.medizin.uni-greifswald.de/rechtsmed/forschung.htm
 http://www.uni-greifswald.de/~forsch/
alle kritischen Punkte, wirst du sicher selbst finden,
es ist nicht allzuschwer.

dein H.H.

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