Audioaufnahme: Diskussionsabend zur "SiKo-04"

imc muenchen 05.02.2004 15:08 Themen: Militarismus SiKo München
Tonaufzeichnung eines Diskussionsabends am Willi-Graf-Gymnasium München über die sog. "Sicherheitskonferenz" mit Vertretern von Stadt, Polizei, der Roten Hilfe und des Demonstrationsbündnisses.
Ich möchte etwas zur Diskussion schreiben, man sollte sie sich aber dennoch selbst anhören.

Die Vertreter der Behörden hatten natürlich ihre Standardantworten parat und beruften sich darauf, lediglich Recht und Ordnung durchzusetzen wie das vom Gesetz her verlangt wird. Politische Motivationen seien nicht im Spiel was Vorgehen der Polizei/ der Stadtverwaltung betreffen. Man merkte ihnen an, dass sie sich sichtlich schwerer tun ihr Verhalten zu rechtfertigen wenn sie den kritischen Fragen des versammelten -meist jugendlichen- Publikums direkt gegenüberstehen.

Die Gegenseite konnte jedoch auch nicht voll und ganz überzeugen und beschränkte sich auf "Tatsachen der Kriegspolitik" die kaum weiter ausgeführt wurden. Diese mögen für diejenigen unter uns, die sich häufiger mit dem Thema beschäftigen, durchaus selbstverständlich und nachvollziehbar sein, doch sollte man die Glaubwürdigkeit durch eine halbherzige Argumentation nicht an die von Berufswegen selbstbewussten Vertreter von Politik und Polizei verschenken.

Eine Sache die mir besonders aufstiess war, nicht zuletzt durch einen irritierenden Zwischenruf, wie selbstverständlich man sich auf der konservativen Seite auf die allgemeine Gültigkeit und Nachweisbarkeit des staatlichen Rechts beruft. So wurde Claus Schreer vom Demonstrationsbündnis angegriffen "Woher er sich das Recht nehme so über Gesetze zu sprechen" und ob er überhaupt ein juristisches Studium besäße.

Meine persönliche Meinung dazu ist klar. Ich denke nicht, dass die Interpretation von Recht und Gesetz nur in den Händen von Juristen oder anderen "höheren" Kompetenzen liegen sollte. Jeder darf und soll geltendes Recht interpretieren und kritisieren. Dies darf auch nicht vom Schulabschluss abhängig gemacht werden, wie einer der älteren Zwischenrufer mit einem schlechten Franz-Josef-Strauss-Zitat versuchte anzudeuten. Das was letztlich "richtig" und "falsch" ist liegt immer im Konsens der Gesellschaft und die Rechtsprechung rennt diesem im Normalfall immer hinterher. Sei das die Eheschliessung zwischen Homosexuellen, die Staatsangehörigkeit für 'Nicht-Deutsche' oder das Existenzrecht von Rüstungskonzernen oder Militärkonferenzen.

Dabei ist es zweitrangig ob und wie durch juristische Spitzfindigkeiten im Prinzip jedes politisches Tun -also auch Militärkonferenzen im Bayerischen Hof- irgendwie rechtlich legitimierbar ist, weil eine Rechtsgrundlage prinzipiell immer herbeiargumentierbar ist. Das deutsche Grundgesetz ist da so deutlich, dass es schon fast wertlos ist, weil das Maß der Auslegung sich in einer einzigen großen Grauzone befindet: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."

Dazu könnten auch "Sicherheitskonferenzen" zählen in denen sich Vertreter der Rüstungsindustrie (u.a. Boeing, Lockheed-Martin, Krauss-Maffai-Wegmann, BMW oder Daimler-Chrysler) mit Militärvertretern zum gemütlichen Plausch zusammenfinden und für einen globalen "Anti-Terrorkrieg" argumentieren. Die NATO-Staaten sind weltweit die Rüstungsexporteure Nummer 1 und die Waffen mit denen Menschen in aller Welt getötet oder verstümmelt werden, werden nicht im Kongo oder im Sudan hergestellt, sondern hauptsächlich bei uns in den USA, Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, usw. Aber auch Russland und China. Und das sind genau diejenigen die sich auf solchen Konferenzen -wie auch dieser- einfinden und vorgeben die Welt von den Problemen des Krieges befreien -sie beschützen- zu wollen.

Einer der behördlichen Vertreter bestand darauf, dass jeder die Freiheit hätte, sich politisch zu betätigen, solange dabei die Freiheit anderer nicht eingeschränkt oder gefährdet wird. Inwieweit die Freiheit oder das Recht auf Leben von Menschen anderswo auf der Welt gefährdet wird, weil hier in Deutschland, in München, Rüstungslobbyisten ungestört ihren Deals und Kriegsbefürworter ihrer fadenscheinigen Propaganda nachgehen können muss zur Debatte stehen. Wenn der Staat in Form von immer wiederkehrenden Demonstrationsauflagen, einer penetranten Polizeipräsenz und einer ausdrücklichen Duldung der "ehrenwerten Herrschaften" das Bemühen politischer Bildung auf der Gegenseite gegen eben diese Politik erschwert oder einschüchtert, dann kann man von einer politischen Motivation sprechen, die darauf abzielt, die Entwicklung einer selbstbewussteren, radikaleren Friedensgesellschaft zu bremsen. Auch wenn dies nur kurzfristige, ökonomische und politische Gründe für die jeweiligen Politiker haben mag, und weniger einem großen "Plan" unterliegt wie Claus Schreer das angedeutet hat.

Interview mit Buchautor Jürgen Grässlin zum Thema Kleinwaffen aus deutscher Produktion:
 http://www.friedenskooperative.de/ff/ff01/4-07.htm

Seite zum Thema Rüstung von der amnesty international Hochschulgruppe der Uni Bamberg:
 http://www.uni-bamberg.de/~ba941918/waffen.htm#H


Datum: 04. Februar 2004
Länge: 77 min (Teil 1) und 70 min (Teil 2)
Format: mp3pro 20kbit, 32khz
Copyright: keines.
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Ergänzungen