Demo "Feuerwache verteidigen!" in Saarbrücken

Antifa Saar / Projekt AK 21.12.2003 19:50 Themen: Freiräume
Am Samstag, den 20.12.2003 demonstrierten etwa 350-400 Menschen in der Saarbrücker Innenstadt für den Erhalt der Alten Feuerwache als soziales, kulturelles und politisches Zentrum.
weitere Fotos unter:  http://de.geocities.com/alterfeuerdrache/pics/demo_201203/index.htm



Die Demonstration startete gegen 16:30 Uhr vom Max-Ophüls-Platz hinter der Alten Feuerwache. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 350-400 meist junge Menschen auf dem Platz.
Die Demo führte lautstark durch das Nauwieser Viertel über die Richard-Wagner-Straße, am kürzungsbedingt geschlossenen Stadtbad vorbei Richtung Bahnhof, wo die Demonstration einen ersten unfreiwilligen Halt einlegen musste. Grund waren ein halbes Dutzend Faschisten, die wohl erst meinten, sich die Demonstration anschauen zu müssen, es dann aber kurze Zeit später doch vorzogen, in den nahe gelegenen Bahnhof zu flüchten und hinter Knüppeleinheiten der Polizei Schutz zu suchen.
Die Demo setzte sich fort über die Karl-Marx-Straße zur Saargalerie (Einkaufszentrum), wo eine Zwischenkundgebung stattfand. Redebeiträge hielten die Antifa Saar / Projekt AK, der Kurdische Kulturverein und AktivistInnen der ebenfalls bedrohten ExSteffi aus Karlsruhe. Die Forderungen nach Freiräumen und selbstverwalteten Zentren sowie - in Anspielung auf die wenige Minuten vorher verjagten Neonazis - aktivem Einsatz gegen Faschismus, Rassismus und Antisemitismus wurden von den Demonstrierenden lautstark begrüßt.
Im Anschluss an die Zwischenkundgebung setzte sich die Demonstraion fort Richtung Fußgängerzone Bahnhofstraße, dem kommerziellen Mittelpunkt der Stadt Saarbrücken. Die Route durch die Bahnhofstraße wurde vom Ordnungsamt verboten, vorgeblich aus Sicherheitsgründen ("Menschen mit großen Taschen" und ähnliche Scherze standen in der 2-seitigen Begründung), der wahre Grund lag jedoch schlicht und einfach darin, dass der Einzelhandel am letzten Samstag vor Weihnachten beim einträglichen Weihnachtsgeschäft nicht gestört werden sollte. Ganz aufgegangen dürfte diese Rechnung trotzdem nicht sein, da die Demo, die sich etwa 3 Stunden durch die Stadt schlängelte, doch für erhebliches Verkehrschaos und entsprechende Rundfunkmeldungen sorgte.
Die Zugänge zur Einkaufsstrasse waren von Robocops und BFE-Einheiten versperrt, so dass kein Durchbruchsversuch unternommen wurde. Die Demo führte schließlich noch am Staatstheater vorbei zurück zur Alten Feuerwache, wo nach einem kurzen Abschlussbeitrag dann aufgelöst wurde.
Während des Demonstrationszuges wurden Flugblätter an PassantInnen verteilt und über den Lauti das Anliegen mitgeteilt.

Erfreulich war die Teilnehmerzahl, vor allem die große Unterstützung von außerhalb; so waren etwa Menschen aus Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim, Darmstadt, Trier und Luxemburg angereist.
Unterstützt wird die Forderung des Vereins "Alter Feuerdrache e.V." nach dem Erhalt der Alten Feuerwache von vielen Initiativen, Geschäften udn Vereinen, u.a. von Antifa Saar, Antifa St.Wendel, Jugendantifa St.Ingbert, levanta!SLS, Aktion 3. Welt Saar, Unimut/GAL, Antifa Landau, Antifa Neckar-Odenwald/Keine Lichterketten, ExSteffi Karlsruhe, Autonomes Zentrum [im Exil] Heidelberg, Conne Island Leipzig, der Buchladen im Nauwieser Viertel, Kino achteinhalb, Theater im Viertel, Gasthaus Bingert, Cafè Schrill, Blattlaus, PDS-Saar, MLPD-Saar, verdi-Jugend Saar und viele mehr.


Im Folgenden dokumentieren wir noch den Redebeitrag der Antifa Saar / Projekt AK:

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Wir demonstrieren hier und heute für den Erhalt der „Alten Feuerwache“ als selbstverwaltetes Politik-, Sozial- und Kulturzentrum in Saarbrücken. Mit der schriftlichen Kündigung vom 28.11.2003 ist es jetzt offiziell und amtlich: die Stadt Saarbrücken will den Verein „Alter Feuerdrache e.V.“ und die NutzerInnen der Alten Feuerwache aus dem Gebäude werfen, um es einer, so wörtlich „wirtschaftlicheren Nutzung zuzuführen“; heißt also im Klartext: die Feuerwache als eines der letzten öffentlichen Gebäude, die den städtischen Privatisierungswahn bisher relativ unbeschadet überstanden haben, wie so viele andere zuvor einer kapitalistischen Verwertung zuzuführen.
Das selbstverwaltete Hausprojekt „Alte Feuerwache“ besteht seit knapp 22 Jahren und hat in dieser Zeit eine sehr wechselhafte Geschichte mitgemacht. Dabei war das Haus so manches Mal Opfer staatlicher Repressalien, so beispielsweise am 28. Mai 1994, als eine vermummte und bewaffnete Hundertschaft der paramilitärischen Bundesgrenzschutzeinheit „GSG-9“ das Gebäude stürmte, die Räume durchsuchte und die Anwesenden festnahm. Ziel des Angriffs war damals der Kurdische Kulturverein.
In den vergangenen Jahren war es dann die Stadt Saarbrücken, die der Alten Feuerwache zunehmend auf die Pelle rückte. Im Jahre 2000 und 2002 gab es dann konkrete Versuche, einen Nachmieter für das Gebäude zu finden und die in der Feuerwache praktizierenden Vereine und Gruppen vor die Tür zu setzen. Was bisher immer durch öffentlichen Druck verhindert werden konnte, scheint nun ein fester Entschluss der Stadtoberen zu sein. Verhandlungen wurden erst gar nicht geführt, die Kündigung ist bereits zugestellt worden, und einer Verlängerung des Mietverhältnisses wird – ich zitiere aus der Kündigung – „bereits jetzt ausdrücklich widersprochen“.

Der Wortlaut des Kündigungsschreibens und der generelle Umgang der Stadtverwaltung mit dem Verein „Alter Feuerdrachen“ machen deutlich, dass kulturelle und soziale Projekte, die - wie die Alte Feuerwache - im Sinne kapitalistischer Verwertungslogik nicht effizient sind, in dieser Stadt ausdrücklich nicht erwünscht sind.
Dem Konzept einer marktkonformen und profitorientierten Landeshauptstadt steht längst nicht nur die Alte Feuerwache im Weg. Opfer des städtischen Kürzungswahns wurden bereits das Nachtcafe und die Notschlafstelle des Saarbrücker Drogenhilfezentrums in der Brauerstraße oder das Stadtbad Saarbrücken, andere Einrichtungen sollen und werden folgen. Nach dem Willen der Stadt haben scheinbar nur die Einrichtungen ein Existenzrecht, die gewinnorientiert funktionieren können bzw. wollen. Dass diese Politik nicht auf Saarbrücken beschränkt ist, dürfte jedem Menschen klar sein. Den Kern der Spar- und Kürzungspolitik brachte im August diesen Jahres der Vorsitzende der Jungen Union, Phillip Missfelder, auf den Punkt: er schlug vor, älteren Menschen medizinische Leistungen zu verweigern. Diese Aussage verdeutlicht, worum es der offiziellen Politik geht: Menschen werden darauf reduziert, ob und wie sie für die kapitalistische Gesellschaft verwertbar sind. "Hartz - Papiere" und "Agenda 2010" sind lediglich wohlklingendere Begriffe für die Durchsetzung dieser Logik. Mit rasantem Tempo werden Beschlüsse gefasst wie Krankenhausbetten zu streichen, Löhne zu kürzen, Arbeitslose zu schikanieren, Flüchtlinge abzuschieben oder die medizinische Grundversorgung einzuschränken , demnächst vielleicht ganz abzuschaffen.
Es ist unbestritten, dass es aufgrund der technischen Errungenschaften möglich wäre, der gesamten Menschheit ein Leben in relativem Wohlstand zu sichern. Anstatt diese Tatsache in den Mittelpunkt aller Anstrengungen zu stellen, wird sie einer öffentlichen Diskussion entzogen. Die durch totale Ökonomisierung bedingte Verelendung hat in anderen Gegenden der Erde bereits ein viel verheerenderes Ausmaß erreicht. Kapitalistische Logik und Wirtschaftsordnung haben sich weltweit durchgesetzt.

Die Alte Feuerwache ist konkreter Bestandteil unseres Versuches, dem vom Staat und dem Großteil der Gesellschaft (re-)präsentierten Autoritäts- und Verwertungsgedanken eine Alternative entgegenzusetzen. Dass wir damit nicht alleine stehen, seht ihr heute an der Vielschichtigkeit der Demonstrierenden.

Neben der Alten Feuerwache sind noch weitere linke Zentren von Schließung oder Räumung bedroht. Solidarische Grüße von hier aus an die ExSteffi in Karlsruhe, das Autonome Zentrum im Exil in Heidelberg, das Conne Island in Leipzig, Alte Meierei in Kiel, die Alternative „Walli“ aus Lübeck, den Wagenplatz „Bambule“ in Hamburg und an alle anderen emanzipatorischen und progressiven, selbstverwalteten Projekte. Ihr werdet nachher noch einen Redebeitrag der ExSteffi hören.

Die Stadt hat uns letzte Woche mal wieder gezeigt, worum es ihr eigentlich geht: so wurde die angemeldete Demoroute durch die Bahnhofstraße kurzerhand verboten, um das Weihnachtsgeschäft des Saarbrücker Einzelhandels nicht zu stören. Statten wir dem weihnachtlichen Konsumterror doch nachher einen kleinen Besuch ab.

Die Alte Feuerwache muss das bleiben, was sie in den letzten 22 Jahren war: ein kulturelles, politisches und soziales Zentrum, und vor allem: links, selbstverwaltet und unkommerziell! Dafür werden wir kämpfen, dafür sind wir heute auf der Straße. Um es ein weiteres Mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Freiwillig gehen wir nicht raus!


Kapitalistische Verwertungslogik angreifen! Linke Zentren verteidigen!
Feuerwache bleibt!


Antifa Saar / Projekt AK


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mehr Fotos:  http://de.geocities.com/alterfeuerdrache/pics/demo_201203/index.htm

Hintergrundinfos:  http://www.altefeuerwache.de.vu

Antifa Saar / Projekt AK:  http://www.antifa-saar.de.vu
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Ergänzungen

Artikel aus der Saarbrücker Zeitung

autonomes zeitungskind 21.12.2003 - 21:13
Die Saarbrücker Zeitung schreibt in ihrer Montags-Ausgabe:

 http://www.sol.de/sz/saarbruecken/2806,590098.html

Der Feuerdrache wehrt sich

Demonstration gegen Schließung der Alten Feuerwache - Staus in der Saarbrücker Innenstadt

Rund 250 Personen waren dem Aufruf der Antifa Saar zu einem Protest gegen die Schließung eines Teils der Alten Feuerwache gefolgt. Am Samstagnachmittag zog der Demonstrationszug durch die Innenstadt.


Saarbrücken (red/bub). Durch den Demonstrationszug der Antifa Saar durch die Innenstadt der Landeshauptstadt und den starken Weihnachtseinkaufsverkehr kam es am vergangenen Samstagnachmittag in der Saarbücker City immer wieder zu kurzfristigen Staus, die sich meist schnell wieder auflösten. Gegen 16.30 Uhr hatte sich der Protestzug der rund 250 Personen - überwiegend aus dem linken beziehungsweise autonomen Bereich - vom Max-Ophüls-Platz aus in Bewegung gesetzt. Unter dem Motto "Feuerwache bleibt" wandten sich die Veranstaltungsteilnehmer gegen die beabsichtigte Schließung der Alten Feuerwache durch die Landeshauptstadt Saarbrücken. Der Trägerverein "Alter Feuerdrache e.V." akzeptierte die von Bürgermeister Kajo Breuer schriftlich erfolgte Kündigung der Nutzungsverträge nicht und wollte mit der Demonstration auf diesen Missstand aufmerksam machen. Weiterhin sind juristische Schritte von Seiten des Vereins geplant. Die Alte Feuerwache ist eine viel genutzte Einrichtung für soziale, politische und kulturelle Aktivitäten. In den letzten 20 Jahren habe sich die ehemalige Feuerwache zu einem linksalternativen Kulturzentrum in Saarbrücken entwickelt, so die Befürworter. Die Demonstranten zogen über die Nauwieser Straße, Rotenbergstraße, Richard-Wagner-Straße, Ursulinenstraße und Karl-Marx-Straße zu einer Zwischenkundgebung in der Reichsstraße. Im Bereich der Kaiserstraße-Ursulinenstraße kam es zu einem Zwischenfall. Fünf Personen, die der rechten Szene zuzurechnen sind, wurden nach ihren Angaben aus der Gruppe der Demonstranten heraus angegriffen. Die Attackierten flüchteten daraufhin zum Hauptbahnhof. Weitere Auseinandersetzungen wurden dort durch den Bundesgrenzschutz und Einsatzkräfte der Polizei verhindert. Nach der Zwischenkundgebung führte der Demonstrationszug weiter über die Bahnhofstraße, nach Alt-Saarbrücken und zur Abschlusskundgebung zurück zum Max-Ophüls-Platz.

Beamte aller Saarbrücker Polizeiinspektionen, des Kriminaldienstes, der saarländischen Bereitschaftspolizei und der Diensthundestaffel waren an diesem Nachmittag im Demo-Einsatz.

wir sind die besten

ainfos.de 23.12.2003 - 16:09
ein kurzes video der demo gibt es hier
www.ainfos.de/downloads/videos

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Uns geht's gut! — Rolli