Sondergericht fordert Sonderrecht

Ralf Streck 21.06.2003 12:48 Themen: Repression Weltweit
Am Donnerstag hat die Sonderkammer am Obersten Gerichtshof in Spanien erneut unmögliches gefordert. Das baskische Regionalparlament soll "radikal und definitiv" die Fraktion der "Sozialistischen Patrioten" (SA) auflösen. SA wird von den Parlamentariern der Partei Batasuna (Einheit) gebildet, die im März von der Sonderkammer verboten wurde. Die Kammer wurde extra mit einem Parteiengesetz für das Verbot geschaffen. Am Freitag wurde nun Anklagen gegen den Parlamentspräsidenten und zwei weitere Parlamentarier erhoben.
Das Sondergericht greift konkret den Parlamentspräsidenten, Juan Maria Atutxa, an. Der Führer der großen Baskisch Nationalistischen Partei (PNV) behindere die Auflösung von SA durch "verzögernde Handlungen". Er habe das fünftägige Ultimatum der Richter missachtet und so das "Prinzip der Verfassungstreue" gebrochen und müsse die Anweisung umsetzen. Weil die Fraktion nicht mehr existiere, sei auch die Entscheidung ungültig, mit der im Sprecherrat des Parlaments die Auflösung von SA verworfen wurde, weil die daran beteiligt war. Der Präsident der Sonderkammer schloss nicht aus, über den § 155 der Verfassung die baskische Autonomie auszusetzen.

Abgeordnete von SA sollten nach der Entscheidung nun den Sprecherrat und die Kommissionen verlassen, ihre Teilnahme an Debatten soll "untersagt oder unmöglich" gemacht werden. Sie dürften weder Gesetzesinitiativen noch Anträge zur Veränderung der Tagesordnung stellen. Auch seien ihnen die Räume und Löhne zu entziehen und weder Telefone, Faxe oder Kopierer benutzen. Der Präsident, der Sprecherrat, die Kommissionsvorsitzenden und selbst Angestellte seien "persönlich" für die Umsetzung verantwortlich und sind von Suspendierungen bedroht. Der Generalstaatsanwalt, Jesús Cardenal, hat Ermittlungen gegen Atutxa (PNV) den Vertreter der Baskischen Solidaritätspartei (EA), Gorka Knörr und die Vertreterin der Vereinten Linken (IU). Conchi Bilbao wegen ?Ungehorsam? eingeleitet. Mit der Anklage von Bilbao, wird klar, dass sie sich gegen die drei Parteien der Regionalregierung richtet. Bilbao hatte an der Sitzung des Sprecherrats nicht einmal teilgenommen, wo die Auflösung abgelehnt wurde.

Es ist klar, dass die Auflösung der Fraktion sekundär ist, denn tatsächlich soll die Arbeit der Parlamentarier unterbunden werden. Tatsächlich könnte sich das Parlament auflösen, wenn es eine derartige Invasion seiner Kompetenzen zulassen würde.Die Maßnahmen heizten nur einen institutionellen Konflikt an, um der konservativen Volkspartei (PP) im Wahlkampf für die Parlamentswahlen zu dienen, meinte der IU-Parlamentarier, Antton Karrera. Sie hätten "weder Hand noch Fuß". Könnte das Parlament die Fraktion auflösen, wofür es keine Handhabe hat, würden die Abgeordneten ohnehin nur in die gemischte Gruppe wechseln. Dort hätten sie, ginge es nach Recht und Gesetz, wieder "Räume, Löhne und alle Möglichkeiten zur Beteiligung", erinnerte Karrera.

Der PNV-Sprecher im Parlament, Joseba Egibar, erklärte, die Regierung werde sich gegen den Angriff auf die Gewaltenteilung und die Autonomie des Parlaments verteidigen. Ein Fraktion aufzulösen, sehe das Reglement des Parlaments nicht vor. Man werde nicht zulassen, dass die Gewaltenteilung und die Autonomie des Parlaments untergraben werde. Egibar schlug eine Sondersitzung vor, um das Thema zu behandeln.

Die PP und die Sozialisten (PSOE) spitzen den Konflikt derweil weiter zu und verließen die Kommission für Menschenrechte. Die Anweisung des Sondergerichts war noch nicht geschrieben, schon forderten sie, die Parlamentarierin von SA aus der Kommission zu werfen. Deren Präsident weigerte sich, auf Basis von Pressemeldungen zu handeln. Daraufhin verließen die Vertreter der PP und der PSOE die Kommission. Alles deutet darauf hin, dass sie dies fortsetzen werden, um die Legitimation des Parlaments zu untergraben.

© Ralf Streck, Donostia - San Sebastián den 20.06.2003
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