Agnoli-Institut für Kritik der Politik: Umbenennung OSI/Berlin

[aan] autonome agnoli nachrufer 13.05.2003 17:39 Themen: Bildung
Anlässlich des Todes von Johannes Agnoli, der am Beginn seines 79. Lebensjahres am 4. Mai in Lucca/Italien verstorben ist, wurde das Institut für Politikwissenschaften an der FU-Berlin umbenannt: Das »Johannes-Agnoli-Institut für Kritik der Politik« soll den Studie- renden die Möglichkeit bieten, in dürftigen Zeiten die Subversion einzuüben.
heute - am uni-informationstag der berliner oberschulen - wurde das politologische institut der freien universität berlin in »Johannes-Agnoli-Institut für Kritik der Politik« umbenannt. wir dokumentieren die neue institutsfassade mit dem neuen namen und die aushänge mit der begründung der umbenennung:


»Die Utopie der >Gesellschaft der Freien
und Gleichen< kann nicht als Gesetzesvorlage
weder oppositioneller noch regierender
Fraktionen in den Bundestag eingebracht werden,«
(Agnoli)

Anlässlich des Todes von Johannes Agnoli, der am Beginn seines 79. Lebensjahres am 4. Mai in Lucca/Italien verstorben ist, wurde das Institut für Politikwissenschaften an der FU-Berlin umbenannt: Das »Johannes-Agnoli-Institut für Kritik der Politik« soll den Studierenden die Möglichkeit bieten, in dürftigen Zeiten die Subversion einzuüben. Subversion war Dreh- und Angelpunkt in Agnolis' Politikverständnis. Sie war für ihn der Kamm, mit dem die Geschichte gegen deh Strich gebürstet werden sollte und Bedingung der Möglichkeit einer herrschaftsfreien Gesellschaft. »Es kommt darauf an, ob man nur etwas wissen will oder ob man auch denken will« hieß es in seiner Abschlussvorlesung im WS 89/90. Die Geschichte der Subversion, welche immer dann stattfindet, wenn die gesellschaftliche Situation keine revolutionäre ist, ist mit Agnoli fortzuschreiben. Die Umbenennung des Instituts ist unsere Form, diesen Gedanken aufzugreifen.

In den letzten Jahren ist das politikwissenschaftliche Institut, seiner Funktion nach ohnehin ein ideologischer Staatsapparat, zu einem Think Tank herrschender Verhältnisse geworden. Selbst viele der kritischen Lehrenden haben sich der Politikberatung verschrieben. Spätestens seit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin ist klar, wohin die Reise geht. Das Studium wird zu einer Ausbildung, einer Ausbildung nach Kriterien der Effizienz, der Verwertbarkeit und der Einübung regierungsfähigen Denkens. Emanzipation und die Möglichkeit einer herrschaftsfreien Gesellschaft werden höchstens noch als interessante Fragestellungen behandelt. Demgegenüber hielt Agnoli fest: » Der Kommunismus kann nur dann erledigt sein, wenn man ihn verwirklicht hat« Für Agnoli war klar, dass bisher jede Revolution nur die Ablösung einer Herrschaftsform durch eine andere war. Damit ist der Kommunismus kein Exponat der Theoriegeschichte, sondern ein noch zu verwirklichendes Projekt und die Theorie der Subversion Rüstzeug für »die Kritik alles Bestehenden« (Marx). »Es ist unendlich schwierig, daraus revolutionäre Strategien zu entwickeln, die unter anderem gegen die Effizienz kapitalistischer Herrschaftsstrategien und Herrschaftsinstitutionen zu kämpfen haben. Aber nur daraus entwickelt sich eine revolutionäre Bewegung, die die Emanzipation in ihrem eigenen Verlauf und in den Strukturen ihrer Organisation schon verwirklicht und nicht auf den Tag nach dem erfolgreich-endgültigen Sieg verschiebt« (Agnoli). Dass die Herrschaftslogik, gegen die Agnoli ein »organisiertes Nein« setzt, am OSI in den letzten Jahren stärker geworden ist, unterstreicht die Notwendigkeit, die Subversion in seinem Sinne auch im studentischen Alltag zu organisieren und auszuüben. Angesichts der anstehenden universitären Umstrukturierungen in Berlin wird dazu Gelegenheit genug sein. Was er uns für heute mitgeben würde: Geduld und Ironie, um schließlich »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« (Marx).



nachrufe in den bürgerlichen printmedien:

berliner zeitung 7.5.03
tagesspiegel 7.5.03 - e.krippendorff
FAZ 8.5.03 rundschau 13.5.03 - w.d.narr
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Ergänzungen

Gute Aktion

Sprühteufelchen 13.05.2003 - 18:05
Herzlichen Glückwunsch zu dieser gelungenen (und in der aktuellen Situation mehr als notwendigen) Aktion. Wie hat denn die Institutsleitung reagiert, und gehörte der fette blaue Balken über dem Eingangstor der Ihnestr. 22 irgendwie zum Konzept?
Weiterhin viel Kraft, macht weiter so.

Ergänzung

txt 14.05.2003 - 10:09
"Ein Zyniker war er nie"
Ein Nachruf auf Johannes Agnoli von Christoph Jünke
Junge Welt, 07.05.2003. (Seite 12).

Bücher von Johannes Agnoli

mtm 14.05.2003 - 10:25
Die Gesammelten Schriften von Johannes Agnoli sind im
Ca-ira-Verlag, Freiburg erschienen.

Eine Lektüre ist unbedingt lohnend!

siehe z.B.:
Johannes Agnoli:
"Der Staat des Kapitals" Freiburg 1995.
____________________________________________________________


(Interview mit Johannes Agnoli von Wolfram Beyer.
in Schwarzer Faden Nr. 13, 1/1984. S.24 ff).

Johannes Agnoli: "1968 und die Folgen"

ysw 14.05.2003 - 11:29
aus dem Klappentext:

"Johannes Agnoli zeigt, was aus der Protestbewegung von '68 hätte werden können, hätte sie nur eine radikale Kritik der Politik entwickelt und die marxsche Kritik der politischen Ökonomie zur Kritik der Staatlichkeit radikalisiert. So aber verfing sie sich in der Illusion eines alternativen Gebrauchs der Verfassung. Am Ende des Langen Marsches durch die Institutionen, den Rudi Dutschke proklamiert hatte, stand die Verstaatlichung der Opposition, ihre Transformation in einen organischen Bestandteil der Herrschaft in Gestalt der Grünen".

Ca ira-Verlag, Freiburg 1998.
ISBN 3-924627-59-2.

(Darin u.a. enthalten das Interview mit Wolfram Beyer:
"Marx, der Staat, die Anarchie").

Peter Brückner

xxx 14.05.2003 - 11:38
Hier sei auch an den Co-Author von Johannes Agnolis:
"Die Transformation der Demokratie" (Frankfurt 1968),
Peter Brückner erinnert. (Der Artikel stammt von Christoph Jünke, erschienen in der SoZ, April 2002).

Davon wird das OSI auch nicht besser...

icke 14.05.2003 - 16:05