berlin: mohrenstr. zu möhrenstr. umbenannt

gemuesehaendlerInnen 19.04.2003 14:38 Themen: Antirassismus
Anläßlich der Osterfeiertage 2003 haben autonome Häschen im Auftrag des Berliner Gemüsehandels gestern in der Nacht von Karfreitag auf Ostersamstag (18.4.-19.4.) die Mohrenstr. in Berlin Mitte in MÖHRENstr. umbenannt. Damit sollte auf die rassistische Kolonialgeschichte Deutschlands und den aktuell immer noch unreflektierten und ungebrochenen Bezug auf diesen Teil der Vergangenheit aufmerksam gemacht werden. Desweiteren wurde zur aktiven Beteiligung für eine offizielle Umbenennung aufgerufen.
Dabei wurde Informationsmaterial hinterlassen und einigen AnwohnerInnen per Post zugestellt.

Flugblatttext:

Liebe Passantinnen und Passanten!
Sie befinden sich hier im U-Bahnhof "Mohrenstrasse", der heute in MÖHRENSTRASSE umbenannt wurde. Wir nehmen die Osterfeierlichkeiten zum Anlass, dieser denkmalgeschützten Strasse einen neuen Namen zu verleihen.
Die "Mohrenstrasse" wurde um 1700 nach einer Gruppe von 12 afrikanischer Menschen benannt, die im Zuge des europäischen Kolonialismus nach Deutschland verschleppt worden waren. Der deutsche Kaiser Friedrich Wilhelm I. bekam sie als Teil der Bezahlung für die Abtretung preußischer Kolonialländereien an die Niederlande. Anschließend wurden sie gezwungen, im deutschen Heer als Militärmusiker aufzutreten. Über die Menschen, die als "exotische Wilde" bestaunt wurden, ist kaum mehr bekannt. Offiziell wird nichts weiter darüber berichtet, wie sie gelebt haben; sie waren und sind nur die "Mohren", eine Attraktion oder historisches Material, aber keine Menschen.
"Mohr" ist die älteste deutsche Bezeichnung für schwarze Menschen, im Wort steckt das griechische "moros", das mit "töricht, einfältig, dumm, gottlos" übersetzt werden kann, sowie das lateinische "maurus", das für "schwarz, dunkel, afrikanisch" steht. Aus dem altdeutschen "Mor" wurde dann "Mohr". Ein Wort, das Menschen mit negativen Eigenschaften belegt und die Hautfarbe damit verbindet und als wichtigste Eigenschaft deklariert, ist eindeutig rassistisch!
Viele berühmte Menschen haben in dieser Straße gewohnt, nach denen sie hätte benannt werden können, z.B. Gottfried Keller, Karl Marx und die jüdisch-protestantische Schriftstellerin Adele Gerhard. Sollte mit der Benennung aber an die Schrecken der deutschen Kolonialgeschichte erinnert werden, wäre es angebracht, für das Andenken statt der rassistischen Bezeichnung "Mohr", die Straße nach WiderstandskämpferInnen oder Opfern der deutschen Kolonialpolitik zu benennen. So könnte die Straße beispielsweise nach Jagodjo und Mabruk benannt werden, einer Frau und einem Mann, die durch Carl Peters einem rassistischen deutschen Kolonialisten aus persönlichen Gründen willkürlich hingerichtet wurden. Oder nach Toussaint L`Ouverture, der auf Haiti einen erfolgreichen Unabhängigkeitskampf gegen den französischen Kolonialismus führte, der zur Abschaffung der modernen Sklaverei beitrug. Wären die Namen der 12 afrikanischen Menschen bekannt, nach denen die "Mohrenstrasse" benannt ist, so könnte sie auch danach benannt werden.
Warum machen nicht auch Sie der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Mitte einen eigenen Vorschlag, wem Sie die Ehre einer Strassenbenennung zu Teil kommen lassen wollen? Reichen Sie ihre Vorschläge ein und tragen Sie ihren eigenen Teil dazu bei, den versklavten Menschen von damals und ihren Nachfahren ein kleines Stück Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Bis dahin müssen wir alle uns mit "Möhrenstrasse" begnügen, aber netter klingt es doch jetzt schon. Fröhliche Ostern und ein spannendes Namensuchen!
Ihre GemüselieferantInnen
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Ergänzungen

Coole Aktion!!!

Dein Name ist Hase. 19.04.2003 - 14:45
Echt Coole Aktion!
Sowas bietet gute Möglichkeiten anzuküpfen. Z.B. mit einer kleinen Idee zum mitmachen: mit Eddings auf U-Bahnplänen die Umbenennung fortsetzen.
Schafft ein, zwei viele Möhrenstrassen!!!

Super

Mark 19.04.2003 - 15:38
Total gut lange nicht mehr so gelacht!!!!!
mir tut der Bauch richtig weh mehr von solchen aktionen!!!!!

Hehe

G-Nosse 19.04.2003 - 17:22
Echt klasse!

iaa saad supa

gemüsehändler 19.04.2003 - 17:23
weiterweiter

Sehr wichtige Aktion

Kopfschüttler 19.04.2003 - 17:47
Wahnsinn, irgendwann werden gewisse Leute es schaffen wirklich allem und jedem Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen.
Dann wird die Welt so toll sein, das selbst der Bush nichts Böses mehr zum bekämpfen findet.
*lach*

@Kopfschüttler

19.04.2003 - 20:31
hoffentlich schüttelst du irgendwann mal über andere sachen den kopf, nämlich zB über den alltäglichen, zur normalität gewordenen rassismus! und hoffentlich wird dir dann vom kopfschütteln so schlecht das du irgendwann mal anfängst zu kotzen! (hui wie tiefsinnig...)

geile aktion! immer weiter!

Es sollte bloß...

gernemöhrenesser 19.04.2003 - 22:02
... "1900" statt "1700" heißen. Ansonsten coole Aktion.

nette Sache

Ulg 19.04.2003 - 23:16
Ich find' die Aktion gut, sicher gibt's wichtigere Sachen, aber Kleinvieh macht auch Mist (Scheißspruch, ich weiß, aber na ja). Außerdem muss man ja auch mal 'n Bißchen Spaß bei der Sche haben.

GENAU

21.04.2003 - 02:12
nennen wir die strasse um, dann hat es auch nie rassismus gegeben. aus den augen aus dem sinn. geschichtsklitterung gibt es nicht nur von rechts.

aus den Augen aus dem Sinn???

Kalle 21.04.2003 - 04:28
Dadurch, dass die Strasse weiterhin Mohrenstrasse heisst wird sicherlich keinem Bürger der alltägliche Rassismus bewusst. Dann doch eher durch solche Aktionen.
Weiter so.

@kalle

21.04.2003 - 13:39
die aktion ist natüröich gut. nicht gut ist der aufruf zur forderung einer offiziellen umbenenung.

Tu mal lieber die Möhrchen!

Helge 21.04.2003 - 14:21

Überall nur Rassismus

Alf 22.04.2003 - 14:17
Tach!
Also das war eindeutig klar: Der Begriff Mohr muß rassistisch sein, jedenfalls wenn man so lange in irgendwelchen Sprachen sucht, bis man endlich einen vermeindlichen Wortstamm gefunden hat, der etwas negatives beinhaltet. Aber nun gut. Von "wissenschaftlicher" Seite her darf ich euch mitteilen, daß das Wort "Mohr" sich von den "Mauren" ableitet, die wohl mal ne Zeit lang in Spanien sich aufgehalten haben und wo auch Deutsche gegen sie kämpften, welche dann wiederum den Begriff "einverplattdeutschten".

So hat auch der allseits beliebte "Muckefuck" nichts mit "Motherf**k" sondern vielmehr was mit "Mocca faux" zu tun. (Entstehung im deutsch französichen Krieg 1870/71).

Aber Kopf hoch! Der Begriff "Äthiopier" ist wirklich rassistisch. Der kommt aus dem griechischen und bedeutet so viel wie "Brandgesichter".
Viel Spaß noch bei der weiteren politisch korrekten Begriffsumdeutung!

Was haben Reichskanzlei und Thälmann gemein?

Freunde zur Förderung des U-Bhf. Möhrenstraße 22.04.2003 - 18:38
Der U-Bahnhof Möhrenstraße trug bis 1986 den Namen Ernst Thälmanns. Als jedoch anläßlich des 12. Parteitages der SED und 100. Geburtstages des KPD-Führers eine Park- und Wohnanlage in Berlin Prenzlauer Berg ebenfalls nach Thälmann benannt wurde, entschied sich der Magistrat der damaligen DDR-Hauptstadt für eine Umbenennung des U-Bahnhofes in Mohrenstraße. Der frisch sanierte S-Bahnhof Greifswalder Straße hieß von nun an Ernst-Thälmann-Park.
Einigen ist sicher der im U-Bahnhof Möhrenstraße verarbeitete Naturstein aufgefallen. Hierbei handelt es sich um Mamor aus der ehemaligen Reichskanzlei.
Der U-Bahnhof Möhrenstraße war einst letzter Halt auf der Stammstrecke der damaligen U-Bahnlinie B.
Der nach dem Mauerbau stillgelegte U-Bahnhof Potsdamer Platz diente zu DDR-Zeiten als Lay up.
Nachdem das AEG-Pilotprojekt Magnetbahn abgebrochen und die U2 ihren regulären Betrieb aufnahm, verlor der Haltepunkt Möhrenstraße seine Bedeutung als Endbahnhof im Herzen Berlins.

apropos Ernst Thälmann

23.04.2003 - 02:54

kleine anmerkung

besserwisser 23.05.2003 - 17:08
Der Bahnhof hieß zu DDR-Zeiten natürlich nie Mohrenstraße, sondern nach der Umbenennung von Ernst-Thälmann-Platz Otto-Grotewohl-Straße. Mohrenstraße wurde er erst in der großen Umbenennungswelle nach der Wende genannt, als Otto Grotewohl (führender SPD-Vertreter bei der Vereinigung von KPD und SPD, dann DDR-Ministerpräsident) nicht mehr so opportun war.

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Kajo 30.07.2003 - 12:24
Hallo liebe AktivistInnen
Ich fand die Aktion toll und will noch mehr Infos. Könnte sich jemand mit mir in Verbindung setzen? Kajo

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