NATO München: Berichte, Strukturen, Kritik

Menschen aus der Projektwerkstatt 15.02.2003 15:02 Themen: Militarismus
30.000 Menschen sollen es gewesen sein, die am Samstag, 8.2. in München gegen die NATO demonstrierten. In durchorganisierten Blöcken schoben sie sich durch die Strassen, scheiterten an einer Polizeikette (nur wenige versuchten mehr) und zeigten vor allem eines: Die gehobene Kunst der ?deutschen? ?Linken? und NGOs Protest perfekt zu kanalisieren. Was hätten 30.000 Menschen mit eigenen Ideen und selbständiger Organisierung in München alles anrichten können? In der Innenstadt? Beim Versuch, die Tagung zu behindern oder zu stoppen? Oder dezentrale Aktionen überall ... z.B. während des Bullenangriffes auf das Convergence Center überall in München alle beim angegriffenen Haus zu Versammeln.
Aber weit gefehlt: Die Legalisierung des Protestes und der Wechsel der Dominanz von Bullenführung auf linke Eliten hat sein Ziel nicht verfehlt. Es gab kaum noch Einzelaktionen. Wo die Demos nicht waren, war totale Ruhe - außer der normalen Geschäftigkeit des Kapitalismus oder der demokratischen Bombergemeinschaft.
Proteste gegen die NATO-Tagung 03:
Kanalisiert, instrumentalisiert, vereinheitlicht?
Berichte & subjektive Einschätzungen zweier Projektwerkstättler

Die Zeit davor .... aus subjektiver Perspektive
JB: Ich hatte kaum Hoffnungen. Zu klar steht der Block der Eliten der von ihnen ?linke Bewegung? oder ähnlich benannten Masse unterschiedlicher AkteurInnen und Gruppen. Und zu eindeutig war und ist der überwiegende Teil dieser Masse ausschließlich auf Konsum aus, will klare Anweisung, kümmert sich nur selten um eine eigene Organisierung, läuft planlos hinter den Eliten hinterher und lässt sich von diesen als telegenes Hintergrundbild benutzen. Daß die Eliten der ?Linken? genauso viel Angst vor Kontrollverlust haben wie die Herrschenden aller Machtsysteme, haben sie oft genug bewiesen. Und ich habe es oft genug erfahren. Es gehörte Überwindung dazu, überhaupt eine ganz neutrale Anfrage zu stellen für eine Beteiligung am Widerstand in München, der sich nicht von vorneherein unterwirft, sondern offene, kreativ-freche, autonome Handlungsformen entwirft. So fragte ich per Mail beim sogenannten Convergence Center an. Der Begriff ist den populären Protestaktionen in Seattle, Prag, Genua usw. entliehen. Dort waren es große, offene Räume zum Treffen, Diskutieren, Aktionen vorbereiten, zum Infoaustausch und mehr. Deutsche ?Linke? übernehmen solche imageträchtigen Begriffe, aber sie unterwerfen es der Logik der deutschen Linken, die eben durchzogen ist von der konkurrierenden Hatz auf Mitglieder und Spenden, von Kontrolle und Instrumentalisierung.

Die Antwort auf meine Anfrage, ob es möglich sei, eine ?offene Presseplattform? (Beschreibung desselben Projektes im Jahr 2002 siehe unter  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antinato) zu schaffen sowie einige Workshops zum Direct-Action-Training zu machen, war eindeutig: Ersteres wurde untersagt, zweiteres müssen noch beraten werden, was erwartungsgemäß nie geschah.
Somit bestand für einen selbstbestimmten Protest in München keine Infrastruktur. Von anderen Orten, die ohnehin immer hierarchisch organisiert sind, gab es nicht einmal Antworten. Hinzu kam eine Schwächung unabhängiger Aktionsmöglichkeiten durch die technische Zerschlagung der Projektwerkstatt Saasen am 10. Januar 2003 durch den Staatsschutz Giessen (siehe  http://www.projektwerkstatt.de/saasen). Die Menschen, die in und um dieses Haus aktiv waren, gehörten immer zu den wenigen, die technische Ausrüstung zu Aktionen mitbrachten, die dann allen offenstand. Meist werden Computer, Presseverteiler und mehr gut versteckt, damit nur die Eliten auf sie zugreifen können. Das sichert ihnen die Dominanz und Außenvermittlung.

Die Ankunft in München und die Beobachtung der Organisierungsformen in den ?linken? Zentren und Strukturen war angesichts dieser Vorbedingungen keine Überraschung mehr. CheckerInnen, Kommandos, Kontrollfragen und -überprüfungen von Leuten bis hin zu Versuchen, konkrete Aktionen zu untersagen waren an der Tagesordnung. Die willigen VollstreckerInnen solcher Vorgaben waren aber deutlich in der Mehrzahl, selbstorganisiert kreativ-widerständige Aktion fand entsprechend in München nur wenig statt und wäre auch gar nicht durchsetzbar gewesen. Gescheitert wären sie an den Eliten, aber auch an denen, die Eliten brauchen, damit sie nicht den ganzen Tag planlos herumhängen. Die eine Aufgabe zugeteilt brauchen, um sich nicht wertlos zu fühlen. Wie in der Restgesellschaft auch.
Dass ich auch persönliche Handlungsverbote von Eliten bekam - allgemein oder bei bestimmten Aktionen gegen die NATO, die den Eliten nicht passten, ist nur das i-Tüpfelchen auf einer Organisierungsstruktur, die derart eklig hierarchisch ist, dass Beispiele es gar nicht mehr richtig beschreiben. Solange das so bleibt, ist ohnehin Widerstand in Deutschland ein Traum ohne Chance.

Ankunft und Lage vor Ort
Convergence Center - enttäuscht von Kontrollwahn & Vorgaben
Sp 12: Im Convergence Center habe ich mich nie wohl fühlen können. Als ich ankam, traf ich auf Menschen, die bereits hochgradig angenervt waren von Kontrollwahn, Verregelung und Wichtigmachen seitens der CheckerInnen-Kreise und jeder Menge besoffener Leute. Ich fand auch so einiges schräg: Die Vorlagen für Transpis wurden gestellt, es gab Türkontrollen und reservierte Räume. Aus einem Ruheraum, wo sich Leute aus dem Pink-Silver/Direct Action Zusammenhang treffen wollten, um ohne stündige Störung zu brainstormen,
wurden wir durch Orgas mit ziemlich unverschämten Sprüchen rausgeschmissen (?Wer hat euch das erlaubt?), die diesen Raum allein für sich beanspruchten (Verabredungen wären ja für niemanden ein Problem gewesen). Als Alternative durften wir uns in einem zugestellten Raum zwischen Küche und dem zweiten, nur CheckerInnen vorbehaltenen Raum treffen. Als später eine Kleingruppe im Flur das satirische ?Gericht unser? für den Prozess vorbereitete, ernteten ich und andere direkt böse Blicke ... nicht gerade anregend.
So war ich nur selten im CC ... ich hatte keine Lust, mich an diesen Strukturen abzuarbeiten - das finde ich weiterhin richtig, weil es sonst jede Aktionsorientierung weg gewesen wäre, aber auch schade, sowohl wegen der inhaltlichen Nähe zu den No-Nato-Menschen als auch als Angriff auf einen Rahmen, in dem kreative, direkte Aktionen nur Aushängeschild insgesamt fremdbestimmter, kanalisierter Proteste sein konnten und abweichende, herrschaftskritische Positionen untergingen.



Kreativer Prozess am Donnerstag
JB: Lieber ein Gerichtsverfahren als überhaupt keine Aktion ... ?Welch ein unglaubliches Glück?, dachte ich, als ich die Vorladung zum Amtsgericht München wegen zweier vermeintlichen Verstosses gegen das Versammlungsgesetz bei den Anti-NATO-Aktionen 2002 erhielt. Der Termin 6. Februar passte einfach optimal. Am Tag danach wollte die NATO wieder tagen. Da kann ein solcher Prozess doch ein optimaler Auftakt für mehr sein. Auch der Zeitpunkt, 14 Uhr, kam politischen Aktivistis entgegen. Was wollte mensch mehr ... doch leider hatte ich die Rechnung ohne die ?linken? Eliten gemacht. Die sorgten nämlich dafür, dass der Termin NIRGENDS auf den Einladungen, Internetseiten usw. erschien. Und die wenigen Internetseiten, wo der Prozess mit im Terminplan war, wurden von der Hautpseite www.no-nato.de zensiert. So blieb der Prozess dann doch Sache der kleinen ?Direct-Action-Zusammenhänge? in Deutschland. Aber immerhin - so schlecht war es nicht, was lief.
Ich erlebte den Prozess als Angeklagter in einer dreifachen Rolle. Zum einen war ich bei den Vorbesprechungen dabei, wo Theaterszenen, kleine Vermittlungseinlagen usw. ausgearbeitet und geübt wurden. Bei vielen sollte und wollte ich auch mit?spielen? - eben aus der besonderen Position des Angeklagten heraus. Hauptidee dabei war, immer wieder das Tolle an der autoritären Sitzordnung, an autoritären Disziplinarmaßnahmen usw. herauszuarbeiten - also Überidentifaktion mit dem Gericht. Als zweite Rolle wollte ich selbst verschiedene Vermittlungsaktionen usw. machen, in dem ich politische Positionen benannte oder Fragen stellte, die den Gerichtsprozess demaskieren sollten. Zum ersten Mal wollte ich auch eine vor Monaten schon diskutierte Idee ausprobieren, nämlich die Logik umkehren. So redete ich den Staatsanwalt als ?Staatsverteidiger? an und drängte ihn auch in die Rolle, dass er was zu verteidigen hatte (z.B. warum er nicht demonstriert hätte gegen Morden per Krieg, warum der Staat überhaupt existiere, obwohl Kriege zwischen Nationen auf dessen Existenz beruhen usw.). Schließlich, d.h. als drittes, wollte ich eine formale Verteidigung führen. Die musste aber einfach gut eingemischt sein in das andere, denn prägend finde ich die politisch-offensive Verhandlungsführung.
Meinen Prozess führte ich formal allein. Einen Anwalt wollte ich gar nicht - und mit der örtlichen Roten Hilfe kam außer Streit kein Kontakt zustande. Die Rote Hilfe hatte in ihre Prozesserklärung außer viel Eigenwerbung vor allem einen positiven Bezug auf Rechtsstaat und Demokratie gesetzt, die es zu verteidigen gelte. Das sehe ich grundlegend anders. Meine Vorschläge bei der Entstehung der Prozesserklärung wurden erwartungsgemäß nicht berücksichtigt und mein Termin auch nicht in der Liste aufgeführt.
Kurz vor 14 Uhr waren dann ca. 20 Menschen am Eingang des Gerichts, um zum Prozess zu gehen. Gerade noch sahen wir, wie Bullen 3 andere abführten, die wohl auch zum Prozess wollten und wegen Verdachts auf Kleben von Etiketten (Sachbeschädigung) verhaftet wurden. Deren Verhaftung hat aber wohl nix genützt - das Gerichtsgebäude wurde sehr offensiv mit allerlei Etiketten usw. umgestaltet. Der Gang zum Klo war ein Genuss ...
Am Eingang gab es intensive Kontrollen - mein ganzer Stapel ?No law, no war!?-Zeitungen wurde konfisziert. Am Eingang zum Gerichtssaal war auch erst mal Stopp für mich, was wohl ein Missverständnis war. Aber alles lässt sich ausnutzen und so bin ich erst mal wieder gegangen. Irgendwann wurde ich dann wieder reingeholt und es begann der Prozess mit den oben genannten drei Strategien.
Vor allem an Anfang prägte das Geschehen seitens des Publikums den Prozess. Zunächst ein Gebet auf das Hohe Gericht (eine Person flog daraufhin aus dem Gerichtssaal), dann einige Überidentifizierung während der Verlesung der Anklage, auf der ich bestand - noch ein Mensch flog raus. Immer kamen aber auch neue Menschen rein, wenn die Tür aufging und zwischen Publikum und Richterin entwickelte sich ständig Streit, weil Aussagen von Richterin oder Staatsanwalt kommentiert, bejubelt usw. wurden. Die formale Verteidigung verlief sehr gut - dem ?Staatsverteidiger? gelang es nicht, irgendwelche Belege für seine Version der Dinge auf den Tisch zu legen. Die geladenen ZeugInnen von der Polizei waren sämtlich nicht anwesend (ob die Richterin wohl davon ausging, mich auch zum Zurückziehen des Einspruchs zu bewegen?) und so wurde der Prozess vertagt. Ich brauchte gar keine eigenen Beweisanträge zu stellen - das könnte dann am zweiten Prozesstag geschehen ... zwecks eines dritten. Chancen genug also für Menschen, an kreativer Prozessgestaltung mitzuwirbeln.

Eindrücke von der SPD-Demo am Samstag - kollektiv hirnlos?
JB: Zusammenfassend: Ich kann gar nicht soviel essen, wie ich kotzen will. Und das, obwohl ich schon Schlimmstes befürchtete. Die deutsche Friedensbewegung ist einfach eine peinliche Zusammenballung von RechtsstaatsfetischistInnen, unpolitischen Appellierenden an die Herrschenden plus einigen Teilgruppen, die offen nationalistisch bis einfach nur rechts sind. In diesem Sammelsurium treiben sich auch fast alle derer rum, die sich heutzutage als ?links? bezeichnen - aber ?linke? Politik ist heute, unter anderem sowie vor allem in Deutschland, ohnehin ein herrschafts- und staatsfetischistisches Gebräu seltsamer Positionen, Forderungen, Bündnisse und Aktionsformen. Emanzipation, Unabhängigkeit usw. spielen kaum eine Rolle.
Ich war also entsprechend vor eingestellt. Aber es blieben eben doch Fragen offen:
- Würde es sogar irakische Fahnen geben? Ganz sicher war ich mir nicht, aber das, was ich dann sah, war mehr als erwartet: Es gab etliche - und eine davon bildete die Spitze des Demonstrationszuges.
- Wie würden sich die VeranstalterInnen, vor allem Kirchen, DGB, SPD und Grüne dazu stellen, dass sie selbst auch in der jüngsten Vergangenheit immer auf der Seite der KriegstreiberInnen gestanden haben? Und letztes Jahr den Protestgruppen den Zugang zu ihren Räumen noch versperrt oder gar an den Demoverboten mitgewerkelt hatten? Auch hier war das, was ich sah, noch schlimmer: Die Erinnerung hatte offenbar bereits aufgehört zu existieren. Es gab keine kritischen Positionen mehr. Viel schlimmer: Die rotgrüne Irak-Kriegsablehnung, ohnehin ja nur auf dem Papier, wurde derart peinlich bejubelt, dass einem nur schlecht werden konnte. Der Höhepunkt: Ein Transparent ?SPD: Schröder-Fischer weiter so!?. Ich ging hin (wie bei anderen der vielen ekligen Plakate und Transparent auch), um mit denen, die es halten zu diskutieren. Zunächst dachte ich an eine Kommunikationsguerilla. Aber die Menschen am Transparent verteidigten ihre Haltung. ?Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, an das mensch zur Zeit bauen kann? usw. hagelte uns entgegen. In dieser Demo wäre jede Subversion schwierig gewesen, weil jeder geistige Dünnschiss ernst genommen würde in einer derart unpolitischen Denkweise. Ich wies auf die rotgrüne Politik hin, auf verschiedene Felder der Weltführungspolitik, der Wirtschaftspolitik usw. Daneben standen Menschen aus einer kirchlich-pazifistischen Gruppe. Auch sie mischten sich ein: ?Wir sind hier, um gegen Krieg zu demonstrieren. Was hat Krieg mit Wirtschaft zu tun??. Sprachlos ging ich zum nächsten Transparent mit peinlichem Inhalt, um wieder ein Gespräch anzuzetteln ...

Insgesamt war die Demonstration völlig eindeutig in der Aussage. Irgendwie soll es keinen Krieg geben und irgendwie soll die Herrschenden das regeln. Nationalfahnen von Kuba, Palästina und vor allem Irak zeigten an, wie gerne hier alle Schafe sein wollen in einer herrschaftsförmigen Welt. SPDlerInnen, PDSlerInnen, Linksruckies und andere selbsternannte ?Linke? mit ultrakurzer Politikanalyse mischten sich munter mit nationalistischen bis rechten Gruppen (BüSo, einige kleinere rechts-esoterische Zirkel). Dicke dabei die moderne Europa-FetischistInnen. Da wurde deutlich, warum SPD & Co. gegen den Krieg sind. ?Lieber ein altes Europa als eine neue Weltordnung!?, ?Europa - alt, aber weise!? ... so oder ähnlich war es mehrfach (!) auf Transparenten zu lesen. Die Kriegsverweigerung ist eben die Chance für Deutschland, ein weiteres Mal die Führung in einer internationalen Bündniskonstellation zu übernehmen (wie in der Nachhaltigkeits-/Agenda-Debatte auch schon). Während die Demo lief wurde in rotgrünen Kreisen in Berlin längst der Gegenentwurf zum USA-gesteuerten Krieg ersonnen, nämlich der Blauhelmeinsatz. In der UNO hätte nämlich die EU das Sagen. Die Toten interessieren weder Schröder noch Fischer noch Blair noch Bush.
Doch selbst in der Ablehnung des Kriegs bestand keine Einigkeit. Ein Plakat forderte ?No war ... ohne 2. UN-Resolution?. Demokratisch bomben ist eben besser. Auch hier verlief die Diskussion eindeutig. Auch pazifistische Gruppen, die in der Nähe des Plakates waren und die Debatte verfolgten, konterten: ?Es geht halt nicht alles mit friedlichen Mitteln?.
Schade, dass ich auch aus ?linken? Zusammenhängen komme. So waren natürlich fast alle, die Aktionen gegen diese Demo machen wollten, nicht rechtzeitig aus dem Bett gekommen, hatten ihre Sachen nicht fertigbekommen usw. So gab es kleine Gruppen, die subversiv in der Demo unterwegs waren - und ich war mir immer sicherer: Schnell abfahren. Wenn die ?linken? Schafherden sich zusammenrotten, kommt nur noch kollektivistische Scheiße raus. Dann ist irgendwie alles wie ein Volk. Und Völker auch irgendwie gut. Das Ganze dann noch unter zentralistischer Führung von Eliten - außer kotzen fällt mir da wenig zu ein.

Sp 12: Ich werde zwar auch weiter versuchen, mich differenziert mit ?der? Friedensbewegung auseinander zu setzen (die ja nicht als einheitlicher Block existiert), aber der Anblick der SPD-Demo hat viel Verständnis für die Wandlung zum Antideutschen erzeugt ... Transparente mit komplett unkritischem Fan-Kult um Rot-grün und offensivster Europa-Patriotismus usw ließen bei weiten Teile der anwesenden Friedensbewegung weder Gedächtnis noch klare Positionen erkennen. Die SPD-Mobilisierung war von Anfang an fragwürdig angesichts der bisherigen rot-grünen Kriegspolitik und der deutlich erkennbaren, strategischen Interessen hinter dem schröderschen ?Pazifismus?; das rot-grüne Strategen während der Demo bereits den Gegenvorschlag ausgebrütet hatten ... den Einmarschs in den Irak mit Blauhelmen - dann also unter europäischer und deutscher Führung - setzt dem nur noch die Krone auf.
Schön fand ich zahlreiche Veränderungen an Litfass-Säulen und den Mobi-Plakaten entlang der Demo-Route und auch in anderen Teilen der Stadt. Dort waren relativ große Spruchblasen ( http://www.projektwerkstatt.de/topaktuell/dan/bub_krieg.pdf) und NATO-Bomben ( http://www.projektwerkstatt.de/topaktuell/dan/nato_bombs.pdf) mit knappen Statements gegen Krieg, Herrschaft insgesamt und moderne Formen demokratischer Kriegsführung a la Rot-grün aufgeklebt worden (?Justiz, Polizei und Militär - alles Durchsetzungsmittel von Herrschaft. Daher: No law, no war!?, ?Wer einmal mitkriegt, dem glaubt man nicht. Stoppt rot-grüne Kriegstreiber und Machtstrategen!?, ?Die Waffen moderner Führer: Demokratie und Wirtschaftszwänge. Auch ohne Kriegsbeteiligung - BRD stoppen!? oder ?Demokratische Bomber töten auch!?).
Schade, dass es nicht mehr subversive bis konfrontative Angriffe auf den Europa-Patriotismus und das Hochjubeln demokratisch-humanitärer Großmachtpolitik gab ... Gemüse, Farbbeutel, Torten für Ude oder eine Sitzblockade gegen die Demo hätten deutliche Zeichen setzen können.

Kreative Antirepression
JB: Da es ein umstrittenes Thema ist, habe ich einen geschärften Blick auf das Geschehen. Wie gehe ich, wie gehen wir (als die, die zusammen kooperieren für einen kreativen, herrschaftskritischen und vermittlungsstarken Widerstand) und wie gehen insgesamt ?Linke? mit der Antirepression um. Der Streit der letzten Jahre lastet auf dem Geschehen, was schon die ersten Minuten in München zeigten. Nicht die Polizei erteilte die ersten Anweisungen oder machte ein Verhör, sondern ?linke? Führungspersonen. Ich wurde auf dem Flur des Convergence Centers beiseitegenommen und sehr, sehr deutlich aufgefordert, nicht öffentlich dazu aufzurufen, Aussagen bei der Polizei zu machen. Das ist die typische Nummer vieler linker Eliten im Umgang mit der Forderung nach kreativer Antirepression. Aussagen bei der Polizei zu machen (zur Sache, zu anderen Abläufen oder zu Personen), ist immer falsch. Das kapieren nur die nicht, die immer den Befehl erteilen: ?Keine Aussagen!? oder ?Anna und Artur halten´s Maul!?. Wenn es um Demonstrationen, Hausrecht usw. geht, verhalten gerade die ?linken? Eliten ständig mit der Polizei. Kreative Antirepression ist etwas ganz anderes: Sie will die Repression nicht erdulden und nur die Folgen mindern (was trotzdem wichtig bleibt), sondern sie angreifen. Jeder Bullenkontakt, jedes Gerichtsverfahren, jede Festnahme, ja selbst die Bullenknüppel auf den Kopf ist eine Chance zur Vermittlung - dass genau das der Normalzustand einer jeden Herrschaft ist. Dass all das praktizierte Demokratie ist und deshalb eine herrschaftsfreie Welt her muß!

Naja, so gings los. Mit der Ermahnung der Ober-CheckerInnen, die kreative Antirepression ständig und durchaus bewusst mitverstehen, weil sie die diffamieren wollen, die keine Lust auf Einheits-Protest und - Verhalten haben. Doch kreative Antirepression ist nicht eine Frage der Theoriedebatten in erstarrten ?linken? Zusammenhängen, sondern muß in der Praxis wirken. Schaue ich zurück auf die Tage in München, so läuft die Praxis der kreativen Antirepression wie ein netter Film an mir vorbei. Repression ist ein bedeutender Zeitfaktor im Protest. Der Kontakt mit der Staatsmacht oder auch mit privaten Sicherheitsdiensten, Überwachung und Kontrolle ist ständig Teil des Geschehens. Das zum Gegenstand der Aktion zu machen, also einzukalkulieren und zu nutzen, bietet Chancen. Die folgenden Kurzberichte habe ich mitgemacht, gesehen oder Berichte gehört ... und will es wiedergeben.

Gerichtsprozess: Meine Aktivitäten in München begannen mit dem Gerichtsprozess gegen mich am Donnerstag. Das war kreative Antirepression pur - durchaus gelungen in großen Teilen, wie ich finde (siehe andere Berichte), wenn auch leider verschwiegen und boykottiert von denen, die als Elite der Anti-NATO-Aktionen darüber bestimmen, was wichtig ist und was nicht.
Aktionen in Kaufhäuser: Einige Aktionsgruppen waren wohl in Kaufhäusern unterwegs, um dort Normalität zu brechen. Sie beteten Kaufen und Verwertung an, warben für die ?günstigen Angebote in der Tretminenabteilung? und vieles mehr. Mehrmals gab es Kontakt mit den Sicherheitsdiensten. Und jedes Mal wurde dieser Kontakt wiederum zur Aktion - sei es durch die lautstarke Vermittlung des Geschehens, durch subversive Gespräche mit den Detektiven (die rundherum zu hören waren ... angefangen von der Debatte, ob sie nicht lieber frei hätten, bis zur Frage, ob nicht eine Gesellschaft ohne Wert viel schöner wäre, dann müssten sie die Waren nicht bewachen, sondern könnten sie einfach mitnehmen) oder auch akrobatischere Einlagen wie das Einbeziehen von Kleiderständern in kleine Rangeleien, die von den Sheriffs ausgingen. Als Sheriffs einen vermeintlichen Ladendieb verfolgen wollten, gab es für sie auf den Gängen und auf der Rolltreppe zufällig kein Durchkommen ... Vor der Tür gab es einmal sogar Tritte und offensiv-lautes Schlägeandrohen der Kaufrauschbewacher - und viele Menschen bekamen das mit. Die Zeitung ?No law, no war!? verteilte sich gut und die eintreffende Polizei zeigte sich von ihrer besten Seite. Sie klärte die Schuldfrage noch vor den ersten Recherchen und pöbelte die an, die nicht dem Kleidungsstandard der Reichen entsprachen. Und auch das ließ sich lautstark vermitteln, bis die Bullen entnervt wieder abreisten. Hätte eigentlich nur noch gefehlt, dass ihr unbewachter Wagen in den Minuten der Auseinandersetzung zu einer Litfasssäule der Antirepression geworden wäre ...
Pink-Silver in der Innenstadt: Es gab nur wenige Aktionsgruppen, die eigenständig unterwegs waren. Die meisten ?Linken? in Deutschland stehen auf Einheitskram und folgen gern ihren FührerInnen. Somit musste die Polizei auch nicht oft einschreiten. Wie erwartet, war die Legalisierung der Demos eine schlaue Entscheidung, in Kooperation (Demorecht) mit den ?linken? Eliten den Protest zu kanalisieren. Eine Pink-Silver-Gruppe, agierte anders und war den Freitag über mit Straßentheater in der Innenstadt unterwegs. Immer stärker wurden sie durch Polizeieinheiten eingekreist und schließlich gekesselt und verhaftet. Doch auch die Verhaftung war eine intensive Vermittlung - ständige Szenen, Sprechchöre und Theater im Polizeikessel erreichten viele Menschen in der näheren Umgebung. Selbst in der Polizeistation, so erzählten später Menschen aus der Gruppe, hätte es mit dem Frechsein nicht aufgehört. Das hat zwar nichts mehr mit der Vermittlung nach außen zu tun, wohl aber mich sich selbst. Und das berichteten auch einige, dass es ihnen so deutlich besser gegangen sei, das Gefühl der totalen Hilfslosigkeit nicht aufkam. Der Abgang aus dem Polizeirevier war dann wieder richtig frech - die Polizei wollte die Musikinstrumente nicht herausrücken, aber die Gruppen griff sie einfach und verschwand.
Demo für Krieg, Kapitalismus & Militär: Das war eine gute Idee, jedenfalls im Verhältnis zu Demo-Strategien überhaupt. Nach der Freitagskundgebung mit immer den gleichen Reden immer der gleichen Eliten, die nicht viel Falsches, aber auch nichts Spannendes sagen und die ZuhörerInnen einfach benutzen als Hintergrundbild für ihre medialen Auftritte, ging es auf dem Innenstadtring los. Einige Tausend Menschen forderten lautstark mehr Militär, Polizei und Kontrolle. Die Slogans reichten von ?Mehr, mehr ... Paramilitär? über Aufforderungen zu mehr Polizeigewalt (?Bullen lasst das Glotzen sein, prügelt in die Demo rein!?) bis zu vereinzelten Sprechchören herrschaftskritischer Gruppen, z.B. ?Hoch die kollaterale Demokratie? oder ?Das deutsche Heer ist humanitär!?. Ich lief den ersten Kilometer ein der Demo einfach mit, beteiligte mich an den Sprechchören. Die Stimmung war gut, links und rechts liefen Bullen. Die Vermittlung nach außen kann nur grauselig gewesen sein - wie meistens auf linken Demos gibt es gar kein Konzept, außer sich selbst noch andere Menschen zu erreichen. Ich hatte mir ein Polizei-T-Shirt übergezogen und einen Deutschland-Püschel dabei, der fast wie eine Klobürste in D-Farben aussah. Irgendwann kam ich auf die Idee, mit in eine der Bullenreihe neben der Demo einzureihen und dort mitzugehen. Das wurde dann richtig spaßig. Einige Versuche von Bullen, mich rauszudrängen, klappten nicht. Stattdessen konnte ich immer per Überidentifizierung der Marke ?Hey Kollegen, lasst uns nicht streiten - unsere Feinde gehen auf der Straße? oder ähnlichem alle Aufforderungen abblocken. Ständig gab es eine Demokratie-Lektion mit dem Deutschland-Püschel für alle, die gegen Bullen waren u.ä. Nette Szene: ?Links zwo drei vier? krakeelte einer, bekam seine Demokratie-Lektion per Püschel und machte dann weiter ?Rechts zwo drei vier?. Immer mehr Menschen reihten sich ein und so zogen wir bis zum Ende (Stachus) zusammen mit den Bullen über die Ringstraßen. Auf dem Stachus ging der Spaß aber noch weiter. Die Bullen bauten vor dem Durchgang zur City mehrere Reihen aus Mensch und Auto auf. Durchkommen war nicht. Aber wir liefen hin und beteiligten uns an der Organisierung der Bullen, gaben Befehlen, unterstützten die Polizeiführer bei dem Hin- und Herschicken von Einheiten. Das lehnte die Aufmerksamkeit der Medien auf uns und wir waren umzingelt von Kameras, konnten wegen der Scheinwerfer nix mehr sehen ... und kamen nicht mehr weiter zu den Bullen, weil da nur MedienvertreterInnen vorstanden. Auch eine interessante Beruhigungsstrategie. Ein kleines Scharmützel mit den Presseleuten wegen der Rolle bei der Herstellung von Diskursen, z.B. der Angst vor Autonomen, der Notwendigkeit von Krieg usw., folgte. Dann ging ich weg und sah, dass die Bullen zwar den Stachus abgeriegelt hatten, nicht aber die Straße, die über den Lenbachplatz in die rote Zone um den Bayrischen Hof führte. Ob es wohl gelingen würde, die Menschen zu motivieren, dort einzudringen? Wir versuchten das, einige Eliten-Leute aus ?linken? Gruppen riefen besorgt alle auf, dazubleiben - so teilte sich das Ganze. Die Bullen mussten schnell die Straße sperren und neue Reihen aufziehen (ein entschlossenes Handeln aber hätte gereicht, vor ihnen dort langzukommen). Ich blieb einige Zeit im Bereich der Straße stehen, mehrere Bullen immer rundherum, die wahlweise mit Püschel oder mit Worten ?bearbeitet? wurden. Zwischendurch kam eine Bullengruppe auf mich zu und forderte mich auf, das T-Shirt auszuziehen. Auch hier wieder überidentifizierende Wortwechsel, dann gaben die Bullen auf. Mit ?Dann behalten Sie es eben an?, zogen sie von dannen. Allgemeine Freude - aber viel mehr passierte dann auch nicht. Wir gingen in einer kleinen Gruppe über den schon fast leeren Stachus zurück. Eine Gruppe von ?linken? Eliten pöbelte uns an: ?Das war ja wohl nicht toll, was Ihr das gemacht habt!? und fügte dann auf Nachfrage, was so ein Spruch solle, hinzu: ?Ihr gehört wohl zu Pink-Silver ... hahaha?. Echtes Stammtischlachen. Deutsche Führungslinke sind überwiegend einfach nur eklig. Da wollten die Bullen offenbar nicht nachstehen. Einige Meter weiter überfiel mich eine ca. 10-köpfige Bullengruppe, nahm mich fest und schleifte mich über den Stachus wieder zu Straße zu einem Bullen-Bulli. Dort wurde ich mal kurz vermöbelt, gefesselt (immer begleitet von lauten Ansagen meinerseits zu den Menschen drumherum), in den Bulli geworfen, ein paar Straße weiter gefahren und dann wieder aus dem Fahrzeug gelassen. Offenbar ging es den Bullen darum, dass Ruhe in der Stadt einkehren sollte. Das gelang auch. Schade.
Einige weitere kleine Scharmützel mit der Repression folgten noch bis zur Abfahrt. Immer war die Außenvermittlung das wichtigste. Wäre nett, wenn kreative Antirepression sich ausbreitet. Wenn ein Convergence Center gestürmt wird, könnte es auch lieber 20, 40 oder 100 kreative Aktionen überall in München geben (ob friedlich oder militant ...) statt die typischen Durchsagen der Eliten, dass alle kommen sollen als große Schafherde.

Subjektive Einschätzungen zu den Protesten

Kanalisierung der Proteste gelungen
Sp 12: Die im Vergleich zum letzten Jahr viel moderne Strategie, den Protest einzubinden und zu kanalisieren, ist meines Erachtens voll aufgegangen. Verbote provozieren nur unkontrollierten Widerstand - besser ist, den Unmut der Menschen in vorgegebene Bahnen zu lenken ... sprich, Demos mitsamt deren Spielregeln (Demorecht erzwingt LeiterInnen usw.), wo Menschen nur als mitlatschende Schafherde gefragt sind und eigenständige Aktionen instrumentalisiert werden können. Und das hat funktioniert: Während im letzten Jahr die Handys der Offenen Presseplattform ständig klingelten, interessierte Journies Kontakt zu unabhängigen Aktionsgruppen wollten, tendierte das Interesse diesmal gegen Null ... alle Aufmerksamkeit war auf die offiziellen Großveranstaltungen gerichtet ... sei es bei der Presse oder - mit wenigen Ausnahmen - den AktivistInnen. Das das jetzt sogar abgefeiert wird als riesiger Erfolg spricht eine deutliche Sprache, dass selbstbestimmte Proteste einfach nicht gewollt sind. Daran gebe ich nicht nur Medien, Ude und Gewerkschaften die Schuld - die radikalen Anti-Nato-Leute haben mitgespielt: Auf sämtlichen Plakaten wurde ausschließlich für die zwei Großveranstaltungen geworben, die Fronttranspis waren vorher abgesprochen worden (der Konsenspruch zwischen Smash-Nato und Attac lautete ?Eine andere Welt ist möglich? ... und das durften dann andere Leute im CC malen), klare Blockstruktur (O-Ton eines Mitorganisators: ?Wer keinem Block angehört, kann ganz hinten laufen?). Offene Räume, wo alle Menschen gleichberechtigten Zugriff auf Materialien, Infrastruktur (PCs, Didicams usw.) haben, gab es nicht - die, die beim Aufbau solcher geholfen hätte wurden vorher abserviert.

Zur Organisierung innerhalb des Pink-Silver bzw. DA-Zusammenhangs
Sp 12: Ich bin am Samstag (vor der Großdemo ... die wollte ich mir nicht geben) mit gemischten Eindrücken, aber insgesamt positiver Tendenz abgereist. Nachdem ich aufgrund der offensiven Verhinderung selbstorganisierter Proteste und der Kanalisierung lange Zeit ausschloss, überhaupt nach München zu kommen, war ich durch den Pink-Silver-Prozess mit vielen motivierten Menschen wieder hoffnungsvoll.
Was mir an München gefallen hat: Da waren mal wieder einige nette Menschen mit eigenen Ideen, teilweise gut vorbereitet und mit vielen Materialien (von Klamotten bis zu Transpis, Flugblättern, Farben usw.) angereist. Inwiefern es andere Gruppen gab, die Ähnliches versuchten, kann ich nicht sagen - von bunten Aktionsformen habe ich in München nix wahrgenommen - 2002 gab es da einige Ansätze und eigenständige Aktionen vor und nach der Unsicherheitskonferenz.
Was mir dabei viel Lust genommen hat waren gehäufte Unzuverlässigkeiten, das wiederholte Hängenlassen ... der Wille, Vereinbarungen einzuhalten, einen coolen Organisierungsprozess zu haben, war oft nicht spürbar - bei der Anreise wusste ich nicht, wer mit uns denn Prozess vorbereiten würde. In Zusammenhängen, wo es - richtigerweise! - keine Befehle, keine Zwänge (wie z.B. bei Lohnarbeit) gibt, bringt mich das zum Verzweifeln, weil das Gegenmodell aufgrund der Zurichtung und Einstellung der Menschen nicht gelingt, Abhängerigkeit vorherrscht und ganz vieles nicht läuft. Und ich dann nachvollziehen kann, warum strategischere Leute autonome Zusammenhänge meiden, zu Attac oder anderen NGOs, Verbänden usw. abwandern, wo Hauptamtlichkeit, Pöstchenvergabe und Kontrolle dafür sorgen, dass die Menschen ?funktionieren?. Wichtig finde ich, das zu reflektieren und gemeinsam nach Wegen zu suchen, diesen Zustand zu ändern ... autonom-emanzipatorische Politik muss ja nicht auf ewig mit desorganisiert, unzuverlässig usw. assoziiert sein.
Nervig fand ich plenare Prozesse (innerhalb der Pink-Silver-Kombo), die ich nie als offenen Rahmen empfand, Ideen zu entwickeln, sehr oft ?Wir wollen doch? und andere Formulierungen vorherrschten, satt eigene Bedürfnisse zu formulieren. Und welche Kleingruppen zustande kam, war auch nicht ganz zufällig, auch wenn ich da nie eine bewusst organisierte Dominanz gesehen habe. Leider fehlte mir am Ende auch die Lust, konstruktive Debatten zu führen, Verbesserungen einzubringen, zumal die Diskussion um Kritiken am Plenum beim letzten Plenum dominant abgewürgt wurde.

Reflexion um Vereinnahmung und Instrumentalisierung kreativer Aktionen?
Sp 12: Politisch fatal und schade fand ich, dass es innerhalb der Pink-Silver/DA-Gruppen außer in Randgesprächen keine Debatte und Reflexionen zu den Rahmenbedingungen gab oder Überlegungen, wie eine eigenständige Vermittlung, Medienarbeit und unabhängige (Gegen-)Organisierung hätten aussehen können. Schade, gerade weil ich bunte Aktionsformen im allgemeinen und die Pink-Silver-Performances im konkreten so spannend finde. Ich hatte von Anfang an deutliche Befürchtungen, als bunter Tupfer vereinnahmt zu werden ... die Gefahr der Instrumentalisierung wurde aber in die Aktionsplanungen nicht einbezogen. Schwachpunkt war für mich daher auch, dass es nicht gelungen ist, eine eigenständige Vermittlung herzustellen, und auch das nur wenige überhaupt gestört hat - die Ansprüche waren auch bei den eher strategischen Leuten ziemlich reduziert. Ich finde die Ideen eines antihierarchischen Widerstands, kreativer Gruppenprozesse und herrschaftsfreier Gesellschaft weiter superspannend - aber leider fehlt in den unabhängigen, autonom-anarchistischen bzw. herrschaftskritischen Gruppen die strategischen Debatte, wie Proteste von unten organisiert werden können, Instrumentalisierung. Für mich hat das gezeigt, dass es nicht funktioniert bzw. in gewisser Weise naiv ist, die vorherrschenden Strukturen und Eliten links liegen zu lassen und zu glauben, einfach das eigene Ding durchziehen zu können. Das Fehlen Offener Plattformen hat Widerstand ?von unten? spürbar beeinträchtigt. Das zeigt für mich: Unabhängige Aktionsformen und die Auseinandersetzung mit den Strukturen vor Ort gehören zusammen, da mensch immer innerhalb von Rahmenbedingungen agiert, die zumindest ansatzweise verändert werden können. Die Schaffung tatsächlicher Freiräume mit entsprechender Infrastruktur (ob bei Aktionen, Events usw.), die allen offen steht, bleibt für mich weiterhin ein Kernelement für kreativ-widerständige Politik.


Zu den Bildern:
Die Bilder zeigen einige Aufnahmen während der verschiedenen Proteste. Die meisten sprechen für sich.

Überkleber:
Von denen wenigen Einzelaktionen außerhalb der kanalisierten Demos sind vor allem Überklebeaktionen dokumentiert, die so oder ähnlich an verschiedenen Orten zu sehen waren. Neben allgemeinen Plakaten (z.T. recht gross) gab es gezielte Überklebungen der SPD/Gewerkschaftsplakate (siehe Foto: rote Sprechblase) und etliche Aufkleber. In größerem Umfang wurden Herrschaftssymbole (Behörden, Justiz, Konzerne usw.) mit Aufklebern versehen, die sie als mögliche NATO-Ziele kennzeichneten plus inhaltlicher Vermittlung.

Transparente und Plakate auf Aktionen:
Dokumentiert ist hier vor allem die sog. ?Ude?-Demo. Diese Formulierung ist irreführend - sie dient vor allem den die Anti-NATO-Proteste dominierenden Gruppen der eigenen Reinwaschung. Tatsächlich waren auf dieser Demo bereits fast alle Gruppen beteiligt, die auch die Bündnisse getragen haben (einschließlich des ?linken? Teilbündnisses). Einträchtig marschierten sie mit rechts-esoterischen Gruppen wie BüSo sowie kriegsbefürwortenden Plakaten wie ?NO WAR ohne 2. UN-Resolution?.
1. Die Nationalfahnen zeigen die Orientierung auf Regierungen, Staaten und Nation, oft verschleiert als ?Demokratie? u.ä. Eine der irakischen Fahnen (im Foto rechts) bildete die Spitze des Demozuges.
2. Anti-amerikanische Plakate (die eben nicht nur die Regierung Bush oder ihn selbst angriffen, sondern Amerikaner insgesamt) waren gepaart europäischem Stolz. Slogans wie ?Lieber altes Europa als neue Weltordnung? waren so oder ähnlich die häufigsten Wort-Plakate auf der Demo. Das ?Deutschland sagt Nein? rekonstruiert zudem mal wieder eine völkische Ebene, das Kollektiv Deutschland.
3. Die neue weltweite Leitkultur zeigt sich gut auf den beiden Plakaten des DGB, in dem der den USA die Weltführung abspricht, weil sie gegen das Kyotoprotokoll und den internationalen Gerichtshof sind. Nicht nur, dass z.B. der Gerichtshof die Basis der zukünftigen ?demokratischen? Kriege sein würde, sondern auch, dass mit dem Text klar ausgesagt wird: Europa wäre die richtige Weltführung. Solche Texte sind inzwischen in SPD-Grünen-FR-attac-und-all-diese-Kreise sehr weit verbreitet.
4. Am Transparent ?Schröder-Fischer weiter so? sei darauf hingeweisen, dass wir bei allen Plakaten die Diskussion angezettelt haben, um herauszufinden, ob es sich nicht um eine Kommunikationsguerilla handelt. War es aber nie. Beim Schröder-Fischer-Transpi wurde der Inhalt nicht nur wen den Trägern verteidigt, sondern auch eine danebenstehende Gruppe (kirchliche PazifistInnen?) griff uns an, als wir die Schröder-Fischer-Regierung z.B. wegen ihrer rassistischen und Wirtschaftspolitik kritisierten: ?Wir demonstrieren hier gegen Krieg, was hat das mit Wirtschaft zu tun??. Beim Plakat ?NO WAR ohne 2. UN-Resolution? standen ebenfalls verschiedene PazifistInnen drumherum, die ohne Einschränkung alle das Plakat unterstützen, u.a. mit ?Man kann eben nicht alles friedlich lösen? (was ja stimmt ... aber wenn PazifistInnen nicht mal mehr pazifistisch sind, ist halt alles zuende an politischer Qualität).


Links
- Kritik an kontrollierten Aktionsformen in München ohne Medienresonanz:  http://www.de.indymedia.org/2003/02/41019.shtml
- Bilder der No-Nato-Latschdemo ... mit Bundeswehr-Reise-Büro:  http://www.de.indymedia.org/2003/02/40858.shtml
- immer nur demo?:  http://www.de.indymedia.org/2003/02/41047.shtml
- Anti-NATO-Seite unabhängiger Gruppen - von allen (!) Bündnis-Gruppen aus den Link-Listen zensiert:  http://nato.wikoop.de (u.a. mit Download der Zeitung ?No war, no law!?, die in München verteilt wurde)
- Zitate zur Weltführungsabsicht der EU (gegen USA):  http://www.projektwerkstatt.de/zitate/z_eu_usa.html
- Auswertung NATO-Widerstand 2002:  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antinato/index_antinato.html
- Direct-Action-Seite:  http://www.direct-action.de.vu
- Organisierung von unten  http://www.projektwerkstatt.de/ovu
- Kritik an Eliten:  http://www.projektwerkstatt.de/von-unten/eliten/haupt.html
- Ganz ähnlich hierarchistisch: Castor-Widerstand Lüneburg 2002:  http://www.projektwerkstatt.de/aktuell/castor/castor_lueneborg.html
- Und ebenso: Atomforum Stuttgart 2002:  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/af02

Literatur:
Im Jahr 1999 erschien der Reader ?Vom Gipfel kann es nur noch aufwärts gehen?, wo mal minutiös für ein Großereignis gesammelt wurde, wie hart die Eliten ihre Machtansprüche durchsetzten, Leute ausgrenzten usw. Damals traf das ganz andere als die jetzt immer mit sich langweilenden konstruierten Vorwürfen Rausgedrängten. Daher ist es nett zu lesen, dass das alles seit Jahren der ?linke? Normalfall ist. Anlaß war der Weltwirtschafts- und EU-Gipfel in Köln - gekommen waren auch ca. 30.000 Menschen, die mit geschickter Demoplanung zur totalen Wirkungslosigkeit verdammt wurden. Und dabei glücklich waren. Über alles ist ein Reader erschienen.

Ganz neu ist das Buch ?Nachhaltig, modern, staatstreu??, das die politischen Positionen ?linker? Gruppen anhand vieler Zitate und Quellen auseinandernimmt.

Mehr unter  http://www.projektwerkstatt.de/materialien.


Termine:
- Pink-Silver-Treffen: 28.2.-1.3. in der Projektwerkstatt Saasen ( http://www.projektwerkstatt.de/pinksilver)
- Direct-Action-Treffen 14.-21.4. in der Burg Lutter ( http://da-camp.de.vu)
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Ergänzungen

begeht nicht den fehler...

weist 15.02.2003 - 17:18
Die Odeonsplatzdemo mit der Marienplatzdemo in einen Topf zu schmeißen. In Puncto Elitismus mögt ihr Recht haben oder auch nicht; aber eure Kritik an der nationalen Perspektive der staatstragenden 'Friedensbewegung' trifft so, wie es hier beschrieben ist, NUR auf die 'Ude-Demo' zu. Zu unterstellen, die 2. wäre ein ähnlich peinliches Schauspiel gewesen, ist schlicht verfälschend.

@weist

auch dabei 15.02.2003 - 17:46
das stimmt leider schon. ich habe mir beide spektakel angeschaut, ähnliche transpis und dominanz von anti-amerikanismus waren auch auf der marienplatzdemo vorhanden. transpisprüche waren z.b. "gerhard und joschka haltet durch gegen die kriegstreiber", " volk ohne raum grüßt volk ohne öl", " herr struck lassen sie sich nicht kaufen wie herr scharping im kosovo".
allerdings gab habe ich nur auf dem odeonsplatz irakflaggen erblickt. dort sammelte sich die zivilgesellschaft, die vor einem jahr noch auf die polizei gegen die tausenden von anreisenden chaoten vertraute. damals war es auch noch eine demo gegen die nato-sicherheitskonferenz und alle kriegführenden nato-staaten. diese jahr ging es halt gegen die bösen amis und vom autonomen bis zum csu-wähler konnte jeder auf die strasse gehen.

Sehr interessant das alles ...

Anti-Elite 15.02.2003 - 21:29
Sehr spannend ... ein Text mit eindeutigen Berichten, Fotos von Aktionen, Auswertungen - und kommt bei Indymedia nicht auf den Titel durch. Naja, mal sehen, wer sich da diesmal durchsetzt, daß auch (zum Glück nicht nur) Eliten bei Indymedia dabei sind, die in der Vergangenheit (z.B. in Lüneburg) höchstselbst die Ausgrenzungen mitorganisiert haben, ist kein Geheimnis. Wer auch noch die Macht hat, die Kritik an der eigenen Macht zu unterdrücken, hat gut Lachen ...

An den ersten Kommentierenden:
Im Text steht explizit beschrieben, daß die Organisationen auf der ersten Demo fast komplett identisch mit der zweiten waren. Wie kannst Du darauf ableiten, daß die beiden Demos verwechselt wurden?

Tja, so ist das, "Anti-Elite"

scheiss Egozentriker! 15.02.2003 - 22:50
Weil die Mods mal im Stress (der heute wirklich war) was vergessen, macht Ihr gleich ein "das machen die ja nur, weil sdie die bösen sind und unsere Meinung hassen" draus. Kein Wunder, daß soviele von Euch gestresst sind! Immer erst mal alle beschuldigen und diffamieren - nachgefragt wird nicht. Ihr seid auch nicht besser als antideutsch.

Nachgefragt?

Irritiertes 16.02.2003 - 11:41
Wie fragt mensch denn nach? Außer auf der Ergänzung? Indymedia ist doch zunächst einmal ein anonym laufendes Projekt. Wer jemanden zufällig kennt, hat Glück. Oder irre ich mich da?

nachfragen?

ich 16.02.2003 - 12:21
also einmal gibts
 http://de.indymedia.org/static/mailinglisten.shtml
da findest du die mailinglisten von indymedia.de

und dann die kontaktadresse:
 imc-germany-kontakt@lists.indymedia.org

convergene center

dagewesen 16.02.2003 - 13:17
...Im Convergence Center habe ich mich nie wohl fühlen können. Als ich ankam, traf ich auf Menschen, die bereits hochgradig angenervt waren von Kontrollwahn:

- Was ist mit Kontrollwahn gemeint? Etwa die Leute díe am Eingang standen um sich die Gäste etwas genauer anzugucken (Zivibullen) und um gegebenenfalls die Türen zu schließen, wenn die Cops massiv anrücken (was ja dann auch am Freitag passierte...)?

...und jeder Menge besoffener Leute:
- seltsam, schließlich wurde bis 21 Uhr gar kein Alk ausgeschenkt.

...Aus einem Ruheraum, wo sich Leute aus dem Pink-Silver/Direct Action Zusammenhang treffen wollten, um ohne stündige Störung zu brainstormen,
wurden wir durch Orgas mit ziemlich unverschämten Sprüchen rausgeschmissen (?Wer hat euch das erlaubt?), die diesen Raum allein für sich beanspruchten (Verabredungen wären ja für niemanden ein Problem gewesen):

- Der kleine Raum im Gang, den du wahrscheinlich meinst, war eben der Ruheraum für die CC-Orgas, die ja praktisch rund um die Uhr beschäftigt waren und sich zwischendurch ach mal ablegen mußten.

So ein Schmarrn...

Zapata 16.02.2003 - 16:31
Ich war dieses sowie letztes Jahr auf der Demo und habe gegen die Nato demonstriert.
Was hier aber von der "dubiosen" Projektwerkstatt versucht wird, ist der gesamten Friedensbewegung den Stempel von Antiamerikanismus, Antisemitismus und Nationalismus aufzudrücken.
Natürlich gab es vereinzelt solche Gruppen, die waren aber nicht repräsentativ. Ausserdem ist deine Kritik in vielen Punkten total albern und unberechtigt.
Zum Beispiel: Das 2. DGB-Poster sagt nichts von einem "neuen
Europa" oder dergleichen, die Argumentation darauf ist völlig legitim. Nicht alles was der DGB sagt ist Dreck.
Ich frage mich was eure "Projektwerkstatt" so für "projekte"
macht. Was seid ihr eigentlich für Korinthenkacker, hm?
Ich sehe euch nie mit Transpis auf Demos aber im Netz habt ihr immer dermaßen das Maul offen und spielt die Moralpolizei dass alles zu spät ist. Muss ich mich jetzt schämen, dass ich auf den Demos war, nur weil dort ein paar wenige religiöse Fundis, Antisemiten oder Regierungsfreaks waren???
Natürlich schleichen die sich auch dort rein und versuchen an Macht zu gewinnen. Aber wirklich präsent waren sie auf der Marienplatzdemo nicht.
Im Übrigen weiss jeder dass es sowas gibt. Newswert = 0

P.S.: Und "weist" hat absolut recht!!!

rotzdem!

sliver silver 17.02.2003 - 16:33
haben die menschen hier recht, wenn sie meinen,dass nix ging ohne Befehle...
d muss ich mich auch selber an die nase fassen;mein problem war nur dass wir zu spät zur demo(Sa 14.00) kamen und keinen Überblick auch nicht.
Ich hätte mir gewünscht, irgendwo infos zu bekommen wos actions gab um an denen teil zu haben, WEIL ich keine zeit/Möglichkeit hatte welche vorzubereiten.
Also mangel war auch die Kommunikationsplattform...
ansonsten geb ich der projektwerkstatt "leider" recht.
PROBLEM:so viele leute(aus einem Platz) sind ziemlich handlungsunfähig und der mensch ist doch ein verdammtes rudeltier!

Entgegnung

abt. zwölf 18.02.2003 - 00:15
Zum Kontrollwahn: Ja, die Türkontrollen gehörten für mich dazu - die haben mich ja auch blöd angeguckt, als wir im Flur nen Spontan-AK gemacht haben (andere, nicht belegte Räume gab es ja nicht). Das Achten auf Zivis sollte m.E. ein Ding aller sein - dafür würde ich nicht ein paar Leute abstellen, sondern mal einen Workshop machen usw. Und das Eindringen der Bullen ins CC konnten die TürsteherInnen nicht verhindern, oder irre mich da? Alles in allem fand ich, dass mensch auf so was verzichten kann und es nach innen eher einschüchternd und demotivierend wirkt, am Eingang beäugt zu werden. Daneben gab es noch weitere Vorgänge, die ich als Kontrollwahn empfunden hab
Zum Alk: Naja, den Alk muss mensch ja net im CC gekauft haben - ich hab nur sehr eindeutige Erinnerungen an viele betrunkene (v.a.) Punks ... das war auch superoffensichtlich.
Zu dem Ruheraum. Dagegen hab ich ja nix prinzipiell, daneben fand ich den Alleinanspruch und die Anmachen - Vereinbarungen wären für mich kein Problem gewesen; wenn sich da jemensch pennen legen will und Ruhe braucht wären wir sofort gegangen, logisch. Aber zu dem Zeitpunkt war da erst einmal niemand.
Zu der Kritik an der Kritik an der Demo: „Ein paar Freaks“ finde ich verharmlosend - die EU-Abfeierungs-Transpis z.B. gehörten zu den fettesten und prägendsten Elementen der Demo. Damit wird nicht ausgesagt, dass alle Demo-Teilis nationalistische Arschlöcher oder EU-Fans sind ... aber die, die sich davon abheben müssen sich schon fragen lassen, wie sie damit umgehen, dass die prägendsten Elemente der SPD-Demo solche Scheiße en masse am Start hatten. Aktionen dagegen wären m.E. wichtig gewesen.
Ich finde es wichtig, dass auch solche Bilder und andere Meinungen gepostet werden - von daher kommt die Anpisse („dubiose“ Projektwerkstatt usw.) schon etwas schräg. „Wir“ snd übrigens auch schon mal mit Transpis auf Demos ... aber ohne Label oder Gruppennamen, da mir zumindest die Inhalte wichtigere sind.
Zu der DGB-Aussage: Naja, aus der Aufzählung wird ja abgeleitet, dass die USA nicht als Weltbefreier taugen - unterschwellig wird schon suggeriert, dass die EU, die ja für das prokapitalistische Kyoto-Protokoll (also Luftverschmutzung zu einer handelbaren Ware machen wollen) und den internat. Strafgerichtshof (mehr Herrschaft) sind, die besseren Weltbefreier wären. Und genau das ist ja auch die offizielle Position in diesen Kreisen...

Anmerkungen zum Convergence Center

ein Aktivist aus München (war auch im CC) 19.02.2003 - 12:16
Ich finde es ein verdammt klugscheisserisches Gehabe, wie J.B. versucht, den Leuten von der Orga-Struktur im Convergence Center in MUC den Stempel von "CheckerInnen" und "Eliten" aufzudrücken. Richtig albern finde ich es, dass J.B. sich selber als die Verkörperung des selbstorganisierten und antihierarchischen Widerstands inszeniert und dabei selber ständig den Oberchecker raushängen lässt.

Doch nun zur Sache:

-absolut lächerlich finde ich es, der Orga-Gruppe im Convergence Center den Türschutz vorzuwefen. Der Sinn eines solchen Schutzes (Zivis und andere Bullen sowie Nazis draussenhalten und eben NICHT die AktivistInnen schikanieren) wurde weiter oben bereits ausführlich erläutert. Natürlich sollen sich alle drum kümmern, Bullen draussenzuhalten, aber sich darauf alleine zu verlassen und die Tür einfach offenstehen zu lassen wäre gegenüber den anwesenden Leuten ziemlich larfari und unverantwortlich. Es stimmt sicherlich, dass es die Bullen trotzdem geschafft haben, ins CC reinzukommen- einen 100% sicheren Schutz gegen eine Bullenstürmung gibts nun mal nicht (aber gewiss Möglichkeiten, aus Fehlern und Mängeln zu lernen).

-Das Convergence Center war kein Versuch, Widerstand zu kanalisieren, sondern ein konkreter Ansatz, Raum für selbstorganisierte und kreative Aktionen bereitzustellen. Und diese Möglichkeit wurde ja auch von einigen Menschen genutzt. Ich denke, es ist nicht zu viel verlangt, sich dabei an Terminabsprachen zu halten, gerade wenn verschiedene Gruppen ihre Worshops und Bastelaktionen machen wollen und der Platz nun mal begrenzt ist. Den Orga-Leuten ging es sicher nicht darum, die anwesenden AktivistInnen -zum Beispiel die Pink-Silver Leute- zu gängeln. Mich würde übrigens auch mal insteressieren, wie andere Leute aus dem Pink Silver-Zusammenhang das Convergence Center so erlebt haben.

-Zu dem Vorwurf "vorbereitete Transpi-Vorlagen": Was ist das Problem dran, wenn Gruppen aus München Vorlagen für Transpis mitbringen? Die Möglichkeit, im CC eigene Transpis und anderes Zeug zu malen und zu basteln gab es für alle, niemand hatte ein Monopol darauf!

-Zugang zu Computern ect. für AktivistInnen: Es gab einen öffentlich zugänglichen Indymedia-Pool und einen weiteren Ort mit öffentlich zugänglichen Computern sowie Arbeitsmöglichkeiten für unabhängige Radio-Teams. Im Convergence-Center waren schlichtweg keine Computer vorhanden- auch nicht für die ach so bösen Orga-Leute. Es stimmt ganz einfach nicht, dass -wie J.B. versucht, das hinzustellen- den AktivistInnen konsequent technisches Equipment vorenthalten wurde.

-Sicherlich gab es bei den Workshopanfragen Vorbehalte gegen die Person J.B. - nicht weil irgendwer was gegen selbstbestimmte Aktionen einzuwenden hatte, sondern aufgrund von Misstrauen wegen konkreter Vorfälle (zum Beispiel J.B.s Kontakte zu einem VS-Mitarbeiter, die er auf seiner eigenen Homepage dokumentiert hatte). Ich finde es eine verdammt egozentrische Tour, wenn J.B. Probleme, die andere mit ihm haben, ständig auf die Ebene "selbstbestimmter Widerstand (natürlich er selbst) contra linke Eliten (alle anderen)" zu ziehen versucht- und ich habe keinen Bock, mich an einem solchen profilneurotischen Geschmarre noch weiter abzuarbeiten.

-Dass keine offene Presseplattform im CC gewollt wurde, hatte nichts damit zu tun, eigenständige Pressearbeit an sich verhindern zu wollen. Es ging ganz einfach darum, dass die münchner Gruppen, die sich am CC beteiligt haben und die Leute, die ansonsten das Tröpferlbad als Zentrum für ihre Aktivitäten nutzen, keine Presseleute in den Tröpferlbad-Räumen haben wollten. Fotografierende JournalistInnen sind sowohl eine Zumutung für Leute, die Aktionen vorbereiten, als auch eine potentielle Gefährdung für die Räume! Gerade im letzten Jahr war es für die Leute vom Tröpferlbad verdammt nervig, dass trotz anderer Absprachen im Rahmen der "offenen Presseplattform" Presseleute ins Haus kamen!

-zu den Demos: der Kritik an dem staatstragenden und EU-nationalistischen Charakter der Gewerkschafts- und Parteien-Demo kann ich mich voll anschliessen. Und ich denke, von den Gruppen aus dem Bündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz, die sich an der Marienplatzdemo beteiligt haben, wurden auch ganz klar andere Akzente im Sinne einer antikapitalistischen und antinationalistischen Bewegung gegen den globalen Kriegszustand gesetzt. In der Mobilisierung spielten der Zusammenhang zwischen globalen Kapitalismus und globalem Krieg und die Bennennung der kriegerischen Rolle von BRD und EU von Anfang an eine zentrale Rolle und das wurde auch auf der Demo vermittelt. Dass die bürgerlichen Medien diese inhaltlichen Aussagen konsequent unterschlagen haben- im Sinne von "alle gemeinsam für den Frieden" kann nicht dem Demo-Bündnis vorgeworfen werden. Was sicher stimmt: Es ist verdammt schade, dass ausser der Demo nicht viel an anderen unberechenbaren und konfrontativen Aktionen gelaufen ist- 30000 Menschen hätten in der Tat noch einiges mehr bewegen können. Ich halte nicht viel davon, jetzt nur über die "bösen Eliten" zu schimpfen. Vielmehr sollten die Menschen, die Interesse daran haben, dass auf der Strasse was passiert, versuchen was gutes vorzubereiten und nicht nur mit einer Konsumhaltung auf Demos gehen bzw. sämtliche Energie in nervigen und uneffektiven Verhandlungen mit Attac und Co. - oder auch in überflüssigen virtuellen Schlammschlachten, wie J.B. sie mit Vorliebe führt- verpulvern.

Ein Aktivist aus München (war auch im Convergence Center)