Staatliche Repression bei den Protesten gegen die NATO-Sicherheit

EA der Roten Hilfe München 09.02.2003 17:16 Themen: Militarismus Repression
Erklärung des Ermittlungsausschusses zur Repression gegen die Proteste anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz am 7. und 8. Februar
Während die Proteste gegen die Sicherheitskonferenz 2002 unter dem Schatten des über die Stadt München verhängten Ausnahmezustands standen, waren dieses Jahr alle angemeldeten Protestversammlungen erlaubt. So gab es dieses Jahr im Vorfeld weit weniger Pressehetze und Versuche der Stadt München, kritische Äußerungen in städtisch finanzierten Einrichtungen zu unterbinden. Nur die Münchner Polizei und das bayerische Innenministerium versuchten in der vergangenen Woche, die zu erwartenden Polizeirepressionen mit "anreisenden Gewalttätern" zu legitimieren. Auch die Versuche von Polizei und OB Ude, die Demonstrationen in "gut" und "böse" einzuteilen, schlugen fehl, was die über 20000 TeilnehmerInnen auf der Versammlung des Bündnisses gegen die Nato-Sicherheitskonferenz zeigten.

Wie bereits im Vorfeld befürchtet, bemühte sich die Münchner Polizei - unterstützt von Einheiten aus dem gesamten Bundesgebiet - redlich, die Proteste gegen die Nato-Sicherheitskonferenz und die dahinter stehende Kriegspolitik zu behindern und zu kriminalisieren. Vor der Kundgebung am Freitag Abend gab es in der ganzen Innenstadt massive Personenkontrollen. Dabei wurden willkürlich mündliche Platzverweise entweder für die gesamte Innenstadt oder den Marienplatz verteilt, eine schriftliche Ausführung wurde verweigert. Begründet wurde dies mit der Aussage, die Person sei "einschlägig bekannt", teilweise genügte es auch, in Begleitung einer "einschlägig bekannten" Person zu sein. Für den Fall eines Verstoßes gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde mit der Festnahme gedroht. Konkrete Vorwürfe konnten die Polizisten natürlich nicht angeben. Platzverweise, deren Erteilung auf der willkürlichen Entscheidung eines Polizeibeamten beruht, und deren Rechtmäßigkeit vor Ort auch nicht überprüft werden kann, sind ein immer beliebteres Mittel, um Menschen an der Ausübung ihres politischen Engagements zu hindern.

Der Höhepunkt der "präventiven" polizeilichen Maßnahmen wurde am späten Freitag Abend erreicht, als über 300 Polizeibeamte das Convergence Center im ehemaligen Tröpferlbad stürmten. Alle Anwesenden wurden einer Personenkontrolle unterzogen, die Räume wurden durchsucht und fotografiert, eine offenbar willkürliche Auswahl von 22 Personen wurde festgenommen.
Darunter war auch ein Demosanitäter, der eine kollabierte Frau versorgen wollte, und dies der Polizei auch kenntlich machte.
Mit diesem Einsatz sollte unserer Meinung nach der Großeinsatz der Polizei legitimiert werden. Ziel war es sicher auch, Informationen über die Strukturen zu bekommen, die einen großen Teil der Proteste gegen die Sicherheitskonferenz getragen haben. Womöglich sollte die Infrastruktur der Anti-Nato-Proteste auch in der Hoffnung auf eine Schließung des Convergence Centers geschwächt werden, was aber nur teilweise gelang. Nach der Demonstration am Samstag Nachmittag stand das Tröpferlbad wieder als Anlaufpunkt offen.

Insgesamt wurden am Wochenende nach unseren Informationen knapp 50 Menschen festgenommen. Am Samstag Abend waren alle wieder frei. Bei den 22 Menschen, die am Freitag im Convergence Center festgenommen wurden, hatte die Polizei die richterliche Bestätigung des Unterbindungsgewahrsams beantragt, der jedoch
lediglich in drei Fällen bis Samstag am frühen Abend erfolgte. Die Staatsschutzabteilung der Polizei hat mal wieder die richterlichen Vorführungen verzögert, sie benötigte zwölf Stunden, um die Akten dem Ermittlungsrichter im gleichen Haus vorzulegen. Ziel war offenbar, die Betroffenen auch bei einer richterlichen Ablehnung an der Teilnahme der Demonstration zu hindern.

Glücklicherweise gab es auf Seiten der DemonstrantInnen keine schwereren Verletzungen. Leichte Verletzungen gab es am Samstag Nachmittag, als USK-Beamte gegen Ende der Abschlusskundgebung am Odeonsplatz mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen DemonstrantInnen vorgingen, die aufgrund enger Platzverhältnisse gegen eine Polizeikette gedrängt wurden. Unseres Wissens nach musste aber niemand in Krankenhäusern versorgt werden.

Insgesamt können wir feststellen, dass die Polizei ihre Repression gegen oppositionelle Aktivitäten immer mehr in den "präventiven" Bereich verlagert. Festgenommen und kriminalisiert wird immer häufiger nicht aufgrund individueller Tatvorwürfe, sondern aufgrund nicht nachprüfbarer angeblicher "polizeilicher Erkenntnisse", Einträgen in Polizeidateien (die nicht zuletzt bei Polizeiaktionen wie im Convergence Center entstehen) und letztendlich auch der individuellen Willkür der ausführenden Beamten.

Betroffene von staatlicher Repression an diesem Wochenende können sich für weitere Unterstützung bei der Roten Hilfe melden (siehe unten).

Ermittlungsausschuss der Roten Hilfe München

9. Februar 2003

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Sonderseiten zur Münchner NATO-Sicherheitskonferenz
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Ergänzungen

Abschlußkundgebung

elfboi 09.02.2003 - 21:52
Tja, das Ende der Abschlußkundgebung habe ich leider nicht mehr mitbekommen, da meine Mitprotestierer und ich schon sehr erschöpft waren, völlig durchnäßt und durchgefroren, und so haben wir dann beschlossen, erst einmal einen Platz zum Aufwärmen und Essen zu finden, und so gingen wir ins "Sofias Welt", wo ich die Kräutercremesuppe nur sehr empfehlen kann, falls es sie mal wieder gibt...
Gute Demo, auf jeden Fall. Einige Male sah es nach richtigem Ärger mit den Bullen aus, aber obwohl ich direkt neben dem schwarzen Block war, passierte in meiner Umgebung eigentlich nichts, außer daß die Bullen mit Beleidigungen und Schneebällen beworfen wurden.

Platzverhältnisse

fu 09.02.2003 - 22:38
Richtig eng war es auf der Abschlusskundgebung nicht mehr, zumindest nicht so eng, dass jemand unfreiwillig irgendwo gegen gedrückt worden wäre.

@fu 09.02.2003 22:38

kk 10.02.2003 - 09:25
doch das war schon so, die leute sind aufgrückt und in richtung odeonsplatz. viele dachten das wäre nur eine polizeiprovo vorne, und dass die vorhandlungen ergeben hätten, dass die abschlusskundgebung auf dem odeonsplatz stattfindet. also ca 500m weiter vorne. selbstverständlich ist diese provokation nicht von allen akzeptiert worden. es bleibt so, dass die leute einfach den platz eingenommen haben der ihnen zustand. es bleibt dabei, dass die polizei keinen versuch unternommen hat, das missverständnis aufzuklären, oder zu erklären warum die demo da gestoppt wurde. es bleibt dabei, das von hinten ganz schön auf die vorderen reihen gedrückt wurde. auch wenn viele heimgefahren sind und weiter hinten lücken waren. vorne war es eng(zumindest wo ich war). was ja auch klar ist, wenn alle davon ausgehen zum odeonsplatz zu laufen. die darstellung des ea ist sehr richtig und trifft die verhältnisse ziemlich gut.
es kann doch keiner behaupten, dass es nicht berechnung ist, eine demo 500m vor der abschlusskundgebung zu stoppen. es muss auch klar sein, dass es dann eng wird, wenn es keinerlei information gibt, dass aufeinmal die strasse gesperrt ist. die polizei hat an der stelle alles unternommen, um doch noch ausschreitungen zu provozieren.

PLATZVERHÄLTNISSE

heckenpoger 10.02.2003 - 09:48
auf der abschlusskungebung: natürlch kam es zu rangelein als die herren in grün die leopoldstraße 5-10 meter vor der u-bahn staion absperrten. durch die massen von hinten wurden wir ca. eine halbe stunde mit der staatsmacht auge in auge konfrontiert. die bullen meinten wir sollen doch umkehren. DAS WAR NICHT MÖGLICH! also musste unsere magengegend mehrmals unsanften knüppelkontakt machen. Dann kam auch noch ein funkspruch: 5 meter vorrücken! völlig sinnlos.

das gedränge vorne

kk 10.02.2003 - 09:51
 http://de.indymedia.org/2003/02/40991.shtml
das letzte bild zeigt ganz deutlich, wie die lage vorne aussah. soll keiner behaupten, dass das nicht eng ist!

Abschlusskundgebung?

bfvuchztcd 10.02.2003 - 10:26
Hier wurde jetzt öfters von einer Abschlusskundgebung geredet. Allerdings gab es soweit ich das mitbekommen habe garkeine, da die Bullen die besagte Kette gebildet haben. Und der Ort wo die Kette war war nicht wirklich für ne Abschlusskundgebung geeeignet. Die meisten Leute sind relativ schnell wieder von dem Platz abgehauen damit der Rest der Demo auch noch Platz findet.

bayrische Linie eher ausgehebelt

Rambazamba 10.02.2003 - 11:32
So friedlich hat sich das USK doch schonseit Jahren nicht mehr benommen. Es hatten sich etliche Leute vor dem Odeonsplatz vermummt und neben mir hat ein autonomer youngster direkt vor der Nase der Polizeikette eine Videokamera zugesprayt. Die Bullen hätten bloß ein paar Abgriffe starten müssen und die Rauferei wäre losgegangen.

Ich schätze eher, daß die Masse der Leute doch zu groß war und die Polizeiführung das Risiko, daß die Lage außer Kontrolle gerät, nicht eingehen wollte.

abschlusskundgebung

dajak 10.02.2003 - 11:44
sicher war da noch ne abschlusskundgebung. es war nur sau kalt, und nass.. wiederlich eben. dass die gruenen uns gestoppt haben, hat nur dazu gefuert, dass die abschlussreden aben 500 meter vor dem odeonsplatz auf ner kraeuzung stattfand.

gruss dajak

komisch

kk 10.02.2003 - 12:52
das was rambazamba da erzählt, habe ich weder gesehen noch kann ich es mir vorstellen und verweise nochmal auf das bild. ich kann zwar deutlich einige kameras entdecken, aber keine, an die demonstranten herangekommen wären. wenn, wäre es angesichts der provokation eine nette aktion gewesen.

was klar feststeht, ist die agressivität, mit der die da unterwegs waren. das dokumentiert das photo gut. es sei auch zum x-ten mal darauf hingewiesen, dass für diese aktion überhaupt kein grund bestand. es sei nochmal daruf hingewiesen, dass ein paar stunden zuvor der oberbürgermeister eine kundgebung auf den odeonsplatz abgehalten hatte - also genau dort wo sie uns nicht hinlassen wollten. es sei auch nochmal darauf hingewiesen, dass es für die demonstranten(zumindest der grossen masse) nicht(bzw zu spät) erkennbar war, was die polizei wollte. sie griffen aus heiteren himmel die demonstration von vorne an! genauer: sie stellten sich in den weg. genau wissend, dass bei einer so grossen demonstration die leute gegen die ketten getrieben würden. sie stellten sich in den weg, genau wissend, dass die leute gar nicht anders könnten, als zu drücken, weil der platz zu klein ist für so viele menschen. einzig, dass so viele, so schnell nach hause gefahren sind, hat die katastrophe verhindert. wären wirklich 15.000 leute aufgelaufen, wäre das kalkül(ich möchte es wirklich so nennen) der polizei aufgegangen und das bild einer randalesuchenden meute hätte die medien gefüllt. sie können auch nicht sagen, sie hätten das nicht bedacht, schon am marienplatz wurden sie darauf hingewiesen, das der lehnbachplatz zu klein ist und es dort dann zu rangeleien kommen würde. es ist ungeheuerlich, dass sie dann versuchen in der ludwigsstrasse, den platz wieder so eng zu machen, dass sie eine begründung haben leute anzugreifen.
so eine veranstaltung ist kein kindergeburtstag, die polizei hat auch in münchen erfahrung mit grossveranstaltungen. sie bekommen es wunderbar geregelt, wenn beim oktoberfest massen auf der strasse sind. sie können die lage einschätzen. mir kann niemand erzählen, dass das nicht so beabsichtigt war!
es gab nur die beiden möglichkeiten, entweder die leute fahren nach hause oder es kommt zu ausschreitungen. es war in der hinsicht nur das wetter und die wahnsinnige friedlichkeit der demonstranten, was hier ausschreitungen verhinderte. das konzept der polizei ist hier glücklicherweise nicht aufgegangen. hinter den polizeiketten warteten weitere hundertschaften auf einen durchbruch und darauf, endlich einen grund für einen zugriff zu haben. die seitenstrasse war grün, soweit ich schauen konnte. insofern war es richtig, die kundgebung so schnell wie möglich auf der kreuzung abzuhalten - sobald der wagen da war. die veranstalter haben damit sehr verantwortungsbewusst und der lage gerecht gehandelt.

Rpression auf dem Heimweg

ansti 10.02.2003 - 13:48
Auch auf dem Heimweg ging die Repression weiter:
Mit dem zug in Augsburg kaum angekommen bat uns (wir waren zu zweit) ein zivi mit vorgehaltenem Bullen-Ausweis zur seite um unsere Personalien zu prüfen. Sichtlich genervt, dass unsere Namen in München nicht aufgetaucht waren fing er an meine Taschen und mein Gepäck zu filzen. Das ganze machte er mit einem Ausdruck, als würde er gleich an die Decke gehen wenn er nicht schnell was findet. Leider mussten wir ihn enttäuschen, wir hatten nix illegales dabei.
Das ganze nannte der Zivi 'verdachtsunabhängige Maßnahme' oder so. Ging es anderen auch so? Ich denke schon dass das Maßnahmen im Rahmen von München waren.

ansti

...rechtliches Nachspiel

Heidi 10.02.2003 - 18:28
"Für den Fall eines Verstoßes gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde mit der Festnahme gedroht. Konkrete Vorwürfe konnten die Polizisten natürlich nicht angeben. Platzverweise, deren Erteilung auf der willkürlichen Entscheidung eines Polizeibeamten beruht, und deren Rechtmäßigkeit vor Ort auch nicht überprüft werden kann, sind ein immer beliebteres Mittel, um Menschen an der Ausübung ihres politischen Engagements zu hindern."

Die aktuelle Rechtsprechung sagt, dass die Polizei nicht bestimmen kann, in welche Richtung man sich entfernt. Etwaige Anweisungen, in diese Richtung die Innenstadt zu verlassen sind nicht rechtmäßig.
Ich kann jedem nur raten, gegen diese "Verwaltungsakte" Widerspruch binnen 4 Wochen einzulegen. Dieser soll die Polizei veranlassen, ihr eigenes Handeln zu überprüfen. Oft sagt die Poliozei dann: "Da gibt es nix mehr zu prüfen, da die Maßnahme schon abgelaufen sei." In dem Fall geht zum Verwaltungsgericht und klagt, denn zum Zweck der Rehabilitation und dem Bloßstellen staatlicher Willkürhandlungen ist das allemal sinnvoll.

Letztlich muss ich Euch leider zustimmen, dass die Polizei immer öfter -bewusst- falsche/unverhältnissmäßige Handlungen vornimmt, um die Leute für den Moment auszuschliessen. Unter dem Motto: "Was juckt uns, was das Gericht 10 Monate später feststellt." So kann's nicht weitergehen in "unserer" Republik...

Bin ja mal gespannt...

elfboi 10.02.2003 - 21:13
... wie das beim nächsten Mal abgeht, falls besseres Wetter ist und mehr Demonstranten kommen. Ich hoffe mal, es gibt dann keine Toten.