D20 in Tübingen/Reutlingen: Aufruf

K. Lerolazo 19.12.2002 10:33 Themen: Globalisierung
Der globale Aktionstag des sozialen Protests und Ungehorsams in Solidarität mit der argentinischen Rebellion hat in Tübingen/Reutlingen eigentlich schon letzte Woche mit einem Konzert der argentinischen Band Un Kuartito und dem Zeigen des Argentinienfilms von Kanal B begonnen.
Der Film wird diesen Donnerstag und Freitag an verschiedenen Orten erneut gezeigt.
In Tübingen/Reutlingen gibt es in den letzten Wochen viel Anlass zu Protesten:
Arbeitsplatzabbau verschiedener Betriebe, massive Erhöhung von Wohnheimmieten, Privatisierung am Uniklinikum,...
Hier der Aufruf, Berichte der Aktionen folgen...
Globaler Aktionstag des sozialen Protests und Ungehorsams
in Solidarität mit der argentinischen sozialen Rebellion


Veranstaltungen und Aktionen in Tübingen/Reutlingen:

Film über die sozialen Bewegungen in Argentinien
(Kanal B, Frühjahr 2002)

am Samstag, 14.12., 21 Uhr
im Cafe Nepomuk, Reutlingen beim Konzert der argentinischen Band UN KUARTITO

am Donnerstag, 19.12., ab 21 Uhr
in der Zelle

am Freitag, 20.12., 18 Uhr
Holzmarkt Tübingen mit MateTee

danach um 19:30 Uhr
Treffen des erweiterten Egeria-Solidaritätskreises
im Gemeindehaus Lamm, am Marktplatz, Tübingen


Sozialer Ungehorsam:
Beteiligt Euch mit eigenen Aktionen! Bisher geplant:

Cacerolazo (Topfschlag-Aktion)
Freitag, 20.12., 16 Uhr, Clubhaus Tübingen

Befragung zu sozialem Ungehorsam
Samstag, 21.12., Innenstadt Tübingen



Menschen aus Argentinien und der ganzen Welt rufen am 20. und 21. Dezember zu einem globalen Aktionstag auf, um zu zeigen, dass diejenigen nicht alleine sind, die Alternativen aufbauen gegen die Diktatur der Märkte.

Vor einem Jahr brach in Argentinien die Wirtschaft zusammen, die Regierung wurde davongejagt, seitdem versuchen die Menschen ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen... Auf der ganzen Welt zeigen sich tiefe Risse in der neoliberalen Ordnung, überall nehmen die Proteste zu und die Menschen machen sich auf die Suche nach Alternativen.

Tübingen und Reutlingen sind keine Insel...

Arbeitsplatzabbau bei Egeria und in anderen Betrieben, Wohnungsmangel und massive Erhöhung von Wohnheimmieten durch das Studentenwerk Tübingen, Rationalisierungen und Privatisierungen am Tübinger Klinikum,... sind nur einige aktuelle Beispiele und Folgen neoliberaler Politik in Tübingen.
Sie sind eingebettet in eine gesellschaftliche Logik, die Menschen zu Humanressourcen und „Ich-AGs“ macht, soziale Errungenschaften zerstört, Individualisierung und Konkurrenz vorantreibt, die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft, Ausgrenzung, soziale Kontrolle und Repression erhöht.
Auch in Tübingen/Reutlingen fangen Betroffene an, ihre Situation und ihren Protest in den Zusammenhang eines globalen Phänomens zu stellen, sich mit anderen Betroffenen zu verständigen und gemeinsam Widerstand zu planen.

Argentinien... wirtschaftlicher Zusammenbruch und soziale Rebellion

Vor einem Jahr, am 20. Dezember 2001, sind in Argentinien mehr als eine halbe Million Menschen auf die Straße gegangen und haben Töpfe und Pfannen schlagend die Regierung abgesetzt. Seitdem breitet sich parallel zur immer weiteren Verschärfung der wirtschaftlichen Situation eine inspirierende Rebellion im
ganzen Land aus, die eine Fülle sozialer Experimente beinhaltet:
Die „Piqueteros“, die Bewegung der Erwerbslosen, blockieren Straßen, besetzen Land und bauen soziale Projekte in ihren Nachbarschaften auf; in den Städten treffen sich die NachbarInnen in selbstorganisierten „Asambleas“, den Nachbarschaftsversammlungen; die „Ahorristas“, die wütenden SparerInnen, greifen täglich Banken an, um ihre Ersparnisse zurückzuerhalten; mehr als 7 Millionen Menschen nutzen Tauschhandelsnetzwerke anstelle von Geld; ArbeiterInnen haben zahlreiche Fabriken besetzt und führen sie selbstverwaltet
weiter; GymnasiastInnen haben ihre Schulen besetzt und fordern billigere Bustarife; und die Mütter der Plaza de Mayo, die seit Jahren an die Verschwundenen der Militärdiktatur erinnern und die Aufklärung der Verbrechen fordern, sind zu einem großen Symbol der anhaltenden Forderung nach Gerechtigkeit geworden...
Der Geist der Autonomie, das Feiern der Vielseitigkeit und die Praxis der direkten Demokratie kann quer durch Argentinien beobachtet werden.
Der Slogan „Que Se Vayan Todos“ (Sie müssen alle gehen) drückt die allgemeine Stimmung aus: die ganze politische Klasse soll die Bühne verlassen, jedeR PolitikerIn jeder Partei, das Oberste Gericht, der IWF, die Konzerne, die Banken, alle sollen gehen, damit die Menschen selbst entscheiden können, was im
ökonomisch gebeutelten Land geschieht.
In den letzten zehn Jahren galt Argentinien als neoliberales Musterland bis Anfang Dezember 2001 nach langanhaltender Rezession der IWF weitere Kredite verweigerte und die argentinische Ökonomie endgültig in den Abgrund stürzte. Der
momentane Präsident Duhalde verfügt kaum über eine politische Legitimität, die Arbeitslosenquote liegt bei 25%, 40-50% der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, inzwischen sind die ersten Kinder verhungert.
Mit der wirtschaftlichen Krise und den sozialen Experimenten nimmt auch die staatliche und paramilitärische Repression zu. Nach der Erschießung zweier Piqueteros im Juni wurden in den letzten Wochen wiederholt Versammlungen aufgelöst, Protestaktionen mit Gewalt beendet, AktivistInnen tagelang
festgehalten...

In dieser Situation wird zum globalen Aktionstag aufgerufen: Am 20.12. wird ein Sternmarsch verschiedener Piquetero-Organisationen Buenos Aires erreichen.

Ein Dutzend Länder könnte zum nächsten Argentinien werden, die konkreten Auswirkungen der neoliberalen, kapitalistischen Politik spüren wir alle...


Globale Aktion, Globale Solidarität

Während in Argentinien am 20./21.12. die Menschen massenhaft auf die Straße gehen, finden in vielen Städten auf der ganzen Welt Aktionen statt:
In Hamburg fordert eine große Demonstration den Erhalt der
Wagenburg Bambule, ein Ende der unsozialen, repressiven Politik und die Absetzung des Senats. In Berlin sind Tage des sozialen Protests mit verschiedenen Aktionen zu unterschiedlichen Themen geplant. In Mailand wird ein Tauschmarkt aufgebaut, auf dem auch geklaut werden kann, auch in anderen Städten werden Tauschmärkte und Umsonstläden eingerichtet. In vielen Städten werden Filme über die argentinische Rebellion gezeigt, in Barcelona wird
„argentinischer Tango“ getanzt, auch in Athen und Belgrad, in Finnland, Jordanien und den USA sind Aktionen angekündigt.

Berichte über weltweite Aktionen: www.indymedia.de
Peoples´ Global Action: www.agp.org
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Ergänzungen

¡Imbeciles!

mate.amargo 19.12.2002 - 11:11
Mate ist kein Tee! Möge euch die Bombilla im Halse stecken bleiben und möge man euch mit lauwarmem, gesüßten Yerba a la Argentina quälen!

¡Que se vayan todos!

Bilder und Berichte der Tübinger Aktionen

vervollständiger 03.01.2003 - 15:26

D20-Aktionen in Tübingen
 http://www.de.indymedia.org/2002/12/37408.shtml

D20-Gedenkstein für die Opfer der Marktwirtschaft
 http://www.indymedia.de/2002/12/37402.shtml