20.12. Arg.: Jahrestag des Aufstandes, Soli-Kundgebung in HH

Mensch aus HH 18.12.2002 18:15 Themen: Soziale Kämpfe
Am 19./20. Dezember 2001 kam es in Argentinien zu einem Aufstand der Menschen. Supermärkte wurden geplündert, das Parlamentsgebäude wurde teilweise in Brand gesetzt, 4 Präsidenten wurden aus dem Amt gejagt. Und der Widerstand geht weiter. Lasst die Menschen in Argentinien nicht allein, kommt am Freitag, 20. Dezember 2002, 18 Uhr zur Soli-Kundgebung vor dem Argentinischen Konsulat in Hamburg, Mittelweg 141!
20.12.: Jahrestag des Aufstandes in Argentinien, Soli-Kundgebung in Hamburg

Am 19. Dezember 2001 kam es in Argentinien, das jahrelang als "Musterland" der neoliberalen Wirtschaftspolitik galt und alle Wirtschaftsauflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) bereitwillig umgesetzt hatte, zu tagelangen Aufständen der Bevölkerung. Supermärkte wurden durch Tausende hungernde Menschen geplündert, Banken zerstört, auch die Angehörigen der verarmten Mittelschicht gingen auf die Straße. Es kam zu Massendemonstrationen mit über 50.000 TeilnehmerInnen. 27 Menschen, zumeist Jugendliche, wurden bei den Auseinandersetzungen getötet. Ein Augenzeugenbericht von den Aufständen des 19./20.12.2001 aus Indymedia Argentina ist zu finden unter:  http://www.de.indymedia.org/2001/12/12740.shtml.

Argentiniens Präsident De La Rúa (UCR, Unión Civica Radical, der hiesigen Sozialdemokratie vergleichbar) trat am 20.12. aufgrund der anhaltenden Proteste zurück und flüchtete mit einem Hubschrauber aus dem Regierungsgebäude. Am 29.12. stürmten die Menschen das Parlamentsgebäude in Buenos Aires, setzten es teilweise in Brand und jagten ebenfalls den Nachfolger De La Rúas, den Peronisten Rodríguez Saá, aus dem Amt. Seit dem 19. Dezember 2001 sind 4 Präsidenten aufgrund der Proteste zurückgetreten.

Argentinien hat horrende "Auslandsschulden". Schulden, die größtenteils noch aus der Zeit der Militärdiktatur (1976-1983) stammen. Von 1976, dem Beginn der Militärdiktatur, bis heute ist die Auslandsschuld Argentiniens von weniger als 8 Milliarden Dollar auf 141 Milliarden angestiegen. In derselben Zeitspanne hat Argentinien ca. 200 Milliarden Dollar an Schuldendienst gezahlt, d.h. ca. 25 Mal so viel, wie es 1976 schuldete! Ein Großteil des Staatshaushaltes wurde in den vergangenen Jahren ausschließlich zur Tilgung dieser Schulden und Bezahlung der auf sie erhobenen Zinsen verwandt. Alle "Konsolidierungs"- und Sparauflagen des IWF (Privatisierung der öffentlichen Versorgungsunternehmen, Einsparungen bei den Gehältern der Staatsangestellten, Einsparungen im Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung etc.) wurden auf Kosten der Menschen umgesetzt: das öffentliche Sozialsystem ist fast gänzlich zusammengebrochen, die Staatsangestellten haben zum Teil seit vielen Monaten überhaupt kein Gehalt oder nur noch eine Art "Lebensmittelgutscheine" erhalten, knapp die Hälfte aller ArgentinierInnen lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Zur endgültigen Zuspitzung der Krise kam es Mitte Dezember 2001: Nachdem Forderungen aus der internationalen Finanzwelt laut geworden waren, den argentinischen Peso, der bis dahin an den Dollar angekoppelt war, abzuwerten und Gerüchten zu Folge eine allgemeine "Krise des Finanzmarktes" kurz bevorstünde, kam es zu einem Ansturm auf die Banken. Die Menschen wollten ihr Geld vor einer möglichen Abwertung abheben. Die Regierung De La Rúa verhängte daraufhin auf Druck der Banken ein "Auszahlungsverbot". Pro Woche durften nur noch 250 Peso/Dollar von den Konten abgehoben werden. Das Auszahlungsverbot galt ebenfalls für Arbeitgeber, so dass die in bar bezahlten SchwarzarbeiterInnen ihre Gehälter nicht mehr ausbezahlt bekamen. Für die Angehörigen der "Mittelschicht" stellte das Auszahlungsverbot eine "Quasi-Enteignung" dar. Beides führte schließlich zur völligen Eskalation der Situation und zu einer generellen politischen Krise des Landes, die bis heute andauert. Am 10. Januar kam es erneut zu einer Großdemonstration gegen die neue Regierung des Peronisten Duhalde, der angekündigt hatte, den "Sparkurs" beibehalten und wieder Verhandlungen mit dem IWF aufnehmen zu wollen. Die Massendemonstration im Zentrum von Buenos Aires, an der wiederum Tausende Menschen teilgenommen hatten, wurde - ebenso wie die Großdemonstrationen Mitte Dezember - brutal von der Polizei niedergeschlagen.

Die Proteste der Menschen in Argentinien sind jedoch nicht nur durch ihre existenzielle Verzweiflung und ihre nicht mehr einzudämmende Wut gekennzeichnet, sondern auch durch ihre generelle Ablehnung aller PolitikerInnen und politischen Parteien. Der meistverwendete Ruf der DemonstrantInnen aller Demonstrationen war: "Sie alle (gemeint sind die PolitikerInnen) sollen gehen, kein einziger von ihnen soll bleiben". Im ganzen Land werden basisdemokratische Versammlungen der Menschen abgehalten, Fabriken besetzt (siehe z.B. die Besetzung der Textilfabrik "Brukman":  http://www.de.indymedia.org/2002/04/20291.shtml und aktuell:  http://www.de.indymedia.org/2002/11/35301.shtml) und Landstraßen gesperrt. Die Menschen in Argentinien sagen "Basta!", und zwar zu jeder Art der Politik, die sie ausbeutet und bevormundet.

Und auch nach einem Jahr sind weder die Proteste abgeebbt (siehe z.B. die Berichte unter  http://www.de.indymedia.org/2002/06/25114.shtml aus der Zeit Mitte des Jahres 2002), noch haben sich die Verhältnisse verbessert. Argentinien ist so gut wie zahlungsunfähig. Während des gesamten Jahres 2002 wurden "Verhandlungen" mit dem IWF geführt, die im Wesentlichen zu weiteren Verschärfungen der täglichen Lebensumstände der Menschen geführt haben. Viele Menschen hungern (siehe beispielsweise einen Artikel aus der argentinischen Zeitung "Pagina12", der Mitte des Jahres erschien und in welchem beschrieben wird, dass Menschen Frösche und Mäuse jagen und essen:  http://www.de.indymedia.org/2002/06/24066.shtml). In den ärmeren Provinzen Argentiniens sind bereits Menschen an Hunger gestorben - in einem Land, dessen Getreideanbau und Fleischproduktion um ein Vielfaches größer ist als zur Ernährung aller Menschen in Argentinien notwendig wäre. Sollten die Verhältnisse sich nicht ändern, werden noch viele weitere Menschen sterben.

Einem Solidaritätsaufruf von Attac-Argentinien folgend (siehe unten die Übersetzung des Aufrufes) rufen daher einige HHer-Attac-Mitglieder sowie die AMS-Assoziation Marxistischer StudentInnen Hamburg ( http://www.ams-hamburg.de) zu einer Kundgebung vor dem

Argentinischen Konsulat in Hamburg
Mittelweg 141 am
Freitag, 20.12.2002, 18 Uhr

auf. Lasst die Menschen in Argentinien nicht allein! Kommt am Freitag zum Konsulat! Bringt Kochtöpfe mit und alles, womit man Lärm machen kann!

Ebenfalls sollen bei der Kundgebung die aktuellen Ereignisse in Venezuela berücksichtigt werden ( http://www.de.indymedia.org/2002/12/36616.shtml und  http://www.de.indymedia.org/2002/12/37061.shtml).

Abschließend hier noch der Solidaritätsaufruf von ATTAC-Argentinien:

"Cacerolazos

Die argentinische Krise hat der Welt das Scheitern der neoliberalen Politik aller Regierungen unseres Landes seit dem Beginn der Militärdiktatur im Jahre 1976 aufgezeigt. Am 19.und 20. Dezember vorigen Jahres ist das argentinische Volk auf die Straße gegangen und es hat geschrieen: "Es reicht!". Ein Jahr ist seit dem Tag vergangen, an dem dieses Volk dem Belagerungszustand getrotzt hat und es durch sein massenhaftes Rebellieren geschafft hat, die Regierung zu verjagen. ATTAC-Argentinien und andere Organisationen, Gruppen, Zusammenschlüsse, Einzelpersonen und soziale Bewegungen rufen euch dazu auf, am internationalen Aktionstag am 20.Dezember teilzunehmen, um der Welt zu beweisen, dass wir nicht allein stehen in unserem Kampf, die Zukunft unserer Welt wieder in die
Hand zu nehmen. In mehreren Städten auf der ganzen Welt werden schon Aktionen vorbereitet: Durch das Schlagen auf Kochtöpfe (cacerolazos), durch Strassenblockade (piquettes) oder durch Versammlungen, Filmvorführungen und andere Aktionen, die zum Ziel haben, die argentinische Situation bekannt zu machen. Wir bedanken uns schon im Voraus für alle eure Anstrengungen und wir
sind sicher, mit eurer Solidarität rechnen zu können."

(Übersetzung aus Grain de Sable Nr. 397, 13.12.2002)
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Ergänzungen

Gute Aktion!

Noch einer aus Hamburg 18.12.2002 - 22:42
Das ist eine tolle Aktion, hoffentlich kommen viele Leute. Und hoffentlich bleibt Hamburg nicht alleine...

Weitere Soli-Aktionen in Hamburg!

19.12.2002 - 02:33
Neben der Soli-Kundgebung in Hamburg am 20. Dezember um 18 Uhr (  http://www.indymedia.de/2002/12/37226.shtml ), soll es auch in der Innenstadt um 17 Uhr eine Videokundgebung geben, auf der Filme über die Rebellion in Argentinien gezeigt werden. Es wird dazu aufgerufen eigene Videos mitzubringen. Treffpunkt ist der Gerhard-Hauptmannplatz an der Mönckebergstraße!

Soli-Termine für den 20. Dezember in HH:

17 Uhr: Videokundgebung an Mönckebergstraße (Gerhard-Hauptmannplatz)
18 Uhr: Solikundgebung vor dem Argentinischen Konsulat in Hamburg, Mittelweg 141

Videokundgebung verschoben

Sudaca 19.12.2002 - 16:38
Die Videokundgebung am 20.12.02, 17 Uhr wurde verschoben (siehe  http://de.indymedia.org/2002/12/37298.shtml )
Also auf zum Konsulat um 18:00 Uhr!!! Que (se) vayan todos!