Ein Nationalrevolutionär im Auswärtigen Amt: Hans-Gerhart 'Joscha' Sch
Für die Öffentlichkeit war er nur kurzzeitig ein Thema, als er Anfang 2001 zum Kollateralschaden der Debatte um Joseph Fischers 68er-Vergangenheit wurde. Details seiner politischen Rolle innerhalb des antikapitalistischen Spektrums spielten dabei kaum eine Rolle - man sah nur den ehemaligen "Linksextremisten" und "Steinewerfer" und wollte lediglich wissen, ob seine späte Staatsräson auch glaubhaft sei. Sie war es, personalpolitische Folgen blieben aus. Peter Gauweiler sieht in seinem beflissenen Renegatentum "Stimmungs-Parallelen zur deutschen Generationsidee der zwanziger und dreißiger Jahre" und attestierte seinen europapolitischen Konzepten "gute Chancen bei jedem Aufsatzwettbewerb der Jungen Union." Ex-Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) kommentierte damals: "Jeder Lehrer oder sogar Lokomotivführer mit einer solchen Vergangenheit wäre niemals in den öffentlichen Dienst eingestellt worden."
Der Berliner Verleger Klaus Bittermann polemisierte: "Als über die Macht der Bilder rein medial geschürte Zweifel am geläuterten Außenminister aufkamen, wurde eine Erinnerungswut der 68-Protagonisten entfacht, die trotz der harschen Ermahnung Enzensbergers einfach nicht die Klappe halten konnten. In der Fragestunde des Bundestags stürzten sich dann die CDU-Abgeordneten mit einer den gesellschaftlichen IQ auf Kühlschranktemperatur gesenkten sagenhaften Beschränktheit auf die 68er-Vergangenheit, und damit hatten die doch schon lange Bekehrten genau die Gegner, die sie sich redlich verdient haben." Doch seit der Beilegung der Straßenkämpfer-Affäre nehmen ihn die deutschen Medien kaum mehr wahr. Das Spektakel um seine Person war lange vor dem 11. September durchgestanden. Seine Auftritte für grüne Think-Tanks erregen kein Aufsehen. Sein Name ist den wenigsten Deutschen ein Begriff - Hans-Gerhart "Joscha" Schmierer legt Wert darauf, unauffällig im Schatten des Vizekanzlers zu agieren.
Die 'Liquidierung der antiautoritären Phase': psychische Verkrüppelung im 'KB-wupp-dich'
"1942 in Stuttgart geboren, entstammt Schmierer politisch der Heidelberger Studentenbewegung. 1968 gehörte er dem Bundesvorstand des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes an. Als der SDS Anfang der siebziger Jahre auseinanderfiel, gingen aus der Konkursmasse zahlreiche kommunistische Splitterparteien hervor, die sich in der Ausrichtung meist nur in geringen Nuancen unterschieden, aber einander spinnefeind waren. Als die bedeutendste dieser sogenannten K-Gruppen sollte sich bald der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) etablieren, an dessen Spitze sich Schmierer setzte" erläuterte die FAZ im März 2001 unter dem Titel "Vom Sektierer zum 'Realo'-Außenpolitiker" und fügte hinzu: "Damalige Weggefährten erinnern sich, daß 'Joscha' sich bald bei seinem Vornamen Hans-Gerhart nennen ließ, 'weil's irgendwie proletarischer klang'."
Eine Broschüre der Grünen über die 68er-Bewegung charakterisierte die frühen 70er Jahre so: "Die antiautoritäre Protestbewegung war durch die 'Gewaltfrage' organisationspolitisch zerstört worden. Es setzte eine 'innere Terrorisierung der Bewegung' (Wolfgang Kraushaar) ein. Die von dem Heidelberger SDS-Mitglied Joscha Schmierer geprägte Parole von der 'Liquidierung der antiautoritären Phase' wurde buchstäblich zum Schlagwort innerhalb der studentischen Linken. Hinter ihr verbarg sich nicht mehr als eine Reaktion auf die als unzureichend empfundene Effizienz der Revolte. Ein Umkippen des antiautoritären Denkens in leninistische, maoistische und stalinistische Gruppen (sogenannte K-Gruppen) erfolgte in den Teilen der 68er-Bewegung, die nicht in die SPD oder DKP abwanderten. Die in den 68er-Protestaktionen geborenen Formen der Basis- und Rätedemokratie machten einem 'Leninschen Organisationsmodell' Platz. Unbedingte Zentralisierung und 'proletarische Disziplin' traten auf den Plan."
Ton Veerkamp erklärte anläßlich der Straßenkämpfer-Affäre: "Ich war von 1970 bis 1998 Studentenpfarrer in Berlin und in den siebziger und achtziger Jahren an fast allen größeren Aktionen der Linken beteiligt. In diesem Zusammenhang hatte ich mit dem KBW und Schmierers Statthaltern in Berlin sehr oft zu tun. In Schmierers Postillen, anfangs 'Neues Rotes Forum', später 'Kommunistische Volkszeitung', hatten Schmierers Stalin- und Mao Tse-tung-verherrlichende Beiträge den Rang päpstlicher Enzykliken. Kritik war Sakrileg. Überall, wo der KBW ein Zipfelchen Macht hatte, wurden Gegner - linke und nicht ganz linke - wie Schädlinge behandelt, so in einigen Studentenwohnheimen und Fachbereichsräten. Die von Schmierer angeheizte Gewalttätigkeit richtete sich auch gegen andere linke Gruppierungen. So ging der KBW gegen trotzkistische Studierende mit Eisenstangen vor, als diese es im Sommer 1976 wagten, eine chinakritische Veranstaltung durchzuführen."
Der Tagesspiegel beschrieb die Schmierer-Truppe: "Im KBW jedenfalls roch es streng nach Inquisition, herrschte ein Klima der Unterdrückung, Kontrolle, Zensur. Die ZK-Linienpolizisten machten Abweichler gnadenlos zur Minna. Sie verstießen Genossen, setzten ab, zwangen zu Selbstkritik und Unterwerfung, verlangten Gehorsam. 'Kleinbürgerlichen Elementen' wie Daniel Cohn-Bendit drohte die Umerziehung in der 'Fischmehlfabrik'. Keinem rationalen Argument zugänglich, hatten Joscha & Co nur Mao im Heiligenkalender, beteten ihn nach, nervten. Die Missionare ließen an den Unis keinen ausreden, gehörten zu den Hassfiguren. Fischers Spontis machten das Kreuz, sobald einer vom 'KB-wupp-dich' letzte Wahrheiten verzapfte, beim großen Blabla Selbstgefälliges um den Mund."
Nocheinmal Ton Veerkamp: "Erst recht hatte er [Schmierer] nie die Verantwortung dafür übernommen, dass der jahrelange Verbleib Studierender in seiner Sekte (die nicht viel anders als etwa die Scientology-Kirche funktionierte) zu psychischer Verkrüppelung führte, unter der diese jungen Leute jahrelang zu leiden hatten." Im KBW-Blatt 'KVZ' ging es nach Schmierers eigenen Worten um den Kampf gegen die "ideologische und politische Abweichung, wie sie nur so lange immer wieder unvermeidlich vorkommen wird, wie die bürgerliche Linie in der Redaktionsarbeit nicht liquidiert ist."
'Demütigungen durch Israel': das 'palästinensische Volk' und 'dieses Gebilde'
Ein Beschäftigungsfeld der deutschen Linken in den 70er Jahren war die Solidarität mit dem panarabischen Nationalismus, oder in dessen eigener Sprachregelung formuliert, mit dem Kampf des palästinensischen Volkes. "Der KBW bevorzugte die radikalmarxistische Splitterorganisation FDLP um Najif Habatmeh. Für sie warb und sammelte das von KBW-Mitgliedern gebildete Palästina-Komitee. Im Politischen Bericht des Zentralen Komitees des KBW an die zweite ordentliche Delegiertenkonferenz 1975 in Ludwigshafen - Schmierer muß, wie sich das für den Bericht eines kommunistischen Sekretärs gehörte, mehrere Stunden vorgetragen haben - hieß es lobend: 'Für die innere Festigkeit des zionistischen Staates bedeutete es einen schweren Schlag, daß die Befreiungsbewegungen, allen voran die demokratische Front für die Befreiung Palästinas (FDLP), zu direkten Aktionen in den Sicherheitszonen des zionistischen Staates übergehen konnten.'" (FAZ 07.03.2001)
Ulrich Keitel präzisierte in einem Leserbrief die Position des KBW, dessen Nachlaß heute im Archiv "Apo und soziale Bewegungen" der Freien Universität Berlin verwahrt wird:
"Der Palästina-Arbeitskreis (PAK) unterstützt aktiv, politisch und materiell, das palästinensische Volk in seinem Kampf für ein freies und demokratisches Palästina. Er propagiert den bewaffneten Kampf (Volkskrieg) als einzigen Weg zur Erreichung dieses Ziels. (...)
Der PAK tritt ein für die Zerschlagung des Staates Israel
- als künstliches Gebilde (Siedlergesellschaft), das sich gegen die nationale Existenz des palästinensischen Volkes richtet
- der nach innen rassistisch, nach außen aggressiv und expansionistisch ist
- als Vorposten des Imperialismus im arabischen Raum (...)
Das rassistische Gebilde 'Israel' ist gegen alle Völker und Staaten des Nahen und Mittleren Ostens gerichtet, es ist der Feind aller Völker. Solange dieses Gebilde im Nahen Osten existiert, wird es keinen Frieden in dieser Region der Welt geben."
Wie waren solche Auffassungen in die antikapitalistische Linke gelangt? Nach dem Sechstagekrieg setzen sich in den Gebieten hinter der Waffenstillstandslinie von 1949 die Nationalrevolutionäre durch, weltweit etabliert sich ein neues Wahrnehmungsmuster gegenüber Israel: "Die Fatah-Konzeption, nach der ein palästinensischer Nationalismus Vorrang gegenüber dem panarabischen habe und sich auf die eigenen Kräfte stützen müsse, gewinnt selbst in der PLO die Oberhand. Noch 1964 wird in der Charta der PLO weder das palästinensische Volk als Souverän noch ein ihm zustehender Staat erwähnt. Palästina ist nichts als eine Region der arabischen Nation. Der vierte Nationalrat der PLO 1968 bringt eine Wende und nimmt die Arafat-Thesen an: Palästina wird nun zum Vaterland der Palästinenser, das palästinensische Volk (und nicht das arabische im allgemeinen) zum Träger der Selbstbestimmung und der bewaffnete Kampf zur einzigen Strategie diese zu erreichen erklärt." (AIK 06/02) Die Erfindung des "palästinensischen Volkes" hat seinerzeit auch nationalrevolutionären Tendenzen Zugang zur Linken in Deutschland verschafft. "Die Post-68er-Linke hat sich in den 80ern und 90ern mühsam und langsam von ihrem antizionistischen Irrtum befreit", so Stefan Reinecke in seiner 'kleinen Geschichte des linken Antizionismus'. Doch bis heute ist der Bruch noch nicht vollständig vollzogen und die antikapitalistische Linke außenpolitisch tief gespalten.
Längst hat Schmierer seine Israel-Positionen aktualisiert, schließlich umfaßt sein geographisches Arbeitsgebiet im Außenministerium die Mittelmeeranrainerstaaten. Im Kommune-Editorial (04/97) schrieb er unter dem obligatorischen Uri-Avneri-Zitat im Tonfall des zeitgemäßen Lippenbekenntnisses: "Der Terror von Hamas und anderen richtet sich natürlich nicht gegen diese oder jene Handlung der israelischen Regierung, sondern gegen die Existenz des israelischen Staates und gegen die Friedensabkommen, durch die sie von palästinensischer Seite anerkannt worden ist. Dieser Terror wird durch israelische Regierungshandlungen nicht einmal erklärt, geschweige denn gerechtfertigt. Das Problem ist, daß von den Institutionen der Palästinenser verlangt wird, ihn zu unterbinden, während sie zugleich offen mißachtet werden. Arafat kann, selbst wenn er es will, nicht erfolgreich gegen antiisraelischen Terror vorgehen, wenn unter den Palästinensern der Eindruck wächst, der Friedensprozeß ermutige nur neue Demütigungen durch Israel."
Die PLO-Vertreter freilich sprachen schon damals Klartext: "Wir bemühen uns nur zu taktischen Zwecken, unsere palästinensische Identität hervorzuheben. Denn es ist in unserem nationalen Interesse, eine besondere palästinensische Identität zu fördern, um sie dem Zionismus entgegenzusetzen. Der Aufbau eines palästinensischen Staates ist ein neues Werkzeug im andauernden Kampf gegen Israel. Sobald wir überall in Palästina alle unsere Rechte erhalten haben, werden wir die Wiedervereinigung von Jordanien und Palästina keinen Augenblick mehr aufschieben", so Zuhir Muhsein, Leiter des 'Operation Department' der Ethnoguerilla 1977 gegenüber einer niederländischen Zeitung.
Maoistischer Antiimperialismus: Pol Pots blühender Garten und sein Beitrag zum Weltfrieden
Während Schmierer in Deutschland idealistische Energien ausbeutete, dehnte sich das maßlose Vorgehen gegen den Kommunismus in Asien von Vietnam auf das angrenzende Kampuchea aus. Militärdiktator Lon Nol gestattete den USA Angriffe gegen Vietkong auf kampucheanischem Territorium. Infolge der Verwüstungen wurde er 1975 durch die völkischen Maoisten um Saloth Sar gestürzt, der unter dem Namen Pol Pot traurige Berühmtheit erlangen sollte. Anfangs mit Vietnam gegen die USA, standen die Khmer Rouge bald mit China gegen Vietnam. Als letzteres nach andauernden Konflikten Ende 1979 militärisch zurückschlug, wurde Pol Pot zwar aus der Regierung entfernt, seine Armee konnte jedoch einen Teil des Gebiets halten und wurde nun auch von den USA unterstützt, für die er ein Druckmittel gegen Vietnam war, mit dem wiederum die Sowjetunion getroffen werden sollte.
Und von Hans-Gerhart Schmierer. Der Sekretär des KBW sandte 1980 ein Grußtelegramm "an den Genossen Pol Pot, Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei Kampucheas". Er bekundete darin "anläßlich des 5. Jahrestages des Sieges des kampucheanischen Volkes in seinem Kampf gegen den US-Imperialismus unsere feste Solidarität mit dem Kampf gegen die sowjetisch-vietnamesische Aggression. (...) Der Kampf des kampucheanischen Volkes ist ein wichtiger Beitrag zum Weltfrieden. Seine Siege im Kampf gegen den US-Imperialismus und beim Aufbau des Landes hat das kampucheanische Volk unter der Führung der Kommunistischen Partei Kampucheas errungen. Sie sind das Ergebnis der korrekten Linie der KPK und der korrekten Politik der Einheitsfront im Inneren wie in den internationalen Beziehungen."
1997 erläuterte Schmierer im Interview mit Jürgen Elsässer: "Das sehe ich auch heute noch nicht so. Es war doch ein Hegemonialkonflikt: Vietnam ist nicht einmarschiert, um das Morden zu beenden, sondern um seine Stellung als regionale Großmacht zu festigen und auszubauen." Der Tagesspiegel schrieb: "Eine 'Flugschrift' vom Januar 1979, Preis 0,20 DM, Auflage 40 000, zeigt Schmierer beim Besuch von '10 der 19 Provinzen des Demokratischen Kampuchea'. Die von ihm geleitete Delegation traf laut KVZ am '9. 12. mit dem Genossen Pol Pot' zusammen. Irgendwo schlummert ein Foto der Begegnung mit dem luziferischen Massenmörder, ihres 'Bruders Nummer eins'. Der Autor Jochen Staadt zitierte in der 'FAZ' ein Solidaritätstelegramm Schmierers, dem Diktator am 5. April 1980 in den Dschungel hinterhergejagt. Da war schon bekannt, dass der 'Werte Genosse Pol Pot' bis zu zwei Millionen Landsleute hatte umbringen lassen. Im KBW-Blatt stand zuvor: 'Das Volk von Kampuchea verwandelt sein Land in einen blühenden Garten.'"
Nocheinmal Schmierer selbst: "1979, kurz vor der vietnamesischen Invasion, hatten die Roten Khmer und ihre Führung einen eher heiteren und zuversichtlichen Eindruck gemacht. Darin haben sich die wenigen damaligen Besucher, darunter auch ich, wohl nicht getäuscht. Die roten Khmer scheinen gedacht zu haben, sie hätten alles Menschenmögliche getan, um das Land und ihre Utopie zu schützen." (Kommune 08/97) Vier Jahre später kommt mit der "geistig-moralischen Wende" auch das Ende für den KBW und das offene Hausieren mit nationalrevolutionären Phrasen. Das KBW-Vermögen geht in die Zeitschrift 'Kommune' über, sie löst unter der Herausgeberschaft Schmierers den Pflasterstrand als Zentralorgan der grünen 'Realos' ab. Erst mit seinem Wechsel ins Außenministerium gibt er sie teilweise aus der Hand.
Deutsche Kontinuitäten: Geschichtsrevisionismus, Menschenrechtsimperialismus, Nationalpazifismus
Kommune-Autor Günter Franzen (09/01) bezweifelt die Glaubwürdigkeit von Schmierers politischer Bekehrung: "Mir würde es heute leichter fallen, dem nur einen Steinwurf von meinem Schreibtisch entfernt über seinen Zettelkasten gebeugten Gefährten mit Mäßigung und Freundlichkeit zu begegnen, wenn seine gnadenlose Entlarvung unserer Irrtümer 'von Anfang an' nur einen Hauch von innerer Beteiligung erahnen ließe. Das Unerträgliche seiner Selbstanzeige besteht nicht darin, dass der KBW dem rassistischen Despoten Robert Mugabe im mittlerweile zuschanden regierten ehemaligen Rhodesien mit 100.000 Pfund Sterling und ein paar Kettenfahrzeugen unter die Arme gegriffen hat, und auch nicht einmal darin, dass die Reisekader des KBW sich im Jahr 1977 auf dem Scheitelpunkt der Mordwelle der Roten Khmer im Wohlgefallen des großen Bruders Saloth Sar alias Pol Pot sonnten, sondern darin, dass der Kniefall vor diesen Leitfiguren des Antiimperialismus bis heute nicht als Ausdruck eines zutiefst kindlichen, buchstäblich über Leichen gehenden Anlehnungsbedürfnisses zur Sprache kommen und ins Bewusstsein rücken darf.
Erinnern, wiederholen, durcharbeiten? Stattdessen waltet in dieser Generalbeichte zur Wiedererlangung der bürgerlichen Ehrenrechte ein vollkommen gepanzerter negativer Narzissmus, der sich an der aberwitzigen Idee mästet, man habe als stecknadelkopfgroße Speerspitze der westdeutschen Arbeiterklasse durch den Schulterschluss mit dem absolut Bösen sub specie aeternitatis [unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit] dann doch noch in grandiosem Stil Geschichte gemacht und geschrieben." Ist das wirklich erstaunlich? Ist, was hier als privater Starrsinn erscheint nicht vielmehr politisches Prinzip und Schmierer ein 68er der diese Trennung nicht gemacht hat?
Karl Heinz Roth bescheinigte der rot-grünen-Regierung und ihren "Exponenten im zweiten Glied wie Joscha Schmierer" bereits 1999 unter dem Eindruck des Jugoslawienkrieges ein "ein ausgesprochen funktionales Verhältnis zum Geschichtsrevisionismus als Legitimationslieferanten ihres militaristischen Kurses. (...) Die Anwendung militärischer Gewalt wird ausnahmslos mit dem Bestreben gerechtfertigt, die Menschenrechte extrem gefährdeter nationaler Minderheiten zu schützen, und dabei steht außer Frage, daß der solcherart aus der Taufe gehobene Menschenrechtsimperialismus einen entscheidenden Bezugspunkt darstellt, der den gewendeten Linken eine neue Identität beschert Der Haken ist dabei, daß nur bestimmte, den eigenen imperialistischen Interessen zugeordnete, Minderheiten unterstützt und aufgewertet werden, während die anderweitigen Opfer von Vertreibung und Terror wie beispielsweise die Kurden oder die Bevölkerung Ost-Timors ihrem Schicksal überlassen bleiben.
Der völkische Nationalismus fungiert somit für die an die Schalthebel der Macht gelangten Renegaten der Linken und die neosozialdemokratischen Deregulierungsmoderatoren als erstrangiges außenpolitisches Interventionsinstrument. Ihn auch für das eigene Land zu reklamieren, blieb einer anderen Renegatengruppe von Ex-68ern vorbehalten, die noch nicht saturiert ist und sich immer offenkundiger an das traditionell-faschistische Spektrum annähert (Horst Mahler, Bernd Rabehl u. a.). (...) Die gleichen Funktionseliten, die unter rosa-grüner Regie die deutsche Vergangenheit endgültig entsorgen, bemühen eine Vielzahl historischer Legitimationsmuster, die ihrer linken Vergangenheit entstammen. Fischer schreit 'No pasaran', um dem Krieg gegen Serbien antifaschistische Weihen angedeihen zu lassen. Er und andere Regierungsmitglieder setzen die Sozialistische Partei Serbiens mit der SS sowie Milosevic mit Hitler gleich, und selbst die Parole 'Nie wieder Auschwitz' ist getestet worden.
Vor allem bei den historisierenden Vordenkern der rosa- grünen Regierung ist dieses besonders maßlose Legitimationsmuster außerordentlich beliebt. Die gleichen Leute, die in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten die historisch-kritische Aufarbeitung der bevölkerungspolitischen, ökonomischen und sicherheitspolitischen Hintergründe von Holocaust und NS-Völkermord bekämpften und zu einer unerklärbaren black box stilisierten, tragen jetzt Auschwitz als heiligen Schrein vor sich her, um ihren Aggressionskrieg damit zu rechtfertigen. (...) In ihrer Rhetorik, ihrer Körpersprache und ihrer extrem personalistischen wie moralisierenden Umdeutung ihres Kriegskurses haben die Konvertiten die gleichen Techniken angewandt, mit deren Hilfe sie sich in den siebziger Jahren als Agitatoren des Frankfurter 'Revolutionären Kampfs', des 'Kommunistischen Bunds', der 'Vierten Internationale' und des 'Kommunistischen Bunds Westdeutschlands' profiliert hatten." Soweit Roth. Bleibt die Frage, ob eine Wende von Enver Hodschas Partei der Arbeit, der Schmierers KBW Glückwünsche sandte, zur nationalrevolutionären Ushtria Clirimtare E Kosove (UCK) wirklich eine ist.
Neue Worte, alte Gedanken: Integration, weltpolitische Militanz, globale Demonstration
Die taz nennt den zur Demokratie gewendeten Schmierer einen "exzellenten Kenner der europäischen Politik, der durch zahlreiche Beiträge die Debatte um die Integration gefördert hat, unter anderem in seinem Buch 'Mein Name sei Europa'." Die Rede von der Integration zieht sich wie ein roter Faden durch seine Essays. Was ist darunter zu verstehen? "Die Absicht, die Nationalstaaten durch die europäische Integration zu überwinden, hat sich als verfehlt herausgestellt. Vielmehr hat sich gezeigt, dass die Nationalstaaten als Mitglieder der EU sich selbst transformieren und dadurch ein Grundelement der Union bleiben." (Kommune 12/01) Doch Integration nach Schmierer ist anders als in klassischen zivilgesellschaftlichen Diskursen keine innereuropäische oder gar gesellschaftspolitische Angelegenheit. "Erweiterung und Nachbarschaftspolitik müssen zu zwei Formen einer künftigen Integrationspolitik werden. Integrationspolitik und Beitrittsangebot können in Zukunft nicht mehr in eins gesetzt werden." (Planungsstab, 08.07.2002)
Bei Schmierer transportiert die Rede von der Integration eine globale Intention: "Integration auf allen Ebenen und allen Winkeln der Welt ist gefordert. Von der Entspannungspolitik zwischen den Blöcken zu einer globalen Integrationspolitik über zu gehen, bezeichnet den notwendigen Perspektivenwechsel einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nach 1989." (Planungsstab, 20.03.2001) Denn wo keine Integration durchgesetzt werde, könne es dazu kommen, daß "die stärkste Macht allein ihre Verbündeten wählt. Sie wird diese immer lieber nach eigenem Gusto aufstellen wollen." Ist das auf die USA gemünzt? "Eine politische Spaltung zwischen den USA und der EU würde das Ende der Bemühungen, die Globalisierung integrativ zu steuern, besiegeln." (Kommune 12/01)
"Integration erhöht die politische Regulationsfähigkeit der Weltwirtschaft, relativiert Gleichgewichtsprobleme unter den Staaten und bedeutet einen wesentlichen Schritt über die Anarchie der Staatenwelt hinaus. Sie ist der politische Schlüsselbegriff für die Epoche der Globalisierung. Die Europäische Union stellt einen besonders dichten Integrationsraum dar. Ihre Integrationspolitik ist nicht nur nach innen gerichtet." (FAZ 20.08.2002) Wohin dann? "Weltpolitische Militanz ist nicht populär. So droht die Bundesrepublik ständig in die Drittklassigkeit abzugleiten oder sich erstklassig aufzuplustern, um wenigstens zweitklassig dabei zu sein. Daraus ergibt sich die Attraktion eines Perspektivenwechsels. (...) Statt an einer Einschränkung der globalen Handlungsfähigkeit der EU auf Handelsfragen muss die Bundesrepublik daran interessiert sein, dass die EU ihr Gewicht auch weltpolitisch zur Geltung bringen kann. Das schließt militärische Handlungsfähigkeit innerhalb des potenziellen Beitrittsraumes ein, verlangt aber auch die Fähigkeit zur globalen Demonstration." (Kommune 12/01)
Der Londoner Times gilt Schmierer als einer der wichtigsten Ghostwriter von Joseph Fischers "Gravitationszentrum"-Rede, mit der der Außenminister vor 2 Jahren das politische Konzept einer deutschen Hegemonie per Umwandlung der Europäischen Union "vom Staatenverbund zur Föderation" präsentiert hatte. Er ist seit Anfang 1999 Mitarbeiter des Planungsstabs, des 11-köpfigen Führungsgremiums, das unter Leitung Fischers die Leitlinien der deutschen Außenpolitik ausarbeitet, seine Arbeitsgebiete dort lauten "Grundsatzfragen der Europapolitik" und "Mittelmeer", zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die "Erstellung von Studien, Aufzeichnungen, Redeentwürfen für den Minister." "Das Außenministerium beschreibt die Arbeit des Vertrauten Joschka Fischers in unnachahmlichem Bürokratendeutsch so: 'Beratung des Leiters Planungsstab und über diesen des Bundesministers des Auswärtigen in grundlegenden politischen Fragen und den daraus entstehenden Konsequenzen.' Die Position entspricht einem Ministerialrat oder Oberstudiendirektor, Angestellter nach BAT 1 (vergleichbar A 16), Gehalt rund 10 000 Mark brutto", erläuterte der Tagesspiegel die "bizarre Karriere" von "Fischers Django". Nochmal die taz: "Der Planungsstab ist der Think-Tank des Auswärtigen Amtes, ihm steht [01/99] Georg Dick vor, ein Vertrauter Fischers aus Frankfurter Tagen. Auch Schmierer kommt aus Frankfurt, war aber im Gegensatz zu Dick und Fischer nie politisch bei den Grünen aktiv."
Jenseits der Straßenkämpfer-Affäre: Ämterpatronage im diplomatischen Dienst
In seinem beruflichen Umfeld ist er nicht unumstritten. Die Welt vom 23.05.2001: "Ein Dorn im Auge ist der Opposition, aber auch einem Teil der seriösen, altgedienten Botschafterriege vor allem Hans Gerhart Schmierer, genannt 'Joscha', der immerhin im Planungsstab des Auswärtigen Amtes gelandet ist. (...) Im Amte wurde seine Ernennung - nach außen hin - scheinbar gelassen hingenommen. Es waren vor allem einige angesehene Botschafter der älteren Jahrgänge, die dagegen protestierten, so etwa Erwin Wickert, ehemals Botschafter in Peking und einer der angesehensten Asienkenner der Bundesrepublik. Über 'Joscha' sitzt als Leiter des Planungsstabes Achim Schmillen, Parteimitglied der Grünen und gerade mal Mitte 30. Dessen Ernennung und Beförderung wiederum mogelte Fischer an einer Reihe hoher Beamter seines Ministeriums vorbei." Schmillen, vom Büroleiter Joseph Fischers (BAT IIa, ca. 3400 Euro) zum Leiter des Planungsstabs (B9, ca. 8000 Euro) aufgestiegen, ist ehemaliger Fraktionsreferent des Nationalpazifisten Alfred Mechtersheimer, dessen politischer Werdegang von den Grünen zum Rechtsradikalismus führte und der 2001 gemeinsam mit dem Auslandsbaathisten Jamal Karsli an einem sogenannten "Solidaritätsflug" nach Baghdad teilgenommen hatte.
Weiter heißt es: "Wie kritisch mittlerweile diese Personalpolitik auch im Amte selbst gesehen wird, enthüllt die Tatsache, dass ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung einen ausführlichen Beitrag darüber veröffentlichte. Dieser wurde unter dem Titel 'Ämterpatronage im diplomatischen Dienst?' übrigens nicht in irgendeiner obskuren Publikation veröffentlicht, sondern in der angesehenen 'Neuen Juristischen Wochenschrift' (NJW). Die Schlüsse, zu denen Legationsrat Gernot Biehler kommt, sind wenig schmeichelhaft: Das Auswärtige Amt habe Planstellenbesetzungen zugelassen mit Leuten ohne 'Laufbahnbefähigung und Berufserfahrung im Auswärtigen Dienst'".
Bereits am 07.04.2000 hatte das Blatt von "Kumpanei statt Kompetenz" gesprochen und die Kritik des Auswärtigen Amts präzisiert: "Dabei kritisieren Diplomaten nicht den linken Hintergrund, sondern sowohl bei Schmillen und Schmierer den Eifer des Renegatentums. Aus den Gegnern der Westintegration von einst würden plötzlich deren Erfinder. In dieser Perspektive bezeichnete beispielsweise Schmierer sowohl Kanzler Gerhard Schröder als auch den bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber als gleichermaßen europafeindlich. Wer soweit außerhalb des politischen Mainstream gestanden habe, überkompensiere, meint ein Spitzendiplomat auf Außenposten. Die Folge: Positionsformulierungen der deutschen Außenpolitik fielen häufig sehr schwankend aus. Und auf der Arbeitsebene würden die von Fischer berufenen deutschen Experten im Ausland nicht immer ernst genommen. So hat der früher als "Gehirn" des Amtes bezeichnete Planungsstab an gestalterischem Gewicht verloren. Vor allem beim wichtigsten internationalen Partner, den USA, verliert die deutsche Politik zunehmend an Kontakten und Einfluss."
Unter dem Stichwort "Aktion Herbstsonne" hatte die Welt schließlich am 17.02.2002 über personalpolitische Pläne aus dem Auswärtigen Amt berichtet. Zum damaligen Zeitpunkt war mit einem Wahlsieg der Unionsparteien gerechnet worden, die in diesem Fall, wie auch Fischer nach seinem Amtsantritt, die politischen Beamten im Planungsstab durch eigene Anhänger ersetzt hätten. "Sieben, möglicherweise auch acht seiner engen Mitarbeiter haben sich neue Stellen innerhalb des Amtes gesichert und werden die Umgebung ihres Ministers noch vor der Bundestagswahl und einer möglichen Niederlage von Fischers Partei verlassen. (...) Der Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler, Dieter Lau, kritisiert diese Welle von 'Ämterpatronage'. (...) Die Beförderungen im Hause Fischer wären unmöglich, hätten sich die Grünen im Juni 1998 im Bundestag mit einem Antrag durchgesetzt, demzufolge sechs Monate vor Bundestagswahlen keine Beförderungen und Stellenneubesetzung bei der gehobenen Ministerialverwaltung mehr erlaubt sein sollen."
Partner aus der Geschichte: panarabische Wiedergeburt durch den Baathismus
Es ist nicht dazu gekommen. Mit der nationalpazifistischen Irakpolitik und der Zuspitzung des Geschichtsrevisionismus gegen die USA ist nicht nur die Bundestagswahl gewonnen worden, auch Fischer und seinen grünen wie nicht so grünen Beratern wurde so die politische und persönliche Zukunft gesichert. Teilweise Politiker ohne Beruf, stand für sie die Weiterbeschäftigung im Auswärtigen Amt auf dem Spiel. Schmierer beantwortete 1997 gegenüber der Wochenzeitung jungle World die Frage, warum ihn seine Kampucheasolidarität den Terror Pol Pots ignorieren ließ, mit den Worten: "Weil man's nicht sehen konnte. Das Land machte keinen militarisierten Eindruck, man sah wenig Soldaten, und die wenigen machten einen zivilen Eindruck." Wie weit der Nationalrenegat diese Haltung auf den völkischen Baathismus Saddam Husseins übertragen hat, läßt sich nur vermuten. Offiziell hat sich der Planungsstab nicht am Wahlkampf beteiligt. Aber sicherlich hat Hans-Gerhart Schmierer die Stellungnahme des irakischen Außenministeriums vom 07.09.2002 zur Kenntnis genommen:
"Die bösen Absichten der USA haben grundsätzlich mit dem amerikanischen Plan zum Aufbau des Zionistischen Projekts zu tun (...) Europa hat begonnen zu verstehen, daß die amerikanischen Absichten auf die Neutralisierung Europas und die Kontrolle seiner wirtschaftlichen, blühenden und sicherheitspolitischen Resourcen zielen. Deshalb gibt es eine wachsende Stimmung in Europa, daß ein mächtiger und handlungsfähiger Irak mit unabhängigem und starkem Willen eine sehr notwendige Sicherheit für Europas Blüte, Sicherheit und Unabhängigkeit darstellt. (...) Der Minister wies darauf hin, daß Europa der Nachbar der Arabischen Heimat ist und von deren Situation betroffen ist, ebenso wie auch umgekehrt. Daher sind wir am Aufbau guter Beziehungen interessiert und hoffen, daß die europäische Haltung zu arabischen Angelegenheiten eine unabhängige ist, speziell bezogen auf die Palästina- und die Irakfrage. Unsere Politik und unsere starke strategische Position kommen im Aufbau dieser strategischen Beziehungen zum Ausdruck, die auf gegenseitigem Verständnis und gemeinsamen interessen basieren, weil die Sicherheit der Region Europa betrifft und wir die Nachbarn Europas sind. Überall in der Geschichte war Europa unser Partner, und wir freuen uns auf Beziehungen auf der Grundlage gegenseitigen Verständnisses und gemeinsamer Interessen."
Zum Ausklang der Straßenkämpfer-Affäre beantwortete die rot-grüne Bundesregierung eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion: "Nach der Eroberung Phnom Penhs durch die Roten Khmer unter der Führung von Pol Pot am 17. April 1975 und der Errichtung des sog. Demokratischen Kampuchea kamen als Folge der radikalen Ideologie der Roten Khmer durch Deportation, Zwangsarbeit, Folter und Mord lt. Schätzungen zwischen 1 und 2 Millionen Menschen - etwa ein Zehntel der damaligen kambodschanischen Gesamtbevölkerung - ums Leben. Hierfür trägt Pol Pot die Verantwortung. (...) Bei der Einstellung von Herrn Schmierer in das Auswärtige Amt ist eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt worden. Dabei wurden die für eine Sicherheitsüberprüfung relevanten Informationen einbezogen. Darüber hinaus ist es nicht Sache der Bundesregierung, Äußerungen oder Meinungen von Bediensteten, die vor der Einstellung in den Bundesdienst liegen, zu recherchieren oder zu kommentieren." Der Tagesspiegel schrieb zur Kampucheasolidarität Schmierers: "Es fällt auf, wie gern die KBW-Theoretiker Gewaltfantasien auf entfernte Monster projizieren."
Das damals erste Wort in dieser Sache: "Bundesaußenminister Joschka Fischer setzt zum Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in seinem Haus einen europapolitischen Akzent ganz eigener Art." (taz 21.01.1999) Und das letzte: "Die Bundesregierung nimmt zu Einstellungsentscheidungen von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine Stellung." (Bundestagsdrucksache 05.03.2001) So muß offenbleiben, worüber man sich mehr wundern soll: über die auffällige Konzentration ehemaliger maoistischer Intelligenz im Berliner Diplomaten-Aquarium - oder über die geopolitisch kalkulierten Sympathien der Fischer-Behörde für nationalrevolutionäre Diktatoren und Massenmörder.
deutschlandkritische Intiative, Berlin
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
Zu dem Typen
Fischer und 68er
DIE 68er gibts nicht, das war keine homogene Bewegung. Einige sind in die Stalino- und Mao-Szene gegangen und haben wirklich üble Dinge gemacht, andere wollten in die Institutionen gehen, wo sie sich meist angepasst haben (obwohl einige von denen ihre heutige Stellung durchaus für Emanzipatorisches nutzen), wieder andere haben sich kleine utopische Welten aufgebaut, von denen einige den Bach hinuntergingen und wieder andere kämpfen noch heute weiter. Wenn ich mir ansehe, was heute so in linken Zusammehängen rumspukt, weiss ich daß zumindest die Libertären der 68 sehr viel weiter waren als die Linke heute.
In was für Sekten war denn Javier Santana?
KBW ist nicht KB
danke, aber
Fleiß Note 1
Ps: Was aus dieser Zeit übriggebliben ist, ist längst Bestandteil des Systems geworden und kann keinen Schaden mehr anrichten. Was heut bei ATTAC, irgenwelchen Demos oder hier rummacht, na wer weiß wo die in 20 Jahren landen? Wird vermutlich genausowenig Spuren hinterlassen wie die KVZ. Wofür steht eigentlich KVZ? Na bitte.
eindimensional
ein 68er
(und nicht vergessen: dada ist die polizei der polizei!)
@ antideutsche Rassisten stoppen
Dass dies sich nut insoweit auf konkrete Menschen bezieht, als diese die zu kritisierende Ideologie vertreten, steht auch außer Zwiefel.
Dass hier aber einige Merker geblickt zu haben glauben, dass es sich um rassistische Angriffe handele, im Sinne eines Angriffs auf die Entität jener Ideolgieverbreiter, finde ich sehr drollig, überführt es doch diese des identitär/rassistischen Denkens, da diese dadurch eine Kausalzusammenhang zwischen dem Träger einer Ideolgie und dessen körperlicher und geistiger Verfasstheit konstruieren, die ich in keiner noch so heftigen Kritik der Antideutschen auch nur ansatzweise erkennen kann.
Schönen Feiertag noch
Georg
Literaturtip
Das interessante hieran ist, dass Koenen ebenfalls zur Führungsriege des KBW gehörte und dies im Buch auch ausgiebig thematisiert. Sein Grundsound ist, dass der KBW zwar eine komplett durchgeknallte Gruppe gewesen ist, aber dies auch für die meisten anderen Linken zutreffen würde. Das Buch ist gewiss ein Standardwerk, da das gesamte Spektrum der K-Gruppen, RAF und Spontis behandelt wird. Die Problematik von Schmierer ist nun, dass er sich selbst später immer etwas herausgerechnet hat, da er zu den Zeiten, als im KBW die "Rechten" ausgeschlossen wurden, im Gefängnis sass und dafür vor allem ein anderes ZK-Mitglied, Martin Fochler, verantwortlich war.
Es ist nun aber auf eine andere Problematik hinzuweisen. So interessant, amüsant und erschütternd vieles im linken Durcheinander der 70er war, so bleibt doch die Frage, ob sich daraus gewissermaßen organisch ein heutiges Verhalten ableiten lässt. Mahler z.B. war Anwalt der APO, dann RAF, dann noch KPD/AO und irgendwann Apologet des Bundesinnenministeriums. Es lassen sich ja auch eine Reihe von Biographien anführen von Leute, die heute noch aktiv sind, die sich angepasst haben (die meisten) und die, die sich über die Grünen eine Arbeit in der Politik gehalten haben. Dass gerade Maoisten so besonders realpolitisch waren (vor allem bei den Grünen), hing, nach einer alten These von Christian Semler (Vorsitzender der KPD/AO) angeblich damit zusamemn, dass die Maoisten in den K-Gruppen (KB mal ausgenommen) so hoffnungslos verrückt waren, dass sie wie aus einer Sekte sich erst herausarbeiten mussten. (Dafür übrigens imemr noch sehr lesenswert: Wir warn die stärkste der Partein, ein kleines Büchlein von 1977, in der gerade ausgestiegene K-Gruppenleute aus ihren Sekten berichteten). Für viele ist also eher anzunehmen, dass sie fast komplett mit den alten Ansichten brachen; schmierer, der sich über die Kommune und altes Parteivermögen einen Job sichern konnte, wurde zum Beispiel zu einem der vehementesten Befürworter der europäischen Einigung. Ich halte es für problematisch, die alten Blätter rauszusuchen und daraus die heutige Position abzuleiten. Gerade der im Text erwähnte Staadt zeichnet sich dadurch aus, allein von einer Kontaktschuld (vor allem zur DDR) alles und jeden zu denunzieren. Die historische Komplexität geht dabei zumeist verloren; auch das Pol-Pot-Abenteuer des KBW gehört dazu. Der verbohrte Antiimperialismus und die Sucht nach der Anerkennung durch irgendeine kommunistische Partei an der Macht (hier vor allem China) hat mit zu dieser Katastrophe geführt.
Und natürlich suchen die Leute heute Anschlüsse an vorherige Zeiten, um sich zu legitimieren. Dazu gehört zum Beispiel der ausgewiesene Antisowjetismus der Maoisten, die, darin Mao folgend, in der Sowjetunion seit 1956 (Entstalinisierung) nur ncoh Reformisten an der Macht sahen. So ist es heute möglich, das Eintreten für die Wiedervereinigung und die Ablehung der SU als Konstante zu behaupten. Das ist widerlich, sicher. Aber platte Denunziationen á la Staadt, Bettina Röhl oder Focus sollte auch diesen Leuten vorbehalten bleiben. Uns bringt das Denunzieren wenig weiter. Die alten Texte müssen sicher gelesen werden, aber nur, um die Fehlschlüsse zu verstehen und zu analysieren. Sie sind übrigens relativ leicht zugänglich in den ARchiven der Szene oder auch Universitätsbibliotheken.
KVZ hieß übrigens - wenig überraschend - "Kommunistische Volkszeitung".
Wir waren die stärksten der Parteien
Der Irrglaube hatte seinen Ursprung a: in der Uniherkunft und dem Glauben an Klassikertexte mit Fußnote und allem drum und dran, einer Buchstabengläubigkeit die den Leuten jeden eigenen Gadanken austrieb, b: in der säkularisierten Religion zu welcher der traditionelle Kommunismus verkommen war. Einschließlich des aus der Theologie geklauten Sprachgebrauchs in dem es von Renegaten, Ketztern, Abweichlern und Sektierern nur so wimmelte. Die Ideologie die von den 68zigern übernommen wurde, kennt ihre Heiligen, Gründungsväter, Märtyrer, Verräter, Dogmen, Lehrgebäude und ihre gelobten Länder.Sie kennt das jüngste Gericht ebenso wie das Paradies. Die unkritische Übernahme dieser Ideologie machte blind für die eigene Erfahrung und schuf blindes Partei(Gott)vertrauen. Die alltägliche Erfahrung, das die Arbeiter die Parteizeitungen nicht lesen wollten führte nicht zur kritischen Hinterfragung der Dogmen, von wegen historisches Subjekt, die Genossen standen weiter verbissen am Werktor. Irgendwann begriffs auch der Dümmste, irgendwas ist hier faul. Dabei blieben nur die Politjunkies die sich hier längst eine Scheinwelt geschaffen hatten und den Ausgang nicht mehr fanden. Für mich ist das an die 25 Jahre her und in den 80zigern zogen viele aus dieser gescheiterten Politik Konsequenzen. Anfangs der 80ziger lösten sich diese Parteien auch auf oder die letzten Überreste spalteten sich und es wurde still um diese versunkene Welt, die letzten Parteiblätter auf Büchertischen verramscht oder in der Tonne entsorgt. Soweit so gut, nur ans Internet hatte da noch keiner gedacht. Heut wo jede 3 Mannsekte ne Homepage reinsetzen kann trifft man die letzten Aufrechten im Netz wieder und darf seinen Spaß haben. Solche Seiten besuch ich echt nur noch zur Erheiterung, auch über mich selbst. Wieso hast diesen Schrott mal ernstgenommen? Na wer dabei war, der ist geheilt für den Rest des Lebens.Tia, ne Revo lässt sich nicht herbeischreiben, auch auf Indymedia nicht zudem haben wir die Revo schon hinter uns auch wenns für etliche nur ne Konterrevolution war. Die letzten Aufrechten werden wie Aust und Dickhut irgendwann wegsterben ohne ihr gelobtes Land zu sehen. Wat solls, Lebbe geht weiter.
@Kommiwatch
Ihr alten KP-Häuplinge habt doch alle Stalin gejubelt KPD, KBW, MLPD & KG!
Nur nicht so scheinheilig vergeßlich, Du altes Trüffelschwein!
einige Anmerkungen zum Text
Nestbeschmutzer*g*
Aber wie ich sehe sind wir hier unter uns, die meisten Indyuser kapieren das schon nicht mehr und selbst wenn man dabei war rafft man nicht warum man gegen jede Vernunft und Zweifel solang die Klappe gehalten hat. Falsche Loyalität wars wohl, man wollt doch nicht den eigenen Leuten in den Rücken fallen wo wir doch gegen so übermächtige Gegner kämpfen. Na irgendwann war schluß damit, Klappe auf und sagen was faul ist, notfalls auch Konsequenzen ziehen. Wenn ich was aus dieser Zeit gelernt hab, dann wenigstens dies. War nicht alles umsonst und damit wird auch verständlich, warum ich hier so verhasst bin.
Fischmehl?
Aber mal 'ne Frage an saul: Du hast geschrieben, daß in einer nichtrevolutionären Situation eine revolutionäre Politik nichts bringt. Das denke ich auch (halte eher sowas wie Evolution realistischer). Was für einen Polkitkansatz würdest Du sinnvoll finden? (Ich frag das mal als ein Newcomer, der noch nicht so lange "dabei" ist)
Ah so
Also bei Indy hab ich die ersten kommentare von Dir immer als ziemliche Pöbeleien empfunden und dachte mir "was ist denn das für einer". Das hat sich mittlerweile geändert und ich finde einige Ansätze ziemlich wichtig. Vor allem das Lernen aus den unsäglichen Betonkopfzeiten, die in Berlin leider nie ganz beendet waren: Nach den K-Gruppen die dogmatischen Autonomen und jetzt, naja, weisste ja...
Revolütionäre Situation
Hab grad was interessantes über Grichenland g
FKK war in der DDR zumindest in den 80ern voll aktzeptiert und mehr besucht als "herkömmliche" Badeanstalten. Wie es in den 70ern war, weiss ich aber nicht, da gabs mich noch nicht.
Oh ja, die alten Zeiten
Nana, jetzt mal halblang: also von einem Ehezwang anno 77 ist mir nichts bekannt. Lebte damals, wie die meisten Genoss(Inn)en auch, lustig im Konkubinat. Zwar der Spruch von der "Familie als proletarische Kampfgemeinschaft" wurde schon mal gebracht, aber auch "Rauchen als Errungenschaft der Arbeiterklasse" wurde dem aufkommenden Nichtraucherterror auf Sitzungen eher ironisch entgegengehalten. Vielleicht gab's bei uns zuviele Rechtsabweichler, mag sein ;-).
Allerdings, die Unglücklichen, die 77/78 zur Landmissionierung ins schwärzeste Bayern (Landshut, Passau, Amberg etc.) verplanzt wurden, kann es vielleicht getroffen haben (Motto: wenn du schon Kommunist bist, verhalte dich wenigstens sonst anständig).
@Thema "Nationalrevolutionäre"
Stimmt nicht im Sinne einer durchgehenden, gradlinigen Entwicklung. Die Parole der KPD/A-Null "Für ein vereinigtes, unabhängiges, sozialistiches Deutschland" wurde vom KBW schärftens als "Sozialchauvinismus" gegeiselt und das Schimpfwort der "Vaterlandsverteidiger" galt vornehmlich jenen, die geneigt waren, die Verteidigung gegen den sowjetischen Sozialimperialismus wenn's sein muss auch im Rahmen der NATO durchzuführen. [Anm: wer mögen wohl die heutigen Vaterlandsverteidiger sein? Die Sowjetunion ist nicht mehr, aber wer bedroht heute die Welt? Richtig: der Islam].
Zitat aus dem Programm des KBW (hab das Ding tatsächlich noch):
"Das westdeutsche Proletariat führt den Kampf für seine soziale Befreiung in einem imperialistischen Land. Der deutsche Imperialismus, der über das deutsche Volk [sic] das Elend zweier Weltkriege und die faschistische Terrorherrschaft gebracht hat, hat sich [...] wieder erholt. Bei aller Ausnutzung imperialistischer Bündnisse greift er selbständig in den Kampf um die Neuaufteilung der Welt ein. Allen sozialchauvinistischen und sozialimperialistischen Versuchen, der westdeutschen Arbeiterklasse irgendwelche gemeinsamen Interessen mit ihrer Bourgeoisie vorzutäuschen und sie dadurch auf deren Seite zu zerren, treten die Kommunisten
jederzeit entgegen. Gelingt es dem Proletariat nicht, einem weiteren imperialistischen Krieg durch die Revolution zuvorzukommen, so wird es seine Aufgabe, den imperialistischen Krieg in den Bürgerkrieg gegen die eigene Bourgeoisie zu verwandeln." [Don't try this at home, kids, dies ist eine historische Dokumentation, verstanden?]
Erst um 1980, also kurz vor der Selbstauflösung des KBW, wurde vom Schmierer-ZK der imperialistische Charakter der BRD relativiert und praktisch negiert. Sicher eine notwendige Voraussetzung für zukünftige Mitglieder des Beraterstabs im Auswärtigen Amt. Ob JoschA damals schon daran gedacht haben wird, einst mit JoschKA zusammenzuarbeiten? Wohl kaum. Es ergab sich halt so.
Vorschlag
Ich fände es schade wenn er hier zwischen Tür und Angel stecken bleiben würde um wieder in ein paar Tagen in sein Grab zurückzusinken.Daher mein Vorschlag doch das ganze auf die Hauptseite zu setzen,dort kann man sich dann richtig und ohne grosse Zeitnot fetzen.
Parteiprogramm
Dazu einige Sätze aus Jochen Schimmang:"...das nicht allein die geringe Anzahl der Genossen,sondern viel grundsätzlicher deren Verhältnis zur Wirklichkeit das war, was uns auf der Stelle treten ließ...und es wurde mir täglich deutlicher,das es so war; nach durchwachten Nächten, zugebracht mit der Arbeit an irgendeiner belanglosen Resolution.." "Theoretisch also mochten wir uns als entschiedene Materialisten äußern; praktisch waren wir gezwungen, uns als Idealisten zu verhalten,damit die Show weiterging." "Für die Umsetzung all dieser Ansprüche in Wirklichkeit gab es nur eine einzige Basis: Den guten Willen der Beteiligten und die Bereitschaft, dafür rund um die Uhr zu arbeiten. Je größer der gute Wille der Beteiligten war, desto größer mußte am Ende die Katastrophe werden."
PS: FKK in der DDR. Dazu mehr beim Spiegel suf der Seite, die Nackten und die Roten.
Nachtrag
Hoch die
Eindimensional?
Diese Diskussion ist erstaunlicherweise wirklich lesenswert, auch wenn die Phase der Linken, die man vereinfacht als "68er" zusammenfasst, natürlich nur ein Aspekt des Artikels ist. Vielleicht ist der Hinweis angebracht, daß es darin primär um deutsche Außenpolitik geht, nicht darum, allgemeine Wertungen über "die 68er" zu geben - das will und kann ich nicht, es sei ihnen selbst überlassen. Selbstredend hat es unter den 68ern nicht nur Nationalrevolutionäre, sondern auch Antifaschisten gegeben und das nicht ganz unkomplizierte Verhältnis zwischen beiden Strömungen hat sehr viel mit der damals unbeantwortet im Raum stehenden deutschen Frage zu tun. Der Text über Hans-Gerhart Schmierer ist jedoch nicht aus der Perspektive eines 68ers geschrieben, sondern aus der eines Post-89ers.
KPD oder NPD?
'Selbsthistorisierung'
Opportunismus, Trotzkismus, Revisionismus, ..
Niemand kann sagen ob ein Mensch, sich vom Revolutionär zum Konterrevolutionär entwickelt, aber man kann untersuchen warum!
Kautzki wurde vom Marxisten zum Opportunisten, er hat ursprünglich Klassenkampf und Hegemonie der Arbeiterklasse vertreten und war gegen den imperialistischen Krieg,
diese Position hat er verlassen - wie die SPD übrigens auch und den Weg des Opportunismus, den Weg des Klassenfeindes und des imperialistischen Weges betreten.
Idealistisch wäre Menschen, Parteien und Staaten so zu betrachten, als wären Fehler, Irrtümer und der Wechsel zum Klassenfeind unmöglich.
Revolutionäre haben die Aufgabe die gesellschaftlichen Entwicklungen mit dem dialektischen Materialismus zu analysieren und die Welt zu verändern!
Wenn der Autor mehr will als zu zeigen das ein ehemals kämpferischer, ja auch mit Fehlern und Irrtümern behafteter Revolutionär die Seite gewechselt hat, dann wäre es angebracht,
Menschen die heute den Weg des Klassenkampfes gehen wollen bei der Orientierung zur Seite zu stehen!
http://www.geocities.com/komakml/
http://www.ptb.be
http://www.basque-red.net/
http://www.trend.partisan.net
Rising up angry!
Auf Muck
Zu Kautzki