Grundlegende SCHULKRITIK: gegen Selektion

Bine 12.01.2002 19:11 Themen: Bildung
Hauptaufgabe der Schule ist es zu sortieren. Argumente gegen Selektion und eine gesellschaftliche Betrachtung.
Es kommt nur darauf an, in der richtigen Schachtel zu sitzen!

Seit jeher hat mensch versucht, seine Artgenossen in Kategorien einzuteilen. Das ist bequem und man braucht nicht weiter über das Wesen des Menschen nachzudenken. Eingeteilt wird und wurde in „schön“ und „hässlich“, „arm und „reich“, „Sklaven“ und „Herrscher“, in Arbeiter und Bourgoisie : also in „minderwertig“ und „hochwertig“.
Im Zuge der französischen Revolution versuchten die Leute darüber aufzuklären, dass die Menschen zwar nicht total gleich, aber dafür die gleichen Rechte haben sollten, um sich einigermaßen entwickeln zu können (daher „Aufklärung“ und der Slogan :„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“).
Denn sie haben erkannt, dass keiner von Geburt an „gut „ oder „schlecht“ ist und wehrten sich deshalb gegen die einseitige Sortierung in Gesellschaftskasten. Durch gleiche Rechte hat jeder die Möglichkeit, nach seinen eigenen Fähigkeiten seine Ziele zu erreichen. Und der Schwächere wurde vor der Macht des Stärkeren geschützt. Da die Fähigkeiten der Menschen sehr unterschiedlich sind und ständig neue hinzukommen, könnte sich die Arbeitsteilung in der Gesellschaft theoretisch selber regeln.
Doch die Herrschaft war schon immer bedacht, nicht die Kontrolle zu verlieren und sahen es als ihre Aufgabe, die Gesellschaft nach ihrem Gutdünken regulieren zu müssen und also auch Menschen sortieren zu müssen. Früher regelte man das durch Geburtenfolge. Heute haben hauptsächlich die staatlichen Bildungseinrichtungen diese Aufgabe übernommen. Es gibt zwar faktisch gleiche Rechte und eine freiheitlich-demokratische Verfassung, doch der Staat ziert sich dennoch, das Zepter aus der Hand zu geben. Selbst die Menschen glauben, nicht ohne “Vater Staat“ auskommen zu können.
Die Schule wurde als staatserhaltende Institution in absolutistischen Zeiten geschaffen, um dem Kaiser wohlerzogenes Kriegs- und Industriefutter in Form von Menschenmaterial heranzuzüchten. Schule erzeugt die Illusion, auf die Dientleistungen von Institutionen angewiesen zu sein und dass Selbstinitiative(wie z. B. selbstbestimmtes Lernen)nicht gefragt, nicht möglich oder sogar gefährlich sei.

Bis heute hat sich an dieser Institution unter anderem deshalb sowenig geändert, weil die Funktion des Vorsortierens in Richtung der "freien" (oder m. E. "totalitären") Marktwirtschaft verschoben hat. Die „guten“ Schüler kommen in die guten Klassen aufs Gymnasium und in besser entlohnte, kreative Jobs. Die „schlechten“ Schüler werden in die Hauptschule aussortiert und dort zu schlechter entlohnter, stupider Arbeit erzogen. Doch auffällig ist, dass dieses System nicht so gut zu funktionieren scheint. Ein unangenehmer „Nebeneffekt“ ist, dass die Sortierung der Menschen auch zu einer Spaltung der Gesellschaft führt. Die Menschen unterschiedlicher Klassen nehmen sich kaum noch wahr, verstehen sich nicht, kennen sich nicht und meiden aneinander. Und sobald Vater Staat pleite ist, wird soziale Ungerechtigkeit erst recht augenscheinlich, die Kluft wird tiefer...

Von den Folgen und Menschenrechtsbedenken mal abgesehen ist es auch unmöglich, Menschen wirklich „korrekt“ zu sortieren, wie es viele vor allem im schulischen Bereich anstreben. Alles hängt vom Lehrer ab. Der Lehrer soll nach der Grundschule, nach der 10. Klassen und nach der 13. Klasse die Leistung eines Schülers einschätzen und damit seine Zukunft bestimmen. Doch die Maßstäbe zur Leistungsmessung sind bekanntlich alles andere als objektiv. Oder wie lassen sich die sehr unterschiedlichen Bewertungen derselben Leistung von Lehrer zu Lehrer, Schule zu Schule, Bundesland zu Bundesland erklären? Studien ergaben, dass nicht einmal Matheaufgaben von Lehrern völlig gleich (also objektiv) bewertet werden (Rudolf Weiß „Die Fragwürdigkeit der Zensurengebung“). Somit fällt die viel gepriesene „Vergleichbarkeit“ als Begründung für Selektion von Anfang an weg.
Vergleichbarkeit soll vor allem der Wirtschaft nützen. Doch die Firmen würden sich nicht so sehr zunehmend auf ihre Einstellungsprüfungen verlassen, wenn sie den Beurteilungen der Schule Bedeutung beimessen würden. Was sollen sie mit Blättern, auf denen eine nichtsagende Zahl draufsteht? Was sagt eine schriftliche Bewertung aus? Selbst wenn die Lehrer noch so perfekt in Gehirnklempnerei ausgebildet werden, können sie nicht Gedankenlesen und kennen die Schüler meist nicht einmal. Das kann man aber m. E. auch nicht erwarten. Das erklärt auch wie es kommt, dass Leute, die in der Schule als Versager abgestempelt wurden, doch in ihrem Bereich sehr erfolgreich oder auch einfach zufrieden werden.
Man sollte also vielmehr Vertrauen in die Intelligenz und Selbstregulation der Gesellschaft haben und sich auf die Grundsätze unserer Verfassung besinnen.
Ohne äußere Bewertung wird jeder selbst herausfinden, wo Stärken, wo Schwächen und Grenzen liegen und sich direkt mit seinen Können in den Arbeitsmarkt stürzen. Eine Selektion ist nicht notwendig, weil jeder sich berufliche Ziele stecken würde, die seinen Fähigkeiten und Interessen entsprechen und sich nicht durch leere Erfolgsversprechen wie Abitur oder durch Erwartungsdruck von Erziehungspersonen ablenken lassen würde. Letztendlich zählt nur, was man wirklich auf dem Kasten hat und vom Leben erwartet und kein olles Blatt mit fragwürdigen Bewertungen.
Auch die Methoden der weltweiten PISA-Studie (=Vergleich von Bildungsstand von SchülerInnen in versch. Ländern) sind sehr fragwürdig (siehe oben) und mit den Schlussfolgerungen muss man sehr kritisch umgehen. Solche Studien tragen m. E. dazu bei, diesmal nicht nur die Gesellschaft innerhalb eines Landes, sondern auch die ganze Weltbevölkerung zu sortieren und zu spalten. Im Namen der „Zivilisation“ und der Verwertbarkeit von Menschenmaterial.
Schule sollte ein Ort zum Lernen werden.
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Ergänzungen