Drei Tote und mindestens 135 Verletzte. Presseerklärung der ONIC

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Dokumentiert: Die Pressemitteilung der ONIC – Organización Nacional Indígena de Colombia (Nationale Indigene Organisation Kolumbiens, Teil der Cumbre Agraria, Campesina, Étnica y Popular) vom 2. Juni 2016 zur Repression während des im Moment in Kolumbien stattfindenden Agrarstreiks1

Übersetzung: Frederic Schnatterer
Mit dem Mord an drei indigenen Comuneros antwortet die Regierung Santos auf den Agrarstreik

Zudem: vier durch Kugeln Schwerverletzte, insgesamt 135 Verletzte

Im Folgenden dokumentieren wir den Brief an den Präsidenten der Republik:
Brief der Cumbre Agraria, Campesina, Étnica y Popular an den Präsidenten der Republik

Während die Wortführer_innen des Agrarstreiks eine Übersicht über die verhehrende Situation von Menschenrechtsverbrechen im Rahmen der Minga Nacional und den fehlenden Schutz der Mobilisierungen präsentierten sowie den Präsidenten zu nationalen Verhandlungen aufriefen, meldeten die indigenen Autoritäten aus dem Norden des Cauca (ACIN) den Mord an zwei Comuneros des Indigenen Selbstschutzes (guardia indígena) durch die öffentliche Gewalt.

Diese zwei weiteren Ermordeten, zusätzlich zum zuvor ermordeten Angehörigen der Guardia Embera Willington Quibarecama, der sein Leben für die Verteidigung der Rechte der Indigenen und aller hingab, sind einmal der 30 jährige Gersaín Cerón, indigener Comunero des Resguardo (indigenes Schutzgebiet) Las Mercedes, einer Gemeinde von Caldono (Cauca), der von einer bereits benutzten, mit unkonventionellen Objekten wie Nägeln etc. gefüllten Granate (recalzada) direkt in die Brust getroffen wurde. Trotz erster Hilfe durch die anwesenden Sanitäter_innen verstarb er noch vor Ort.

Der zweite Ermordete ist der Comunero Marco Aurelio Díaz des Resguardo La Aguada, der verstarb, nachdem er von zwei Kugeln getroffen wurde während er ins Krankenhaus von Santander de Quilichao gebracht wurde.

Die Vorkommnisse ereigneten sich um 10:19 Uhr morgens auf der Panamericana zwischen Santander de Quilichao und Popayán, genauer: in dem Bereich von Monterilla zwischen La Agustina und el Pital, im Norden der Region Cauca.
Dies ist einer der vier Orte der Mobilisierung und des Widerstands der Minga Nacional im Norden des Cauca mit mehr als 5.000 mobilisierten Comuneros, welche Teil der insgesamt 38 Punkte sind, von denen aus die in der ONIC organisierten Indigenen ihre Botschaft in das ganze kolumbianische Territorium hinaus verkünden.

Am vierten Tag der Mobilisierungen kommt es seit 9 Uhr morgens zu heftigen Attacken durch das Esmad, die öffentlichen Kräfte und Angehörige der Armee, wiederum mit recalzadas und nicht konventionellen Waffen auf die Comuneros der ACIN.

In diesem ersten Bericht werden außerdem vier weitere Schwerverletzte gemeldet, so der 38 Jahre alte Evilio Hurtado aus dem Resguardo Pioyá, Ovidio Ecue Dagua aus dem Resguardo Huells Caloto, Oscar Guitio aus dem Resguardo Muchique los Tiques und Rafael Pazú aus dem Resguardo Jamboló. Gleichzeitig können wir weitere Verletzte durch den von der Nationalregierung zur Zerstreuung der Minga Nacional angeordneten militärischen Angriff nicht ausschließen.

Wir Indigene melden bisher 135 Verletzte, zwei Indigene in den Händen der Justiz, unter ihnen eine Frau, fünf auf illegale Weise Festgenommene sowie einen Verschwundenen.

Wir, die Gruppen und indigenen Organisationen innerhalb der ONIC, sind der Überzeugung, dass eine Regierung, die sich derzeit in einem Friedensprozess befindet, die an der Minga Nacional teilnehmenden Indigenen – die zudem ein kollektives Subjekt des besonderen Schutzes und Akteure des Friedens sind – nicht mit Mitteln des Krieges behandeln kann.

Eine weitere in der Pressekonferenz hervorgehobene Beschwerde bezieht sich auf den permanten Einsatz von Drohnen, welche die Orte, an denen sich unsere Schwestern und Brüder befinden, überfliegen und Flugblätter abwerfen, in denen unsere indigenen Brüder und Schwestern dazu aufgefordert werden, sich zu demobilisieren. Hierdurch wird die Minga Indígena offensichtlich stigmatisiert und viktimisiert sowie wir in eine gefährliche und bedrohliche Situation gebracht.

Gleichzeitig klagen wir die Lügen der Nationalregierung an, deren Minister Irragorri behauptete, die Minga sei von der ELN infiltriert. Die Nationalregierung und die internationale Gemeinschaft müssen wissen, dass wir Indigenen unsere Entscheidungen autonom und eigenständig treffen, weshalb wir in der Lage sind, mehr als einen Monat auf den Straßen auszuharren und zu widerstehen, ohne dass es uns irgenwer befiehlt.

Deswegen halten wir folgende Forderungen fest:

1. Garantien und Schutz für die Mobilisierung! Sofortiger Stopp der Angriffe und der unverhältnismäßigen Repression gegen die indigenen Gemeinden der Minga!

2. Instalation eines nationalen Verhandlungstisches mit dem Präsidenten der Republik und all seinen Ministern mit dem Ziel, alle mit den unterschiedlichen sozialen Sektoren und speziell den Indigenen getroffenen Vereinbarungen einzuhalten!

3. Sofortiges Ende der Stigmatisierungskampagne der nationalen Regierung, angeführt vom Minister für Landwirtscahft und ländliche Entwicklung, der behauptete, dass die Mobilisierung von der ELN infiltriert sei!

4. Sofortige Freilassung der indigenen Brüder und Schwester, die im Rahmen der Minga Nacional festgenommen wurden!

Nationale Autorität der indigenen Regierung – ONIC

(1) http://www.onic.org.co/noticias/70-destacadas/1249-con-el-asesinato-de-tres-comuneros-indigenas-responde-gobierno-santos-a-la-minga-nacional

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