Tödlicher Machismus

Machosport Stierkampf

Situation 1

Ein Musiklehrer aus der baskischen Hauptstadt wirft das 17 Monate alte Baby seiner Freundin aus dem geschlossenen Fenster im ersten Stock, nachdem ihn die 18-jährige Mutter beim sexuellen Missbrauch der Kleinen erwischt hat. Das Kind stirbt zwei Tage später, die Mutter überlebt schwer verletzt.

Situation 2

 

Ein im spanischen Staat bekannter Stierkämpfer lässt im Training spektakuläre Fotos machen, als er sich mit seiner fünf Monate alten Tochter auf dem Arm mit rotem Tuch einem stattlichen Stier entgegenwirft. Die „nationale“ Presse berichtet.

Böse Zungen

… könnten auf die Idee kommen, die beiden Situationen miteinander in Verbindung zu bringen. In beiden Fällen zögern Humanisten keine Sekunde um die Ereignisse als machistisch, und verantwortungslos zu verurteilen. Patriarchen hingegen wehren sich gegen den Vergleich.

Konsequenz 1

Dass der Mörder und Gewalttäter ausgerechnet Musiklehrer von Jugendlichen war, ruft die öffentliche Hand auf den Plan. Es besteht die naheliegende Befürchtung, dass weitere Fälle von Missbrauc h vorliegen könnten. Bei ersten Gesprächen mit betroffenen Eltern stellt sich heraus, dass es mehrfach Klagen gab über den Stil des Lehrers: agressiv, laut, autoritär. Ohne Konsequenz.

Konsequenz 2

In den Kreisen von Stierkampf-Freunden wird die Aktion des Toreros als mutig und verantwortlich aufgenommen. Stierkampf gilt als historisches spanisches Kulturgut. Seine Tochter sei die 5. Generation einer Familie, die immer den Corridas verbunden gewesen sei, sagt der Torero. „Mein Großvater kämpfte so mit meinem Vater auf dem Arm, mein Vater machte es mit mir auf dem Arm, und ich mache es mit meinen Töchtern“, sagt er. In anderen Ländern könnte dem Macho der Entzug des Erziehungsrechtes drohen. Die Berufskollegen des „Schlächters“ (Matador werden die Stierkämpfer auch geannt) solidarisieren sich spontan und prophylaktisch mit dem Protagonoisten. Des Toreros Twitter-Account lautet „Blutstolz“ - #orgullodesangre.

Protest 1

Die Nachbarn im Stadtteil sind fassungslos und stellen Kerzen vor die Haustür. Der komplette Stadtrat versammelt sich zu einer öffentlichen Schweigeminute. Während die Tat verurteilt wird, sind sich alle zusammen darüber im Klaren, dass es nur eine Frage von Tagen oder Wochen ist, bis ein erneuter „Zwischenfall“ erneut zur „Schweigeminute“ nötigt.

Protest 2

Der Protest wegen der Gefährdung eines Babys fällt aus, weil es sich um Tradition handelt, um unangreifbares Kulturgut. Machismus, oder gesellschaftliches und staatlich gefördertes krypto-patriarchalisches Verhalten sind mit Tabu belegt.

Unbequem

Ein kleine Gruppe von Personen im Baskenland hat ein Déjà-Vu-Erlebnis, denn im Herzen der baskischen Linken hat sich vor Monaten ein weiterer Fall von familiärem sexuellem Missbrauch ereignet, der die meisten bis heute sprachlos lässt.

Aufklärung

Im Fernsehen tritt ein Wissenschaftler auf, der erklärt, dass sexueller Missbrauch keine Klassenschranken kenne, sowohl in der Mittel- wie in der Oberschicht gäbe es derartige Fälle. Die Missbraucher, fast ausschließlich Männer, benutzten ihr gesellschaftliches Ansehen, ihre Autorität, um sich den Opfern, vorwiegend Mädchen, anzunähern. Aufgrund ihres geringen Alters wissen sie sich in der Regel nicht zu wehren. Viele Fälle ereignen sich hinter den hermetischen Mauern der Familie. Die Ungläubigkeit ihrer Eltern, falls sie überhaupt über ihre Erfahrungen sprechen, ist das nächste Hindernis. Und dann wären da noch die Pädagog/innen, Polizist/innen und Ärzt/innen, die an einer Aufdeckungs-Prozedur teilnehmen oder im Wege stehen.

Status Quo

In der baskischen Gesellschaft besteht ein Bewusstsein davon, dass die täglich ausgeübte Gewalt gegen Mädchen und Frauen eine gesellschaftliche Seuche darstellt – Femizid – die keinerlei Duldung erlaubt.

Die baskische Gesellschaft steht erst am Anfang, sich darüber klar zu werden, dass die paar bekannt gewordenen Fälle von Missbrauch von Kindern nur die Spitze des berühmtes Eisberges sind. Denn die Familie ist hier heilig.

 

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