Die Unabhängige Arbeiter-Partei (UAP)

Themen: 

Die UAP war dem „nationalrevolutionären“ Flügel der extrem rechten Parteienlandschaft in der Bundesrepublik zuzuordnen. Die UAP, die sich als Wahlpartei auf Nordrhein-Westfalen konzentrierte, vertrat das Selbstverständnis einer nationalistischen und sozialistischen Arbeiterpartei, die andere Rechtsparteien als „nationalkapitalistisch“ bezeichnete und sich auf diesem Wege von ihnen abgrenzte. Die UAP wollte innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung die Tradition von Ferdinand Lasalle fortführen, der zu einem „nationalen Sozialrevolutionär“ umgedeutet wurde. Die Teilnahme an Wahlen verlief ergebnislos, die UAP blieb eine Splitterpartei im nordrhein-westfälischen Parteienspektrum. Die UAP übte innerhalb des westdeutschen Parteiensystems keine erkennbare Funktion aus, sie repräsentierte keine besonderen sozialen Gruppen und sie indizierte keine Legitimationsdefizite, die andere rechtsextreme Parteien nicht auch und originärer repräsentierten.

 

 

 

 

 

Die ideologischen Ursprünge der Unabhängigen Arbeiter Partei (UAP), die im Jahre 1962 gegründet wurde, reichten zurück bis in das Jahr 1950.[1] Es bildete sich ein Diskussionszirkel von politischen Flüchtlingen aus der DDR, der sich am 30.12.1950 als „Bund der Vötokalisten“ (BdV) zusammenfand. Die Basis für diese Gründung war die Konzeption des Vötokalismus, eine Abkürzung für „Vereinigte ökonomische Triumvirats-Organisations-Komitees aller zentralisierten Industrien“, was einen „Dritten Weg“ jenseits Kapitalismus und Kommunismus kennzeichnete. Nach der Gründung einer genossenschaftlichen Organisation der Produktion von Großbetrieben sollte deren Belegschaft drei Personen auswählen, die für die Betriebsleitung zuständig sind.

Die UAP entstand mit dem Zerfall der Deutschen Sozialen Union (DSU) Otto Strassers aus Protagonisten des „Deutschen Sozialismus“ und war dem „nationalrevolutionären“ Flügel der extrem rechten Parteienlandschaft in Nordrhein-Westfalen zuzuordnen. Im Januar 1962 wurde von den DSU-Mitgliedern Kliese und Bosbach die UAP in Essen ins Leben gerufen. Die kommissarische Leitung der neu gegründeten Partei wurde Wolfgang Hülsmann, Günther Plans und Margret Bergfeld übertragen.[2]

Gemäß der Satzung gliederte sich die UAP in Ortsverbände, die aus einem bis hin zu fünf Zirkeln zusammengesetzt waren, sowie Bezirks- und Landesverbände. Die Parteileitung bestand aus dem Zentralbüro, dem sechs Personen angehörten, und der Parteileitung, die 12 bis 20 Personen umfasste.

Als Unterorganisationen existierten die Studentenorganisation „Unabhängiger Deutscher Hochschulbund“ (UDHB) und die Jugendorganisation „Blaue Adler-Jugend“ (BAJ). Der UDHB spielte seit seinem Gründungsausschuss vom 08.11.1969 keine Rolle innerhalb der Partei. Dagegen besaß die am 10.12.1967 gegründete BAJ vor allem während der Ära Strauss eine gewisse innerparteiliche Bedeutung als Ansprechpartner für den „nationalrevolutionären“ Flügel der NPD.[3]

Die Öffentlichkeitsarbeit der UAP beschränkte sich auf der Herausgabe der RAZ (bis 1966: Ruhr Arbeiter-Zeitung, ab 1967: Reichs-Arbeiter-Zeitung), die 1968 nach eigenen Angaben eine Auflage von 5.000 Exemplaren hatte. In den ersten Jahren nach der Gründung der UAP erschien sie im Format DIN A4 wöchentlich, später aber häufiger in Doppel- oder Dreifachausgaben mit einem festen Autorenstamm.

Die sich auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen beschränkende UAP verstand sich als nationalistische und sozialistische Arbeiterpartei, die die anderen Rechtsparteien als „nationalkapitalistisch“ brandmarkte und sich auf diesem Wege von ihnen abzugrenzen versuchte. Die UAP wollte innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung die Tradition von Ferdinand Lasalle fortführen, der zu einem „nationalen Sozialrevolutionär“ umgedeutet wurde. Sie verstanden sich als „einzige rechtmäßige Nachfolger“ Lasalles und seiner Ideen und lehnten sowohl den internationalistischen Kommunismus als auch die als kapitalistisch eingeschätzte Sozialdemokratie ab. In ihrem Organ „Reichs-Arbeiter-Zeitung“ (RAZ) hieß es über Lasalle: „Doch nicht Marxens internationalistische Klassenkampfidee hat in den folgenden 100 Jahren Triumphe gefeiert und an die Arbeiterfahne Siege heften können, es war die Lassalleesche Idee vom an die Nation gebundenen Sozialismus: Sozialismus durch den Staat, mit dem Staat, im Staat. Lasalle (…) war ein Sozialist, der die Nation bejahte (…) ihren ethischen Wert anerkennend und in der Nation die höchstmögliche Integrationsform menschlicher Gemeinschaft erblickend. Lasalle wünschte den Aufbau von Arbeiterproduktions-Genossenschaften auf sozialistischer Basis nach den besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Staates und der jeweiligen Nation unter Berücksichtigung der spezifischen, ökonomischen, kulturellen, historischen Gegebenheiten der Nation. Aus diesem Grunde lehnte er den völkernegierenden Internationalismus Marxens und seinen staatszerstörenden Klassenkampf ab. Nation und Arbeiter standen für Lasalle nicht im Widerspruch; er wollte beides zu einer schöpferischen Synthese verschmelzen.“[4]

Mit dem Bezug auf Lassalle verfolgte die UAP die Absicht, sozialdemokratische Wähler zu gewinnen, die mit den Beschlüssen der SPD in Bad Godesberg 1959 unzufrieden waren, die eine Abkehr von der Klassenkampfthese bedeuteten.

Die von der UAP angestrebte Gesellschaftsordnung wurde als „’Dritte Möglichkeit’ zwischen Ost-Kollektivismus und West-Individualismus“ charakterisiert.[5] Die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele der UAP bestanden aus folgenden Punkten:[6]

 

- Vergesellschaftung aller staatlichen und privaten Großunternehmen,

- die Verwaltung der Betriebe in den Händen der Belegschaftsmitglieder,

- gleichmäßige Aufteilung der Dividenden,

- gewerkschaftliche Kontrolle,

- Schaffung einer zentralen Versicherungsausgleichsbank.

 

Im „linksnationalem“ Sinne startete die UAP den Versuch, sich als Anwalt der Lohnabhängigen darzustellen: „Auch in der Volkswirtschaft sollte der Profit nur Lohn für wirkliche Leistungen im Interesse der Bevölkerung sein. Wenn aber bei uns die Millionäre wie Pilze aus der Erde schießen und der kleine Mann hart um 10% Lohnerhöhung kämpfen muss, ist doch etwas in unserem Wirtschaftssystem entschieden oberfaul. (…) Die Klassenschranken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen endlich fallen! Wer immer sein Arbeitsvermögen in eine Gesellschaft einbringt, muss gegenüber den Kapitalinhabern gleichberechtigter Gesellschafter werden.“[7]

Die UAP ging von einer „Kolonisierung Deutschlands“ durch die alliierten Siegermächte aus und forderte ein „neutrales bewaffnetes Gesamtdeutschland“: „Darum fordern wir ein neutrales bewaffnetes Gesamtdeutschland in Frieden und Freiheit mit internationalen Garantien, sowie den baldigen Abschluss eines gesamtdeutschen Friedensvertrages mit unseren ehemaligen Kriegsgegnern. (…) Die UAP kämpft für ein freies, wiedervereinigtes, neutrales Gesamtdeutschland, das seinen eigenen nationalen Interessen den Vorrang einräumt, ohne erst in Moskau oder Washington um Erlaubnis bitten zu dürfen. (…) Nur ein morsches und degeneriertes Volk gibt sich selber auf und erklärt sich mit einer langsamen aber sicheren Vernichtung einverstanden.“[8]

Die Partei hat in seinen Programmen niemals ein Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung abgelegt, vielmehr gab sie zu erkennen, dass sie die Staatsform der Bundesrepublik nicht als eine Demokratie in ihrem Sinne betrachtete. Sie sah als ihre Hauptaufgabe nach der „Wiedervereinigung die Schaffung einer demokratischen Staatsform, die dem wirklichen Willen des deutschen Volkes entspricht und seinem Wohle am besten dient“, an.[9] Damit gab sie zum Ausdruck, dass nach ihrer Auffassung die demokratische Ordnung der Bundesrepublik nicht dem Willen der Gesellschaftsmitglieder entspricht und nicht diesem Wohle dient.

In der Außenpolitik forderte die NPD in geschichtsrevisionistischer Weise ein „Deutschland in den Grenzen von 1937 unter Einschluss des Memellandes, von Danzig, Westpreußen und des Sudetenlandes“. Außerdem verlangte sie „Schadenersatz für die Opfer der Vertreibung“.[10]

In revanchistischer Weise verlangte die Partei die „Wiederangliederung“ der „deutschen Ostgebiete“: „(…) Wir wären auch eventuell bereit, für die friedliche Herausgabe unserer Ostgebiete einen angemessenen Preis zu zahlen. Das wäre immerhin billiger als ein 3. Weltkrieg, dessen Ausgang für beide Seiten recht ungewiß ist.“[11]

Da ihre Demonstrationen gegen Preissteigerungen, Aufrufe zu „spontanen Streiks“ gegen die Zechenstilllegungen im Ruhrgebiet und ihre scharfe Polemik gegen die Beschlüsse der SPD in Bad Godesberg bei Wahlen lediglich zu 3.000-4.000 Stimmen führten, rang sich die UAP 1967 zu einem Kurswechsel durch. In den Jahren von 1967 bis 1969 strebte sie deshalb ein Bündnis mit anderen kleineren extrem rechten Parteien gegen die Große Koalition in Bonn und gegen die NPD an. Eine Reihe von gemeinsamen Veranstaltungen und Treffen von UAP, Deutsch Sozialistischer Partei (DSP), Freier Sozialistischer Volkspartei (FSVP) und Deutschem Block (DB) im Jahre 1967 brachten eine Vereinbarung zwischen UAP und DSP.[12] Kooperationen und Fusionen führten zur Neugründung von Bezirks- und Landesverbänden der UAP in der gesamten Bundesrepublik. Diese Öffnung nach rechts war jedoch damit verbunden, dass die UAP ihre eigene Identität verlor und schon bald auf inhaltlicher Ebene von den neuen Bündnispartnern dominiert wurde. Vor allem die hessische DSP um Erich Kaufmann gewann einen wesentlichen Einfluss auf die UAP.[13] Kaufmann wurde schon bald Mitglied der UAP-Parteileitung und ab Januar 1968 Chefredakteur des Parteiorgans RAZ. Die Zeitschrift der DSP, das „Deutschland-Echo“ ging ab Januar 1968 in der RAZ auf. Im November 1968 wurde Kaufmann zum neuen Vorsitzenden des Zentralbüros der UAP gewählt. Diese Veränderungen manifestierten sich auf dem Parteiprogramm vom Frankfurter Parteitag 1969. Revanchistische und völkische Elemente dominierten jetzt das Parteiprogramm, während die bestimmenden Ideologeme wie der Bezug auf die lasalleanischen Tradition der UAP, das Vertreten von Arbeiterinteressen oder sozialistische Forderungen keine Rolle mehr spielten. Im Vordergrund stand die „Wiederbelebung des Deutschen Reiches (…) ohne Anerkennung vollzogener Gebietsabtretungen“.

Eine Gruppe um den UAP-Gründer Kliese opponierte gegen diese Entwicklung, indem sie in Nordrhein-Westfalen einen Wahlaufruf starteten, der sich an die politischen Grundlagen der Partei bei deren Gründung im Jahre 1962 anlehnte. Auf dem Essener Parteitag 1970 fand Kaufmann bei den Delegierten keine Mehrheit mehr für seine Wiederwahl zum Vorsitzenden des Zentralbüros der UAP, weil er sich mit verschiedenen Gruppen innerhalb der Partei überworfen hatte. Kaufmann lehnte den „Ehrenvorsitz“ der UAP ab und trat aus der Partei aus; sein Nachfolger wurde Kliese.[14]

Nach der Bundestagswahl 1969 definierte sich die UAP als „nationalrevolutionäre“ Protestpartei mit dem Ziel, parteipolitische Plattform der Neuen Rechten innerhalb und außerhalb der NPD zu werden. Sie gerierte sich militant-antikommunistisch und berief sich auf die „nationalen Befreiungsbewegungen“ in Osteuropa.[15]

Die UAP agitierte gegen die Ostpolitik der Bundesregierung, wobei besonders politische Repräsentanten der SPD im Focus ihrer Kritik standen. Die Agitation gegen die Ostverträge und die hierzu gegründete „Aktion 62“, die sich gegen die NPD-nahe „Aktion Widerstand“ richtete, führten nicht zu einer einheitlichen Bewegung gegen die Ostpolitik der Bundesregierung.[16]

Die Partei sprach sich ebenso für eine Schlussstrichmentalität aus, die sich in einer Ablehnung der Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit manifestierte. In einer Rede wurde ausgeführt: „Wir wehren uns um der Gerechtigkeit willen gegen die Fortsetzung der Vernichtungspolitik, der Rache und der unersättlichen Vergeltungssucht. Wir haben es satt, noch länger am Pranger der Welt zu stehen! Wir werden dafür sorgen, dass die an den Pranger kommen, die ihr in Not geratenes Vaterland verraten haben und die während des Krieges im Ausland gegen das kämpfende Deutschland wirkten.“[17]

Diese Ausrichtung ist eng mit dem Aufstieg von Wolfgang Strauss, einem führenden Theoretiker der Neuen Rechten, innerhalb der UAP verbunden. Strauss war Anfang 1969 der UAP beigetreten. Im Juni 1969 gehörte er der Redaktion der RAZ an, einen Monat später wurde er zum UAP-Landesleiter in Bayern gewählt. Seit 1970 wurde er zum Mitglied des Zentralbüros ernannt. Innerhalb des Zentralbüros setzte er eine „befreiungsnationalistische“ Grundausrichtung durch, die vor allem auf die nationalistischen und antikommunistischen Bewegungen in Osteuropa setzte. Die Ära Strauss knüpfte an die lassalleanische Gründungkonzeption der UAP an. Programmatischer Ausdruck waren die „Mai-Thesen der UAP“ von 1970, die einen „antiimperialistischen, befreiungsnationalistischen Dritten Weg“ proklamierten. In der Vorbemerkung zu den „Mai-Thesen“ hieß es: „Die bolschewistischen Imperialisten und Staatskapitalisten, Moskaus Neo-Zaristen und Katynisten fürchten sich vor dem sozialrevolutionären Nationalismus der über hundert Kolonialvölker zwischen Elbe und Ussuri. Der (…) Kommunismus hat sein wahres Gesicht gezeigt - die Fratze der Lüge, der Vergewaltigung, der Barbarei, des Arbeitermordes.“[18]

Innerhalb der Partei gab es Verbindungen zu „nationalrevolutionären“ Gruppen im Ruhrgebiet. Anfang 1968 gründeten „nationalrevolutionäre“ Studenten im Ruhrgebiet eine Art Zeitungsgruppe um den „Ruhr-Studenten-Anzeiger“.[19] Sie waren auch maßgeblich an der Gründung des Republikanischen Studentenbundes (RSB)-Aktionszentrum Ruhr beteiligt, um ein Gegengewicht zum Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) zu schaffen. Als der SDS und andere studentische Gruppen im Mai 1968 zum Universitätsstreik gegen die bevorstehende Verabschiedung der Notstandsgesetze im Bundestag aufriefen, verteilte der RSB ein Flugblatt gegen die vorgenommenen Universitätsblockaden und rief zum „Widerstand“ auf. Der RSB löste sich jedoch bald wieder auf, auch der „Ruhr-Studenten-Anzeiger“ wurde eingestellt. Aktivisten des RSB fanden ein neues Betätigungsfeld bei der burschenschaftlichen Zeitung „student“. Anfang 1970 entstand die Bochumer „Basisgruppe Neuer Nationalismus“ aus Studenten mehrerer Fachrichtungen mit der bei trotzkistischen Gruppen abgeschriebenen Parole „Die Spaltung Deutschlands ist die Spaltung des deutschen Proletariats!“ Einige dieser „Nationalrevolutionäre“ nahmen an der Düsseldorfer Mieterdemonstration vom Oktober 1970 teil. Dort forderten sie die „Überführung von Grund und Boden in Gemeineigentum, Ausschaltung der Makler und sofortigen Mietpreisstopp“.[20]

Die Bochumer Basisgruppe war an der Gestaltung einer „nationalrevolutionären“ Theorie interessiert, um eine langfristige Arbeit zu gewährleisten. Sie formulierte Texte über „revolutionären Nationalismus, europäischen Sozialismus, kritische Rationalität und modernen Atheismus“, die dann in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht wurden.[21]

Die UAP hatte die Absicht, „Avantgarde der jungen sozialistischen Rechten“[22] zu werden, deren Militanz auf einer Demonstration am 21.05.1970 in Kassel beim Treffen von Stoph und Brandt öffentliches Aufsehen erregte.

Sie unterhielt auch inoffiziell Verbindungen zur militanten rechten Gruppe Deutsche Soziale Aktion (DAS) Die Mitglieder der extrem rechten Gruppen in der BRD verlagerten ihre Tätigkeit seit der Niederlage der NPD bei den Bundestagswahlen 1969 immer mehr in den Untergrund.[23] Sie fühlten sich durch die politische Entwicklung „isoliert“ und neigten daher immer mehr zur Gewaltanwendung in der politischen Auseinandersetzung.

Die extrem rechte Vereinigung DSA gründete sich am 11.10.1970 in Dortmund. Die maßgeblichen Gründungsmitglieder waren Dirk Schwartländer, Uwe Klaas und Friedhelm Busse. Die DSA bildete das Sammelbecken für extreme Rechte, denen die Strategie der NPD zu wenig aktionsorientiert war. Ziel der DSA war es, durch „spontane Aktionen“ rechte Thesen gegen die Ostpolitik der Bundesregierung in der Öffentlichkeit zu artikulieren. Zu diesem Zwecke wurden in erster Linie unangemeldete Demonstrationen gegen Veranstaltungen politisch-mißliebiger Personen, Parteien und Einrichtungen durchgeführt, in deren Verlauf es zu strafbaren Handlungen (Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigungen, Sachbeschädigungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzungen) kam. Diese Tätigkeit der DSA beschränkte sich vorwiegend auf das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalens und hier in der Hauptsache auf den Raum des Ruhrgebiets.

In Bergkamen sprengten ca. 40 Mitglieder der DSA am 15.12.1970 eine SPD-Veranstaltung, zu der der sowjetische Journalist Schintzen und der sowjetische Botschaftssekretär Tschernussin eingeladen worden waren. Die Aktivisten der DSA rissen das Mikrofon an sich und riefen „Willy Brandt an die Wand“ und „Willi Stoph und Willy Brandt, Volksverräter Hand in Hand“. Als sie von der Polizei aus dem Saal gedrängt wurden, verbreiteten sie ihre Parolen draußen per Megaphon weiter.

Am 16.01.1971 demonstrierten unter der Leitung der DSA etwa 120 meist jugendliche Teilnehmer von rund 11 sog. „Basisgruppen“ mit Transparenten, Fahnen und Sprechchören vor der sowjetischen Botschaft in Bonn-Rolandseck und versuchten, eine „Resolution“ zu übergeben. Sie warfen Steine, Flaschen und Knallkörper gegen das Botschaftsgebäude, zertrümmerten Fensterscheiben, beschmierten das Gebäude mit Parolen und griffen einen Polizeibeamten tätlich an. Bei der anschließenden Demonstration vor dem Bonner Parteigebäude der SPD konnte der ursprüngliche Plan der Demonstranten, das Gebäude zu stürmen und das Mobiliar auf die Straße zu werfen, verhindert werden.

Außerdem störte die DSA am 21.01.1971 in Mönchengladbach eine öffentliche Veranstaltung der FDP, an der der damalige Bundesaußenminister Scheel als Redner teilnahm.

Am 06.03.1971 kam es in Köln zu einer unangemeldeten Demonstration rechter Gruppen mit Beteiligung der DSA vor dem Privatgebäude des Ministerpräsidenten Kühn im Kölner Vorort Dellbrück.[24] Sie pinselten an die Hauswand den Satz: „Hier wohnt der rote Verräter Kühn“. Dieses Ereignis hatte folgende Vorgeschichte: Schon zu Beginn seiner Amtszeit forderte Kühn ein energischeres Vorgehen gegen die extreme Rechte in Nordrhein-Westfalen. Als Anfang des Jahres 1971 im Bonner Raum eine zehnköpfige militante Gruppe von extremen Rechten verhaftet worden war, bei der die Polizei größere Mengen von Waffen und Munition sicherstellen konnte, sprach sich Kühn für ein Verbot der NPD aus. Seitdem erhielt Kühn mehrere ernst zu nehmende anonyme Drohbriefe.

Mit diesem Aufmarsch bekräftigten die militanten Rechten ihre Drohung, prominente sozialdemokratische Politiker persönlich anzugreifen. Noch am gleichen Abend nahm die Polizei 15 der Demonstranten vorübergehend fest, von denen neun der NPD und zwei der DSA angehörten. Bei den beiden inhaftierten DSA-Mitgliedern handelte es sich um den aus der Partei ausgetretenen früheren Landesvorsitzenden der NPD in Nordrhein-Westfalen, Uwe Klaas aus Bochum, und Inka Schwartlender aus Dortmund, die Ehefrau des früheren stellvertretenden NPD- Landesvorsitzenden Schwartlender.Dass es sich um eine langfristig geplante Aktion handelte, geht unter anderem daraus hervor, dass die Teilnehmer aus ganz Nordrhein-Westfalen anreisten. In den Wagen der Demonstranten fand die Polizei größere Mengen Pistolenmunition, Fahrtenmesser, Schutzhelme, Stahlkugeln für Schleudern, NPD-Plakate und Zettel der „Aktion Widerstand“ mit Parolen wie „Widerstand für Deutschland“ und „Freiheit für die SBZ. Auf deutschem Boden kein KZ“.

Als es nach der Demonstration vor dem Hause des Ministerpräsidenten Kühn zu polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsmaßnahmen gegen die DSA kam, stellte die Vereinigung ihre politischen Aktionen im Wesentlichen ein.

Am 05.10.1970 initiierte die NPD in München zusammen mit anderen extrem rechten Organisationen die „Aktion Widerstand“, die vor allem gegen die Ostpolitik Brandts gerichtet war. Der Vorsitzende der „Aktion Widerstand“ war Peter Kleist, einst Leiter der Hauptabteilung Ost des NS-Außenministeriums. Zu den 13 Gründungsmitgliedern gehörten Leute wie der NPD-Präsident Waldemar Schütz, vormals SS-Hauptsturmführer, der SS-Mann Erich Kernmayr und der frühere SA-Dichter Herbert Böhme, Präsident des extrem rechten „Deutschen Kulturwerks europäischen Geistes“ (DKEG). Vertreten waren auch die NPD-Bundestagskandidaten Petersmann und Kather, der NPD-Hochschulchef Kuche sowie der NPD-Bundesjugendreferent Rau. Unter dem Dach der „Aktion Widerstand“ hatten sich auch etliche Personen versammelt, denen die NPD zu „lasch“ geworden war wie Bernhard Wintzek mit seinem „Aktionskreis Mut“, der Herausgeber von „Nation Europa“, Arthur Ehrhardt, oder Alfred E. Manke vom „Arbeitskreis volkstreuer Verbände“, einer Dachorganisation von 14 Untergliederungen wie der Wiking Jugend (WJ) oder dem Bund heimattreuer Jugend (BHJ). Aus Recklinghausen rief eine „Aktion 70“ zum Widerstand auf.[25] Die UAP war auch in der „Aktion Widerstand“ vertreten, aber nicht federführend. Öffentlich positionierte sich die UAP legalistisch und gewaltfrei, da sie nicht in das Fadenkreuz eines Parteienverbotes geraten wollte.

Der Versuch der UAP, den nationalrevolutionären Flügel der NPD, der sich gegen den Kurs des Vorsitzenden von Thadden richtete, zum Austritt zu bewegen und in die eigene Partei zu integrieren, war nicht erfolgreich.

Ob die UAP auch mit der Europäischen Befereiungsfront in Verbindung stand oder gar Mitglieder stellte, kann nicht genau beantwortet werden. Die Geheimorganisation „Europäische Befreiungsfront“ (EBF) wurde die im Dezember 1969 gegründet. An ihrem Aufbau waren besonders NPD-Mitglieder beteiligt.[26] Fast alle ihre Mitglieder gehörten früher dem Ordnungsdienst der NPD an. Die EBF stellte eine „Kampfgemeinschaft europäischer Nationalisten“ und wollte den Kommunismus im Notfall auch mit Waffengewalt bekämpfen. Als Kopf der Organisation gilt der Duisburger Helmut Blatzheim, der Kontakte zu ehemaligen SS-Leuten in Belgien besaß.

Im Mai 1970 gelang es der Polizei, 20 Mitglieder der EBF festzunehmen und damit auch deren Organisationsstruktur zu zerschlagen.[27] Die 20 festgenommenen Personen stammten aus dem Raum Duisburg, Oberhausen, Köln, Düsseldorf und Minden. Sie waren 22 bis 45 Jahre alt und zum Teil Reservisten der Bundeswehr im Mannschaftsgrad. In verschiedenen Wohnungen wurden 15 Pistolen, eine Maschinenpistole, zwei Trommelrevolver und drei Gewehre sichergestellt. In einem Waldgelände im Kreis Betzdorf hatte die EBF einen Schießplatz angelegt. Schießübungen wurden auch in einem Keller in Mülheim durchgeführt. Um weitere Waffen und Munition zu erhalten, planten sie, ein Waffen- und Munitionsdepot der Bundeswehr zu überfallen.

Die Organisation war nach militärischen Gesichtspunkten gegliedert; Verstöße gegen die „Kameradschaft und Disziplin“ konnten „militärisch geahndet werden“, wobei selbst die „Liquidierung betroffener Personen“ in Betracht gezogen wurde.

Die EBF beabsichtigte, bei dem Treffen zwischen Bundeskanzler Brandt und DDR-Minister Stoph am 21.05.1970 in Kassel durch Schüsse auf die Isolatoren das gesamte Stromnetz der Stadt lahm zu legen.[28] Nach der Verhaftung der Mitglieder der EBF distanzierte sich die NPD von der Organisation.

Einzelne Mitglieder der UAP waren auch bei „Wehrsportübungen“ der Wiking Jugend (WJ) dabei, was aber nicht sicher auf eine wechselseitige Zusammenarbeit der beiden Organisationen hindeutet.[29] Die WJ war die bedeutendste Jugendorganisation des extrem rechten Spektrums. Die WJ verstand sich als Nachfolgeorganisation der HJ und des BDM und brachte Kindern und Jugendlichen ihre rassistische und antidemokratische Weltanschauung näher. Die hierarchisch aufgebaute Kinder- und Jugendarbeit war auf die „Erziehung zur gemeinschaftsgebundenen Persönlichkeit“ ausgerichtet. Dabei stand eine Art paramilitärische Ausbildung im Vordergrund, die die „Wehrhaftigkeit“ und die „soldatischen Tugenden“ der Teilnehmer gewährleisten sollte. Die WJ besaß Kontakte zu rechten terroristischen Gruppen und Einzelpersonen. Ihre besondere Bedeutung lag darin, dass zahlreiche Verantwortungsträger innerhalb der rechten Szene in der Bundesrepublik dort ideologisch sozialisiert wurden.

Bei den Wahlen, an denen die UAP teilnahm, blieb sie immer eine Splitterpartei mit sehr geringem Erfolg. Bei den Bundestagswahlen 1965 bekam sie 3.959 Stimmen (0,0%), vier Jahre später 5.209 (0,1%). Bei den Landtagswahlen 1962 gaben 426 Personen (0,0%) der UAP ihre Stimme, 1966 3.175 Personen (0,0%) und 1970 1.504 Personen (0,0%).[30]




[1] Stöss, R.: Die Unabhängige Arbeiter-Partei, in: Ders. (Hrsg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980. Band IV: NPD bis WAV, Opladen 1986, S. 2337-2360, hier S. 2337f

[2] Ebd., S. 2338

[3] Ebd., S. 2357

[4] Reichs Arbeiter-Zeitung 2/1970, S. 3

[5] Stöss, Die Unabhängige Arbeiter-Partei, in: Ders., Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, a.a.O., S. 2341

[6] Ebd., S. 2343

[7] Reichs-Arbeiter-Zeitung, 12/1970, S. 4

[8] Ruhr-Arbeiter-Zeitung, Nr. 35, September 1962, S.2

[9] Reichs Arbeiter-Zeitung 2/1970, S. 3

[10] Stöss, Die Unabhängige Arbeiter-Partei, in: Ders., Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, a.a.O., S. 2342

[11] Ebd.

[12] Strauss, W.: Trotz allem - wir werden siegen. Nationalistische Jugend des Ostens im Kampf gegen Kolonialismus, Imperialismus, Stalinismus und Arbeiterunterdrückung, München 1969, S. 3

[13] Stöss, Die Unabhängige Arbeiter-Partei, in: Ders., Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, a.a.O., S. 2338

[14] Ebd., S. 2344

[15] Strauss, W.: Trotz allem - wir werden siegen. Nationalistische Jugend des Ostens im Kampf gegen Kolonialismus, Imperialismus, Stalinismus und Arbeiterunterdrückung, München 1969, S. 3

[16] Pröhuber, K.-H.: Die nationalrevolutionäre Bewegung in Westdeutschland, Hamburg 1980, S. 35

[17] Strauss, W.: Trotz allem - wir werden siegen. Nationalistische Jugend des Ostens im Kampf gegen Kolonialismus, Imperialismus, Stalinismus und Arbeiterunterdrückung, München 1969, S. 4

[18] Reichs-Arbeiter-Zeitung 5/1970, S. 1

[19] Bartsch, G.: Revolution von rechts? Ideologie und Organisation der Neuen Rechten, Freiburg im Breisgau 1975, S. 134

[20] Ebd., S. 136

[21] Ebd.

[22] Reichs-Arbeiter-Zeitung 1/1971, S. 3

[23] Düsseldorfer Nachrichten vom 26.05.1971

[24] Kölner Stadtanzeiger vom 12.03.1971

[25] Welt der Arbeit vom 18.12.1970

[26] Pröhuber, K.-H.: Die nationalrevolutionäre Bewegung in Westdeutschland, Hamburg 1980, S. 45

[27] Neue Rhein Zeitung vom 25.05.1970

[28] Düsseldorfer Nachrichten vom 26.05.1971

[29] Pröhuber, K.-H.: Die nationalrevolutionäre Bewegung in Westdeutschland, Hamburg 1980, S. 37

[30] Stöss, Die Unabhängige Arbeiter-Partei, in: Ders., Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, a.a.O., S. 2354

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen