Rechtspopulismus

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Der Begriff des Populismus verzeichnet gegenwärtig eine rasante Karriere als politisches Kampfwort, es ist eher ein ideologischer als wissenschaftlich-analytischer Begriff. Hier sollen die gegenwärtigen Merkmale und Definitionsversuche vorgestellt werden.

 

Der Populismusbegriff ist wissenschaftlich umstritten.[1] Es gibt diskursanalytische Ansätze, die die Ebene der politischen Kommunikation beleuchten und Populismus definieren als einen Stil, der mit unterschiedlichen politischen Strömungen, Programmatiken und Ideologien einhergehen könnte.

Dagegen herrscht die Meinung, dass der Populismus bereits im politischen Mainstream angekommen ist, was an der zunehmenden Personalisierung der Politik festgemacht wird. Demnach existiert Populismus als durchgängiges Zeitgeistphänomen.

Der Begriff Populismus tauchte das erste Mal in der Sozialwissenschaft Ende des 19. Jahrhunderts auf. Damit wurde die Farmerbewegung in den USA beschrieben, die sich gegen die in der Hauptstadt New York ansässigen Großkonzerne für billige Kredite, politische Teilhabe und landwirtschaftliche Verwertungsgenossenschaften engagierte und dazu im Jahre 1892 die Populist Party gründete.

In Westeuropa feierten in den 1980er Jahren populistische Parteien überraschende Wahlerfolge. Diese wurden als Protest gegen die herrschende Politik bewertet und nicht richtig ernstgenommen. Es herrschte die Erwartung, dass die Herausforderer über kurz oder lang wieder auf Normalmaß zurückgestutzt und aus den Parteiensystemen ganz verschwinden würden. Die weitere Entwicklung sollte dies gründlich widerlegen. Nicht nur, dass die Rechtspopulisten ihre Stellung verteidigen und sogar noch weiter ausbauen konnten. Das Phänomen begann sich nun auf andere westeuropäische Länder auszudehnen und machte auch vor den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas nicht halt.

Dass sich die Wahlergebnisse der rechtspopulistischen Parteien ab 1999 im Durchschnitt leicht verschlechterten, hat mehr mit deren Erfolgen als mit einer nachlassenden Empfänglichkeit der Wähler für die populistischen Botschaften zu tun. Dies zeigt sich vor allem darin, dass der Populismus auf die etablierten Parteien des politischen Mainstreams immer stärker übergriffen hat. Diese machen sich nicht nur die Themen der rechtspopulistischen Akteure zu Eigen, sondern auch deren Techniken in der Wähleransprache.

Alle Versuche, den Populismusbegriff hinreichend zu erläutern, haben gezeigt, dass er zu komplex, kontextabhängig und variabel ist, um in engen Definitionen erfasst werden zu können. Bezogen auf die aktuelle Problemlage des Populismus in Europa gibt es einen Konsens über wichtige Aspekte in der Forschungslandschaft. Dazu gehört vor allem die Erkenntnis, dass der Populismus in den modernen Massendemokratien infolge von Modernisierungskrisen und politischen Repräsentationsproblemen ein Dauerphänomen darstellt, das zwar in seiner Größenordnung und Virulenz beträchtlichen Schwankungen unterworfen, aber jederzeit zu gegenwärtigen ist. Die traditionellen Parteibindungen haben sich in den letzten Jahrzehnten in der BRD abgeschwächt, so dass populistische Parteien unter bestimmten Voraussetzungen leichter WählerInnen  für sich gewinnen können.

Es ist ein schweres Unterfangen, die historischen und den bestehenden populistischen Parteien und Bewegungen auf einen Nenner zu bringen. Dennoch gibt es eine Reihe von Aspekten, die in ihrer Mehrzahl, wenn auch nicht alle gleichzeitig und in derselben Form, auf die meisten Fälle zutreffen:[2]

 

1) Zielgruppe des Populismus sind in der Regel die Unter- und Mittelschichten, die sich durch die bestehende gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Ordnung oder ihre Entwicklung benachteiligt sehen. Für diese Entwicklung werden die etablierten Institutionen, deren Repräsentanten und das herrschende politische Establishment verantwortlich gemacht

  1. Im Mittelpunkt stehen dabei fast immer Ärger und Misstrauen vor allem gegen „die da oben und der diffuse Protest gegen sie. Es handelt sich in erster Linie um eine Bewegung des „gegen“, des Widerstandes gegen herrschende Verhältnisse, zumeist ohne ein differenziertes konstruktives Handlungsprogramm.

  2. Beim Populismus als Strategie geht es um die Instrumentalisierung von und Schwarz-Weiß-Bildern des Politischen und groben Schemata der emotionalen Entdifferenzierung. Dabei werden komplexe Probleme in einfache, einprägsame Parolen transformiert.

  3. Zumeist spitzt sich die Entdifferenzierung zu einer Norm des Freund-Feind-Denkens zu, bei der das Volk („wir hier unten“), die „Oberen“ als Gegensatz unversöhnlich kontrastiert werden. Die politische Theorie Carl Schmitts erlangt dabei hegemonialen Charakter.

  4. Es wird ein einseitiges Bild der Wirklichkeit entworfen, einfache, einprägsame Slogans und Lösungen werden angeboten, um so mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. An der Stelle von konsensorientierter Kommunikation treten Anklage, Anprangern und verschiedene Formen der Verdächtigung, wobei Aspekte der praktischen Realisierbarkeit außer Acht gelassen werden. Im Hinblick auf den Populismus als Methode werden zwei Kriterien in den Mittelpunkt gestellt: Erstens geht es immer um die Verschärfung vorhandener populärer Vorurteile und ihrer Instrumentalisierung, wobei unterstellt wird, dass sie im Bewusstsein der Benachteiligten innerhalb der Gesellschaft vorliegen. Zweitens benutzt sich der Populismus die reine Lehre von Gut und Böse verdächtigt alle komplexen Lösungen und Kompromisse als unbrauchbar.

     

    Es gibt keinen monokausalen Erklärungsansatz für das Phänomen des Populismus; seine Ursachen sind vielfältig. Als Hintergrundmotiv kann immer ein akutes Modernisierungsproblem vermutet werden, das auf kulturellem, sozialem oder ökonomischen Gebiet Bedrohungsängste, Entwurzelungserfahrungen und Ängste auslöst.

    Das populistische Modell erscheint für Teile der Wählerschaft dann besonders attraktiv, wenn die gewählten Repräsentanten des Staatsapparates die Vorstellungen der Mitglieder unzureichend verwirklichen, also eine Krise der Repräsentation und Legitimation besteht.[3] Entscheidend ist das Gefühl der eigenen Benachteiligung, das sich aus der Orientierung an bestimmte Erwartungen oder Referenzgruppen ergibt.

    Es existiert ein gestörtes Verhältnis zwischen „Volk“ und „Eliten“, wie es im populistischen Sprachgebrauch heißt. Dagegen schmiedet sich ein Bündnis von oberen und unteren Mittelschichten, die sich von den kriselnden „Volksparteien“ abwenden. Populistische Strömungen sind als Reaktion auf Defizite im Modus der Repräsentation des politischen Willens zu verstehen und berühren das in den westlichen Verfassungsstaaten vorherrschende Verständnis von Demokratie als repräsentativer Demokratie, was im Gegensatz zu der von Populistinnen und Populisten favorisierten direktdemokratischen Willensabfrage steht.

    Populismus findet immer dann einen günstigen Nährboden, wenn bestimmte Teile der Gesellschaft dauerhaft das Gefühl haben, die „Mächtigen“ handelten über ihre Köpfe hinweg nach eigenen Interessen.

    Sie kanalisieren Ängste und Befürchtungen, indem sie komplexe soziale und ökonomische Prozesse auf vermeintlich Verantwortliche reduzieren.[4] Dabei wird nicht nur auf die "untätigen Politiker" abgestellt. Es werden Schuldige für die Krise ausgemacht, indem gezielt gängige Klischees und Vorurteile aufgegriffen werden: So ist die Rede von "zu vielen Ausländern", die "deutsche Arbeitsplätze" für sich einnähmen oder "geldgierigen Managern", die die "Misere" zu verantworten hätten. Dabei werden völlig unterschiedliche Elemente scheinbar plausibel miteinander in Zusammenhang gebracht.

    Ein gutes Beispiel dafür war eine Kampagne der Dänischen Volkspartei gegen den Islam. „Gebt uns Dänemark zurück“ verlangt die Dänische Volkspartei in Zeitungsanzeigen und zeigt auf einem Foto, wer nach ihrer Meinung vom Land Besitz ergriffen hat: Eine komplett verschleierte Richterin in Burka, mit dem mächtigen Hammer der Justiz in ihrer Hand. Die DVP ist nicht irgendwer: Seit 2001 bestimmt sie als Mehrheitsbeschafferin für Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen die Kopenhagener Regierungspolitik vor allem in Sachen Zuwanderung und Ausländerrecht entscheidend mit.

    Die rechtspopulistische Sicht auf Neoliberalismus und Globalisierung ist ambivalent: Einerseits befürwortet der Rechtspopulismus den staatskritischen Charakter des Neoliberalismus und fordert etwa niedrigere Steuern, vorrangig für die Mittelschicht, letztendlich aber für die gesamte Wirtschaft. Der Rechtspopulismus tritt für eine Privatisierung von Staatsbetrieben ein, da er der Macht der Regierung über wirtschaftliche Kernbereiche misstraut und setzt sich für die finanzielle Entlohnung von Leistung und vor allem ökonomisch starken Schichten ein; „Leistungsverweigerern“ sollen die Zuwendungen entzogen werden.[5]

    Andererseits befürwortet der Rechtspopulismus aber auch eine finanzielle Förderung von Familien und der nationalen Wirtschaft und plädiert für protektionistische Maßnahmen, um die heimischen Märkte gegen Importe aus Billiglohnländern zu schützen und umgekehrt die eigenen Exporte zu stärken.

    Ein Merkmal populistischer Bewegungen sind charismatische Führungsfiguren, die sich zu Anwälten des „Volkes“ aufschwingen und suggerieren, dass sie selbst aussprechen, was die schweigende Mehrheit sich nicht zu sagen traut. Diese Personenzentriertheit entspringt dem Bedürfnis von benachteiligten Menschen, die sich klare Weltbilder und Autorität wünschen. Eine notwendige Differenzierung der Weltsicht wird von potentiellen Wählern populistischer Parteien nicht für wichtig erachtet oder  negiert; Eigenschaften wie Renitenz oder Toleranzfähigkeit sind nicht sonderlich ausgeprägt.

    Die zentrale Botschaft gegenwärtiger populistischer Ideologiebildung besteht darin, dass die Politik und das „korrupte Establishment“ der Kontrolle durch das Volk, den demokratischen Souverän, entglitten sei.[6] Es herrscht eine negative Einstellung der Menschen in Bezug auf die hegemoniale Führung, was zu mangelhaft empfundener Partizipation am politischem Prozess führt. Lobbyismus, Skandale wie Spendenaffären, die durch die Massenmedien publiziert werden, tragen zu dieser Stimmung bei. Das vorgebliche Ziel des Populismus ist es, “die herrschende politische Klasse soweit als möglich ihrer Macht zu berauben, um so dem Volk seine Souveränität zurückzugeben.“ [7] Populisten betonen dagegen in der Regel ihre „Bürgernähe“ im Gegensatz zur „etablierten“ Politik, werfen ihren Gegnern vor, die Probleme der „einfachen Leute“ zu ignorieren, undemokratisch vorzugehen und elitären Partikularinteressen verpflichtet zu sein.

    Alle Kernthemen und programmatischen Botschaften der populistischen Parteien und Bewegungen sind in den Gegensatz zwischen Volk und Elite eingewoben.[8]

    Es wird der Aufbau einer Bedrohungskultur vorgenommen, die von außen wirkt und eine bestimmte Vorstellung von Homogenität in Frage stellt. Dieser Konstitutionsprozess verläuft in der Gegenüberstellung von „gut“ und „böse“: z.B. Heuchelei/Korruption (Eliten) gegenüber Ehrlichkeit (Volk) oder Globalisierung/Supranationalität (Hochfinanz und ihre „nationalen Erfüllungsgehilfen“) gegenüber ethnischer Identität und nationalen Interessen. Es herrscht also im Populismus die Tendenz zum politischen Dualismus und zur Exklusion. Während der Rechtspopulismus in einigen Bereichen der Politik, wie der Kriminalitätsbekämpfung, einen starken Staat fordert, lehnt er ihn in anderen Bereichen ab und fordert stattdessen Volksabstimmungen, weil er dem repräsentativen Charakter von Parlamenten misstraut und durch sie den Volkswillen verfälscht sieht. Dabei müssen Rechtspopulisten nicht unbedingt an den Nutzen plebiszitärer Verfahren glauben; die Forderung nach ihnen dient primär dem Kampf gegen die etablierten Parteien. Diese Haltung kann so weit gehen, dass Rechtspopulisten die Organisationsform als Partei gänzlich ablehnen, was es ihnen oft verwehrt, sich in der Parteienlandschaft zu etablieren. Zudem erleiden sie oft einen Glaubwürdigkeitsverlust, sobald sie in Regierungsverantwortung kommen, weil sie dann selbst die Rolle des Establishments einnehmen.

    Diese staatsfeindliche Haltung gilt besonders gegenüber der Europäischen Union (EU) und ihren Institutionen, die aufgrund vertraglicher Regelungen der Mitgliedsstaaten einen übergeordneten Einfluss auf die jeweilige nationale Politik haben. Der politische Apparat der EU gilt ihnen als bürokratisch und bürgerfern, seine Vertreter als egoistische Selbstbereicherer. Der Euro und die EU-Osterweiterung stellen in ihren Augen eine Entmündigung der Bürger dar, weil sie nicht per Volksabstimmung beschlossen wurden und ihnen überwiegend Nachteile brächten.

    Entweder bleiben populistische Bewegungen ein kurzes Intermezzo (z.B. die Schill-Partei, die Lega Nord, Fortuyns LPF) oder es gelingt ihnen (z.B. wie der Vlaams Belang in Belgien) ihre mittelständische Ausgangsbasis mit kulturalistischem Rassismus oder dem Schüren von Existenzängsten bis weit in die unteren Klassen auszuweiten.

     

    Lars Rensmann weist mit Recht auf die vertikale und horizontale Orientierung populistischer Ideologie hin:[9]

     

    „Vertikale Orientierung (gegen ‚die da oben’)

  • Antiparteienorientierung/Antiparteienpartei

  • Antiestablishment/Betonung kollektiver Identität (‚unten’) und Gemeinschaft gegenüber individuellen Interessen (‚oben’)

  • Vertretung eines homogenisierten ‚Volkswillens’ bzw. der ‚schweigenden Mehrheit’

  • Soziokulturelle Modernisierungsabwehr/gegen Modernisierung als ‚Eliten-Projekt’

  • Antipluralistische Elemente

     

    Horizontale Orientierungen (gegen ‚außen’)

    -Anti-EU-Positionen

    -Anit-Globalisierung

    -Antiamerikanismus

    -Sozialprotektionismus/Abwehr von Zuwanderung (vor allem von rechten Varianten)

    -Antipluralistische Elemente“

     

    Sebastian Reinfeldt entwickelte ein Populistisches Viereck, das aus folgenden Teilen besteht:[10]

     

     

    a) Die da oben: „Politiker“/Brüssel: Protest gegen die herrschenden Politiker_innenkaste, die als homogener, uniformer Block dargestellt wird. Diese würden sowohl schlecht als auch zu Unrecht regieren, denn sie würden die überwiegende Mehrheit „des Volkes“ nur unzureichend repräsentieren und gegen ihren Willen beherrschen.

    b) Nicht die da (die Leute, das „Volk“): Das „Volk“ wird in die Sphäre eines Kollektivs hochgehoben. Es gibt die Strategie des Anspruchs, diejenigen zu repräsentieren, die angeblich nicht für sich selber sprechen würden bzw. nicht deutlich genug sprechen könnten („stumme Mehrheit“ der Bevölkerung).

    c) Nicht wir (Fremde, Moslems, Sozialschmarotzer_innen): Dies ist die Kategorie, die dem „Volk“, den Leuten entgegenstehend ist. Die „fremden Völker“ oder Kulturen sind dabei total anders als „wir“

    d) Wir (fleißige, tüchtige Bürger_innen/Steuerzahler_innen): Dies ist die zentrale Gruppe zur Identifikation, deren Eigenschaften und deren Gemeinsamkeiten in und durch die Abgrenzung zu den Anderen sich erweisen.

     

    Di Tella brachte folgenden Definitionsversuch in die Diskussion ein: „Populismus kann definiert werden als politische Bewegung, die auf einem mobilisierten, aber noch nicht autonom organisierten Volkssektor beruht, von einer in den mittleren und oberen Gesellschaftsschichten verwurzelten Elite geführt und durch die charismatische, personalisierte Beziehung zwischen Führer und Geführten zusammengehalten wird.“[11]

    „Identität, Tradition, Souveränität“ war der Name einer zwischen Januar 2007 und November 2007 bestehenden Fraktion im Europäischen Parlament, deren Mitgliedsparteien sich als "Rechtsdemokraten" sowie als "patriotisch und national" tarnten.[12]  Möglich wurde der Zusammenschluss durch den EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens im Januar 2007. Beide Länder entsandten zusammen zunächst sechs (später neun) Abgeordnete vom rechten Rand ins Europaparlament, darunter Repräsentanten der ultranationalistischen Großrumänienpartei. Dazu kamen 14 Mandatsträger aus Frankreich, Italien, Belgien, Großbritannien und Österreich. Insgesamt bestand die Gruppe zunächst aus 20 Abgeordneten aus sieben Ländern – somit war die Mindestanforderung von 19 Personen für die Bildung einer Fraktion im EU-Parlament erfüllt. Fraktionsvorsitzender war der Vize-Chef des Front National, Bruno Gollnisch.
    Nach internen Streitigkeiten traten die rumänischen Abgeordneten  aus der Fraktion aus. Nach dem Verlust der Fraktionsstärke wurde die ITS am 14. November 2007 aufgelöst. Die Fraktion wollte für "nationale Identitäten und Interessen" kämpfen und lehnte den EU-Beitritt der Türkei ebenso ab wie eine "Massenzuwanderung". Man verpflichtete sich "gegenüber christlichen Werten" und befand sich außerdem in "Opposition zu einem vereinheitlichten und bürokratischen europäischen Superstaat". Die anti-demokratische und anti-europäische Haltung der ITS zeigte sich in ihrer rigorosen Ablehnung einer Europäischen Verfassung und damit der Charta der Grundrechte und der Anerkennung von Minderheitenrechten.

    Die wichtigste rechtspopulistische Gruppe in der BRD ist wohl die Pro-Bewegung, die seit Jahrzehnten besteht und vor allem in Nordrhein-Westfalen Wahlerfolge feiern konnte. Die Pro-Bewegung entstand im Jahr 1996 mit der Gründung der Wählergemeinschaft Bürgerbewegung pro Köln. Die Pro-Bewegung will sich einen seriösen Anstrich geben  und möglichst volksnah auftreten, ohne in den Verdacht einer extrem rechten und verfassungsfeindlichen Gesinnung zu geraten. Dies ist aber nur Fassade: Ein großer Teil der Mitglieder und der überwiegende Teil der Funktionäre war in der Vergangenheit zudem bei der NPD, der DVU sowie den Republikanern aktiv. So war etwa Markus Beisicht, jetziger Vorsitzender der Bürgerbewegung Pro NRW früher Landesvorsitzender der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH) in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des Bundesvorstandes der Republikaner. Auch Manfred Rouhs, Vorsitzender der Bürgerbewegung pro Deutschland, ist seit langem in der rechten Szene in Nordrhein Westfalen vernetzt und war früher Funktionär der DLVH und der NPD.

    Bis ins Jahr 2005 blieben die Aktivitäten und der Wirkungskreis auf die Stadt Köln beschränkt, allerdings hielten die Führungskader ihre Kontakte zur extrem rechten Szene, die ihre Wurzeln zum großen Teil noch aus der Zeit vor Gründung von pro Köln hatten, aufrecht. Im Jahre 2005 wurde die Bürgerbewegung pro Deutschland gegründet. 2006 bildeten als Ableger die Bürgerbewegung pro München sowie die Bürgerbewegung pro Heilbronn, die zwar als eigenständiger Verein fungiert, deren Mitglieder aber überwiegend auch Mitglied bei pro Deutschland sind. Im Jahre 2007 wurde fast ausnahmslos von Mitgliedern von pro Köln die Partei Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen (Pro NRW) gegründet, die sich bald in NRW ausbreitete, aber von Funktionären aus Köln bestimmt wird.

    Die Bürgerbewegung Pro Köln versucht sich als Sprachrohr der „schweigenden Mehrheit“ der Bevölkerung zu inszenieren, um so ihre rassistischen Thesen mehrheitsfähig zu machen. Probleme, Ängste und Vorurteile werden schlagwortartig zugespitzt, undifferenziert miteinander vermischt und Feindbilder aufgebaut, um sich selbst als moralische Instanz und politische Ordnungskraft inszenieren zu können, welche die Sorgen der Bevölkerung aufzunehmen bereit ist. Kampagnen: Zunächst werden vorhandene Missstände und Ressentiments verallgemeinert und zugespitzt und eine Ethnisierung des Sozialen betrieben, indem wahlweise Minderheiten, die „Altparteien“ oder Migranten für Probleme der Stadt Köln verantwortlich gemacht werden. Damit richtet sich Pro Köln  in seinem Selbstverständnis gegen die politische Klasse, die sie als korrupt, machtbesessen und zu wenig volksnah ansieht.

    Die Partei handelt aus der politischen Opposition heraus  und formuliert  öffentlichkeitswirksame und plakative Maximalforderungen. Die Instrumentalisierung von Schwarz-Weiß-Bildern des Politischen und groben Schemata der emotionalen Entdifferenzierung ist typisch für das Auftreten von Pro Köln.  Dabei werden komplexe Probleme in einfache, einprägsame Parolen transformiert. Theoretische Konzepte oder Verweise auf intellektuelle politische Vordenker fehlen völlig im Parteiprogramm von Pro NRW. Zumeist spitzt sich die Entdifferenzierung zu einer Norm des Freund-Feind-Denkens zu, bei der das Volk („wir hier unten“), die „Oberen“ als Gegensatz unversöhnlich kontrastiert werden. Pro Köln dagegen betont  in der Regel ihre „Bürgernähe“ im Gegensatz zur „etablierten“ Politik, wirft ihren Gegnern vor, die Probleme der „einfachen Leute“ zu ignorieren, undemokratisch vorzugehen und elitären Partikularinteressen verpflichtet zu sein. Dabei inszeniert sie sich als neue unverbrauchte politische Kraft, die auf die Stimmen von politikverdrossenen Protestwählern setzt.




[1] Vgl. dazu Priester, K.: Populismus als Protestbewegung, in: Häusler, A. (Hrsg.): Rechtspopulismus als „Bürgerbewegung“. Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien, Wiesbaden 2008, S. 19-36; Arditi, B.: Populism. Or, politics at the edges of democracy, in: Political Studies 55, 2003, S. 405-424; Di Tella, T.S.: Populism into the Twenty-first Century, in: Government and Opposition 32, 1997, S. 187-200; Jagers, J./Walgrave, S.: Populism as political communication style. An empirical study of political parties’ discourse in Belgium, in: European Journal of Political Research 46, 2007, S. 319-345; Mudde, C.: The Populist Zeitgeist, in: Government and Opposition 39, 2004, S. 541-563

 

[2] Meyer, T.: Populismus und Medien, in: Decker, F.: (Hrsg.): Populismus in Europa. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Wiesbaden 2006, S. 81-98, hier S. 81f

[3] Vgl. dazu Papadopoulos, Y.: Populism, the Democratic Question, and Contemporary Governance, in: Mény, Y,/Surel, Y.: (Hrsg.): Democracies and the Populist Challange, New York 2002, S. 81-98

 

[4] Betz, H.-G.: Rechtspopulismus. Ein internationaler Trend?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Band 9-10, 1998, S. 3-12, hier S. 4

[5]Jagers, J./Walgrave, S.: Populism as political communication style. An empirical study of political parties’ discourse in Belgium, in: European Journal of Political Research 46, 2007, S. 319-345, hier S. 325

[6] Canovan, M.: Taking Politics to the People. Populism as the Ideology of Democracy, in Mény, Y./Surel, Y. (Hrsg.): Democracies and the Populist Challange, New York 2002, S. 25-44, hier S. 27

[7] Betz, H.-G.: Rechtspopulismus. Ein internationaler Trend?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Band 9-10, 1998, S. 3-12, hier S. 5

[8]Geden, O.: Identitätsdiskurs und politische Macht. Die Mobilisierung von Ethnozentrismus zwischen Regierung und Opposition am Beispiel der FPÖ und SVP, in: Frölich-Steffen/Rensmann, L. (Hrsg.): Populisten an die Macht. Populistische Regierungsparteien in Ost- und Westeuropa, Wien 2005, S. 71-85, hier S. 78

[9] Rensmann, L.: Populismus und Ideologie, in: Decker, F. (Hrsg.): Populismus in Europa. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Wiesbaden 2006, S. 59-80, hier S. 65

[10] Reinfeldt, S.: „Wir für Euch“. Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in Zeiten der Krise, Unrast Verlag, Münster 2013, S. 50ff

[11]Di Tella, T.S.: Populism into the Twenty-first Century, in: Government and Opposition 32, 1997, S. 187-200, hier S. 196

[12] Reinfeldt, S.: „Wir für Euch“. Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in Zeiten der Krise, Unrast Verlag, Münster 2013, S. 80f

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