Infoveranstaltung zu Wohnunterkünften am 02.11.15 in HH-Billstedt

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Rassistische Hetze gegen geplante Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg-Billstedt
Bericht zur Bürgerversammlung am 02.11.2015

 

 

 

Mit großer Sorge und auch Angst haben wir bisher die Mobilisierung der Rassist_innen in unserem Umfeld im Stadtteil Hamburg-Billstedt beobachtet, unterschätzten jedoch zugegebenermaßen das Potential. Wir waren und sind schockiert über diesen unverhohlenen, salonfähigen Rassismus und Hass, sowie das Anbiedern der Redner- und Politiker_innen vor Ort. Dieses macht nur wieder deutlich, dass Rassismus und deutsche Zustände nicht Probleme Ostdeutschlands sind, sondern Probleme der Gesellschaft, wie sie derzeit existiert. Außerdem zeigt es ebenfalls auf, wie wichtig das Agieren einer radikalen Linken nicht nur in Szenevierteln wie der Sternschanze, St. Pauli, Wilhelmsburg etc., sondern vor allem auch in Hamburger Randgebieten ist! Es zeigt deutlich, dass diese Entwicklung kritisch beobachtet und ihr Einhalt geboten werden muss. Dieses Volk, welches auf der unten beschriebenen Bürgerversammlung vor Ort war, wird sich nicht mit einer Infoveranstaltung begnügen, es wird Demonstrationen, Flyer und Gerichtsverfahren initiieren. Es ist bereits klar, dass ein Anwalt gegen die Bebauungspläne vorgehen soll.

 

Um eine anwesende Person zu zitieren: „Wutbürger wäre zu nett als Bezeichnung. Da war ein Mob, welcher ohne Scham für jedes rassistische Vorurteil applaudierte.“ Eine subjektive Wahrnehmung von auf der Sitzung Anwesenden ist, dass es aus dieser Gruppe heraus auch zu militanten Angriffen auf Migrant_innen, Geflüchtete und nicht in ihr Weltbild passende Menschen kommen könnte.

 

Daher bitten wir darum, dass dieser Bericht möglichst großflächig geteilt wird und hoffen bereits jetzt auf eure Unterstützung bei kommenden Veranstaltungen, die diese Thematik nach sich ziehen wird! Es gibt kein ruhiges Hinterland!

 

 

 

Zur Lage in Billstedt

 

Im Hamburger Randbezirk Billstedt werden wie bereits bekannt zwei Flächen (ein landwirtschaftlich genutzter 20 Hektar großer Standort am Haßlohredder und ein etwa acht Hektar großes Areal am Haferblöcken direkt am Öjendorfter See) für einen möglichen Wohnungsneubau für Flüchtlinge geprüft. Seit Bekanntwerden dieser Bebauungspläne ist im Billstedter Raum eine Mobilisation durch Anwohner_innen gestartet worden, die ihre rassistische Grundhaltung in Form von Flyern, Plakaten sowie der Homepage http://www.öjendorfer-park.org/ verbreiten und sich darüber hinaus in einer Facebookgruppe koordinieren. Einige O-Töne, die sich auf der HP finden, illustrieren dies eindrucksvoll:

 

„Wenn man den Anwohnern eine so große Menge an „Fremden“ vor die Nase setzt, wird es keine Akzeptanz geben. Die Bürger werden sich von diesen Fremden abwenden und die Fremden werden für immer Fremde bleiben.“

 

„Die Stadt möchte mit dieser Siedlung ein Vorzeigeprojekt schaffen und wird das Gegenteil von dem erreichen, was sie vorhat. Hat die Stadt einmal darüber nachgedacht, dass diese Bilder um die Welt gehen werden und noch mehr Flüchtlinge motivieren, nach Hamburg zu kommen? Hat die Stadt darüber nachgedacht, wie sich Deutsche und die Migranten, welche sich über Jahre mit Mühe ihr Leben aufgebaut haben und sich dennoch keine Unterkunft, direkt in einem „ehemaligem Naturschutzgebiet und direkt am See, leisten können, dabei fühlen? Meint die Stadt wirklich, dass dies zu ihrer gewollten „Integration“ beiträgt? Wenn die Stadt mit dieser Unterbringung, die eigene Bevölkerung zu Menschen zweiter Klasse macht und dafür auch noch, die hart erarbeiteten Steuergelder dieser Menschen zweiter Klasse, für dieses Projekt verwendet, dann muss die Stadt sich über den Unmut der Bürger nicht wundern.“

 

„Die derzeitige Politik, welche augenscheinlich nicht nur den Überblick über die Gesamtsituation, sondern auch den Blick für die Realität verloren hat, wird am Ende die von ihm im Stich gelassenen Bürger, in die Fänge der NPD treiben. Werte Politiker von Rot-Grün, wenn Sie nicht in der Lage sind, diese Gefahren zu erkennen, dann zeigen Sie wenigstens Verantwortung und überlassen Sie den Politikern das Ruder, welche echte Bürgerpolitik betreiben und nicht das Potenzial der rechten Wähler erhöhen möchten.“1

 

 

 

Bürgerversammlung zu Wohnunterkünften in Öjendorf

 

Am gestrigen Montag, 02.11.15 wurde nun eine Infoveranstaltung zu Wohnunterkünften in Öjendorf durch Vertreter_innen der Stadt abgehalten. Schon im Vorfeld mobilisierten Rassist_innen großflächig dafür (s. angehängter Flyer vom 24.10.2015).

 

Als wir gegen 19:00 dort eintrafen, waren schon einige hundert Menschen dort versammelt, es wurden Flyer der SPD und der besorgten Bürger_innen-Initiative verteilt. Auch wir verteilten Flyer, den wir als Antwort auf den der Initiative verfasst und in Briefkästen von Anwohner_innen im Vorfeld verteilt haben (ebenfalls angehängt).

 

Als die Veranstaltung begann, hielt Andy Grote (SPD) einen Vortrag, weitere Politiker_innen und andere Organisationen stellten ebenfalls die Pläne vor. Von Anfang an war die Stimmung (wie man es bereits von solchen Versammlungen kennt) durch hetzerische Zwischenrufe, Gepfeife etc. geprägt, sobald sich eine_r der Redner_innen für die Unterkunft aussprach. Während Grote sich für die Bebauungspläne der Stadt aussprach, distanzierte sich ein Sprecher der CDU davon, dies wurde selbstverständlich unter Applaus begrüßt.

 

Neben den Entgleisungen des deutschen Volksmobs machte auch die SPD natürlich keine gute Figur. Grote und andere Redner_innen biederten sich immer weiter an, u.a. mit Sätzen wie „Alles muss geregelt sein, deswegen ist die Sicherheitsfrage (Schutz vor Geflüchteten nicht FÜR Geflüchtete, Anm. d. Verf.) auch so wichtig“, welche das rassistische Vorurteil des „kriminellen Ausländers“ befeuerten. Außerdem wurde versprochen, es würden nicht nur junge Männer dort wohnen, die ja ein „Problem“ seien, sondern es würden ausdrücklich Familien und Menschen mit Ausbildung als Bewohner_innen gesucht. Die Äußerung durch Grote, dass viele unter den (jungen) Geflüchteten eine Ausbildung oder einen erlernten Beruf hätten, ließ den Volkszorn dann zum ersten Mal verbal völlig eskalieren.

 

Als Grote davon sprach, dass keine „Ghettoisierung“ stattfinden würde und in Aussicht stellte, dass dort keine reine Wohnanlage gebaut würde, sondern viele Einrichtungen, die dort entstehen würden, auch eine Bereicherung für die bisherigen Anwohner_innen darstellten, wurde ihm nur ein hämisches „Ach! Für die Flüchtlinge geht das alles auf einmal!“ entgegen gebracht, was durch Pfeifen und Buh-Rufe untermalt wurde. Im Zuge des Vortrags kam es immer wieder zu Zwischenrufen wie „Ich hätte auch gerne eine neue Wohnung!“. Insgesamt ließ sich feststellen, dass nicht nur die übliche Angst vor Abwertung der eigenen Immobilie vorhanden war, sondern tatsächlich vollkommen abstruser Sozialneid auf die Geflüchteten, da diese eine angeblich so privilegierte Wohnlage von der Stadt „geschenkt“ bekämen, während die eigenen „hart arbeitenden Steuerzahlenden“ zu Bürger_innen „zweiter Klasse“ gemacht würden, da diese sich diese Lage für ihr Eigenheim nicht leisten könnten. Es wurde gefragt, warum Billstedt eigentlich „immer die Müllkippe“ sei – auch Grotes Hinweis, dass diese Aussage Flüchtlinge soeben mit Müll gleichgesetzt hat, führte zu keiner Relativierung dieser kaum zu überbietende rassistischen Bemerkung.

 

Hinter uns stand eine Frau, welche die komplette Veranstaltung per Handy aufzeichnete. Als sie erzählte, dass sie sich in dieser Gegend ein Haus gekauft hätte, begann sie zu weinen, um kurze Zeit später den Grund „Wenn es nicht mehr deutsch sein sollte, hätte ich auch in Altona bleiben können“ zu nennen. Eben diese Frau beschimpfte uns als Gutmenschen und raunte einer Freundin zu „Ich will aber nicht, dass meine Kinder dort wohnen (in Öjendorf, Anm. d. Verf.), sie sollen ja auch christlich bleiben!“.

 

Den wohl größten Applaus des Abends bekam allerdings eine Muslima, die sich als „international lebende“ (u.a. erwähnte sie Ägypten als bisherige Station) vorstellte. Sie prophezeite, dass keine Integration stattfinden würde, weil „Frauen nur zweimal das Haus verlassen dürften: um bei ihrem Mann einzuziehen und in einem Sarg.“ Damit kenne sie sich als Muslima ja aus. Die Frauen würden sich nicht integrieren wollen. Und: „Ich nichts brauchen Deutsch“ – für diese krasse Förderung antiislamischer Vorurteile bekam sie unglaublichen Zuspruch aus den Reihen der Bürger_innen.

 

Neben besorgten Bürger_innen war auch mindestens ein bekennender Neonazi im Publikum zu erkennen, der ungeniert in Thor Steinar-Kluft unter den Bürger_innen Stimmung machte. Jedoch muss festgehalten werden, dass wenn auch nicht eine größere Gruppe an offenen Neonazis erkennbar war, bei einer Personenzahl von ca. 700 Menschen neben unserem Grüppchen bloß noch einzelne Vertreter_innen der Grünen sowie eine Handvoll Anwohner_innen anwesend waren, die sich schockiert über den herrschenden Rassismus zeigten. Die gesamte Menge von sage und schreibe 700 Leuten applaudierte dagegen zu Sätzen wie „Dann bring deinen Kindern schon mal Arabisch bei!“ oder „Wie sollen die sich denn integrieren, wenn 99 oder 100% dagegen sind?“ Als schließlich in der Fragerunde eine Person aus unserem Kreis auf die Stimmung der Veranstaltung bezogen fragte, inwiefern für den Schutz der Geflüchteten gesorgt würde, kam die empörte „Wir sind doch keine Nazis, aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“-Fraktion zum Vorschein. Nach Identifikation der Person kam es zu Beleidigungen und Rempeleien ihr gegenüber, außerdem wurde hörbar getuschelt, dass sich das Gesicht dieser Person gemerkt wurde. Unsere Mitstreiter_innen, die im Wirkungsbereich der Initiative und auch in der Nachbarschaft bekennender Neonazis leben, müssen nun vermehrt um ihre Sicherheit fürchten.

 

Kurze Zeit später endete die Versammlung.

 

 

 

Antinationale Gruppe Hamburg

(www.aghhblog.wordpress.com)

 

1 Alle Zitate: http://www.öjendorfer-park.org/buergerfragen.html (Stand: 03.11.2015)

 

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Ergänzungen

Ich bin fassungslos, wie uns die Worte in den Mund gelegt werden. Wir sind weder links noch rechts, wenn Sie aufmerksam zugehört haben, geht es einzig und alleine darum eine neues Ghetto zu verhindern.  Im Hamburger Bebauungsplan stehen Plätze für insgesamt 12.000 neue Wohnungen an verschiedenen Stellen. Warum nimmt man nicht aus diesem Pool die Wohnungen die für Flüchtlinge. Wir sind nicht gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, sondern für eine intergrationsmachbare Verteilung. Wenn man 3000 - 4000 Flüchtlinge auf einem Haufen ohne Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen etc. ansiedelt, wie sollen die sich intergrieren können ? Wir wohnen in einem Stadtteil mit schon fast 60% Migrationshintergrund und genausso war auch die Verteilung in der Informationssitzung. Wie können Sie wagen, diese Menschen als rechts und Nazis zu verhetzen.

Wir können wenigstens aus eigener Erfahrung reden, wo wohne Sie ? Im feinen Ottensen, Eimsbüttel oder Winterhude ? Wenn Sie sich eine Meinung bilden, dann doch wenigstens fundiert.

Wir leben mittlerweile in einem Land, in dem man nicht mal die kleinste Kritik an der Asylpolitik aussprechen kann, ohne gleich als Nazi bezeichnet zu werden. Das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Und hat auch nichts mit den Werten zu tun, auf die wir hier doch immer so stolz waren.

 

Und nochmal betont : In der Sitzung saßen hunderte Menschen MIT Migrationshintergrund, und denen jetzt einen fremdenfeindlichen Hintergrund in den Mund zu legen, ist eine absolute Frechheit !!!

 

Und falls Sie es auchmal bemerkt haben, es sind komischer weise immer die Linken Gegendemonstranten die die friedlich demonstrierenden Bürger angreifen, die Polizisten bewerfen und jedes Jahr im Schanzenviertel aus Jux und Dollerei alles anzünden und kaputt machen.

 

Wir sind nur ganz normale Bürger , die ein Recht auf Meinungsäußerung und Kritik haben !!!

Mama Gump sagte: "Dumm ist, wer Dummes tut."
Sascha Lobo sagt: "Rechtsradikal ist, wer Rechtsradikales sagt. Unabhängig davon, ob die Person es selbst wahrhaben möchte oder nicht."

Über den Umgang mit Latenz-Nazis und den trefflichen Einsatz der "Nazikeule", nicht um ihnen den Scheitel, sondern umklare Grenzen zu ziehen: Die Mensch-Maschine