Thügida muss zurücklaufen

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175 Nazis, viele Gegendemonstrant_innen, unübersichtliche Lage, zwei Blockaden und Eier auf Patrioten

Nur 150-200 Teilnehmer fanden gestern abend den Weg zur ersten "Thügida"-Kundgebung im Erfurter Plattenbaugebiet Rieth. Als "Thüringer gegen die Islamisierung des Abendlandes" standen wie zu erwarten vor allem Nazis auf der Straße. Schon der Duktus der Reden -- Adolf-Hitler-Ähnlichkeitswettbewerb mit deutlichem Dialekt -- und die musikalische Untermalung -- Heino singt -- macht die Gruppierung für moderat rechte Bürger_innen wenig anschlussfähig. Der Ort der Auftaktkundgebung, die Einfahrt zu einem Industriebetrieb, tut das seine dazu.

Alldieweil stehen 300m entfernt vor einer Flüchtlingsunterkunft viele Menschen aller Altersgruppen und politischen Lager und bekunden ihre Solidarität mit den Geflüchteten. Man hört "We shall overcome" und "Nie wieder Deutschland", auf "Refugees are welcome here" können sich alle einigen. Zu Beginn ist die Kundgebung auf einem Parkplatz in einem hübschen Käfig aus Hamburger Gitter eingesperrt, aber nach und nach sammeln sich außerhalb immer mehr Menschen. Die Polizei unternimmt halbherzige Schritte, die Demonstrant_innen in den Käfig zu verweisen, aber die schiere Menge und das großflächige Gelände macht das schwierig. Ebenso halbherzig versuchen einzelne Demonstrant_innen, zu den Nazis vorzustoßen: Obwohl ein breites Areal reichlich Platz bietet, arbeitet man sich an der Polizeikette ab, statt sie in der Breite zu umfließen.

So können die Nazis um 19 Uhr loslaufen. Zu dieser Zeit tönen sie noch, dass sie an der Flüchtlingsunterkunft vorbei laufen wollen, aber die unübersichtliche Lage dort macht schon klar, dass das nichs werden wird. Und die Lage wird unübersichtlicher. In beide Richtungen entfernen sich Menschen von der Kundgebung und bilden Blockaden, sodass die Nazis nach einigem Gejammere schließlich ihre Route verkürzen müssen. Auf dem Weg zurück zur Abschlusskundgebung fliegen noch einige Eier auf die Patrioten, pardon: "Patriodne", wie man in Südthüringen sagt.

Eigentlich war angekündigt, dass Thügida ab jetzt jedem Montag in einer anderen Stadt demonstriert. Ob das nach dieser Schlappe noch was wird, ist unklar. Das Problem Rassismus bleibt auf vielen Ebenen bestehen. Dass im Rieth eine Sammelunterkunft eröffnet wird, in der die Geflüchteten als Gruppe sichtbar werden, statt sie in Einzelwohnungen unterzubringen, wo sie einfach Nachbar_innen sind, haben nicht die Nazis zu verantworten, sondern die Stadt Erfurt.

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