Fotos: Oury Jalloh Demo 2019 in Dessau

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Auch in diesem Jahr beteiligten sich mehr als 1.000 Menschen mit viel Power an der jährlichen Gedenkdemonstration für Oury Jalloh in Dessau.
Eine Fotoseite auf der neuen Website von Umbruch Bildarchiv unter: https://umbruch-bildarchiv.org/oury-jalloh-demonstration-2019/

Am 7. Januar 2005 verbrannte Oury Jalloh an Händen und Füßen gefesselt im Dessauer Polizeigewahrsam. 14 Jahre lang haben Polizei-, Justiz- und Politik die Aufklärung der Ermordung von Oury Jalloh im Polizeigewahrsam sowie die Aufklärung von zwei weiteren Todesfällen im Dessauer Polizeirevier verweigert. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“, die Black Communities und viele solidarische Menschen sorgen dafür, das der Feuertod von Oury Jalloh auch nach 14 Jahren nicht vergessen wird.

Presseerklärung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh:

Der Mord ist faktisch belegt – Justiz verweigert aber weiterhin Aufklärung!

Heute vor 14 Jahren verbrannte Oury Jalloh in der Zelle 5 des Dessauer Polizeireviers. Brand- und Todesursache sind weiterhin ungeklärt. Ginge es nach der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg, dann könnte der Fall mit dem Prüfungsvermerk vom 17.10.2018 endgültig zu den Akten gelegt werden. Doch dieser Vermerk selbst ist nur ein weiterer offenkundiger Beleg dafür, dass die Justiz in Sachsen-Anhalt die Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh hartnäckig verweigern möchte. Die verantwortlichen Oberstaatsanwälte Wetzel und Blank schließen einen Mord kategorisch aus und ignorieren konsequent die tatsächliche Fakten- und Beweislage.
(http://live0.zeit.de/infografik/2018/MEDIEN_Pruefbericht.pdf)

Gabriele Heinecke, Anwältin der Familie von Oury Jalloh, hat am 4. Januar 2019 fristgerecht Antrag auf Klageerzwingung beim Oberlandesgericht Naumburg gestellt.

Der Antrag beinhaltet wissenschaftlich fundierte Fakten, die deutlich beweisen, dass Oury Jalloh sich eben nicht selbst angezündet haben kann. Zum Prüfvermerk der Generalstaatsanwaltschaft erklärt Heinecke: „Es mag sein, dass der Verfasser des Vermerks „sämtliche hier zur Verfügung stehenden Ermittlungsakten und sonstige Unterlagen durchgesehen“ hat. Allein das führt aber nicht zur Erkenntnis“. Sie kritisiert, dass in diesem Vermerk weder eine Auseinandersetzung mit den wichtigsten Hinweisen auf eine Brandlegung durch Dritte, nämlich dem Gutachten zum Feuerzeug stattfindet, noch eine Auseinandersetzung über die von dem Sachverständigenkreis herausgearbeiteten Tatsachenfeststellungen dazu, dass Oury Jalloh aufgrund der rechtsmedizinischen und brandsachverständigen Erkenntnisse gar nicht in der Lage gewesen sein konnte, ein derartiges Feuer selbst zu entzünden. Heinecke bewertet daher den Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft als „Versuch, durch Unterschieben von „Mordkomplott“-Theorien davon abzulenken, dass es inzwischen eine objektive Beweislage gibt, die sich von den Erkenntnissen des Landgerichts Magdeburg am 13.12.2012 unterscheidet. Nicht zuletzt der von der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg selbst eingeholte Prüfbericht vom 12.07.2018 des Büros für Brandschutz (Pasedag) streitet gegen die für die Einstellung des Verfahrens vorgetragenen Argumente. […] Der Prüfbericht des Sachverständigen Pasedag weist – erneut – nach, dass ohne den Einsatz von Brandbeschleunigern das am 7. Januar 2005 vorgefundene Brandbild nicht erreicht werden kann.“ Der Antrag zur Klageerzwingung beinhaltet zudem die Begründung eines hinreichenden Tatverdachts gegen zwei damalige Polizisten des Dessauer Polizeireviers. Sollte das Oberlandesgericht Naumburg dem Antrag von Rechtsanwältin Heinecke stattgeben, wäre gegen diese zwei Beamten sofort Anklage wegen Mordes zu erheben.

Bereits am 30. Dezember 2018 hatte Beate Böhler, ebenfalls Anwältin der Familie von Oury Jalloh, Anzeige wegen Mordes gegen zwei konkret benannte Dessauer Polizeibeamte beim Generalstaatsanwalt in Naumburg gestellt.

„Weil Oury Jalloh sich aus den genannten Gründen nicht selbst angezündet haben kann, kommen als Täter nur Personen in Betracht die zur fraglichen Zeit Zugang zur Zelle 5 des Polizeireviers Dessau hatten.“, schlussfolgert Böhler. „Die Beschuldigten haben auch ein Motiv. Während ihres Einsatzes erlitt Oury Jalloh zumindest Gesichtsverletzungen. Die von den Beschuldigten zur Entstehung dieser Verletzungen abgegebenen Erklärungen stimmen nur teilweise überein. Sie gleichen den in Fällen von rechtswidriger Polizeigewalt immer wieder vorgebrachten Schutzbehauptungen angeblicher Selbstverletzungen der Opfer, durch Schlagen des Kopfes vor die Wand und auf den Tisch. Die Verbrennung war geeignet, Feststellungen zum Verletzungsbild, die diese Behauptungen widerlegen und eine Misshandlung des Getöteten durch die Beschuldigten nachweisen könnten, zu vereiteln. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt, war insbesondere vor dem Hintergrund, der Fälle Rose und Bichtemann wahrscheinlich. Bichtemann war im Jahre 2002 in der Zelle 5 im Polizeirevier Dessau-Roßlau zu Tode gekommen. Diese Motivation erfüllt das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht gemäß § 211 StGB.“
(Die Anwältinnen der Familie von Oury Jalloh: https://youtu.be/djlgrLEChdQ)

Die Internationale Unabhängige Kommission ermittelt im Oury-Jalloh-Komplex

Unabhängig davon, welche Entscheidungen auf juristischer Ebene getroffen werden, wird die Familie von Oury Jalloh und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh ihren Kampf für Aufklärung und Gerechtigkeit intensiv fortsetzen. In diesem Sinne hat die Initiative im Januar 2018 eine Internationale Unabhängige Kommission gegründet, die eigene Ermittlungen aufgenommen hat und juristische Bewertungen vornimmt. Vertreter*innen der Kommission haben am 23. Oktober 2018 auf einer Pressekonferenz in Berlin erste Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt. Sie sprechen vom Oury-Jalloh-Komplex, da es neben Oury Jalloh zwei weitere ungeklärte Todesfälle im Polizeirevier Dessau gibt. Hans-Jürgen Rose wurde im Jahr 1997 mit schwersten innerlichen Verletzungen unweit des Polizeireviers in der Wolfgangstrasse aufgefunden und verstarb nur wenige Stunden später im Krankenhaus. Im rechtsmedizinischen Bericht heißt es, dass polizeiliche Schlagstöcke geeignet waren, einen Großteil der sichtbaren Verletzungen verursacht zu haben. Im Jahr 2002 wurde Mario Bichtemann tot in der Zelle 5 aufgefunden. Er starb an einem Schädeldachbruch mit Schädel-Hirn-Blutung.
Mario Angelelli, internationaler Rechtsanwalt und Mitglied der Untersuchungskommission, erklärte zu den strukturellen Gegebenheiten im Polizeirevier Dessau: „Es war so eine Art Freizone, eine gesetzlose Zone, hier konnte alles passieren. Niemand kontrollierte. Ob gewollt oder ungewollt, Tatsache ist, dass hier die Dessauer Polizei alles machen konnte, was sie wollte. Und das Endergebnis ist, dass es drei Tote gegeben hat.“
(https://www.facebook.com/InitiativeOuryJalloh/posts/1194623750697352)

Zeugenaufruf

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh ruft alle Menschen, die ebenfalls Gewalterfahrungen im Dessauer Polizeirevier gemacht haben oder sachdienliche Hinweise haben, die für die Aufklärungsarbeit hilfreich sein können, dazu auf, mit der Internationalen Unabhängigen Kommission Kontakt aufzunehmen und diese mitzuteilen.

Informationen: https://www.ouryjallohcommission.com
Kontakt: uik.ouryjalloh2018@gmail.com

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