Gefangenengewerkschaft - und dann?

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Das Elend entmutigt und macht häßlich, und aus Elend macht man keine Revolutionen: man macht höchstens einen Aufruhr ohne Zukunft. Und deshalb drängen wir die Arbeiter alle möglichen und unmöglichen Verbesserungen zu fordern und durchzusetzen. Das heißt also, Reformen ja, aber es muß achtgegeben werden, daß sie sich später nicht als kleine Zugeständnisse von Seiten der Macht entpuppen, die die Arbeiter zufriedenstellen sollen. Nur wenn man den Endzweck immer präsent hat, können Reformen vorgeschlagen, durchgesetzt und errungen werden für eine partielle Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Aber die auf diese Weise gemachten Eroberungen sind nur eine vorübergehende Phase und können nicht als angemessenes Mittel betrachtet werden, um das festgesetzte Ziel zu erreichen.

 

(Errico Malatesta)

Vor einigen Monaten hat sich die „Gefangenengewerkschaft“ gegründet und auch ausserhalb der Knastmauern viel Unterstützung erfahren. Durch die Diskussion bzw. die Durchsetzung des Mindestlohnes für entfremdete Arbeitsverhältnisse in Deutschland erhoben sich einige Gefangene, anfangs in Tegel, um dies auch auf ihre Entlohnung innerhalb der Gefängnisindustrie zu erreichen --- selbstredend unterstützen wir diese Kämpfe und nehmen mit lautem solidarischen  Gelächter auch die Verlautbarungen der GG zur Übernahme der anstaltseigenen Druckerei in Tegel zur Kenntnis ohne nun gleich  die zwiespältige Idee einer „Mitbestimmung“ oder gar „Selbstverwaltung einzelner Betriebe“ innerhalb der Gefängnisse auch nur ansatzweise mitdiskutieren zu wollen --- es sei denn, es führt dies unweigerlich zur endgültigen Sprengung der Gefängnismauern

 

Aber bei aller nachvollziehenden Freude über die Organisierung bleiben uns doch einige nachdenkliche Falten: Was geschieht, wenn ihnen der Arbeiternehmerstatus anerkannt wird und sie dann ihre Forderungen eventuell erkämpfen müssen --- greifen die innerhalb der Gewerkschaften bekannten Kampfmittel? Und was ist eigentlich mit denen, die nicht arbeiten können/wollen? Sie können Mitglieder werden? Wozu, all die erreichten „Errungenschaften“ bleiben ihnen doch verwehrt---

So wird z.Zt. mit rechtlichen Mitteln versucht, so etwas wie eine „Arbeitsideologie“ durchzusetzen ( ein Teil der Unterstützer*innen von draussen konzentriert sich nur auf das) --- so als sei Lohnarbeit im Kapitalismus bzw. die „gerechte Bezahlung“ der Zwangsarbeit im Gefängnis das Ziel, von dem alle träumen ---glückliche arbeitende Gefangene mit Mindestlohn und Rentenversicherung, integrierbar, einsetzbar und benutzbar gegen eventl.Aufstände der Rebellischen und Isolierten ---

Es gab gerade in Tegel vor einigen Jahren, ja sagen wir ruhig vor einigen Jahrzehnten eine ähnliche Initiative --- die auch all die aufgeworfenen Fragen zumindest benannte und einige Vorschläge machte – der Unterschied: sie nannten den Kampf dafür nicht Gewerkschaft, sondern Aufstand, beschränkten sich nicht auf die Arbeiter, sondern beriefen sich in ihren Forderungen auf die Interessen aller Gefangenen --- und in diesem Sinne wünschen wir uns, daß der Kampf für die Gefangenengewerkschaft – wenn nicht von den Gewerkschaftlern selber, dann von denen, die momentan noch „daneben“ stehen – sich in den Kampf gegen die Gefängnisse und das kapitalistische System an sich wenden möge.

 

 Schwarze Hilfe i.A. September 2014   *SchwarzeHilfe@posteo.de

 

 

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 Hier nun der erwähnte Aufruf: 

Brüder!

Freunde!

Sklaven im Ausbeuterstaat Tegel!

Werdet endlich wach! Schließt euch endlich enger zusammen. Trotz einiger Rückschläge! Ihr habt jetzt das wahre Tun eurer Unterdrücker, ihrer Schergen und Handlanger selber gespürt und kennengelernt. Durch Schikanen und Knüppel mit bedrohter Pistole sollt ihr wieder resozialisiert werden.

 

Man nennt das Ruhe und Ordnung, meint aber Ausbeutung, Unterdrückung, Schikane, Provokation.

 

Was ist schon das bißchen Tabak und Kaffee für das Hungerentgeld, das du erhältst gegen:

 

1 - Vollwertige Bezahlung deiner Arbeit

2 - Freier Post- und Briefverkehr

3 - Längerer Besuch deiner Lieben, nebst Freundinnen und Freunde

4- Uneingeschränkte Information durch Presse, Funk (eigenes Radio und Fernsehen)

5- Fort mit den Vergünstigungen für Speichellecker, Schmarotzer und Denunzianten. Gleiches Recht für alle. Recht auf alle Vergünstigungen, auch für dich!

6- Bessere und ausreichende Verpflegung und nicht den billigsten Dreck, den draußen niemand mehr kaufen will, der uns aber zugemutet wird.

7- Bessere medizinische Betreuung (mehr Ärzte, Psychiater). Fort mit den Pillendoktoren, die um dich loszuwerden mit Tranquilizern = Beruhigungs- und Aufputschmittel füttern und totkurieren. Statt Librium, Valium und dergleichen mehr, brauchst du einen nicht-beamteten Seelenarzt. Nur der kann dir helfen!

 

Sieh, mein Freund, das willst du alles?

Nun denn, hilf dir selbst! Erkämpfe dir dieses alles.

Du kannst es nicht alleine? Recht hast du!

 

1- Schließt euch in Gruppen zusammen (zwei bis drei Mann). Vorsicht vor Spitzeln! (Kalfaktoren etc.)

2 - Boykottiert die Arbeit, stört den Arbeitsablauf!

3 - Wenn es sein muß, macht die Arbeitsgeräte und Maschinen zur Minna.

4 - Seid vorsichtig bei euren Einzelaktionen, hinterlaßt keine Spuren.

5 - "Erarbeitet" an eurem Arbeitsplatz Ausschußware.

 

Sieh dich an deinem Arbeitsplatz um, ehe du eine Alleinaktion startest.

Was du tun kannst?

 

1 - Werkzeuge vernichten

2 - Elektromotoren außer Kurs Setzen. Kurzschließen unter anderem.

3 - Weniger Pensen, ungenaue Arbeit.

 

Solche Aktionen bringen dir zwar keine Unmengen Kaffee und Tabak ein. Du mußt halt zurückstecken. Noch sparsamer leben als bisher. Willst du das? Dann sei aktiv! Erkämpfe dir das, was dir als Mensch vom Grunde garantiert ist. Gleichheit, Recht und Frieden.

Und nun ans Werk!

Der lange Marsch durch die Institutionen muß von innen beginnen.

Du bist ein Mensch? Kämpfe!

 

Wer resigniert, ist schon tot.

 

 

 

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