Gostenhof wurde gefragt - Antworten sind da!

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Am 5. August wurden die Ergebnisse der Umfrage „Gostenhof ist gefragt - Antworten müssen her“ im Rahmen einer gut besuchten Kundgebung am Jamnitzer Park zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Vor Pressevertretern und etwa 70 Teilnehmenden wurde in Redebeiträgen eine kommentierte Auswertung vorgestellt und eine Ausstellung eröffnet, die die Ergebnisse unserer Umfrage zusammenfasst. Mit dem Flugblatt, das ihr in den Händen haltet, wollen wir nun allen GostenhoferInnen, die an der Kundgebung nicht teilnehmen konnten, eine Zusammenfassung der Auswertung zukommen lassen und einen Ausblick geben, wie es nun weitergehen soll.

Einige Worte zur Einleitung

Ihr habt es ja selbst gemerkt: seit Jahren steigen die Mieten, sind in manchen Gegenden für die Mehrheit der Bevölkerung kaum mehr zu bezahlen und es wird vielerorts schwieriger überhaupt eine bezahlbare Wohnung zu finden. Auf der anderen Seite wird städtischer und staatlicher Grund und Wohnraum weiter verschleudert, sprich privatisiert, wird luxussaniert, werden teure Nobelbauten aus öffentlichen Geldern gefördert und es stehen Wohnungen aus Spekulationsgründen leer. Besonders hart getroffen vom Geschäft mit der Ware Wohnraum, werden die BewohnerInnen alter Arbeiter-Stadtteile wie unser Gostenhof einer ist. Als In-Viertel wird Gostenhof von der Politik und der Immobilien-Wirtschaft vermarktet; die alten BewohnerInnen sollen verdrängt werden, Zahlungskräftigeren weichen. „Gostenhof ist gefragt - Antworten müssen her“ unter diesem Motto waren deshalb Frageteams der „organisierten autonomie“ (OA) und der Initiative „Mietenwahnsinn stoppen“ vom 12. Mai bis zum 14. Juli im Stadtteil unterwegs und führten die Umfrage durch. Über 1000 GostenhoferInnen wurden zu den Themen Gentrifizierung, steigende Mieten und Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg, befragt. Da es sicherlich viele interes siert, wie und warum diese Umfrage zu Stande kam, haben wir hier zuerst die wichtigsten Informationen noch einmal zusammengefasst.

Warum eine Umfrage?

Angesichts der in Gostenhof vorangetriebenen Umstrukturierung, die unseren Stadtteil verändern soll, die unsere Wohn- und Lebensbedingungen radikal verändern und unsere Mieten in immer neue Höhen treiben wird - wenn wir uns nicht gemeinsam zur Wehr setzen, wollten wir mit unserer Umfrage einen Anfang machen, wollten aufstehen...

  • Ziel der Umfrage war es, die Diskussion im Stadtteil anzuschieben. Es sollte endlich gemeinsam über Gentrifizierung, hohe Mieten und Verdrängung geredet werden. Die völlige Abwesenheit von Möglichkeiten der Mitsprache und kollektiven Mitwirkung bei der Gestaltung unseres Stadtteils sollte thematisiert werden und es sollte über unsere Möglichkeiten, über Widerstand und lohnende Ziele diskutiert werden
  • Die Umfrage sollte allen die Möglichkeit geben mitzureden, Standpunkte, Informationen, ihre Meinung einzubringen. So sollte aus der Umfrage und aus der Debatte um diese eine Verständigung der GostenhoferInnen über den Stand der Dinge und über drängenste Probleme und Lösungsmöglichkeiten herbeigeführt werden.
  • Kurzum geht es mit der Umfrage darum, unserem Stadtteil eine gemeinsame erarbeitete Grundlage und damit eine Stimme zu geben ohne Dissonanzen und abweichende Töne zu verheimlichen. Eine gemeinsame Grundlage, von der aus wir in Zukunft handeln können, den Kampf gegen hohe Mieten und Vertreibung, gegen Gentrifizierung und die diktatorische Gestaltung unserer Wohn- und Lebensverhältnissse gemeinsam führen können - eine gemeinsame Stimme der Mehrheit Gostenhofs für gemeinsame Interessen, Ziele und die Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft.

Wie sind wir vorgegangen?

Als Erstes wurde lang über den Fragebogen diskutiert. Drei Angaben zu persönlichen Verhältnissen konnten schließlich gemacht werden und acht Fragen waren zu beatworten. 1000 GostenhoferInnen aus allen Teilen und Ecken des Stadtteils planten wir zu befragen. Es sollte keine weitere Vorauswahl getroffen werden, noch sollte die Ansicht der Person, Herkunft, Geschlecht oder gesellschaftliche Stellung zu einer Teilnahme berechtigen oder von dieser ausschließen. Mitmachen konnten also alle. Wir haben Gostenhof in drei Zonen eingeteilt. Bevor die Befragungen begannen, wurden Flyer in allen Briefkästen der Zone verteilt, die uns ankündigten und den Sinn und Zweck des Ganzen vorstellten. Um bei den Befragungen erkannt zu werden, haben wir Aufdrucke mit dem Aktionslabel „Gostenhof ist gefragt - Antworten müssen her“ und unseren Organisationslogos getragen. Sechs FragerInnen waren schließlich unterwegs, sie wurden von ca. 15 weiteren unterstützt, die sich punktuell beteiligten. Neben dem Klingeln an Wohnungstüren, waren wir auf Events im Stadtteil unterwegs, haben Kneipentouren und angekündigte Infostände gemacht, waren auf Plätzen präsent oder einfach in den Straßen unterwegs. Und am Schluss auch ganz schön platt

Wie war die Resonanz und Beteiligung der GostenhoferInnen?

Eure Beteiligung war umwerfend und es ist schnell klar geworden, dass es großes Interesse an den aufgeworfenen Fragen gibt. Wir wurden immer wieder von Leuten, bei denen wir klingelten, bereits erwartet. Menschen kamen zu Infoständen um ihren Fragebogen auszufüllen, andere gaben welche beim Stadtteilladen Schwarze Katze ab. Dass die Umfrage dennoch lange gedauert hat, lag an unseren Kapazitäten und daran, dass jede einzelne Befragung relativ zeitaufwendig ist. Ansonsten können wir nicht klagen: unsere BefragerInnen wurden zu Eis und kühlen Getränken eingeladen. Wir haben Kontakte geknüpft, interessante Diskussionen geführt, Infos bekommen und und und... Nach neun Wochen war es schließlich geschafft und jetzt ist die Auswertung da! Danke allen, die mitgemacht haben!

Gostenhof wird seit einiger Zeit von Hausbesitzern, Maklern, Bauspekulanten und der Politik als „In-Viertel“ angepriesen. Ziel ist es, dadurch höhere Gewinne mit Vermietung und Verkauf von Wohnungen zu machen. Welche von den folgenden negativen Veränderungen hast du in unserem Stadtteil (Gostenhof) wahrgenommen? Es ist hier möglich mehrere Antworten anzukreuzen

steigende Mieten, die immer schwieriger zu bezahlen sind67867%es ist mittlerweile schwer, hier überhaupt eine bezahlbare Mietwohnung zu finden70570%alteingesessene Läden und Kneipen werden durch schickere und teurere verdrängt, die sich viele Gostenhofer/-innen nicht leisten können48448%viele, die sich die neuen Preise einfach nicht leisten können, müssen sich immer mehr einschränken, sind weggezogen oder werden wenn es so weitergeht irgendwann vertrieben58858%keine869%keine Angaben, weiss nicht121%

Kommentar zu Frage 1

Proteste gegen Gentrifizierung, steigende Mieten und Verdrängung in Gostenhof werden von der Propaganda der Stadtverwaltung, der Sozialdemokratie und anderen seit langem als Hirngespinst von Minderheiten abgetan. Keine Erkenntnisse heißt es dann meist lapidar. Ganz andere Erfahrungen und Erkenntnisse besitzt jedoch die Mehrheit der GostenhoferInnen. Sie schätzen ihre persönliche Lage, wie die mittlerweile in Gostenhof herrschenden Verhältnisse, recht nüchtern und realistisch als schlecht ein. Die negativen Veränderungen in den letzten Jahren werden augenscheinlich von einer großen Mehrheit der Bevölkerung wahrgenommen. Wohnungsmangel, steigende Mieten, wie die Notwendigkeit sich für die Miete einschränken zu müssen oder gar das Risiko aus finanzieller Knappheit verdrängt zu werden, werden als existente und präsente Probleme wahrgenommen. Mit Abstand sehen immer noch viele auch die Veränderungen in der Kneipenlandschaft und die Verdrängung alteingesessener Läden negativ. Keine negativen Veränderungen kann oder will dagegen nur eine Minderheit der Teilnehmenden erkennen. Unter diesen gaben einige freiwillig an, von diesen Veränderungen z.B. als Hausbesitzer zu profitieren.

Fühlst du dich von dieser Entwicklung bedroht?

ja53653%nein42142%keine Angaben, weiss nicht495%Kommentar: zu Frage 2

Über die Hälfte der an der Umfrage beteiligten GostenhoferInnen fühlt sich also persönlich durch die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt im Stadtteil bedroht. Das ist eine stolze Zahl, berücksichtigt Mensch, dass es sich hier nicht um irgendwelche randständigen Ängste handelt, sondern um eine aufgrund der gezielt vorangetriebenen Mietpreisentwicklung einsetzende zentrale Bedrohung der Wohn- und damit Lebensverhältnisse einer offensichtlich in Gostenhof vorhandenen gesellschaftlichen Mehrheit. Wir denken, diese Zahl ist durchaus erschreckend. Und wir meinen, das Ergebnis trügt sogar noch: War doch vielfach bei den Befragungen zu beobachten, dass die Leute hier sich selbst gegenüber sehr kritisch waren und sofern sie nicht zu den absolut Geringverdienenden gehörten, vielfach darauf verzichteten sich bereits als persönlich bedroht einzugruppieren. Ein Grund hierfür könnte die bekannte Tatsache sein, dass viele Menschen sich nicht bedroht fühlen möchten, da sie sich nicht selbst als Opfer sehen wollen. Nach der Dauerangst um den Job und Lohn nun also auch noch die Angst um die Wohnung. Sieht es so aus, das bürgerliche Dasein, dass die gesellschaftliche Minderheit, die von den Gesetzen der sogenannten Marktwirtschaft profitiert, allen anderen in Zukunft zumuten möchte? Wir meinen ohne uns!

Höhere Gewinne mit Wohnraum sind dort zu erzielen, wo die bisherigen Bewohner/-innen verdrängt und zahlungskräftigere Mieter/-innen bzw. Käufer/-innen geworben werden. In Stadtteilen von Hamburg, Berlin, München und anderswo läuft dieser Gentrifizierung genannte Prozess längst. Die alte Bevölkerung wird immer mehr verdrängt und muss an den Stadtrand ziehen. Glaubst du, dass uns Gostenhofer/-innen dasselbe droht, wenn es so weitergeht?

ja84284%nein11712%keine Angaben, weiss nicht474%Kommentar zu Frage 3

Folgerichtig zur Entwicklung in Gostenhof und zum bisherigen Verlauf dieser Auswertung, zeigt sich bei der Frage, ob auch in Gostenhof eine Entwicklung wie in Berliner, Münchner und Hamburger Stadtteilen droht, eine absolute Mehrheit davon überzeugt, dass nach der Preisexplosion in den Metropolen, in denen heute Spitzenpreise für Wohnraum bezahlt werden müssen, mittelfristig diese durch die Gentrifizierung vorangetriebene Entwicklung sicherlich auch um Stadtteile von Großstädten wie Nürnberg keinen Bogen machen wird. Andere waren hier eher skeptisch und scheuten den direkten Vergleich mit Kreuzberg oder St. Pauli und stimmten deshalb mit Nein, woraus sich die relativ hohe Anzahl der Nein-Stimmen erklärt.

Viele Grundstücke, alte Häuser und ganze Wohnblöcke werden hier von Spekulanten/-innen, Investoren/-innen oder großen Firmen aufgekauft, neu bebaut oder luxussaniert. So entstehen Eigenheime und Mietwohnungen, die für die meisten Gostenhofer/-innen nicht bezahlbar sind. Das finde ich:

nicht gut und/ oder eine Schweinerei91791%nicht gut48548%eine Schweinerei46546%egal545%keine Angaben, weiss nicht353%Kommentar zu Frage 4

Bei kaum einer Frage war der in Gostenhof herangewachsene Unmut so deutlich während den Befragungen zu Tage getreten, wie bei dieser. Ein Großteil der Bevölkerung hat verstanden, dass unabhängig davon ob alle BewohnerInnen dieser Luxusimmobilien sich subjektiv im Lager der Gentrifizierer verorten, diese Wohnblöcke der Gentrifizierung unseres Viertels dienen. Ihre BewohnerInnen und ihr Freizeitverhalten sorgen dafür, dass Mieten und Preise in unserem Viertel steigen und das ist auch ihre von den Bau- und Immobilienfirmen gewünschte Funktion. Eine Wohnung ist für den durchschnittlichen Gostenhofer hier unerschwinglich. Über 90 % der an der Umfrage Beteiligten finden das nicht gut bzw. halten es für eine Schweinerei. Während der Befragung äußerten viele ihren Unmut deutlicher und mit mehr Nachdruck, immer wieder wurden auch Farbbeutel und Graffiti lobend erwähnt, die von GentrifizierungsgegnerInnen an einigen dieser Häuser angebracht wurden. Eine verschwindende Minderheit, in etwa 1 % der Teilnehmenden, auch das sei an dieser Stelle erwähnt, befürwortete in Gesprächen bzw. schriftlich auf dem Fragebogen den Bau dieser Luxuswohnblöcke. Sie sprachen sich im Rahmen der Umfrage vehement für das Recht aus, über ihr Eigentum zu bestimmen, behaupteten ihren Mietern nur Gutes zu tun und geißelten das Graffitiunwesen im Stadteil. Einer dieser Hausbesitzer hatte, nach gesicherten Informationen, einige Wochen zuvor einen langjährigen Mieter in seinem neu erworbenen mehrstöckigen Haus am Jamnitzer Park gekündigt: Begründung Eigenbedarf!

Andere Wohnungen werden von den Vermieter/-innen eher schlecht als recht saniert. Da wird ein bißchen gestrichen, vielleicht ein kaputtes Fenster ausgetauscht oder die Fassade aufpoliert. Es wird viel billiger Pfusch betrieben, um die Miete erhöhen zu können. Das ist:

eine Frechheit86886%egal273%okay384%keine Angaben, weiss nicht737%Kommentar zu Frage 5

Hier konnten viele, die aus eigener Erfahrung von den miesen Methoden einiger VermieterInnen in diesem Stadtteil berichten können, nicht länger an sich halten. Sie berichteten unseren Frageteams von teils unglaublichen Verhältnissen, von Schimmel, Mäusen und anderem Ungezieferbefall in ganzen Blöcken, von kaputten Heizungen, Bädern, Fenstern und von unglaublichen Mieten für Bruchbuden und vielen anderen Schweinereien. Es wurde fleißig auf den Fragebögen kommentiert und über achtzig Prozent der Beteiligten schlossen sich der Aussage an: das ist eine Frechheit.

Auch sonst wird unser Stadtteil verändert, ohne dass wir von den Verantwortlichen im Rathaus, in der Verwaltung oder den Konzernchefs gefragt werden ob wir das überhaupt wollen. Statt bezahlbarer Wohnungen entsteht zwischen Fürther Str. und Adam-Klein-Straße ein Bürokomplex der DATEV. Der an Gostenhof vorbeiführende Frankenschnellweg soll für mehrere Millionen Euro ausgebaut werden. Die Bahn hat ihr Ausbesserungswerk in der Austraße bereits gebaut, das viele Anwohner/-innen nachts durch Arbeitslärm belästigt. Gefragt wurden wir alle nicht, das finde ich:

schlecht81281%gut374%egal10711%keine Angaben, weiss nicht504%Kommentar zu Frage 6

Die Ergebnisse sind hier, wo es darum geht, dass über unsere Köpfe hinweg entschieden wird, wie unser Stadtteil gestaltet wird, ganz eindeutig. Eine absolute Mehrheit lehnt die diktatorische Vorgehensweise von Immobilienfi rmen, Konzernen und städtischen Verantwortlichen ab. Sie alle wünschen sich Möglichkeiten gemeinsam mit anderen selbst über ihr Wohn-Umfeld zu entscheiden. An der Fragestellung gab es jedoch auch Kritik und immer wieder entzündeten sich Diskussionen. Einige wiesen zu Recht darauf hin, dass Pläne öffentlich ausliegen und es Mitsprachemöglichkeiten im Rahmen einer Bürgerversammlung gäbe. Andere bestätigten dies, kritisierten jedoch auch gleich, dass von den Plänen und Versammlungen - wie, wann, wo - niemand Bescheid wisse und darüber hinaus die Möglichkeit der Mitsprache, die bürgerliche Parteien, Stadt und Bürgerversammlungen bieten, nur als Alibi existiere. Von einer wirklichen Mitsprache, von Gestaltungsmöglichkeiten, Selbstbestimmung und Selbstverwaltung kann hier natürlich nicht die Rede sein, dennoch hätte die Frage sicher präziser gestellt werden können und es hätten ihr auch weniger unterschiedliche Beispiele besser getan, die bei vielen für Verwirrung sorgten.

Die Mieten steigen in Gostenhof, unser gesamter Stadtteil wird einfach umgestaltet. Immer mehr von uns können sich das Wohnen hier nur leisten, wenn sie auf andere Dinge verzichten, andere müssen wegziehen. Sollen wir uns das einfach gefallen lassen oder wehren wir uns gemeinsam, stellen Forderungen und setzen diese durch?

finde ich gut und/oder bin dabei90190%finde ich gut55255%bin dabei43543%ohne mich646%keine Angaben, weiss nicht414%Kommentar zu Frage 7

Wenn diese Umfrage wie geplant ein Auftakt für kommende langfristige Proteste gegen die Gentrifizierung und Umstrukturierung Gostenhofs ist, sind die Antworten, die an dieser Stelle der Umfrage von einer eindeutigen Mehrheit der Teilnehmenden gegeben wurden, ein Vertrauensvorschuss und eine starke Aussage des Stadtteils Gostenhof. Ein repräsentativer Teil der Bevölkerung hat hier deutlich gemacht: wir stehen hinter der Sache, befürworten den Kampf um unseren Stadtteil, den Kampf gegen Gentrifi zierung, hohe Mieten, Vertreibung und viele haben signalisiert, dass sie auch persönlich bereit sind aktiv zu werden. Für alle AktivistInnen ist diese Verankerung allerdings auch eine Verantwortung, die sie tragen lernen müssen.

Wohnraum wird im Kapitalismus als Ware gehandelt. Eine Minderheit, die eine Wohnung oder ein Haus zu vermieten oder zu verkaufen hat, versucht mit dieser Ware möglichst viel Profi t zu machen. Sie profitiert davon, während die Mehrheit gezwungen wird um Wohnungen zu konkurrieren und schließlich immer mehr bezahlen soll. Für uns, die Mehrheit, wäre es besser wenn das Geschäft mit dem Wohnraum beendet würde, Wohnungen keine gehandelten Waren mehr wären, sondern von der Gesellschaft verwaltet und verteilt würden. Das fände ich gut.

ja75575%nein17517%keine Angaben, weiss nicht768%Kommentar zu Frage 8

Am meisten zum Nachdenken hat unter vielen Teilnehmenden wohl die Frage nach der Vergesellschaftung des Wohnraums geführt. Will ich das wirklich? Ist das nicht Kommunismus? Einige wollten die Erfahrungen der DDR nicht wiederholen, andere standen zum Privateigentum, selbst wenn sie selbst eben keines besitzen. Manche sahen ihre Eigentumswohnung in Gefahr, andere waren bereit diese für die Interessen aller zu opfern, andere sahen darin gar kein Problem und für wieder andere war schon der Gedanke ein Verbrechen. Auch die Vorstellungen, was mit dem Wohnraum nach der Vergesellschaftung passieren sollte, wie er zu verwalten wäre, gingen weit auseinander. Die einen sahen die Kommunen in der Pflicht, andere Genossenschaften, wieder andere ganz traditionell den Staat und die nächsten wollten sich darüber heute noch keine Gedanken machen und begnügten sich mit der Aussage „die Gesellschaft“. Zu guter Letzt entschieden jedoch knapp drei Viertel der beteiligten GostenhoferInnen, dass es für die gesellschaftliche Mehrheit auf alle Fälle besser wäre, das Geschäft mit der Ware Wohnraum zu beenden, die Wohnungen zu vergesellschaften, gemeinsam zu verwalten und zu verteilen.

Gemeinsam gehört uns die Zukunft

Nun sind sie da die Ergebnisse der Umfrage und die Auswertung hat viel Positives über die BewohnerInnen unseres Stadtteils hervorgebracht. Einmal mehr hat sich die Mehrheit der GostenhoferInnen selbstbewusst und rebellisch präsentiert. Die große Mehrheit hat gezeigt, dass sie sich nichts weismachen lässt und die eigene prekäre Lage auf dem sogenannten Wohnungsmarkt einzuschätzen weiß. Wir GostenhoferInnen nehmen die Gentrifizierung unseres Viertels wahr, lehnen diese ab und sind auch nicht bereit, uns mit steigenden Mieten, Vertreibung und all den anderen Risiken und Nebenwirkungen des Geschäfts mit der Ware Wohnraum einfach abzufinden.

Was nun?

Viele stellen sich nun sicherlich die Frage, wie es weitergehen soll. Denn durch eine Umfrage allein wird es weder möglich sein, die Gentrifizierung unseres Viertels aufzuhalten, noch senkt sie hohe Mieten oder verhindert deren Erhöhung. Auch sichert eine Umfrage allein uns bestimmt keine Möglichkeiten, die Gestaltung unseres Viertels in die eigenen Hände zu nehmen und sie hält auch noch nicht die Vertreibung der Einkommensschwächeren auf.

Gemeinsam haben wir Grundlagen gelegt

Das alles ist sicherlich richtig, aber wir haben mit der Umfrage auch einen ersten großen gemeinsamen Schritt gemacht. Wir haben Grundlagen gelegt, haben Erfahrungen, Erkenntnisse und Informationen ausgetauscht. Wir haben mit der Umfrage und in der gemeinsamen Debatte um diese eine Verständigung der GostenhoferInnen über den Stand der Dinge, über drängenste Probleme und mögliche Lösungsmöglichkeiten herbeigeführt, haben miteinander gesprochen, uns über Widerstand, unsere Möglichkeiten und lohnende Ziele ausgetauscht. Und genau auf diesen, unseren ersten kollektiven Schritt, gilt es aufzubauen.

Auf das gemeinsam Erarbeitete aufbauen

Aus den Fragebögen, euren Antworten und dem, was bisher als Debatte rund um die Umfrage gelaufen ist, wollen wir in den nächsten Wochen eine Gostenhofer Stadtteilerklärung erarbeiten. In dieser Erklärung sollen gemeinsame Forderungen konkretisiert und Ziele definiert werden für den Kampf um unser Viertel. Herauskommen soll eine gemeinsame Erklärung für den Kampf um verbesserte Wohn- und Lebensbedingungen in Gostenhof und langfristig auch für einen grundsätzlichen, nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel. Wie es eine große Mehrheit in der Umfrage befürwortet hat, wollen wir uns langfristig auch für die Vergesellschaftung des Wohnraums einsetzen und für ein Ende des Geschäfts mit der Ware Wohnung, von dem eh nur eine gesellschaftliche Minderheit von EigentümerInnen profitiert. Auf dieser von uns allen gemeinsam geschaffenen Erklärung, sollen dann unsere kommenden Schritte fußen.

Was tun

Gemeinsam müssen wir uns vernetzen, uns unserer bestehenden Rechte bewusst werden und diese auch einfordern. Hierzu soll es im September ein Flugblatt an alle Haushalte geben, in dem Informationen und Möglichkeiten, sich gegen unverschämte HausbesitzerInnen zur Wehr zu setzen, präsentiert werden. Darüber hinaus müssen wir Aktivitäten entwickeln, Veranstaltungen machen, Kundgebungen organisieren, Aktionen planen und durchführen, demonstrieren, schlichtweg Protest und Widerstand organisieren mit dem Ziel Druck auf HausbesitzerInnen, Immobilienkonzerne, Baulöwen und städtische wie staatliche politische Verantwortliche zu schaffen. Es geht darum, dass wir uns gemeinsam und solidarisch zur Wehr setzen und perspektivisch alle Möglichkeiten nutzen, der Immobilienindustrie das Geschäft mit unserem Viertel auf unsere Kosten zu vermiesen. Wir wollen, dass hier in Zukunft keine Mieterhöhung ohne Proteste über die Bühne geht, dass die Schikanen von HausbesitzerInnen und Hausverwaltungen nicht mehr unbeantwortet bleiben, dass keine Luxussanierung läuft und kein Nobelneubau mehr gebaut werden kann ohne massiven Widerstand von uns allen.

Eine Aktion der organisierten autonomie und der Initiative Mietenwahnsinn stoppen

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