antifaschistischer Spaziergang durch Halle-Silberhöhe

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Am Abend des 29.07.2014 haben wir (ca. 20 Antifaschist*innen) spontan beschlossen einem Plattenbaublock in Halle-Silberhöhe einen Besuch abzustatten. Der Grund: In der halleschen Silberhöhe hetzen seit Wochen einige Bewohner virtuell gegen zugezogene Roma. Dazu starteten sie sogar eine (mittlerweile gelöschte) Petition und erhielten Anerkennung durch den lokalen CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Bergner. Am 9.August 2014 soll es um 14:00 an der S-Bahnhaltestelle Silberhöhe eine Demonstration gegen die örtlichen fremdenfeindlichen Spießbürger geben.

 

 

Der von uns besuchte Wohnblock wird in der Facebookgruppe des wütenden Bürgermobs immer wieder als eigener Wohnort benannt, der angeblich von zugezogenen Roma „vollgemüllt“ wird. Als wir uns vor Ort selbst ein Bild machten war davon nichts zu merken. Deshalb hatten wir beschlossen die Realität den Wahnvorstellungen der örtlichen Spießbürger ein klein wenig anzupassen: Wir verklebten einige antifaschistische Aufkleber und ließen die Papierreste im Viertel zurück. Außerdem verteilten wir eine gekürzte Version des Aufrufes zur Demonstration am 9.August in den Briefkästen der Anwohner.

 

 

 

In diesem Sinne: Schnauze in der Platte! - Gegen fremdenfeindliche Spießbürger

 

 

 

einige Antifaschisten aus Halle (Saale)

 

 

 

 

 

Hier der Aufruf zur Demonstration am 9.August:

 

 

 

Schnauze in der Platte!

 

  • gegen fremdenfeindliche Spießbürger

 

 

 

Bürger_innen aus der Silberhöhe in Halle (Saale) fanden sich vor einigen Wochen im Internet zu­sammen, um virtuell die Sau rauszulassen und sich mit einer gehörigen Portion Hetze gegen die Roma in ihrer Nachbarschaft von ihrem eigenen kläglichen Dasein abzulenken. Die Signale offiziell anerkannter Autoritäten sind ambivalent und haben bisher noch nicht ausreichend jenes Einver­ständnis signalisiert, dass die autoritären Charaktere solcher Zusammenrottungen zum Losschlagen animiert. Dennoch kann sich der dortige Mob schnell auch außerhalb des Internets zur Bedrohung entwickeln. Grund genug den Bewohner_innen der Silberhöhe am 9. August 2014 demonstrativ einen Besuch abzustatten und sie als das zu denunzieren was sie sind: Eine widerwärtige Gemein­schaft, die mit ihrer sich in Antiziganismus artikulierenden Fremdenfeindlichkeit eine Projektions­fläche für das eigene gescheiterte Leben voller Elend und Langeweile sucht.

 

 

 

Was ist passiert?

 

Der Mob organisierte sich zunächst in einer Facebookgruppe und startete eine (mittlerweile ge­löschte) Onlinepetition gegen in der Silberhöhe wohnende Roma. In bester Stasimanier werden in der Gruppe regelmäßig heimlich aufgenommene Fotos von Roma geteilt, auf denen diese beim Ein­kaufen, Trinken oder Freund_innen treffen zu sehen sind. Was in der hallenser Innenstadt als nor­maler Alltag gilt und wohl kaum zur Entstehung eines Wutbürgermobs führen würde, wird von den Gruppenmitgliedern als Beispiel für den Sittenverfall und die Überfremdung des Plattenbauviertels durch die neuen Mitbewohner_innen aufgebauscht.

 

Wie oft in solchen Fällen fremdenfeindlicher Stimmungsmache fand sich auch in Halle (Saale) ein abgehalfterter Poltiker, in diesem Falle der CDU-Rechtsaußen Christoph Bergner, der dem virtuel­len Mob Anerkennung zollte und versicherte, dass sich Vater Staat um ihre Probleme kümmern würde. Die Bundesregierung habe „bereits im Januar einen 'Staatssekretärsausschuss Armutszuwan­derung' eingesetzt“, der kürzlich erste Vorschläge vorgelegt habe, so Bergner im Dialog mit der Bürgerinitiative. Glücklicherweise hagelte es für Bergners Annäherungen an den Mob bereits Kri­tik. Das offizielle Signal anerkannter Autoritäten, das die aufgescheuchte Meute in der Regel benö­tigt um lozuschlagen, ist somit zumindest vorerst noch ausgeblieben.

 

 

 

Wutbürger und Eskalationsspiralen

 

Wenn sich in Deutschland ein wütender Mob zusammenfindet, dann ist der Ablauf der Ereignisse oft ähnlich. Zunächst wird über offizielle Kanäle an den Staat appelliert gegen die ausgemachten Gemeinschaftsschädlinge vorzugehen. Dieser kann, will er das demokratische Gewand nicht fallen­lassen diesem Wunsch jedoch nicht unverstellt nachkommen, kommt dem gesunden Volksempfin­den aber nicht selten mit Zugeständnissen entgegen.

 

Wenn sich dann noch ein_e Lokalpolitiker_in, ein paar Rädelsführer_innen aus der Region (wahr­scheinlich noch mit Nazivergangenheit) oder sonst irgendwer findet, den die Wutbürger_innen als würdig auserkoren haben, ihren Stamm zu leiten, ist es auch gleich einfacher selbst Hand anzule­gen. Doch auch in der Silberhöhe könnte es dazu kommen, dass, nachdem der lokale CDU-Bundes­tagsabgeordnete sein Verständnis für das Anliegen der Anwohner_innen bekundete, staatliche Stel­len die Roma schikanieren werden, um die autochthonen Bewohner_innen der Silberhöhe zu beru­higen. Sollten staatliche Stellen sich hingegen nicht dem Anliegen des Mobs annehmen, dann könn­te die Lage jedoch ebenfalls eskalieren, weil einzelne Silberhöhe-Bewohner_innen dann vielleicht selbst zur Tat schreiten und das Gewaltmonopol in ihre Hand nehmen. Die Einrichtung einer Bür­ger_innenwehr wurde jedenfalls bereits diskutiert.

 

In beiden Fällen bekäme der Volksmob das lang ersehnte Erfolgserlebnis: Seinem Bedürfnis andere Menschen zu quälen und zu tyrannisieren würde entsprochen werden, ohne darüber auch nur an­satzweise zu reflektieren; Man will ja schließlich nur die Heimat schützen.

 

 

 

Die Silberhöhe und ihre Bewohner – Stumpfheit, Fremdenhass und Langeweile

 

Die Silberhöhe in Halle ist ein typisches Plattenbauviertel, wie es in vielen Gegenden Ostdeutsch­lands existiert. Das Einkommen liegt weit unter dem Durchschnitt, während die Arbeits­losenquote mit 20 Prozent über dem der restlichen Stadt liegt. Die Betätigung am öffentlichen Le­ben, die den Bewohnern Sozialkontakte bescheren könnte ist ebenfalls wie oft in solchen Stadtteilen kaum ausgeprägt. Soll heißen: Das Leben in der Silberhöhe ist geprägt vom Kampf mit der alltägli­chen Langeweile und dem Ringen mit der eigenen ökonomischen Bedeutungslosigkeit, da große Teile der Bewohner_innen von der Anerkennung durch Lohnarbeit ausgeschlossen sind. Diese Ver­hältnisse gehen nicht spurlos an ihnen vorbei: Wer nicht schnell genug wegzieht und in der Silber­höhe festhängt, stumpft ebenso ab wie auch schon die Generation davor.

 

Die Hetze gegen Roma, die Beschwerden über angebliche Müllberge und die herbeihalluzinierte Angst vor Kriminalität, dienen vor allem als Vorwand um aus der täglichen Lethargie und Lange­weile des Plattenbaulebens auszubrechen und sich an den neuen Mitbewohner_innen abreagieren zu können. Denn zweifellos wäre es einfacher einzelne Müllfetzen aufzuheben und in der nächsten Mülltonne zu entsorgen, statt sie abzufotografieren, mit der Internetgemeinde zu teilen, eine Petiti­on zu schreiben, Pläne zur Gründung einer Bürger_innenwehr zu entwerfen und alle zwei Stunden auf Facebook nachzulesen ob Sandra, Jens oder Rolf aus dem Nachbarblock einen neuen Kommen­tar geschrieben haben. Überraschend ist auch das Verhalten in der Gruppe. Von Rassismus und Anti­ziganismus wird sich natürlich losgesagt, dementsprechend eindeutige Kommentare werden sogar gelöscht, auch wenn die Autor_innen nicht aus der Gruppe verwiesen werden. Denn die Rädelsfüh­rer_innen, wissen sie sich als gute Demokrat_innen ins Volksempfinden einzufügen und sind ja nur darauf bedacht ihre Heimat sauber zu halten. Darin wird der spießbürgerliche Neid deutlich, den die Bewohner der Silberhöhe auf die Roma haben. Immer wenn sich eine Gruppe findet, die in irgend­einer Form eine Gemeinschaft darstellt zu der die Bewohner_innen nicht gehören, rotten sie sich in einem Mob zusammen, der die eigene auf Fremdenfeindlichkeit beruhende Gemeinschaft verteidi­gen will. Das wird natürlich nicht gezeigt, doch wenn Roma sich am Straßenrand in der Silberhöhe unterhalten, wie es beispielsweise für Studierende in der Innenstadt Nachts Gang und Gäbe ist, fühlt sich die sonst vor ihren Fernsehgeräten sitzenden abgestumpften Plattenbewohner_innen in ihrem beschränkten Alltagsleben gestört.

 

Statt gegen die bedrückenden Verhältnisse des eigenen Viertels oder die eigene ökonomische Zwangslage zu rebellieren, wird den neuen Mitbewohner_innen etwas zugeschrieben, was man sich selbst für ein angenehmeres Leben wünschen würde und ihnen das zugleich zum Vorwurf gemacht. Soziale Interaktion auf der Straße wird verpönt, weil man selbst niemanden hat, mit dem man sich freiwillig irgendwo treffen könnte und erst Recht keinen Ort, an dem das möglich wäre.

 

 

 

Wir sagen deshalb:

 

Schnauze in der Platte! - fremdenfeindliche Spießbürger zwangsumsiedeln!

 

 

 

Demonstration am 9.August 2014 um 14:00 S-Bahnhof Silberhöhe

 

 

 

Bilder: 
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Ergänzungen

... Zeigt den Nazis was ihr von ihnen haltet. Passt aber auch auf und schreitet ein wenn es richtig losgeht. Rostock-Lichtenhagen ist überall.