Krim-Krise + Selbstbestimmungsrecht

MA pol D. Pavlovic 18.03.2014 23:16 Themen: Blogwire Medien Weltweit
Selbstbestimmungsrecht der Völker - wer interessiert sich wirklich dafür?
Ein großes Lamento wird angestimmt wegen der Politik Rußlands in der Krim-Krise, das internationale Völkerrecht werde mißachtet. Nach der Flucht Janukowitschs eskaliert die Lage in der Ukraine und die Verantwortung wird einseitig der ehemaligen Sowjetmacht angelastet.
Eine atavistische Rückkehr in die Zeiten des kalten Krieges sei die quasi-Annektierung der Krim, das anstehende Referendum über die Unabhängigkeit von der Ukraine und der Anschluß an Rußland sei illegal.

Allerdings frage ich mich ob die Kommentatoren den Krim-Konflikt nicht einseitig bewerten, wenn man sich die Einmischung des Westens der letzten Jahre in die inneren Angelegenheiten einer ganzen Reihe von Ländern anschaut.
Angefangen über die Finanzierung und Bewaffnung von Söldnern und der Entsendung von Militärberatern bis hin zum offenen Krieg sind wir Zeugen zahlreicher Konflikte geworden deren Sinn und Ziel der Allgemeinheit verborgen und verschleiert blieben: Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien. Es sind nicht nur fragwürdige und teure Militäreinsätze durchgeführt und Fakten geschaffen worden, Machthaber gestürzt, Ökonomien vernichtet worden und großes Leid unter die Menschen gebracht worden - wie nur der Krieg dazu imstande ist. Sondern Geheimdienste aus der ganzen Welt mischen sich kräftigst in die inneren Angelegenheiten ein mit verdeckten Operationen, Auftragsmorden und durch das Verbreiten von Propaganda und Desinformation.

Wenn man als Beispiel die russische Revolution studiert so wird klar dass ohne den massiven Einsatz von Geheimdienst- und Geldmitteln durch das wilhelminische Deutschland die radikalen Bolschewisten die Revolution nie hätten durchführen können. Das Interesse Deutschlands war, sich aus dem Zweifrontenkrieg im ersten Weltkrieg zu befreien indem Rußland von innen heraus geschwächt würde. Dabei wurde die radikalste aller politischen Kräfte unterstützt - nur Lenin setzte sich für einen sofortigen Frieden mit Deutschland ein um den Preis der territorialen Interessen Rußlands und bereitwillig investierte Deutschland Millionen Reichsmark in deren kommunistische Propaganda über ihren Mittelsmann Alexander Parvus.

Nachdem die russische Revolution wider erwarten tatsächlich nicht nur die zweite Front im ersten Weltkrieg beseitigte sondern sogar noch ein völlig neues politisches System gebar rief dies massivsten internationalen Widerstand hervor. Aus der ganzen Welt trafen nun Geldmittel, Waffen und Soldaten in Rußland ein welche den Widerstand der weißen Gegenbewegung nährte und so Rußland einem schlimmen, brutalen und andauernden Bürgerkrieg überließ. Die anschließende Hungersnot, provoziert durch die Kriegswirtschaft und den künstlich verlängerten Bürgerkrieg radikalisierte die Kommunisten noch weiter, schürte deren Ängste und förderte die Extreme in jeder Hinsicht. Internationale Hilfe für die Hungernden gab es damals nicht.

So erscheint mir die neuerliche Revolution in der Ukraine als nicht möglich und glaubwürdig ohne die Einmischung und Unterstützung des Westens. Auf beiden Seiten wird manipuliert und Einfluß genommen. Ob damit den Ukrainern gedient ist, sei dahingestellt. Zwar ist man dort den Einfluß Rußlands los, andererseits verkauft sich die Ukraine gegen teueres Geld an das westliche Finanzkapital - und diese haben noch nie etwas ohne Aussicht auf eigenen Profit hergegeben. Jede Investition muß sich am Ende mehrfach auszahlen, ist zu befürchten.

Ich frage mich als Politikwissenschaftler wie ein Land, sollte es politisch fortschrittlich und eigenständig sein wollen, sich überhaupt dem Einfluß äußerer Mächte erwehren kann. Dort wo dies glückt muß es sich um Sonderfälle der Geschichte handeln. Man erinnere sich nur an das revolutionäre Frankreich des 18. Jahrhunderts welches ohne die Überlegenheit Napoleons auf den Schlachtfeldern Europas nur eine Fußnote in der Geschichte geblieben wäre.

Mithin darf man in Zweifel ziehen ob es überhaupt so etwas wie ein wirksames und ehrlich vertretenes Selbstbestimmungsrecht der Völker gibt. Und den hehren Appell des Westens an Rußland dieses zu achten nur weil es den eigenen Interessen nützt lässt einen ratlos zurück.
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