[FR] Auswer­tung des 1. Mai 2013

Antifaschistische Linke Freiburg 08.03.2014 03:05 Themen: Globalisierung Militarismus Soziale Kämpfe
Im Fol­gen­den möch­ten wir unsere Refle­xion und Aus­wer­tung des 1. Mai 2013 in Frei­burg ver­öf­fent­li­chen und damit unsere Mobi­li­sie­rung 2014 starten. Eine Version mit Links und Bildern ist auf unserer Website zu finden.

Wir leben in bewe­gungs­ar­men Zei­ten. Die Schwä­che der Lin­ken ist seit Jah­ren offen­sicht­lich. Eine starke, kon­ti­nu­ier­lich arbei­tende anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Bewe­gung, die in der Lage wäre, sich gesell­schaft­lich Gehör zu ver­schaf­fen und auf öffent­li­che Debat­ten ein­zu­wir­ken, besteht ledig­lich in Ansät­zen. Der Kapi­ta­lis­mus als Wirt­schafts­sys­tem, der Sie­ges­zug des Neo­li­be­ra­lis­mus in sämt­li­chen Lebens­be­rei­chen wer­den als alter­na­tiv­los dar­ge­stellt und auch von den­je­ni­gen weit­ge­hend als unver­än­der­bar hin­ge­nom­men, die eigent­lich ein objek­ti­ves Inter­esse an Ver­än­de­run­gen haben. Auch erste Schritte in die rich­tige Rich­tung, wie die Block­upy–Kri­sen­pro­teste, sind in die­ser Situa­tion bis­lang nur ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein. Trotz der gegen­wär­ti­gen Schwä­che der Lin­ken erach­ten wir es für not­wen­dig, den Kampf­tag der Arbei­ter­klasse zum Anlass zu neh­men, uner­müd­lich eine radi­kale Kri­tik am herr­schen­den Wirt­schafts– und Gesell­schafts­sys­tem zu formulieren.
In Frei­burg fin­det am 1. Mai tra­di­tio­nell die gewerk­schaft­li­che Mai­de­mons­tra­tion mit anschlie­ßen­der Kund­ge­bung auf dem Stüh­lin­ger Kirch­platz statt. Unab­hän­gig davon fin­den sich seit vie­len Jah­ren aller­lei fei­er­lus­tige Leute aus der auto­no­men Lin­ken, der alter­na­ti­ven Szene, aus der Anwoh­ner­schaft, Stu­die­rende und dar­über hin­aus auf dem Stra­ßen­fest im Frei­bur­ger Stadt­teil Grün zusam­men. Kon­zerte von loka­len Punk­rock­bands, Volks­kü­che, Salsa und Techno ver­wan­deln ein hal­bes Stadt­vier­tel zu einer her­aus­ra­gen­den Party.

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren haben wir oft­mals zu Pro­tes­ten gegen Nazi­auf­mär­sche mobi­li­siert. 2013 war jedoch früh­zei­tig klar, dass wir in Frei­burg Akzente set­zen kön­nen, da kein faschis­ti­scher Groß­auf­marsch in nächs­ter Nähe anste­hen würde. So ent­schlos­sen wir uns, gemein­sam mit Ande­ren zu einem anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block auf der DGB-Demo. Daher will die­ser Text zum einen unsere, bzw. die Arbeit des Bünd­nis­ses zum Anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block auf der Demons­tra­tion des DGB reflek­tie­ren und in dem Zusam­men­hang natür­lich auch auf das von uns im März ver­gan­ge­nen Jah­res ver­fasste „Posi­ti­ons­pa­pier zum Ers­ten Mai in Frei­burg“ ein­ge­hen. Eine Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Ant­wort­pa­pier „Iden­ti­tär vs. Reak­tio­när vs. ALFR“ der Gruppe Viel zu viel Arbeit wird an ande­rer Stelle erfolgen.

Anti­fa­schis­ti­sche Linke Frei­burg, 06.03.2014



1. Das Vor­spiel: Inhalt­li­cher Austausch?

Im Früh­jahr 2013 tra­fen sich auf Ein­la­dung des Links­ra­di­ka­len Bünd­nis Kon­troll­ver­lust Ver­tre­ter ver­schie­de­ner Grup­pen und Ein­zel­per­so­nen in der KTS zur Vor­be­rei­tung eines „Revo­lu­tio­nä­ren 1.Mai in Frei­burg“. Wenn auch zurück­hal­tend, so folg­ten wir doch die­ser Ein­la­dung, da diese expli­zit ergeb­nis­of­fen for­mu­liert war und so die Mög­lich­keit bestand, über einen inhalt­li­chen Aus­tausch zu einer gemein­sa­men Pra­xis am 1. Mai zu gelan­gen. Zu die­sem Zeit­punkt stand für uns bereits fest, dass wir am 1. Mai einen anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block auf der DGB-Demo orga­ni­sie­ren wer­den, was wir von Anfang an ent­spre­chend kom­mu­ni­zier­ten. Nach­dem das erste Tref­fen noch recht breit besucht war, lich­te­ten sich die Rei­hen schnell. Einige Grup­pen — bei­leibe nicht nur wir – äußer­ten ihre Kri­tik an einer mög­li­chen „Szeneselbstdarstellungs-Demo“ recht früh und mach­ten deut­lich, dass es keine Option wäre, am 1. Mai der­art zu agie­ren. Der gemein­same Nen­ner des ver­blei­ben­den Bünd­nis­ses war inhalt­lich haupt­säch­lich von einem dif­fu­sen Abgren­zungs­be­dürf­nis zum DGB geprägt, was unter ande­rem an ein­zel­nen Stim­men, wel­che die Stö­rung der DGB-Kundgebung for­der­ten, deut­lich wurde.

Nach dem zwei­ten Vor­be­rei­tungs­tref­fen erklär­ten wir, dass wir uns nicht wei­ter an die­sen Tref­fen betei­li­gen wür­den. Wir kün­dig­ten an, dies inhalt­lich zu begrün­den, und ver­öf­fent­lich­ten daher ein Dis­kus­si­ons­pa­pier auf unse­rer Home­page und ver­teil­ten es auf unse­rem letz­ten Bünd­nis­tref­fen direkt an die betei­lig­ten Grup­pen. Unter einem Cross­post auf Indy­me­dia Links­un­ten begann eine amü­sante bis absurde „Dis­kus­sion“, die von umfang­rei­cher Ein­fluss­nahme des Linksunten-Moderatorteams geprägt war.

Zur Ein­ord­nung unse­res Posi­ti­ons­pa­piers: Wir beab­sich­tig­ten, inner­halb der „Szene“ eine inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung über die Art und Weise revo­lu­tio­nä­rer Pra­xis am 1. Mai in Frei­burg in Gang zu brin­gen und in die­sem Zusam­men­hang ins­be­son­dere den Fokus auf Per­spek­ti­ven lin­ker Poli­tik zu rich­ten. Dem­ent­spre­chend hat es uns gefreut, dass die Gruppe Viel zu viel Arbeit auf unser Papier rea­giert hat.

Die Unter­stel­lung in der Ant­wort von Viel zu viel Arbeit, es ginge uns um eine Ehren­ret­tung des DGB, bleibt zwar eine Unter­stel­lung, trifft jedoch auf seine Art den Kern des Dis­sens um unser Papier. Was uns an der gefor­der­ten „Fun­da­men­tal­kri­tik am DGB“ stört, ist, dass sie unse­rer Auf­fas­sung nach eben nicht der Not­wen­dig­keit zu ent­sprin­gen scheint, eine sach­li­che, die revo­lu­tio­näre Linke wei­ter­brin­gende Kri­tik an den DGB-Gewerkschaften zu for­mu­lie­ren, son­dern zuerst einem Bedürf­nis, sich zum Zwe­cke der Selbst­be­weih­räu­che­rung der vor­geb­li­chen eige­nen Radi­ka­li­tät zu vergewissern.

Wir wol­len fest­hal­ten, dass die Ant­wort von Viel zu viel Arbeit zwar teil­weise etwas bes­ser­wis­se­risch im Ton­fall, aber dafür das ein­zige war, was an kon­struk­ti­ven Debat­ten­bei­trä­gen zu hören war. Trotz­dem haben wir das Gefühl, uns an die­ser Stelle gerade gegen­über den Angrif­fen, die uns nach der Ver­öf­fent­li­chung unse­res Papiers aus der „Szene“ ent­ge­gen­schlu­gen, recht­fer­ti­gen zu müssen.

Unse­rer Auf­fas­sung nach ent­springt das Abgren­zungs­be­dürf­nis der ver­meint­li­chen Links­ra­di­ka­len, allem gegen­über was nach Refor­mis­mus riecht, dem Feh­len einer tat­säch­li­chen links­ra­di­ka­len Orga­ni­sie­rung. Um die­sen Man­gel zu behe­ben, wird in die „Szene“ eine gemein­same Welt­an­schau­ung, gar eine Bewe­gung hin­ein­in­ter­pre­tiert, die de facto gar nicht vor­han­den ist. Der Ver­such, sich mit einem vor­geb­lich beson­ders radi­ka­len Auf­tre­ten und durch eine iden­ti­täts­stif­tende Demons­tra­tion der eige­nen Stärke zu ver­si­chern, erscheint ent­spre­chend wider­sprüch­lich, wenn die Selbst­be­zo­gen­heit nicht über­wun­den wird. Szenei­den­ti­tät kann in unse­ren Augen kein Ersatz für poli­ti­sche Orga­ni­sa­tion sein. Sich mit einer revo­lu­tio­nä­ren 1.Mai-Demo der eige­nen Hand­lungs­fä­hig­keit bewusst zu wer­den, ver­langt zunächst das Ein­ge­ständ­nis, dass diese in der Frei­bur­ger Lin­ken eher schwach ist. Dar­aus kön­nen Hand­lun­gen abge­lei­tet wer­den, um in die Gesell­schaft zu wir­ken, bei­spiels­weise indem rele­vante The­men auf­ge­grif­fen und links(radikal) besetzt wer­den. Ein Ansatz, den die Initia­to­ren erfolg­rei­cher 1.Mai Demons­tra­tio­nen in ande­ren Städ­ten bereits begrif­fen haben.

Indem wir die „Szene“ als Kon­struk­tion kri­ti­sie­ren, die in den all­täg­li­chen gesell­schaft­li­chen Kämp­fen jed­we­der rea­ler Hand­lungs­fä­hig­keit ent­behrt, wol­len wir nicht die­je­ni­gen angrei­fen, die auch inner­halb der „Szene“ seit Jah­ren, teil­weise Jahr­zehn­ten Poli­tik machen und sich dem Ein­satz für eine andere, bes­sere Gesell­schafts­ord­nung ver­pflich­tet füh­len. Wir sehen es ledig­lich als not­wen­dig an, immer wie­der zu beto­nen, dass tat­säch­li­che gesell­schaft­li­che Ver­än­de­rung nur durch mas­sen­hafte Orga­ni­sie­rung ent­ste­hen kann. Eine kon­ti­nu­ier­li­che kol­lek­tive Pra­xis, gemein­same poli­ti­sche Prin­zi­pien und ein Min­dest­maß an Klar­heit bezüg­lich einer geteil­ten Gesell­schafts­ana­lyse sind ebenso uner­läss­lich wie schwer zu errei­chen. Des­halb ist es unser Anlie­gen, die Rele­vanz einer breit geführ­ten Debatte über die Fra­gen inhalt­li­cher Basis, mög­li­cher Orga­ni­sie­rungs­for­men und Inter­ven­ti­ons­mög­lich­kei­ten immer wie­der ins Bewusst­sein zu rufen.

Bei­spiels­weise das bloße Fest­hal­ten an einem auto­no­men Ritual, wie etwa dem unan­ge­mel­de­ten Stra­ßen­fest im Grün – so unter­stüt­zens­wert die­ses auch ist — hal­ten wir für nicht aus­rei­chend. Zen­tra­les Ziel einer (radi­ka­len) Lin­ken muss es sein, Bewe­gung zu schaf­fen. Und diese Bewe­gung schaf­fen wir ganz sicher nicht, wenn wir uns stets um uns selbst dre­hen. Des­we­gen rich­tet sich das Papier auch gegen die oben beschrie­bene gefühlte Sze­ne­zu­sam­men­ge­hö­rig­keit und das dort vor­herr­schende Poli­tik­ver­ständ­nis, das sich aus der Ableh­nung von allem, was als „bür­ger­lich“ gebrand­markt wird, nährt. Weder wol­len wir Men­schen vor­schrei­ben, wie sie zu leben haben, noch haben wir Inter­esse an szen­ein­ter­nen Beschimp­fun­gen — im Gegen­teil sind wir uns dar­über im Kla­ren, dass wir uns selbst zu gewich­ti­gen Tei­len inner­halb die­ser „Szene“ bewe­gen. Was uns dabei aber wich­tig bleibt, ist die „Szene“ und ihren Cha­rak­ter zu benen­nen und zu ana­ly­sie­ren. Erst das eröff­net uns die Mög­lich­keit, tat­säch­lich aus­zu­bre­chen und aus ihr her­aus zu agie­ren. Unsere For­de­rung, die sich dar­aus ablei­tet, ist zuge­ge­ben auch erst­mal eine Phrase, die es mit unse­rer all­täg­li­chen poli­ti­schen Pra­xis zu fül­len gilt: „In Klas­sen, nicht in Sze­nen zu denken!“.

Ein Rück­zug in die life­style­ba­sie­ren­den Sze­nen­ni­schen, so gemüt­lich diese in Frei­burg auch sein mögen, kann dar­auf keine Ant­wort sein. Den­noch wol­len wir auch in diese hin­ein­wir­ken, ansprech­bar sein und inhalt­li­che Debat­ten ansto­ßen. Wir den­ken, dass uns dies zumin­dest teil­weise mit der gegen­wär­ti­gen Dis­kus­sion gelun­gen ist.

Dass wir uns bei der Aus­ein­an­der­set­zung mit den Inhal­ten der im Bünd­nis ver­blie­be­nen bzw. der es inhalt­lich prä­gen­den Grup­pen nun der­art an der FAU abge­ar­bei­tet haben, reflek­tie­ren wir zwar kri­tisch, da sie für den Kern der im Papier for­mu­lier­ten Kri­tik tat­säch­lich der fal­sche Adres­sat ist, hängt jedoch auch damit zusam­men, dass die FAU im Gegen­satz zu Ande­ren einen greif­ba­ren Stand­punkt bezieht. Um Miss­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen: Wir schät­zen an der FAU, dass sie einen kon­se­quent klas­sen­kämp­fe­ri­schen Ansatz pro­pa­giert. Nichts­des­to­trotz hal­ten wir an der von uns for­mu­lier­ten Kri­tik inhalt­lich fest. Die Auf­fas­sung der Anar­cho­syn­di­ka­lis­ten, dass die revo­lu­tio­näre Orga­ni­sie­rung zwangs­läu­fig über die Form der Gewerk­schaft zu erfol­gen habe, tei­len wir in ihrer nicht. So brau­chen wir unsere Posi­tio­nie­rung zu einer Gewerk­schaft auch nicht aus der Beant­wor­tung der Frage ihres refor­mis­ti­schen oder revo­lu­tio­nä­ren Cha­rak­ters ablei­ten. Eine Hal­tung, die ihrer­seits jed­we­des tak­ti­sches Ver­hält­nis und jede Stra­te­gie not­wen­di­ger­weise verbietet.



2. Mobi­li­sie­rung und Anti­ka­pi­ta­lis­ti­scher Block

Auf der Suche nach Alter­na­ti­ven zu einem Sze­ne­spek­ta­kel ver­stän­digte sich ein klei­nes Bünd­nis dar­auf, einen expli­zit anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block auf der Gewerk­schafts­demo am 1. Mai durch­zu­füh­ren. Der Auf­ruf dazu war auf der einen Seite dar­auf bedacht, eine scharfe Kri­tik am sozi­al­part­ner­schaft­lich aus­ge­rich­te­ten Kurs der Gewerk­schafts­füh­run­gen 344347zu for­mu­lie­ren, zugleich aber in die rich­tige Rich­tung wei­sende For­de­run­gen inner­halb der Gewerk­schaf­ten auf­zu­grei­fen (con­tra Leih­ar­beit; pro poli­ti­sches Streik­recht) und diese zu stär­ken, um schließ­lich dar­über hin­aus­ge­hende For­de­run­gen zu for­mu­lie­ren und anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Akzente zu set­zen. Am Vor­be­rei­tungs­kreis betei­lig­ten sich die ALFR, die Frei­bur­ger Orts­grup­pen von DKP, SDAJ, Links­ju­gend [´solid] sowie das Frei­bur­ger Blockupy-Bündnis nebst zahl­rei­chen Ein­zel­per­so­nen. Wir müs­sen an die­ser Stelle ein­ge­ste­hen, dass wir uns eine brei­tere Betei­li­gung erhofft hat­ten. Den­noch wurde der Block breit und krea­tiv bewor­ben. Wie auch schon im Jahr 2012 haben wir uns im Vor­feld des 1. Mai auch an der über­re­gio­na­len Kam­pa­gne „Gemein­sam Stark!“ betei­ligt, die im ver­gan­ge­nen Jahr neben uns noch von der LIBA (Linke Initia­tive Bühl-Achern) getra­gen wurde. In die­sem Zusam­men­hang ver­öf­fent­lich­ten wir zusam­men mit der LIBA eine Neu­auf­lage der gleich­na­mi­gen Bro­schüre, die sich in ihrer Kon­zep­tion von ande­ren Hef­ten durch das kon­krete Auf­grei­fen loka­ler Kämpfe abhe­ben sollte, um eine radi­kale Kapi­ta­lis­mus­kri­tik anschluss­fä­hi­ger zu formulieren.

Am 1. Mai selbst betei­lig­ten sich rund 100 Men­schen am Anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block. Das ist nicht über­mä­ßig viel, den­noch bewer­ten wir das auf jeden Fall als Erfolg, zumal sich spon­tan zahl­rei­che Teil­neh­mer der Demo bewusst dem Block anschlos­sen. Viele Schil­der und Trans­pa­rente tru­gen expli­zit anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Posi­tio­nen nach außen. Gene­rell wurde der Block in der gesam­ten Demons­tra­tion äußerst posi­tiv auf­ge­nom­men, ins­be­son­dere bei geson­dert in Blö­cken lau­fen­den Grup­pie­run­gen wie der Par­tei Die Linke 85388oder den Teil­neh­mern aus den tür­ki­schen und kur­di­schen Ver­ei­nen. Zudem bleibt fest­zu­stel­len, dass eine Betei­li­gung aus der alter­na­ti­ven Szene in wei­ten Tei­len aus­blieb – die kon­fron­ta­ti­ven Dis­kus­sio­nen in Folge unse­res Posi­ti­ons­pa­piers, die unsach­li­che Stim­mungs­ma­che sei­tens anony­mer Inter­net­kom­men­ta­to­ren gegen das Bünd­nis und die ALFR sowie der kon­krete Auf­ruf der Initia­to­ren der liber­tä­ren Demons­tra­tion, sich nicht am anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block zu betei­li­gen, wirk­ten sich even­tu­ell mobi­li­sie­rungs­hem­mend aus. Im Anschluss an die Demons­tra­tion war das Linke Zen­trum Adelante nebst vie­len ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven aus dem bür­ger­li­chen, lin­ken und links­ra­di­ka­len Spek­trum mit einem eige­nen Info-Stand auf dem 1. Mai-Fest des DGB vertreten.



3. Die liber­täre Demo „Nie­der mit der Arbeit“

Andere Teile des ursprüng­li­chen Vor­be­rei­tungs­krei­ses ent­schie­den sich, wohl auch moti­viert durch unsere hef­tige Kri­tik an Frei­burgs alter­na­ti­ver Szene und unsere Ankün­di­gung, einen anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block auf der Gewerk­schafts­demo auf­zu­stel­len, eine eigene expli­zit „anar­chis­ti­sche“ Demons­tra­tion durch­zu­füh­ren. Jedoch wollte sich noch nicht ein­mal das gesamte orga­ni­sierte anar­chis­ti­sche Spek­trum Frei­burgs dem Auf­ruf anschlie­ßen — so ent­scheid sich z.B. die rätekommunistisch-anarchistische Gruppe La Banda Vaga, nicht daran teilzunehmen.

Für die Demons­tra­tion wähl­ten die Ver­an­stal­ter das Motto „Nie­der mit der Arbeit“. Der Schein von Radi­ka­li­tät, der die­ser Parole inne­wohnt, sollte also ganz offen der Abgren­zung gegen­über dem vor­geb­li­chen „Refor­mis­mus“ der Teil­neh­mer der Gewerk­schafts­demo die­nen. Dabei unter­schied sich der Auf­ruf in sei­ner Stoß­rich­tung kaum von dem zum Anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block. Letzt­lich war man sich wohl unei­nig, ob man sich den Gewerk­schaf­ten gegen­über feind­lich oder nicht posi­tio­nie­ren solle. Das Kon­zept schien jedoch rela­tiv erfolg­reich: Es gelang den Initia­to­ren der liber­tä­ren Demo mit 400 Leu­ten einen recht gro­ßen Teil von Frei­burgs alter­na­ti­ver Szene zu mobi­li­sie­ren. Zugleich hat sich unsere Pro­phe­zei­ung eines um sich selbst dre­hen­den hedo­nis­ti­schen Sze­ne­spek­ta­kels bewahr­hei­tet. Die liber­täre Demons­tra­tion bot kaum einen Anknüp­fungs­punkt für Akteure außer­halb der „Szene“. Nicht zuletzt die Wahl des Mot­tos offen­bart, dass auch kei­ner­lei Inter­esse bestand, aus die­ser Sze­ne­haf­tig­keit auszubrechen.



4. Das Stra­ßen­fest im Grün

Das Stra­ßen­fest im Grün hat sich als Teil des 1. Mai in Frei­burg schon seit lan­gem fest eta­bliert und ist für viele Men­schen, aus der Szene und dar­über hin­aus, nicht mehr weg­zu­den­ken. Das Fest selbst hat durch sei­nen selbst­or­ga­ni­sier­ten Cha­rak­ter vor allem stadt­teil­po­li­ti­sche Rele­vanz. Dazu gehö­ren auch die Aus­hand­lungs­pro­zesse wie sie im Rah­men des „Run­den Tischs“ statt­fan­den. Die­ser hatte sich auf­grund Strei­tig­kei­ten bezüg­lich des Cha­rak­ter des Fes­tes inner­halb des Vier­tels gegrün­det. Zum ande­ren gehört es dem Selbst­ver­ständ­nis nach auch in den Kon­text des 1. Mai als Kampf­tag der Arbei­ter. Auch wenn expli­zit poli­ti­sche Inhalte hier nicht im Vor­der­grund ste­hen bzw. mit­un­ter kaum wahr­nehm­bar sind, ist das Fest als Form der selbst­be­stimm­ten Aneig­nung des öffent­li­chen Rau­mes ein wich­ti­ger Teil des 1. Mai in Frei­burg. Seit lan­gem fin­det es ohne Anmel­dung statt. Vor allem in den letz­ten bei­den Jah­ren wurde es jedoch von Sei­ten der Stadt­ver­wal­tung und der Poli­zei, vor allem mit dem Mit­tel der All­ge­mein­ver­fü­gung, zuneh­mend beschränkt und gegän­gelt. Im ver­gan­ge­nen Jahr führte dies dazu, dass sich alle Men­schen auf das Grether-Gelände zurück­zo­gen und die Poli­zei alle Ver­su­che, das Fest wie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auf die Stra­ßen des Vier­tels aus­zu­wei­ten, mit einem mar­tia­li­schen Auf­ge­bot ver­hin­derte. Wir waren in den letz­ten Jah­ren immer freu­dige Besu­cher des Fests, auch wenn wir uns an der kon­kre­ten Gestal­tung nur wenig betei­ligt haben. 2013 waren Aktive aus dem Lin­ken Zen­trum wie bereits zuvor beim DGB mit einem Info­tisch anwe­send. Für 2014 wün­schen wir uns ein lau­tes und bun­tes Fest, in dem auch expli­zit poli­ti­sche Inhalte ihren Platz haben. Eine (Re)politisierung wür­den wir sehr begrü­ßen. Nicht zuletzt ange­sichts der Angriffe der Stadt scheint es not­wen­di­ger denn je, dass sich alle Teil­neh­mer dem beson­de­ren Cha­rak­ter und Wert die­ses Fes­tes bewusst sind und dar­aus gege­be­nen­falls die Kon­se­quen­zen in Form krea­ti­ver Kon­flikt­be­reit­schaft zie­hen. Die dies­jäh­rige Erklä­rung zum Fest im Grün stellt für unser Ver­ständ­nis zumin­dest einen klei­nen Schritt in die rich­tige Rich­tung dar.

5. Fazit

Im Nach­hin­ein hat es sich als rich­tig her­aus­ge­stellt, im ver­gan­ge­nen Jahr von Beginn an Abstand zu einer „revo­lu­tio­när“ fir­mie­ren­den 1. Mai-Demonstration genom­men zu haben. Eine sze­ne­hafte, gesell­schaft­lich iso­lierte 1. Mai-Mobilisierung, die von einem anti-gewerkschaftlichen Kon­sens getra­gen ist und kei­nen tat­säch­li­chen Bezug auf Inter­es­sen Mar­gi­na­li­sier­ter oder Lohn­ab­hän­gi­ger, geschweige denn auf eine Klasse nimmt, macht eine Betei­li­gung unse­rer­seits unmög­lich. Inhalts­lee­rer Ver­bal­ra­di­ka­lis­mus ersetzt nun mal nicht bestän­dige und kon­ti­nu­ier­li­che poli­ti­sche Arbeit. Mit revo­lu­tio­nä­rer Poli­tik hat das nach unse­rem Ver­ständ­nis nichts zu tun. Das Auf­stel­len eines anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Blocks auf der gewerk­schaft­li­chen 1. Mai-Demo hat sich als rich­tig erwie­sen, auch wenn unser Agie­ren hier sicher­lich noch stark aus­bau­fä­hig ist. Ins­be­son­dere muss es uns gelin­gen, brei­tere Bünd­nisse unter anti­ka­pi­ta­lis­ti­scher Prä­misse bil­den zu kön­nen, da ein ent­spre­chen­des Poten­tial in unse­rer Stadt durch­aus vor­han­den ist. Zu den posi­ti­ven Aspek­ten zäh­len wir, dass es uns gelun­gen ist, Hand­lungs­fä­hig­keit zu bewei­sen und dass sich auch nicht orga­ni­sierte Ein­zel­per­so­nen an den Vor­be­rei­tun­gen betei­lig­ten. Dar­auf lässt sich hof­fent­lich auch die­ses Jahr auf­bauen. Wir freuen uns sehr, dass es uns gelun­gen ist, mit unse­rem – wenn auch pro­vo­kan­tem – Posi­ti­ons­pa­pier eine Debatte in Frei­burg außer­halb der Kom­men­tar­spal­ten von Indy­me­dia anzu­sto­ßen, die wir die­ses Jahr wei­ter­füh­ren wol­len. Aus­drück­lich wol­len wir uns an die­ser Stelle bei der Gruppe Viel zu viel Arbeit für ihre Kri­tik an dem Papier und bei der Workers Cen­ter Initia­tive Frei­burg für die dar­auf­fol­gende Ver­an­stal­tung unter dem Titel „Szene — Klasse– Klas­sen­kampf!?“ am 18. Juli 2013 im SUSI-Café bedanken.

Gleich­zei­tig ist fest­zu­hal­ten, dass auf den ers­ten Schritt auch ein zwei­ter fol­gen sollte. Das bedeu­tet, in Frei­burg von einer Dis­kus­sion zu einer ver­nünf­ti­gen Pra­xis zu kom­men, wie es zum 1. Mai in vie­len ande­ren Städ­ten mög­lich ist. In die­sem Sinne möch­ten wir zum Schluss beto­nen, dass wir über den Anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block hin­aus ein gemein­sa­mes Vor­ge­hen aller revo­lu­tio­nä­ren Kräfte auf einer gemein­sa­men revo­lu­tio­nä­ren Demons­tra­tion sehr begrü­ßen wür­den. Die­ser Zeit­punkt ist unse­rer Ansicht nach erst dann gekom­men, wenn die bereits skiz­zier­ten Bedin­gun­gen, näm­lich eine ver­nünf­tige orga­ni­sa­to­ri­sche Basis, eine in inhalt­li­chen Grund­zü­gen geteilte Gesell­schafts­ana­lyse und dar­aus abge­lei­tet ähnli­che Vor­stel­lun­gen einer gelun­ge­nen Inter­ven­tion erfüllt sind.
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Ergänzungen