Freispruch im Containerprozess

containerer_innen 21.02.2014 12:43 Themen: Repression Soziale Kämpfe Ökologie
Am Donnerstag den 20. Februar fand der zweite Prozesstag im witzenhäuser Containerverfahren statt. Dieser endete mit einem Freispruch der Angeklagten.
Am 18. Juni 2013 gegen 23 Uhr wurde ein Auto mit drei Personen von der witzenhäuser Polizei angehalten. Im Rahmen der Allgemeinen Verkehrskontrolle beschlagnahmten die Beamt_innen alle im Auto mitgeführten Lebensmittel, wobei es sich hauptsächlich um unverpackte und unetikettierte Backwaren handelte. Obwohl es viele Gründe gibt, warum Menschen in ihrem Auto Lebensmittel mitführen, ist dies für die witzenhäuser Polizei nicht normal, sondern verdächtig. Die Beamt_innen erklärten den betroffenen Personen, dass gegen sie wegen Diebstahl und Hehlerei ermittelt werde.
Anfang September wurden den drei Personen Strafbefehle wegen Einbruchdiebstahl über insgesamt 13500€ oder 3 Monate Knast pro Person zugestellt. Die eschweger Richter_innen zeigten, dass sie kein Problem haben Menschen für einen angeblichen Mülldiebstahl in den Knast zu stecken.
Dem Rechtsstaat geht es nicht darum, gleiche Entfaltungsmöglichkeiten, gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen und Bedürfnisbefriedigung für alle Menschen zu gewährleisten, sondern ungleiche Eigentumsverhältnisse und die einseitige Akkumulation von Kapital in den Händen weniger, abzusichern.

An den beiden Prozesstagen versammelten sich viele Unterstützer_innen vor dem Gerichtsgebäude.
Mit den Kundgebungen wurde die Absurdität der kapitalistischen Warenproduktion, welche sowohl großen Mangel auf der einen und Überproduktion auf der anderen Seite produziert, thematisiert. Klar ist, um Bedürfnisse geht es bei dieser Produktionsweise nicht.

Schon im ersten Prozesstag tauchten in den Zeug_innenbefragungen Widersprüche auf. Der stellvertretende Tegut-Geschäftsführer, der auch die Anzeige unterschrieben hat, behauptete beispielsweise, dass die angeblich gestohlenen Lebensmittel für die Tafel bestimmt gewesen wären und somit noch einen Warenwert von über 150€ hatten. Die Tafel bekommt jedoch überhaupt keine Lebensmittel mit abgelaufenem Mindeshaltbarkeitsdatum von Tegut. Auch der leere Rollwagen auf dem laut dem stellvertretendem Tegut-Geschäftführer die Waren gestanden hätten, stand in der Nacht überhaupt nicht auf der Laderampe.

Nach der Befragung der Tegut-Geschäftsführerin im zweiten Prozesstag, deren Aussagen sich zum Teil deutlich mit denen des stellvertretenden Tegut-Geschäftsführers widersprachen, plädierte selbst die Staatsanwaltschaft für einen Freispruch der Angeklagten. Es konnte weder nachgewiesen werden, dass die im Auto der Angeklagten vorgefundenen Lebensmittel für die Tafel bestimmt gewesen seien, noch dass sie überhaupt von Tegut stammten. Scheinbar wurden die Vorwürfe von der Polizei und Tegut frei erfunden, von der Staatsanwaltschaft übernommen und zunächst ohne diese zu überprüfen vom eschweger Amtgericht in Strafbefehle gegossen. Besonders brisant ist, dass der beschlagnahmenden Polizist und der Unterzeichner der Anzeige auch privat befreundet sind.
Die Verteidiger_innen betonten in ihren Plädoyers, dass die Polizei überhaupt nicht ermittelt hätte, da ansonsten die Beschuldigungen überhaupt nicht haltbar gewesen wären. Außerdem vertreten sie durchaus die Rechtsauffassung, dass Containern nicht strafbar sei. In diese Richtung argumentierte auch der Richter in seiner Urteilsverkündung.
Er führte aus, dass es nur Diebstahl sein kann, wenn Lebensmittel noch eine_n Besitzer_in haben und dass mit dem Wegwerfen von Lebensmitteln, dass Eigentum aufgegeben werde. Demnach dürfte es eigentlich keine Strafverfolgung wegen containern geben.
Dieser Fall zeigt außerdem, dass das ökologische und soziale Image von Tegut nicht der Realität entspricht, sondern reine Fassade ist. Wenn Supermärkte wirklich an den Bedürfnissen von Menschen interessiert wären und nicht nach rein ökonomischen Interessen handeln würden, würden sie keine Festungen um ihre Mülltonnen bauen, sondern die bei ihnen überflüssigen Lebensmittel allen Menschen zur Verfügung stellen.


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