[B] Kundgebung vor und in dem Hostel Amadeus

BASTA Erwerbsloseninitiative 16.02.2014 00:24 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Heute Nachmittag versammelten sich über 100 Menschen vor dem Hostel Amadeus in der Brunnenstraße 70 in Berlin Mitte. Auf Schildern, Transparenten und Postern wurden die Arbeitsbedingungen und der offene Rassismus sowie Antisemitismus der Geschäftsführung thematisiert. Nach einer kurzen Kundgebung zieht ein großer Teil der anwesenden Menschen spontan in das Hostel und besetzt symbolisch das Gebäude. Ein kurzer Bericht und eine Einschätzung aus Sicht der Berliner Erwerbsloseninitiative BASTA.
„Für euch ist es Urlaub für uns ist es Ausbeutung“ rufen die Angestellten und ihre Unterstützer_innen bei der Kundgebung vor dem Amadeus Hostel in der Brunnenstraße am Samstag Nachmittag. Mehr als 100 Menschen sind zusammengekommen, um die Arbeitsbedingungen und den offenen Rassismus dieser Firma öffentlich zu machen. Sie erhalten Löhne zwischen 65 Cent und vier Euro die Stunde, werden mit Praktikums- statt Arbeitsverträgen ausgestattet und willkürlich auch wieder gefeuert. Der Geschäftsführer verlangt von den Angestellten, Menschen aus Rumänien, Bulgarien und Israel generell den Zutritt zum Hostel zu verweigern.

Doch nicht nur das Hostel steht am heutigen Tag im Fokus, auch die Praxis der Jobcenter soll hier öffentlich gemacht werden.

Erst war es einer und dann kamen immer mehr Menschen aus verschiedenen Ecken Europas in die Sozialberatung der Erwerbsloseninitiative BASTA. Eine Aktivistin der Initiative sagt dazu: „Mit Job und ohne Arbeitsvertrag werden die Beschäftigten vom Jobcenter nicht als Aufstocker_Innen anerkannt und müssen von 100€ Hungerlohn im Monat leben. Nach der Kündigung werden ihnen die Leistungen erneut verweigert, da sie keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Für Menschen aus der EU ohne deutschen Pass stellt Erwerbsarbeit aber eine Bedingung für den Bezug von ALG II dar. Wir fordern uneingeschränkten Zugang zu Sozialleistungen für alle, unabhängig vom Pass oder ähnlichem Quatsch.“
Seit dem Versuch Deutschlands, das Europäische Fürsorgeabkommen einseitig außer Kraft zu setzen, suchen immer mehr Menschen aus dem europäischen Raum Unterstützung im Umgang mit dem Jobcenter in der Erwerbslosenberatung BASTA. Das sogenannte Fürsorgeabkommen organisierte den Zugang zu Sozialleistungen im westeuropäischen Raum seit den 50er Jahren und garantierte so Menschen eine Existenzgrundlage, die ihren Lebensmittelpunkt in Europa veränderten.
Während der Stammtisch über „Sozialtourismus“ und „Armutsmigration“ fabuliert, wird Menschen pauschal die Existenzgrundlage entzogen. Die Jobcenter sind mitverantwortlich für die Umsetzung dieser Festungsmentalität. Das Jobcenter verweigert den Zutritt von nicht-deutschsprachigen Minijobber_Innen und somit die Antragsannahme mit Verweis auf die „Amtssprache“. Schafft es jemand mit selbstorganisierten Übersetzer_Innen die Eingangszone zu überwinden, werden sie konfrontiert mit unzähligen Formularen über ihre Migrationsgeschichte, einer verzögerten Antragsbearbeitung und stereotypen Unterstellungen von Schwarzarbeit. Schließlich werden die Anträge mit Verweis auf ihren fehlenden Arbeitnehmerstatus abgelehnt und es bleibt nur der Gang zum Sozialgericht, wo ihnen die Leistungen schließlich zugesprochen werden.

Die selbstorganisierte Erwerbslosen-Beratungsstelle BASTA im Wedding unterstützt die Betroffenen dabei, ihre ökonomischen Bedingungen zu verbessern und die Isolierung im Job und im Amt durch solidarisches Begleiten aufzubrechen. Ihr Plenums- und Beratungsraum hat sich zum politischen Ausgangspunkt für einige der ehemaligen Hostel-Angestellten entwickelt.
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Ergänzungen

uneingeschränkter Zugang zu Sozialleistungen

Kühlschrankbesitzer_In 16.02.2014 - 12:13
"Wir fordern uneingeschränkten Zugang zu Sozialleistungen für alle, unabhängig vom Pass oder ähnlichem Quatsch."

Nicht ist leichter als das.
Diese Forderung kann heute noch erfüllt werden, sofern der Fordernde die entstehenden Kosten übernimmt.

falsche Beratung

Kühlschrankbesitzer_In 16.02.2014 - 14:37
Ein Praktikum ist in der Regel Bestandteil einer Ausbildungsmaßnahme und vor Beginn mit dem Jobcenter abzustimmen.
Falls das Jobcenter das Praktikum als sinnvoll einschätzt, übernimmt es dann die Grundsicherung während des Praktikums und, falls die Maßnahme nicht zu einer Einstellung führt, die weitere Grundsicherung danach.

Der Praktikumsbetrieb ist also im Rahmen des Praktikums zu keiner Zahlung verpflichtet. Wenn das Hostel trotzdem freiwillig eine Zahlung von 1,00 bis 4,00 Euro je Stunde geleistet hat, so muss das als außerordentlich vorbildlich angesehen werden.

Im vorliegenden Fall waren die Praktika offensichtlich mit dem Jobcenter NICHT abgestimmt, weshalb auch während und nach dem Praktikum kein Leistungsanspruch bestand.
Es wäre nun zu prüfen, ob diese Praktika ausschließlich in der Erwartung durchgeführt wurden, anschließend Sozialleistungen zu erhalten. Falls das so ist, wurden die Leute bestenfalls falsch beraten, andernfalls handelt es sich um versuchten Sozialleistungsbetrug.

Angesichts der Verbissenheit, mit der die BASTA-Initiative versucht, den Vorgang zu politisieren, entsteht der Verdacht, dass es Mitglieder genau dieser Initiative waren, die die Leute entspreched beraten haben.


Andersrum wird ein Schuh daraus

rückgratbesitzer_in 16.02.2014 - 16:16
Firmen, deren Geschäftsmodell überwiegend darauf basiert, mehr oder weniger unentlohnt die Arbeitskraft sog. "Praktikant_innen" auszubeuten, gehören kaputtbestreikt oder andersweitig ruiniert.

Mehr zum grundsätzlichen Thema:

 http://minijob.cc/
 http://www.fau.org/static/keine-arbeit-ohne-lohn/

Dieser Laden

icke 18.02.2014 - 16:05
fällt immer mal wieder dadurch auf, dass auf diversen Job-Portalen(craigslist, ebay Kleinanzeigen) freie Logis und Nutzung der Waschmaschine statt Entlohnung für Arbeit angeboten wird.
Und zwar für Vollzeitstellen, nicht für Praktika.