[HH] Nachtrag zum Brandanschlag

Olaf Schillz 07.02.2014 03:02 Themen: Antifa Antirassismus Soziale Kämpfe
In der Nacht vom 05. auf den 06.02.2014 brannte ein Haus in der Eimsbüttler Straße 75 in Altona-Nord, nur wenige Minuten entfernt vom belebten Schanzenviertel. Am heutigen Abend waren viele Freund_innen und Nachbar_innen beim Haus in dem sich der Brand ereignete. Vor Ort wurden Blumen und Kerzen niedergelegt, und im Stillen den Brandopfern gedacht.
Gestern (05.02.2014) gegen 20 Uhr wurde ein Brand im Treppenhaus bemerkt, der sich sehr schnell ausbreitete. Durch den Rauch und das Feuer wurden 27 Bewohner_innen verletzt. Eine Mutter und ihre beiden Kinder starben. Das Haus ist Teil des Landesbetriebs „Fördern und Wohnen“, das eine „Eingliederungshilfe für Menschen mit seelischen, psychischen Erkrankungen und das Wohnen in Unterkünften für Asylbewerber, Aussiedler und Flüchtlinge sowie Menschen in sozialen Notlagen“ (www.hamburg.de) sein soll.
Das Mehrfamilienhaus wurde mehrheitlich durch Geflüchtete bewohnt.

Um einen politischen Nerv zu treffen, haben wir in der Überschrift des Artikels Brandanschlag“ geschrieben. Lieber reden wir einmal zu oft über Brandanschläge, als einmal zu wenig.
Laut einer Pressemeldung der Hamburger Polizei wird derzeit wegen Brandstiftung ermittelt,
jedoch wird betont, dass auch ein technischer Defekt nicht ausgeschlossen werden kann.
Auch für uns ist die Brandursache unklar, wir haben unsere Informationen fast nur durch die Pressemitteilungen erhalten.

Hierbei sind für uns jedoch zwei Sachen klar:
Wenn es sich hier um Brandstiftung handelt, wäre es ein großer Zufall, wenn keine rassistische Motivation dahinter stecken würde.
Wir sollten mit unserer Positionierung nicht warten, bis die Polizei alles „aufgeklärt“ hat, denn: Brandanschläge und Rassismus gibt es andauernd in Deutschland.


Und das in Hamburg...

Das Ganze fällt in eine politisch aufgeladene Situation in der Stadt Hamburg.
Zum einen gibt es verschiedenste Initiativen, Bündnisse und Gruppen, die angetreten sind um die Hamburger Stadtpolitik zu verändern. Das Motto „Recht auf Stadt für Alle“ beschreibt sehr gut eine gemeinsame Richtung dieser Bewegung.
Die Themen Recht auf Stadt bzw. der Erhalt der Roten Flora und der Esso-Häuser und die Situation der Gruppe Lampedusa in Hamburg, aber auch die von Refugees im allgemeinen bewegen Tausende.
Dem entgegen steht die kompromisslose Politik des Hamburger Senates, der versucht mit Hetzte und Lügen den Protesten zu begegnen.
Seit dem Beginn der Proteste gibt es eine sehr stark rassistisch aufgeladene Stimmung gegen diese, doch auch aufgrund der fehlenden Organisierung von rechten Strukturen gab es bisher keinen größere öffentliche Mobilisierung gegen die Gruppe Lampedusa in Hamburg.
Angesichts immer breiteren sozialen Protesten könnten sich Neonazis und Rassist_innen also genötigt sehen, jetzt aktiv zu werden. Somit wäre ein Rassistischer Bradanschlag grade jetzt denkbar.


Von "Freunden und Helfern"

2013 war ein Jahr voller rassistischer Brandanschläge.
Soweit wir wissen ist dabei mindestens eine Person ums Leben gekommen.
Diese Brandanschläge wurden oft ohne Bekenner_innenschreiben oder sonstige Kennzeichnungen von Neonazis verübt.
Dennoch sollte uns klar sein, dass die Ursache für diese Übergriffe Rassismus ist. Bei fehlenden Beweisen für einen „organisierten rechten Hintergrund“
beginnt die Polizei mit sogenannten „offenen Ermittlungen“. Wir bekommen oft zu hören: „Es wird in alle Richtungen ermittelt“.
Rassismus wird dabei als Tatmotivation oft bewusst ausgeblendet.
In den letzten Jahren hat sich die Polizei als nicht besonders vertrauenswürdig erwiesen, was die Ermittlung bei rassistischen Taten betrifft. Wir sollten bedenken, dass die Polizei Rassismus nicht als gesamtgesellschaftliches Problem begreift sondern - wenn überhaupt - bei organisiserten Neonazis vermutet. Die rassistischen und dadurch gescheiterten Ermittlungen in den Fällen des NSU oder beim Mord an Oury Jalloh haben uns darin bestärkt, dass die Polizei kein Partner im Kampf gegen Rassismus sein kann.


Und jetzt?

Somit sollte die Deutungshoheit über solche Fälle nicht der Polizei überlassen werden.
Vielmehr brauchen wir eine aktive antirassistische/antifaschistische Bewegung die hinschaut, nachfragt und sich einmischt. Zu oft sind die Opfer in Vergessenheit geraten, zu oft wurde sich nicht getraut, klare Stellung zu beziehen, zu oft wurde zu lang gewartet um sich auf klare Behörden Ergebnisse zu stützen.

Für Samstag, den 08.02. ist um 13h am Bahnhof Sternschanze eine Demonstration angemeldet.
Auch wenn sich viele sicherlich unsicher sind was den Hintergrund des Brandes angeht, wünschen wir uns das die andauernden rassistischen Brandanschläge thematisiert werden. Dass es in Deutschland immer wieder Brandanschläge gibt, muss Thema sein. Uns geht es dabei nicht nur um eine Ermittlung der Täter_innen, denn wir wissen bereits: Rassismus tötet! Uns ist der Kampf gegen Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem wichtig, da es uns alle auf unterschiedliche Weise prägt. Unsere Solidarität gilt den Angehörigen und Nachbar_innen der Opfer.


Auch nach der Demo gilt: Kritisch bleiben!

Kein Vergeben - Kein Vergessen!
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Ergänzungen

Vorschneller Aktionismus?

egal 07.02.2014 - 14:06
Auch ich habe gestern Abend die Mobi-sms sowie die spätere Absage erhalten und eher den Kopf darüber geschüttelt. Beim jetzigen Kenntnisstand halte ich solche Aktionen für verfrüht, auch wenn die Situation weiter genau zu beobachten ist.

Im obigen Artikel scheint ihr derzeit nur von zwei Möglichkeiten auszugehen - entweder Unfall (Verteilerkasten usw.), oder eben ein Brandanschlag (= vorsätzliche Brandstiftung), für den ihr rassistische Motive dann für sehr wahrscheinlich haltet.
Die Polizei geht in ihren Stellungnahmen mittlerweile wohl noch von einer dritten Möglichkeit aus, der fahrlässigen Brandstiftung. Das fände ich immer noch richtig scheisse, möchte das aber nicht mit einem gezielten Anschlag aus rassistischen Motiven gleichsetzen.

Ein gezielter Anschlag aus rassistischen Motiven erscheint mir persönlich auf Basis der derzeit öffentlichen Angaben gar nicht so wahrscheinlich. Ca. 8 Uhr abends wäre dafür eine recht untypische Zeit - zu viele Zeugen, zu hohe Wahrscheinlichkeit von Bewohnern im Hausflur. Weiterhin wurde lt. Polizei bisher auch kein Brandbeschleuniger nachgewiesen, als Brandherd wird ja immer noch der Bereich Kinderwagen / Verteilerkasten vermutet.
Das wirkt darum alles nicht sehr gezielt auf mich.

Das Anzünden von Kinderwagen in Hausfluren gibt es ja leider immer wieder in Hamburg, mit sehr unterschiedlichen Folgen. Mir ist aber kein Fall bekannt, in dem dies auf klar rassistische Motive zurückzuführen war. Das spricht darum aus meiner Sicht auch hier für eine möglicherweise vorsätzliche Brandstiftung mittels Feuerzeug, das Haus selbst könnte aber ein "Zufallstreffer" des / der Täter gewesen sein.

Da jetzt "lieber ein Mal zuviel von einem Brandanschlag" zu sprechen, halte ich für kontraproduktiv. Der Ermittlungsdruck auf die Polizei besteht offenbar auch bereits, sonst wäre hier nicht unbedingt gleich das LKA 45 als Brandermittler eingeschaltet worden, sondern zunächst eher die Kripo.

Eine vorschnelle Interpretation dieser leider noch begrenzten Fakten als "rassistischer Brandanschlag" und deren Vermittlung in der Öffentlichkeit könnte mittelfristig doch sehr nach hinten losgehen.
Beobachten, auswerten, und bei besserer Faktenlage dann gerne auch öffentlich handeln!

RASSISMUS!

antifa ostberlin 07.02.2014 - 15:23
natürlich geht die polizei erstmal von technischem deffekt aus, dann vor fahrlässiger brandstiftung und wenns doch gelegt war auf keinen fall von rassismus als motiv. das hat lange tradition - nicht erst bei den nsu-morden wurde und wird rassismus immer erst genannt, wenn es erdrückende beweise gibt (manchmal nichtmal dann!), denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. oft wird in widerlichster form gegen die betroffenen und/oder hinterbleibenen "ermittelt" und damit der rassismus nur weiter geführt.

klar ist jedoch: es gab im letzten jahr dutzende brandanschläge auf unterkünfte von refugees, es gibt zehntausende neonazis in diesem land, die nicht vor mord zurück schrecken (das gehört schlicht zu ihrer ideologie) und es gibt millionen rassist_innen, die sich durch csu-kampagnen, spd-politik oder sarrazin-debatten immer weiter gegenseitig anheizen.

ja, ein rassistischer brandanschlag ist noch nicht bewiesen, aber er ist mehr als wahrscheinlich. und eines der probleme sind schon diese sammelunterkünfte, in denen die menschen leben müssen, satt sie einfach dezentral in normalen wohnungen unterzubringen, wo sie sich dann ja wirklich "integrieren" und kontakt zu ihren nachbar_innen haben könnten!

gegen jeden rassismus - refugees welcome - grenzen auf für alle!

Die Polizei hat es zuerst gemeldet

Carla Collumna 07.02.2014 - 21:04
Die Polizei hatte die Version mit rassistisch motivierter Brandstiftung erst ins Spiel gebracht. In einer ersten Version hieß es, dass die Bewohner von einem Lichtbogen erzählt haben, dann aber als Brandherd der Kinderwagen ausgemacht wurde. Daraufhin hat die Polizei von sich aus auf einen rechtsradikalen Hintergrund geschlossen, erst später dann zurück gerudert und gemeint, dass es auch "Idioten" gewesen sein könnten.
Sie hat bis heute nicht gesagt "auf keinen Fall".
Stattdessen waren die Meldungen erstaunlich nüchtern. Das Haus war auch keine Sammelunterkunft.
Die Hamburger Polizei macht genug Scheiße und davon viel rassistisch motiviert. Ihr Sachen in den Mund zu legen führt überhaupt nicht weiter sondern wirft nur ein schräges Licht auf die Kritik an der Polizei. Und die Kritik an der Polizei ist zur Zeit in Hamburg sehr hoch. Da bringt es nichts, hier einen Nebenschauplatz aufzumachen, bei der ihr eigentlich bisher nichts wirklich vorzuwerfen ist.

Wie so oft

Sam 08.02.2014 - 09:53
Ein Pyromane der FW:

"Hamburg. Die ersten Spuren, die die Polizei nach dem Feuer in der Eimsbütteler Straße mit drei Toten hatte, haben offenbar zum mutmaßlichen Täter geführt. Wie die "Bild"-Zeitung am Sonnabend berichtet, soll ein 13 Jahre alter Junge für das Feuer in dem Mehrfamilienhaus verantwortlich sein. Die Polizei soll den Jungfeuerwehrmann bereits festgenommen, der Junge die Tat gestanden haben, so der Bericht weiter."

HA von heute

Alles gut so

Heinz Susal 09.02.2014 - 14:44
Wie schon an anderer Stelle geschrieben, man kann ja schlecht die
Ermittlungsergebnisse abwarten, welche häufig erst nach Tagen
veröffentlicht werden. Nach der offensichtlichen Brandstiftung war
es gut, sofort zu reagieren und Solidarität zu zeigen.

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Ergäbzung — Berliner