Die Stellungnahme zu Protesten in der Ukraine

Alexandr Wolodarskij 23.01.2014 04:50 Themen: Weltweit
Viele unsere nicht-ukrainische Kameraden verstehen in die letzte Zeit nicht, dass die Situation in Kiew sich stark geändert hat.Das, was gerade passiert ist kein "Euromaidan" mehr, es geht nicht mehr um die EU-Assoziation, das sind keine oppositionelle Aktionen gegen Janukowitsch und keine Geld- und Machtspiele der Oligarchie.
Am 16. Januar wurde Rubikon überschritten, als die repressiven Extremistengesetze wurden verabschieden. Entweder wird jetzt bei uns der Polizeistaat wie in Russland oder Belarus oder noch schlimmer gebaut, oder wird die Regime niedergeschlagen. Am 22. Januar hat die Regierung bestätigt, dass ihre Absichten ernst sind. Sieben Tote.Vier davon erschossen. Zwei bis zum Tode gefoltert.Igor Lutsenko, der bekannte liberale Aktivist, der vor kurzer Zeit entführt wurde, wurde lebendig freigelassen (im Wald, ohne der warmen Kleidung), aber sein Mitmensch im Unglück Jurij Werbitskij (der Mathematiker, der nur vor kurzer Zeit politisch und sozial aktiv wurde), wurde tot gefunden. Angeblich waren die Exekutors vom Foltern zu begeistert. Die zufällig ausgewählte AktivistInnen sind regelmässig per Telefon angedroht. Diese Leute haben nichts mit der Gewalt gegen Polizei zu tun, und sind auch keine Anführer oder bekannte Mediapersonen, es sieht so aus, dass die Macht eine Art von "Dezimierung" verwendet, die Opfer der Repressionen werden aus den Demonstranten willkürlich ausgewählt, um Angst zu verbreiten.Deswegen nehmen jetzt die linke und anarchistische AktivistInnen an den Protesten teil. Das ist nicht nur die Gewissensfrage, es geht auch um die politische Zweckmäßigkeit. In einem Staat, der nach Extremistengesetzen von Kolesnitschenko [ultra-rechter Politiker, homophob und russischer Nationalist aus der Partei der Regionen] lebt, haben wir auch kein Platz, der Kampf für die Basisrechte ist auch ein wichtiger Teil des Klassenkampfes. Der Faschismus von der Partei der Regionen ist heute viel realistischer, als der angeblische Faschismus von Swoboda Partei [ukrainische parlamentarische Ultra-rechte, nehmen an den Protesten teil], oder von den Deppen aus dem Rechten Sektor [außerparteiliche Nazis, die bei den Protesten aktiv sind und einen grossen Anteil von Riot Porn produzieren, aber keine Massenunterstützung haben].Die Polizisten versuchen jetzt die verletzten Leuten gleich im Krankenhaus wegen "Teilnahme an den Massenunruhen" zu verhaften. Deswegen wachen jetzt viele AktivistInnen (darunter Linke und AnarchistInnen) dort, um die Kranken zu beschützen. Die linke und anarchistische Kräfte in der Ukraine brauchen die Solidarität von unseren Kameraden weltweit, nehmt mit uns Kontakt, macht die solidare Aktionen bei den ukrainischen Konsulaten und Botschaften, hilft uns die ukrainische Machthabern, wenn sie in Ausland sind, auf allen Niveauen zu boykottieren.Gegen Faschismus und gegen den Staat!Hoch die Antinationale Solidarität!Alexandr Wolodarskij, Mitglied der Anarcho-Syndikalistischen Organisation Autonome Union der Arbeiter, Kiew/Erlangen.
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Ergänzungen

Die haben wohl einen Dachschaden?

ttt 23.01.2014 - 10:37
Ich habe keine Ahnung, ob dies ein false flag-Artikel ist, oder ob es tatsächlich in der Ukraine "Anarchisten" gibt, die die Waffenbrüderschaft mit den Faschisten suchen. Auf jeden Fall ist mit diesen "Demonstranten" keine Solidarität zu üben.

Dazu einer der vielen kritischen Artikel, die es nicht in die deutschen Mainstream schaffen:

 http://www.hintergrund.de/201401212958/politik/politik-eu/vorwaerts-mit-neonazis.html

Oder auch die vielen (leider kostenpflichtigen) Artikel der german-foreign-policy:

 http://www.german-foreign-policy.com/index.php?lang=de&mode=detailed-search&mcat=archive&string_or=&string_not=&date_start=&date_end=&string_and=Ukraine&x=0&y=0

Fehleinschätzung

mensch 23.01.2014 - 12:19
Offenbar haben die Autor_innen eine ziemliche Fehleinschätzung der Lage, aber wenn sie von dem "angeblische[n] Faschismus von Swoboda" sprechen geht das entschieden zu weit. Swoboda die bis 2004 unter dem Namen Sozial-Nationale Partei der Ukraine auftrat ist eng verbunden mit der faschistischen Jobbik (Ungarn) und den Nazis von der BNP (UK). Ihr Parteichef Tjahnybok wurde vom Simon-Wiesenthal-Zentrum auf Platz 5 der Gefährlichsten Antisemiten gesetzt. 2013 stufte der Jüdische Weltkongress Swoboda als neonazistisch ein und forderte ein Verbot der Partei.

Faschistische Kräfte dominieren im Bündnis mit Fußballhools den Maidan. Linke wurden angegriffen und verprügelt. Beispielsweise der syndicalistische Gewerkschafter Denis Lewin von Borot’ba. Mehr dazu im Interview mit der Jungle World:
 http://jungle-world.com/artikel/2014/02/49128.html

Kommentierende sehen den falschen Faschismus

Yuriy 23.01.2014 - 16:54
Wenn wir bei rechts-links bleiben sollen, gibt es dafür eine Erklärung: es gibt in der Ukraine viel zu wenige Linke. Die Organisationen sind zersplittert, einige sind prorussisch und nicht wirklich für den Klassenkampf.

Deshalb sollte man nicht auf die Meinung der tatsächlich autonomen Organisationen, wie die "Autonome Organisation der Arbeiter" eine ist, nicht verzichten.

Die Rechten sind viel zahlreicher und präsenter, sie sind auch besser organisiert. Was noch längst nicht heissen soll, dass sie die Anführer der Proteste sind.

Falls jemand nicht aus dem Artikel verstanden hat: in der Ukraine herrschen Junta-ähnliche Verhältnisse. Da gibt es keine Unterschiede zwischen rechts und links, für diesen Moment. Die Kämpfe sind nicht für Europa oder Klitschko, sondern für die Erhaltung der Menschenrechte, die it jeder Stunde verschwinden. (Der Ausnahmezustand kann jede Minute verkündet werden.)

Die neuen Gesetze, falls dem Staat erlaubt wird sie auszuüben, werden jede mögliche Protestaktion unmöglich machen. Russland ist ein gutes Beispiel dafür.

Man sollte jetzt die tausende Menschen bewundern, die innerhalb kürzester Zeit Selbstorganisation erlernen und ausüben. Und linke Aktivisten, die ihren Beitrag leisten.
Wenn schon nicht Hilfe, dann wenigstens Solidarität und ein bisschen Verständnis würden die jetzt gut gebrauchen können.

Wo habt ihr "Waffenbrüderschaft" gesehen?

Alexandr 23.01.2014 - 17:26
Wo genau in meinem Text habt ihr irgendwas über die "Waffenbrüderschaft" oder "Waffenstillstand" mit Neonazis gelesen?

Unsere AkitivistInnen werden ständig bei Neonazis angegriffen, wir würden nie Frieden mit Swoboda oder Rechten Sektor abschließen.
Am 19. Januar haben wir an einer Antifaschistischen Demonstration teilgenommen und mitorganisiert.

Swoboda ist natürlich eine faschistische Partei, aber sie haben keine Möglichkeit an die Macht zu kommen und eine faschistische Regime zu bilden. Nur deswegen habe ich ihr Faschismus als "angeblich" bezeichnet. Sie sie waren immer und sie sind immer noch unsere Feinde, aber sie sind nicht die Stärksten von allen Feinden.

Die Polizei, die Leute (sogar unpolitische Leute) schlägt und foltert ist heute der stärkste Feind.

 http://avtonomia.net/2013/12/08/autonomous-workers-union-statements-euromaidan/

Gema blockiert Live Cam

nochmal Oiner 23.01.2014 - 20:40
Möchte man den Live Stream bzw. die Live Cam vom Maidan Platz via youtube anschauen geht das nicht weil:
Dieses Video ist in Deutschland nicht verfügbar, weil es möglicherweise Musik enthält, für die die erforderlichen Musikrechte von der GEMA nicht eingeräumt wurden.
Ja Fuck you GEMA

Statement on the Current Political Situation

anonym 23.01.2014 - 23:26
January 23:

"The laws which were passed on January 16th showed that the faction of the ruling class which now controls the government is ready to install a reactionary bourgeois dictatorship on the model of the Latin American regimes of the 1970s. The “dictatorship laws” criminalize any protest and limit the freedom of speech; also, they establish responsibility for “extremism”. Parliamentary mouthpieces of the class dictatorship of corrupted bureaucracy and monopolist bourgeoisie are the Party of Regions and the so called “Communist” Party of Ukraine which has long ago become a political force serving interests of capital.

The Ukrainian repressive system leans on the police apparatus and street gangs of pro-government stormtroopers. Sometimes such paramilitary structures are commanded by retired police officers. Death squads are also in action. According to confirmed information, two people were kidnapped from a hospital and tortured. One of them died in a forest. Special forces use pinpoint firing against protesters, and not only from traumatic guns. One of the killed, according to a photo of his body, was shot in his heart. According to all indications he was a victim of a sniper. In the morning of January 23 the number of the killed constituted from 5 to 7 persons. And we don’t know the real scale of violence.

The ideology of the ruling regime is a mixture of Putin-style nationalism, conspiracy theories and conviction in their right, as elite, to rule over stupid populace. Groups of support to Berkut (the main riot police force) in social networks are full of anti-Semitic articles which claim that the opposition leaders are Jews and want to vitiate the people by legalizing same-sex marriages. This hardly differs from the rhetoric of Ukrainian right radicals.

Over the last days not only the far right confront the government, but also people of more moderate views. And they constitute the majority of the protesters. Many of them are indifferent to nationalism or negatively predisposed to it. Many of them don’t support integration into the EU. People go into the streets to protest against police violence. And a significant part of them is unenthusiastic or even skeptical about the clashes in the Grushevskogo street. Often one can hear that right radicals are a “Trojan horse” of Yanukovych and special services, designed to discredit the protest. Certainly there would be many more Kievites participating in the protests if there was a way to take those idiots useful to the government out of the streets. Top of their demands is to give them jobs in the Security Service of Ukraine after the “victorious revolution”.

Anarchists ought to participate in demonstrations and pickets which are dedicated to defense of the rights and freedoms usurped by the laws of January 16th. It makes sense to take action at one’s workplace or neighborhood and to help sabotage the dictatorship’s decisions. There’s not much sense in participating in the activities in Grushevskogo street, which were meaningless from the very beginning. These activities only give the government pretty picture for television and enable it to identify radical elements by locating mobile phones and videotaping.

In the case of the opposition’s victory, as well as in the case of the government’s victory we’ll have to wage long and hard war against any of those regimes. This should be understood. We need to gather forces in order to start dictating our own libertarian and proletarian agenda in Ukrainian politics.

No gods, no masters! No nations, no borders!

Autonomous Workers’ Union, Kiev local"

Quelle:
 http://avtonomia.net/2014/01/23/awu-statement-current-political-situation/

Offenbar doch kein false flag

ttt 24.01.2014 - 00:11
Offenbar ist dieser Artikel doch kein false flag-Artikel um Verwirrung zu stiften. Aber ich halte die Einschätzung der ukrainischen Anarchisten doch für arg beschränkt.

In der Ukraine tobt ein Kampf zwischen der Kapitalanbindung an Russland oder dem "Westen". Klitschko und seine "Partei" sind ein Produkt der Konrad-Adenauer-Stiftung und ein erneuter Versuch des deutschen Staates im Interesse des deutschen Kapitals sich als Imperialist zu betätigen. Die deutsche Nazi-Vergangenheit kommt da gerade recht, es wird dem AA keineswegs entgangen sein, wer die Svoboda-Partei ist und mit welcher Szene sie in Deutschland kooperiert. Die ukrainischen Faschisten kommen den deutschen Interessen als Straßenschläger gerade recht - und sie dominieren auch die ukrainischen Proteste (selbst wenn sie in der Minderheit sind).

Dass hierzulande die Medien das Hohelied der demokratischen Demonstranten unter Klitschkos Führung singen und kein bisschen Kritik erkennen lassen, sollte jeden schon bereits eine Warnung sein, welchen Charakter diese Proteste haben. Und der Verlauf des arabischen Frühlings, insbesondere nachdem sich der "Westen" darauf eingestellt hat (und ihn in seinem Großkrieg um den "Greater Middle East" eingebunden hat), die Erstarkung (teilweise sogar Dominanz) von Al-Quida und anderer islamistischer "Gotteskrieger" mittels Geld, Ausbildern und Waffen von Saudi-Arabien und Katar unter Duldung des "Westens", sollte klarmachen, dass die ukrainische Zukunft keinen toleranteren und demokratischeren Zeiten entgegen geht, sondern die Repression auf jeden Fall zunehmen wird, falls es nicht zu einem Bürgerkrieg kommt, der am Ende auch nur ein noch autoritäreres Regime an die Macht bringt.

Auf der Oppositionsseite ist es, so weit mir die Situation bekannt ist, auch keineswegs ausgemacht, dass sich Klitschko (als "westlich" kontrollierte Marionette) als Oppositionsführer halten kann. Um dafür noch eine Chance zu haben, muss er sofort Ergebnisse liefern, sonst rennen noch mehr Leute zur Svoboda über und Svoboda wird zum Bürgerkrieg übergehen (falls sie nicht schon über dunkle Kanäle militärisch bewaffnet wurde; zu einem Einsickern von Islamisten in die Ukraine gab es vor einiger Zeit auch schon Medienhinweise). Der "Westen" nimmt (und dies lässt sich anhand der letzten 20 Jahre weltweit gut beobachten) lieber einen Bürgerkrieg in Kauf als nachzugeben - selbst wenn der Bürgerkrieg für den "Westen" verloren geht.

Die Linke und die Anarchisten, die sich jetzt der einen oder anderen Seite anschließen, werden auf jeden Fall massakriert werden entweder von der Regierungspolizei oder von den Svoboda-Milizen (die sich wohl schon jetzt innerhalb der Demonstrationen als "Polizeitruppe" konstituiert, um "Provokateure" zu "verhaften"). Das Beste, was man in dieser Situation machen kann, ist sich herauszuhalten, die Schotten dicht machen und seine eigenen Strukturen zu schützen - vielleicht werden die eigenen Strukturen noch benötigt, um Leuten die Flucht ins Ausland zu ermöglichen, wenn die Situation in der Ukraine ganz kippt.

Es besteht keinerlei Aussicht darauf, jetzt noch irgendeinen wirklichen Einfluss auf die Proteste zu nehmen und sie in eine linke Richtung zu lenken. Dazu hätte man von Anfang an dabei sein müssen, und vor allem hätte man entsprechenden Zugang zu den "Hinterzimmern" mit entsprechenden Einfluss haben müssen - vor allem darauf, welche internationalen Interessen den Protest dominieren können.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

Verwirrung — Etschbi

Vgl. Gezirevolte — Capulcu

Live cam vom Maiden Platz — Nix zur Sache