HH:"Scheißaktion: Ohr kaputt nach Böllerwurf"

Avanti Hamburg 19.12.2013 01:03 Themen: Antirassismus Blogwire Repression Soziale Kämpfe
Am Abend des 15.10.13, im Rahmen der nächtlichen Soli-Demo für dieLampedusa- Flüchtlinge kam es vor dem S-Bahnhof Sternschanze zu einerKonfrontation zwischen der Demo und den Bullen. In dieser Situationwurde aus einer hinteren Reihe ein Böller auf unseren Genossen M. geworfen.Hierzu unser Genosse: "Auf einer Demo im Oktober wurde ich verletzt.... aus den eigenenReihen! Das Knalltrauma hat mir einen dauerhaften Hörschaden und einenTinnitus beschert, was mich alles sehr belastet.
Am Abend des 15.10.13, im Rahmen der nächtlichen Soli-Demo für dieLampedusa- Flüchtlinge kam es vor dem S-Bahnhof Sternschanze zu einerKonfrontation zwischen der Demo und den Bullen. In dieser Situationwurde aus einer hinteren Reihe ein Böller auf unseren Genossen M. geworfen.

Hierzu unser Genosse:

"Auf einer Demo im Oktober wurde ich verletzt.... aus den eigenenReihen! Das Knalltrauma hat mir einen dauerhaften Hörschaden und einenTinnitus beschert, was mich alles sehr belastet. Seitdem musste ich michziemlich zurückziehen, da ich Kneipen, Konzerte oder andere laute Ortenicht besuchen konnte. Die hohen Kosten für die Therapie belasten michzusätzlich.

Ich empfinde das nicht als mein privates Problem, oder "persönlichesPech", denn erschreckend viele Genoss_innen mussten schon Erfahrungenmit "friendly fire" machen. Wer den Böller geworfen hat, hat völligverantwortungslos gehandelt. Flaschen, Steine, Böller richten bei denen,die eigentlich damit getroffen werden sollen, dank krasserSchutzausrüstung, kaum einen Schaden an. Umso wichtiger sollte es sein,mit so etwas keine eigenen Leute zu gefährden. Aus der "Sicherheit" derachten Reihe zu werfen, ist eine feige Scheißidee! Nicht genau zu wissenwas man tut, ohne Übung und Vorbereitung, ist schlicht verantwortungslos.

Ich erwarte von emanzipatorisch gesinnten Menschen, dass sieverantwortungsvoll und achtsam miteinander umgehen. Es ist notwendig,dass wieder mehr Leute eingreifen und unachtsame Genoss_innen daraufansprechen, wenn sie andere gefährden. Ich hoffe sehr, dass es mitmeinen Ohren wieder besser wird und ich durch diese Scheiße nicht mehrso belastet und eingeschränkt werde.“


Die Linke hat zu Recht von Anfang an gegen Polizeigewalt gekämpft.Menschen werden auf Demonstrationen jedoch nicht nur durch Bullen,sondern auch durch unachtsames und fahrlässiges Verhalten vonGenoss_innen verletzt. Dies nimmt einen viel zu geringen Stellenwertinnerhalb unserer Debatten ein! 'Friendly fire' kann im Ergebnis zuschwerwiegenden Verletzungen, Traumatisierungen und aus Angst beendetemEngagment führen.

Erfolgreiche, politisch bestimmte Militanz ermutigt und ermächtigt:kollektiv, solidarisch, kalkulierbar. Wir wollen, dass sich mehrMenschen trauen selbst zu bestimmen, welche Form von Angriff bzw.Gegenwehr sie in der politischen Auseinandersetzung wollen. Derpolitische Mehrwert entsteht durch das bewusste Verschieben von Grenzen- gerade auch in der gemeinsam getragenen politischen Aktion auf derStraße. Demgegenüber sind Militanzfetischismus und die dazugehörigepeinliche, meist „männliche“ Pose total kontraproduktiv. Sie führen unstaktisch nicht zum Ziel, schrecken Leute ab, verletzen, schüchtern ein,demoralisieren und werden somit eine Bedrohung unserer Politik,unserer Ziele.

Es kann einfach nicht angehen, künftig in Sachen Selbstschutz nicht nurnach vorne, sondern auch nach hinten achtgeben zu müssen - Wir dachtenwir hätten andere Probleme! Unserer Meinung nach ist das Zünden vonFeuerwerkskörpern in den eigenen Reihen während besondersunübersichtlicher Situationen schlichtweg dumm. Ebenso verhält es sichmit Stein- und Flaschenwürfen aus weiter Entfernung, die dann dieeigenen Leute auf die Köpfe bekommen. Wir finden das ganz ehrlich zumKotzen!

Wir möchten daher alle auffordern, mehr aufeinander zu achten undbedachter zu sein. Das bedeutet auch einzuschreiten, wenn wir Aktionenbeobachten, die uns und unsere Genoss_innen gefährden. Bezieht Stellung!Auf der Demo, in den Kneipen und im Freundeskreis.

Seid solidarisch und beteiligt euch an den Behandlungskosten, diemittlerweile im vierstelligen Bereich liegen. Eine Spendendose steht imSchanzenbuchladen.


Dezember 2013 - Avanti Hamburg
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Ergänzungen

Passt so

Resist 19.12.2013 - 04:30
ziemlich gutes Statement.
Viel wahres und gut die Kurve bekommen...

Boellerwerfen = Mackerscheiße

Heinz 19.12.2013 - 09:35
Hallo,

am selben Abend hatte auch ich überlegt etwas über dieses leidige Thema zu schreiben, denn es kotzt mich an!

1. Eine Demo für Menschen, die u.a. aus Kriegszuständen geflohen sind, hat nicht mit Böllern zu werfen. Das hilft garantiert nicht gegen Traumata und Gedanken, die bei den Leuten hochkommen, deren Freund*Innen und Genoss*Innen erschossen und von Bomben getroffen wurden!

2. Demonstrationen exklusiv für wen? Ich kenne Zusammenhänge, in denen auch Menschen, die nicht mit den Augen sehen, aktiv beteiligt sind. Was macht ihr mit euren Böllern dafür? NICHTS. Keine Möglichkeit das Ding zu sehen und es geht neben dir hoch. Auch noch die Ohren kaputt!

3. Angst - viele Genoss*Innen haben Angst vor genau dem, was oben beschrieben ist. Gute Besserung an dieser Stelle.

4. Sie beteiligen sich nicht mehr an Spontis oder laufen mit Abstand hinten. Sie gehen nicht mehr mit, wenn ihr böllert oder ziehen sich direkt zurück wie die Tage am Schlump. Durch lautes Knallen stärkt ihr den Protest nicht - ihr schwächt ihn massiv. Spontis werden gespalten - Leute bleiben zurück. Und die vorne ohne Böller werden von den Cops niedergeknüppelt, die dann die Böllerwerfer unten den ersten vermuten.

5. Mackerscheiße! Warum sehe ich eigentlich immer nur Typen mit Böllern spielen? Langes Teil in der Hand, das auch noch funken sprüht und man kann jemand mit treffen? Lasst ihr hier einen Pimmelfetisch raus, der sonst nicht bedient wird und dann als legitim erscheint - kann jemand das mal mit Freud einordnen oder so...


Klar - Cops sind im ersten Moment abgeschreckt. Aber unterm Helm der Gehörschutz und dann erst recht drauf auf die Demo... Also bitte - werft Knallerbsen statt Böller! Macht doch sonst was ihr wollt: Licht, Nebel, Stinkerei, Parolen.

Und für solche Sitauationen wie an diesem Abend habe ich erst Recht keinerlei Solidarität für Böllerwürfe: Neben Pferde, die unmittelbar Genoss*Innen tottrampeln könnten / Genau in die Menge auf solidarische Journalist*Innen / und genau vor die Füße der Person, die hier oben treffend zitiert wird. Diskutiert in euren Gruppen darüber und sprecht die Leute am 21. darauf an.

@Heinz

19.12.2013 - 10:29
"Mackerscheisse" ist einfach kein Argument.

Woher kommt denn deine Allwissenheit, dass nur männliche Demonstrationsteilnehmer, die damit zeigen wollen, dass sie einen langen haben, Böller werfen?



Und generell: was ist das bitte für ein blödes Argument: wir machen besser nichts, was die Bullen tatsächlich stören könnte, weil sie dann erst recht illegal handeln?
Warum bleibst du dann nicht direkt zu Hause oder machst ne schöne bürgerliche Lichterkettendemo?



Dem eigentlichen Artikel stimme ich zu: wahllos und unbedacht Böller/Flaschen/Steine werfen ist falsch. Vorallem wenn eigene Genossen darunter zu leiden haben oder aber auch, wenn die Situation dazu einfach nicht geeignet ist.
Dazu zählt dann auch z.B. Flaschen auf Wannen zu werfen, wo sie absolut nichts ausrichten etc.pp.

@nö

doch 19.12.2013 - 16:33
"Und generell: was ist das bitte für ein blödes Argument: wir machen besser nichts, was die Bullen tatsächlich stören könnte, weil sie dann erst recht illegal handeln?"

Wenn Du einen Bullen mit gefährlichen Waffen angreifst, ist es nicht mehr illegal, wenn Du den Knüppel auf die Rübe bekommst. Das ist dann wahlweise Notwehr/Nothilfe oder notwendige Gefahrenabwehr.

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