Greiz - Gestern und Heute

AGV 10.11.2013 15:53 Themen: Antifa Antirassismus
Gestern fand in der ostthüringischen Kleinstadt Greiz eine Antirassistische Demonstration mit etwa 500 Teilnehmern statt.
Greiz, seit Mitte September 2013 agiert eine rassistische Bürgerinitiative in der Stadt. Woche für Woche versammeln sich Neonazis und Bürger_innen im Ortsteil Pohlitz um offen gegen Flüchtlinge und eine neugeschaffene Flüchtlingsunterkunft zu hetzen. Mit abstrusen und unwahren Behauptungen versucht man in Pohlitz eine pogromartige Stimmung bei den Anwohnern heraufzubeschwören.

Aber auch in Greiz sind Neonazis und Rassisten nicht einfach vom Himmel gefallen, Neonazismus und Rassismus haben in Greiz eine lange Tradition.

Vermutlich von dem rassistischen Pogrom in Hoyerswerda im September 1991 angeheizt, überfielen etwa 50 Neonazis aus Sachsen und Thüringen nur wenige Wochen später auch in Greiz eine neu geschaffene Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Irchwitz. Das nur zwei, zum Schutz, eingesetzte Polizeibeamte verletzt wurden, grenzt an ein Wunder. Das Gebäude war nach diesem Überfall unbewohnbar.

Vor allem Migranten, sowie linke und alternative Jugendliche berichteten in dieser Zeit von einem Klima der Angst, das den Alltag prägte.

Die Szene agierte phasenweise unterschiedlich: Gewalt gegen Menschen und Sachbeschädigungen wechselten sich mit Zeiträumen der Ruhe für potenzielle Opfer und Ziele ab, in denen die Neonazis dann verstärkt auf Propagandaaktionen setzen. Ende 1995 kam es zu Schmierereien mit antisemitischem Hintergrund, als auf dem Greizer Hauptfriedhof Grabsteine mit Davidsternen und anderen Symbolen beschmiert wurden.
Kurze Zeit später sorgte ein auffällig großes Polizeiaufgebot in Greiz für Aufsehen und Gesprächsstoff. Es gab Hinweise, dass Greizer Neonazis an einem Wochenende im Februar 1996 erneut das Asylbewerberheim angreifen wollten.

Egal ob vor dem Jahr 2000 oder danach, rechte Straftaten hielten und halten bis heute ein konstant hohes Niveau. Schlägereien auf Dorffesten, Überfälle auf Andersdenkende und Migranten, Rechtsrock-Konzerte bis hin zu geplanten Brandanschlägen, all das gab es und gibt es in Greiz und im Vogtland. Aus einer eher lose vernetzten Neonaziszene im Vogtland zu Beginn der 1990er Jahre, entstand eine gut über Bundesländergrenzen hinweg vernetzte Szene mit eigenen Läden, Treffpunkten und eigener Informationsstruktur.

Eine wichtige Vernetzungs- und Informationsstruktur stellt das seit ca. 2001 jährlich veranstaltete „Rudolf Hess Fußballgedenkturnier“ dar. Anfänglich trafen sich vor allem Neonazis aus der Region, mittlerweile ist deutlich eine überregionale Beteiligung erkennbar.

Einen weiteren erschreckenden Höhepunkt rechter Gewalt erlebte Greiz im Januar 2003. In der Nacht auf den 30. Januar warfen Mitglieder des „Greizer Jungsturms“ und der Kameradschaft „Braune Teufel Vogtland“ zwei Brandsätze auf das Flüchtlingsheim in Greiz-Irchwitz, welches aus mehreren Wohncontainern bestand. Nur glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass niemand verletzt wurde. An Planung und Ausführung der Tat beteiligten sich 9 Männer und Frauen, darunter auch die 45-Jährige Mutter eines Tatbeteiligten. Die zwei Haupttäter wurden zu Haftstrafen verurteilt und bei weiteren Beteiligten wurden Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt oder Geldstrafen verhangen. Die beiden Haupttäter wurden aufgrund guter Prognosen vorzeitig wieder aus der Haft entlassen. Einer der Haupttäter wurde in den Jahren darauf stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Greiz.

Im Sommer 2006 gründete sich in Greiz ein Ortsverband der NPD. Ein Teil der Mitglieder waren bereits vorher in der Kameradschaft „Braune Teufel Vogtland“ aktiv oder stammten aus deren Umfeld. Am 21. April 2007 entstand aus dem Ortsverband, der NPD-Kreisverband Greiz. Der neu gegründete NPD-Kreisverband veranstaltete im Juli 2007 bereits ein Familienfest mit etwa 70 Teilnehmern aus Bayern, Sachsen und Thüringen. Eine ähnliche Veranstaltung wurde auch 2008 durchgeführt mit rund 160 Teilnehmern aus verschiedenen Bundesländern. Bis Ende 2009 steigerten sich die Vernetzungsaktivitäten des NPD Kreisverbandes Greiz immens, zusammen mit dem NPD Kreisverband Vogtland wurden verschiedene Aktionen und Veranstaltungen durchgeführt.

In den folgenden Jahren nahmen die Aktivitäten des NPD Kreisverbandes deutlich ab. Ehemalige Führungskader wandten sich wieder den sogenannten „Freien Kräften“ zu. Im Zuge des Bekanntwerdens des Nationalsozialistischen Untergrunds, löste sich der NPD Kreisverband im Herbst 2011 quasi auf. Laut Pressemitteilung trat der gesamte Vorstand zurück.

Im Sommer 2011 überfielen Neonazis aus Greiz und dem Umland ein Konzert der Band 44 Leningrad, welches im Rahmen des „Greizer Schlossfolk“ stattfand. Zur selben Zeit fand im gesamten Innenstadtgebiet das jährliche Park- und Schlossfest statt. Statt dem Problem mit Neonazis und Rassisten in Greiz ins Auge zu schauen, wurden anfänglich alternative und linke Menschen als eigentlich Störende ausgemacht.

Bis heute ins Jahr 2013, reihen sich noch eine Vielzahl neonazistischer Aktivitäten in das aktuelle Geschehen in Greiz ein. Eine klare Trennlinie zwischen Freien Kräften und NPD gibt es nicht. So verwundert es nicht, dass Neonazis die bereits vor über 10 Jahren aktive Kader in der Kameradschaftsszene waren, heute wieder als Initiatoren und Agitatoren an die Spitze einer rassistischen Bürgerinitiative in Greiz treten.
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