Was Obdachlose für Obdachlose tun können ...

Sandra Bender 13.09.2013 17:54 Themen: Blogwire Kultur Medien Netactivism Soziale Kämpfe
Max Bryan und die Geschichte einer Chance
Er hat so darum gekämpft, der Obdachlose Max Bryan, nun ist er zurück auf dem Steinfurther Gartenhof und gab anlässlich seiner Rückkehr gleich auch eine zweitägige "Happy-End-Party", mit grillen und chillen am Lagerfeuer, sowie einer Filmvorführung zum Leben und Arbeiten auf dem Hof. Sogar eine Wandertour zum Steinfurther Wingert mit "Stockbrot und Zelten" standen auf dem Programm (WZ hatte berichtet).

(sbe) Aus ganz Deuschland angereist, verbrachten dann auch zahlreiche Facebook-Freunde des ehemaligen Obdachlosen Max Bryan ein ganzes Wochenende auf dem Steinfurther Gartenhof und Max Bryan sei "ein guter Gastgeber", schreibt einer der Besucher des Hofes im Kommentar auf Bryan´s Nachbericht, der mit gewohnt vielen Bildern die Geschichte seines Erlebens festhält und Bryan hat nun wirklich großes Talent die Dinge zu reflektieren und für andere zugänglich zu machen, viele danken ihm das, denn nicht jeder konnte vor Ort mit dabei sein.

Von weit her angereist

"Mit Tränen in den Augen sage ich ab", schreibt eine Anhängerin des 38-Jährigen und Max Bryan tröstet alle diejenigen, die nicht kommen konnten. Vielen war es einfach auch zu weit entfernt und wohl auch eine Geldfrage, denn viele von Bryan´s Freunden leben selbst auch in Armut und scheuten wohl deshalb auch die lange Anreise.

"Dutzende Absagen hatte ich im Vorfeld der Veranstaltung erhalten, weil Steinfurth einfach zu weit weg ist oder kein Geld da ist, ich kenne das ja selbst auch", erklärt Max Bryan und ist dankbar für alle diejenigen, die es dennoch schafften, den weiten Weg bis nach Steinfurth zu fahren, für jemanden, den man bislang nur von Bildern und Texten her kennt.

 https://www.facebook.com/pages/Max-Bryan/161102710574227?id=161102710574227&sk=notes

Eine Frau mit Sohn reiste bis aus Hannover an, ein anderer kam mit dem Fahrrad ganze 70 Kilometer aus Wiesbaden und selbst aus dem weit entfernten Schwabenland reiste ein Mann mit Frau und Kind an, wie auch ein Ehepaar aus Werdohl, einer Kleinstadt im sauerländischen Nordrhein Westfalen. Sie alle kamen und feierten gemeinsam mit Max Bryan seine Rückkehr auf den Steinfurther Gartenhof, fast alle waren in Begleitung erschienen.

Facebook-Party auf dem Gartenhof

"Es war unser erstes Zusammentreffen ausserhalb von Facebook und es war mir ein Anliegen, meine virtuellen Freunde auch mal persönlich kennenzulernen" und Bryan will Danke sagen, für 3 Jahre "Beistand und Zuhörerschaft" viele hatten ihm zuletzt auch unterstützt, als er zurück in Hamburg abgestürzt und wieder ohne feste Wohnung war, ein schlimmer Moment, wochenlang auch wieder auf der Straße, erst ein Verlag brachte die Rettung und bot dem Obdachlosen die Chance seines Lebens, seine Erlebnisse in einem Buch zu verarbeiten, nun kann er davon leben, auf dem Hof auch Miete zahlen und hat auch wieder eine Krankenversicherung.

"Danke Hanno, Petra, Andreas, Marcel und alle, die von weit her angereist sind" (...)"Euer Feedback war immer auch Ansporn es noch besser zu machen, einen Weg zu finden, heraus aus der Armut ... ", erzählt Max Bryan und es wird andächtig.

Stimmung wie beim Abendmahl

Die kleine Scheune im Herzen des Gartenhofes mutet frühzeitlich an, eine Stimmung wie beim Abendmahl, eine lange Tafel und Bryan spricht zu seinen Gästen, wie als wäre es das letzte Mal. Einer aus der Gruppe meldet sich dann zu Wort und bedankt sich bei Max Bryan, dessen Beiträge immer auch "Mut machten, die eigene Situation zu überprüfen und zu meistern", so ein Mann aus Esslingen bei Stuttgart. Auch er war mit dem Auto viele Kilometer bis ins hessische Steinfurth angereist, nebst Sohn und Familie, auch der Sohn sollte das hören und die Geschichte aus der Perspektive eines "Happy Ends" miterleben, denn nicht immer sei das so.

Glück gehabt

In der Tat muss man feststellen, dass Max Bryan unglaublich viel Glück hatte. Im Januar 2012, damals war er noch mit dem Fahrrad unterwegs und suchte entlang seiner Radstrecke eine Wohnung und fand keine und schlief dann schließlich an einer Brunnenanlage im Hessischen Bad Nauheim, seiner letzten Station und bei eisigen Temperaturen, als schließlich eine Frau auf ihn aufmerksam wurde, die ihn ansprach und zu sich einlud. Sie habe ein Gästezimmer, "und wenn es Dir hier zu kalt wird, kannst Du bei mir übernachten", will sie dem Obdachlosen dann gesagt haben (Quelle: MaxBryan.com) und eine große Geste einem Fremden gegenüber, so viel Vertrauen haben nur wenige. Später und als sie merkte, dass Bryan kein schlechter Mensch ist, er nicht mal raucht oder Alkohol trinkt, vermittelt sie ihm den Steinfurther Gartenhof, wo er bis heute lebt und arbeitet und seine tiefe Dankbarkeit auch dieser Frau gegenüber kann man sehen in jedem Bild, dass die beiden zeigt. "Ohne sie wäre ich heute noch auf der Straße", schreibt Max Bryan in einer der Bildunterschriften, sehr bewegend und wohl auch sein letzter Bericht bei Facebook.com.

Buchpause bis 2014

Nun will er sich zurücklehnen, Zeit nehmen, die Erlebnisse der letzten 3 Jahre reflektieren und verarbeiten, das Ganze noch einmal im Zeitraffer durchleben, "vom ersten Augenblick bis zum heutigen Tag" und "das wird nicht leicht", gibt er zu. 400 Seiten will Droemer - der Verlag - von ihm haben und Bryan fürchtet jetzt schon, dass diese Anzahl gar nicht ausreicht, um 3 Jahre Geschichte zu erzählen. Im Februar ist Abgabe, bis Herbst soll das Buch dann erscheinen, eine Geschichte über Hamburg und auch die Geschichte einer Chance, denn eine Chance zu bekommen und etwas daraus zu machen, seien "zweierlei Dinge" und nicht immer gelänge das, erklärt Bryan und hofft, dass sein Buch auch anderen Mut macht, ihren Weg zu gehen und an ihr Glück zu glauben, so sein Nachbericht zum 25. August, dem Tag seines Abschieds von Facebook und seinen Freunden.

 http://www.facebook.com/notes/max-bryan/happy-end-bericht/648660561818529

Filmpremiere in Steinfurth

Zum Abschied zeigte Max Bryan dann seinen Film, ein Erstlingswerk, alles noch unveröffentlicht und bislang nur auf dem Gartenhof zu sehen. Ein Film über das Leben der Shumei´s, eine Gruppe Japaner, die auf den Äckern der Löw´s natürliche Landwirtschaft betreiben und Max Bryan zeigte einen 20-minütigen Zusammenschnitt aus 70 Stunden Filmmaterial, mit einzigartigen Naturaufnahmen aus dem wunderschönen Steinfurth, dem Rosendorf "mitten in Europa", wie es Freiherrin von Löw einst nannte.

Schon letztes Jahr hatte Max Bryan eine erste Kurzfassung seines Films präsentiert, damals noch ohne Ton und parallel zum Erntedankfest der Japaner im September 2012 und damals liefen die Bilder noch über der Essensausgabe und inzwischen ist der Film deutlich gereift, mit einem Sprecher im Hintergrund und einem sehr emotionalen mittleren Teil, wo Sprache und Musik mit Bildern so dermaßen gekonnt ineinander fließen, dass kaum ein Auge trocken bleibt, vorausgesetzt, man kennt auch die Geschichte des Obdachlosen Max Bryan, der mit nicht viel mehr als einem Fahrrad und einer Isomatte auf dem Steinfurther Gartenhof anstrandete und dort auch seine Chance bekam.

"Die Geschichte einer Chance"

"Es sind die Bilder, die das Leben konservieren" (...) "mit allem was geschah, wurde es diese Geschichte", heißt es dann auch am Ende des Films und auch wenn der Abspann noch reichlich unvollendet ist, wird der Dank darin nur um so deutlicher, auch gegenüber der Hausherrin Heinke von Löw (92), die fest daran glaubt, dass Menschen in Not auch am Vertrauen eines Helfers wachsen können. Deshalb heißt es im Abspann des Films auch: "Am Vertrauen wächst der Gefallene" und diesen Satz hatte die Freiherrin früher schon gesagt und ergänzt ihn nun mit den Worten: "Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen!". Dieser Satz stammt aus Goethes "Faust" und Max Bryan weiß genau, dass er längst nicht perfekt ist und er noch vieles lernen muss. "Der Wille zählt (...) der zur Veränderung, zur Befreiung und zum Leben, auf dass jeder sein Glück finde", wünscht Max Bryan von Herzen und auch für alle, die heute noch ohne Wohnung auf den Straßen dieses Landes leben.

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