Polizei warnt vor neuen "Krawallen" in Altona

Überleben in Altona 27.08.2013 15:59 Themen: Antirassismus Medien Soziale Kämpfe
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So steht es in einem internen Lagebericht der Polizei.
Dieser Lagebericht fand nun seinen Weg ins Hamburger Abendblatt.Die Autoren Oliver Schirg und Andre Zand-Vakili beschreiben in ihrem Artikel ein idyllisches Bild vom August-Lütgens-Park in Altona-Altstadt.
Der Park, sowie die angrenzende Holstenstraße, war im Juli Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen Anwohnern und der Polizei. Die Idylle erscheint den Journalisten jedoch trügerisch, denn „bei notwendigen Polizeieinsätzen (könne sich) die zurzeit ruhige Lage schnell wieder verändern".
Um zu verstehen, was die Polizei unter „notwendigen Polizeieinsätzen“ versteht, muss man in der Geschichte 2 Monate zurückgehen.
Anfang Juli hatten sich etwa 150 Anwohner des August-Lütgens-Park mit einigen Jugendlichen solidarisiert, die im Laufe des Jahres 2013 immer wieder, teils mehrmals am Tag, von der Polizei „kontrolliert“ wurden. Ein Betroffener schilderte das so:
„Wir sitzen im Park, kriegen ohne Grund einen Platzverweis, wir gehen zum Kiosk,
bekommen einen Platzverweis, am Tag mehrmals von den gleichen Polizisten werden wir nach den Ausweisen gefragt; wenn wir keine da haben, fassen sie uns am Arm an. Wenn man sagt: Lass mich bitte los, schlagen sie zu, zerren einen zu Boden mit Knien in den Hals.“


Die Polizei rechtfertigte ihr Vorgehen, welches am 11.7. in gewaltätige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Jugendlichen, bzw. Anwohnern mündete, so:
  • Eher ungenau (und bewusst vage?) listete der Senat 520 Straftaten von Raub bis hin zu Beleidigung zwischen dem 1.1. und dem 15.7.2013 im gesamten Bereich von Altona-Altstadt auf. Eine Reihe dieser Straftaten schrieb die Polizei den im Park anwesenden Jugendlichen zu, jedoch konnte keine einzige bis heute einem der Jugendlichen nachgewiesen werden.
    Laut Innenbehörde „handele es sich um Anzeigen, bei denen noch unklar sei, was sich daraus ergibt.“ (taz vom 26.7.). Dies hinderte Zeitungen wie die Hamburger Morgenpost (Mopo) allerdings nicht daran, von einem „Pulverfass Altona“ zu schreiben und die „520 Straftaten“ in rassistischer Manier „türkischstämmigen Jugendlichen“ zuzuschreiben.
    Und so wurde aus einem von der Polizei genannten Verdacht auf einmal Tatsachen in der Mopo: „Seit Frühjahr 2012 trafen sich etwa 15 junge Männer (16 bis 26) im August-Lütgens-Park und auf dem Spielplatz Chemnitzstraße. Sie dealten mit Hasch, zettelten Schlägereien an oder überfielen Passanten.“
    Medienrandale vom Feinsten also. Am Rande sei erwähnt, dass die Redaktion der Mopo kurze Zeit später den „Goldenen Revolver“ für ihre rassistisch/reißerische Berichterstattung von Anwohnern erhielt.
    Auch die restliche Medienlandschaft (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen), von Springer-Presse bis zum NDR, übernahm weitestgehend die Version der Polizei.

  • Am dem Abend, an dem die Lage eskalierte, kam es zu einer erneuten Polizeikontrolle, in deren Verlauf Jugendliche von der Polizei mit Pfefferspray attackiert wurden. Ein 15-Jähriger wurde von Polizisten in eine Schaufensterscheibe gestoßen, einem Jungen wurde die Nase gebrochen, ein anderer verlor durch die Schläge der Polizisten sein Bewusstsein.
    Vor besagter Kontrolle seien Autofahrer von Jugendlichen mit Laserpointern geblendet worden, so die Polizei. Wenig später sprach die Polizei dann von durch Laserpointern geblendeten Polizisten.
    Auf die Frage nach sichergestellten Laserpointern verstrickte sich die Polizei in Widersprüche:
    Während laut Senat keine Laserpointer bei den Kontrollierten, bzw. Festgenommen gefunden wurden, sprach der Leiter des zuständigen Polizeireviers, Gerd Malachowski, zwei als Beweismittel sichergestellte Laserpointer seien „weg gekommen“.

Nach 2 weiteren unruhigen Nächten in Altona und einer Demo gegen Polizeigewalt, an der über 1000 Menschen teilnahmen, kam es dann zu Gesprächen zwischen den Eltern einiger Jugendlicher und dem zuständigen Revierleiter, Gerd Malachowski. In diesem Gespräch gab Malachowski zu, dass sich die Polizeikontrollen in der Woche vor dem 11.7. „verschärft“ hätten.
Außerdem kam ihm in dem Gespräch ein vielsagender Satz über die Lippen: „Auch Polizeibeamte machen Fehler“.
Ein Eingeständnis, mit den „Kontrollen“ die Eskalation der Lage verursacht zu haben?
Danach wurde es schlagartig ruhig im Viertel, was daran lag, dass die Polizei von ihrer bisherigen Praxis ablies und die „Kontrollen“ einstellte.
Deshalb erstaunt der aktuelle Lagebericht, in dem die Polizei nicht ausschließt, dass es erneut zu „Krawallen“ kommen könnte.
Es werden genau die Behauptungen ins Feld geführt, die schon damals von der Polizei nicht bewiesen werden konnten. Wieder behauptet man, dass „die jungen Männer 'aggressiv' und 'provozierend' auf(treten) würden und unterstellt, dass diese „durch Körperverletzung und Drogenhandel auffallen“.
Im selben Artikel liest sich das ein paar Absätze vorher noch ganz anders:
„Die Polizei geht davon aus, dass einige der Mitglieder dieser Gruppe für Straftaten wie Körperverletzung, Raub und Drogenhandel verantwortlich sind.“

Von einer, im Abendblatt suggerierten, „Aufarbeitung der Ereignisse“ durch die Polizei kann also keinesfalls die Rede sein, denn neue Erkenntnisse (oder gar Kritik am eigenen Vorgehen), außer das in Altona-Altstadt vermehrt „Roller“ gestohlen worden seien, kann die Polizei in ihrem Bericht nicht vorweisen.
Stattdessen verweist man mangels Beweisen wieder auf den Verdacht, dass auch besagte Gruppe von Jugendlichen etwas mit den Rollerdiebstählen zu tun haben könnte.
Des Weiteren stellt man sich als Opfer der Jugendlichen dar: „Ende Juni, Anfang Juli 2013 mehrten sich Beleidigungen gegenüber Polizeibeamten anlässlich von Einsätzen beziehungsweise bei zufälligem Aufeinandertreffen [sic!] mit Personen der besagten Gruppierung". „Bei Einschreitesituationen wurde den Polizeibeamten offen mit Repressalien bis hin zum Tod gedroht“.
Zum eigenen (Fehl)verhalten (z.B. dem Racial Profiling), beispielsweise die vor allem im Juli erfolgten Drangsalierungen in Form von verdachtsunabhängigen Kontrollen, liest man in der „internen Lagebeurteilung“ der Polizei hingegen absolut nichts. Und verschwiegen wird auch, dass Polizeibeamte im Rahmen der Kontrollen selbst aggressiv auftraten, Menschen verletzten und einen Jugendlichen mit dunkler Hautfarbe als „Affe“ beschimpften.
In einem Artikel der taz vom 14.7. hieß es anlässlich der Auseinandersetzungen treffend: „Die Darstellung, dass in Altona ein wildgewordener Mob Jugendlicher unterwegs ist, ist nicht nur einfach falsch. Im schlimmsten Fall provoziert sie (anm. die Polizei) am Ende genau das.“.
Und wie es aussieht, scheinen die für den Bericht Verantwortlichen nichts dazugelernt zu haben -genauso wenig wie die Journalisten des Hamburger Abendblatts, die abermals fast ausschließlich die Sichtweise der Polizei wiedergeben. Da hilft es auch wenig, wenn man Eingangs kurz erwähnt, dass „zur Wahrheit aber der Hinweis (gehört) dass es die Sicht der Sicherheitsbehörden ist.“.
Ob man in den Reihen der Polizei wirklich wieder zur Strategie von Anfang Juli zurückkehrt, ist unklar. Derzeit weist im Stadtteil nichts darauf hin. Eines ist aber sicher: Sollte es wieder zu ähnlichen Vorfällen wie im Juli kommen, wird nicht nur die Anwohnerschaft des August-Lütgens-Park sensibilisiert sein.

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Ergänzungen

@Altona

toplage 28.08.2013 - 14:26
ich wohne da auch um die Ecke und sehe keinen Grund Angst zu haben...
Da ist es doch überall anders gefährlicher in der Stadt.
Selten in so einer ruhigen entspannten Umgebung gewohnt!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@Altonaer — Blub

@"Altonaerin" — Anwohner Hospitalstr.