Kal. Hungerstreik: Zwangsernährung möglich

Solidarität muss praktisch werden 25.08.2013 23:10 Themen: Antirassismus Blogwire Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Gerichtlich genehmigte Folter im kalifornischen Hungerstreik als Drohung gegen kämpfende Gefangene

In einer Gerichtsentscheidung versicherte sich die kalifornische Gefängnisbehörde CDCR in der vergangenen Woche, dass sie ab Montag, den 26. August hungerstreikende Gefangene gegen ihren Willen zwangsernähren darf, "sollte deren Gesundheit oder Leben auf dem Spiel stehen".

Am 8. Juli 2013 traten über 30.000 Gefangene im US Bundesstaat Kalifornien gegen Isolationshaft und willkürliche Gang Gesetze (1) in den Hungerstreik. Regierung und Behörde des Bundesstaates reagierten mit verschärfter Repression und ignorierten weitestgehend die Forderungen. Ein Gefangener starb bereits am 22. Juli (2). Noch immer sind 79 Gefangene im Hungerstreik für die Durchsetzung der Forderungen. Heute ist der 48. Tag des Hungerstreiks.
Unter den verbleibenden Hungerstreikenden Gefangenen sind auch alle Initiatoren aus dem Pelican Bay Gefängnis, die bereits 2011 mit den selben Forderungen für mehrere Wochen die Nahrung verweigerten. Todd Ashker, einer der vier Unterzeichner der ersten Erklärung konnte am vergangenen Freitag via Telefon in der US-amerikanischen Nachrichtensendung "War and Peace Report" auf Democracy Now interviewt werden (3). Er sitzt bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten in Isolationshaft. Als Weißer hatte er zusammen mit drei afroamerikanischen Gefangenen in gleicher Lage über mehrere Jahre einen Diskussionsprozess innerhalb der kalifornischen Gefängnisse in Gang gesetzt, um Rassismus und Gangaktivitäten zu überwinden und einzustellen. Selbst ist er wegen angeblicher Gangaktivitäten der faschistischen Aryan Brotherhood zu Isolationshaft verurteilt, was zur Zeit regelmäßig in US Medien erwähnt wird, die den Hungerstreik und die Kritik der Gefangenen zwar mehrheitlich angreifen aber zumindest nicht mehr ignorieren können. Ashker hat jedoch stets bestritten, dieser faschistischen Gang anzugehören.

In dem kurzen Interview, welches als Transkript unter diesem Artikel als Ergänzung folgen wird, legte er noch einmal die Kernforderungen des Kampfes dar: es geht um die Abschaffung der langanhaltenden Isolationsfolter und ein Ende der behördlichen Willkür, die ohne klare und nachvollziehbare Grundlagen Tausende von Gefangenen dieser Folter mit Hilfe von sogenannten "Gang Gesetzen" unterzieht.

Der Sonderbeauftragte der UN gegen Folter, Juan E. Méndez forderte am vergangenen Freitag die Regierung der USA auf, die langanhaltende Isolationshaft zu beenden. Es gäbe ca. 80.000 Gefangene unter diesen Haftbedingungen in den USA und beinahe 12.000 davon allein in Kalifornien. Er ging auch auf die Drohung der CDCR gegen die hungerstreikenden Gefangenen ein: "Die Drohung der Zwangsernährung oder irgendeine Form der zwanghaften körperlichen oder psychischen Nötigung gegen Personen, die sich für das extreme Mittel eines Hungerstreiks entschieden haben, ist nicht hinnehmbar (4)."

Und weiter: "Ich appelliere an die US Regierung, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um den Gebrauch langanhaltender oder unbefristeter Isolationshaft unter allen Umständen zu beenden." Er fuhr fort: "Das schließt einen absolutes Verbot der Isolationshaft egal welcher Dauer gegen Jugendliche, anders befähigte Menschen, schwangere Frauen, Frauen mit Kindern, Lebenslängliche und Gefangene im Todestrakt mit ein (4)."

In ihrer Erklärung am 8. Juli 2013 machten die Gefangenen bereits deutlich, dass sie nicht davon ausgehen, dass Kaliforniens Regierung und die CDCR nach mehreren gebrochenen Zusagen, die Isolationshaft abzuschaffen, diesmal einfach darauf eingehen würden. Sie sagten, dass ihnen klar sei, dass kämpfende Gefangene für die Durchsetzung dieses Zieles sterben werden. Ihre Frage in der Erklärung war jedoch, wie viele von ihnen sterben müssten, bevor die Öffentlichkeit außerhalb der Gefängnisse aufmerksam würde und den notwendigen Druck entwickelt, der zumindest zukünftige Gefangene vor dieser Folter bewahrt. (5)




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(1) die Forderungen der hungerstreikenden Gefangenen:

1. ein Ende der Gruppenbestrafung und der behördlichen Willkür (Administrative Abuse)
2. ein Ende des Verratszwanges (Debriefing Policy) und eine Änderung der aktiven und passiven Gang-Kriterien
3. ein Ende der langzeitlichen Isolationshaft in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der "US Commission on Safety and Abuse in America’s Prisons" von 2006
4. Versorgung mit angemessenem und nährstoffhaltigem Essen
5. Erweiterung und Einrichtung von sinnvollen Programmen und Rechten für Gefangenen mit unbegrenzter Sicherheitsverwahrung (SHU)
 http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/the-prisoners-demands-2/

(2) Billy Michael Sell: Gefangener in kalifornischen Hungerstreik gestorben (28.07.2013)
 http://de.indymedia.org/2013/07/347225.shtml

(3) Exclusive: As Judge OKs Force-Feeding, California Prisoner on 47-Day Hunger Strike Speaks Out (August 23, 2013)
 http://www.democracynow.org/2013/8/23/exclusive_as_judge_oks_force_feeding

(4) California jails: “Solitary confinement can amount to cruel punishment, even torture” – UN rights expert (August 23, 2013)
 http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/2013/08/23/california-jails-solitary-confinement-can-amount-to-cruel-punishment-even-torture-un-rights-expert/

(5)  http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/education/


Beide Bilder in diesem Artikel stammen aus einem Video der britischen Menschenrechtsorganisation REPRIEVE über Zwangsernährung in Guantanamo, wo die selben Praktiken wie innnerhalb der USA angewandt werden. Die freiwillige Testperson in diesem Video ist der US Rapper Mos Def.
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Ergänzungen

Solidarität muss praktisch werden

und zwar schnell... 25.08.2013 - 23:23
Die Drohung der Zwangsernährung ist ein klares Signal, dass der Staat den bis jetzt gewaltfreien Kampf der Gefangenen mit aller Härte beenden wird. Zwangsernährung nach so langem Hungerstreik kommt einer Morddrohung gleich.

Sollte dieser Hungerstreik scheitern und die kämpfenden Gefangenen sterben, wird das schwere Auswirkungen weit über die Beteiligten hinaus haben. Seit über fünf Jahren hat sich innerhalb und außerhalb der Mauern der US-Gefängnisindustrie ein starker Widerstand gegen die Masseninhaftierung des von den Herrschenden als überflüssig angesehenen Teils der Bevölkerung entwickelt.

Vermutlich war es der größte Fehler der Machthabenden, zur Profitmaximierung in den vergangenen 15 Jahren auch mittellose Weiße im sog. "War On Drugs" z.B. für Crystal Meth einzusperren und die Schlüssel wegzuwerfen. Das war zwar vorher bereits millionenfach mit People Of Color passiert, von der weißen Bevölkerungsmehrheit aber hingenommen worden. Inzwischen haben Gefangene und Angehörige sich auf beiden Seiten der Mauern kennen gelernt, Trennendes überwunden und einen gemeinsamen Kampf gegen diese Knastgesellschaft entwickelt, in dem sie sich gegen Konzernmedien und Repression Gehör verschaffen können.

Der aktuelle Hungerstreik ist die Zuspitzung von fünf Jahren Kampf gegen die Masseninhaftierung und unmenschliche Bedigungen, die Menschen aus armen und PoC Gemeinden überall in den USA zerstört.

So unterschiedliche Aktionsformen wie die Riots in einer Gefängnisfabrik der Bay Area 2009,
Arbeitsverweigerungen in Alabamas und Georgias Gefängnissen 2010, die von der Bewegung erzwungenen Gefängnisschließungen in Illionois und Pennsylvania, die Abschaffung der Todesstrafe in verschiedenen Bundesstaaten und die sich wiederholenden Hungerstreiks in Kalifornien sind alle Teil einer Bewegung, die sich für ein Überleben ohne Knast und festgeschriebene Armut für weite Teile der US Gesellschaft einsetzt.

Die harte Haltung der kalifornischen Regierung wird vor diesem Hintergrund verständlicher. Für sie geht es um weit mehr als die lokalen Profite ihrer Lobbyist*innen. Sollten sich die Gefangenen hier durchsetzen, würde das eine us-weites Signal durch alle Knäste senden. Momentan sind die Augen vieler auf diese Auseinandersetzung gerichtet. Die noch immer hungerstreikenden Gefangenen setzen ihr Leben dafür ein und ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit. Sie brauchen der Unterstützung, die den Druck auf US Regierung, kalifornische Bundesstaatsregierung und den Lobbyverband CCA erhöht.

Kundgebung vor US Botschaft in Berlin am 30.07.2013
 http://www.youtube.com/watch?v=fwX3JjmhAfQ

Mumia zu Gefängnissen, Schulen +Zwangsräumung

MLK - 50 Jahre Marsch auf Washington 26.08.2013 - 09:57

Kein Grund zum Feiern
24.08.2013 / Ausland / Seite 6


Zum 50. Jahrestag des »Marsches auf Washington« versuchen Martin Luther Kings einstige Gegner, ihn zum stummen Popanz zu machen. Grauenhafte Gegenwart vieler Schwarzer in den USA wird verdrängt

Von Mumia Abu-Jamal


Bald werden Fernsehprogramme und Zeitungen wieder grobkörnige Schwarzweißfotos und -filme zeigen, und Radios werden von alten knisternden Tonbändern die Rede von Martin Luther King ausstrahlen, in der er ausrief: »Ich habe einen Traum«. Anlaß für das Medienspektakel sind die heuchlerischen Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des »Marsches auf Washington« am 28. August 1963. Das Bedauerliche an solchen Veranstaltungen ist, daß sie kristallklar zeigen, wie schlecht die Dinge sich für viel zu viele von uns weiterentwickelt haben. Wir feiern ein historisches Ereignis und ignorieren dabei unsere grauenhafte Gegenwart. Wir blenden aus, wie sehr sie von einer Ungleichheit geprägt ist, die jede Vorstellungskraft übersteigt.

Nehmen wir das Gefängnissystem, diese Schande von gigantischen Ausmaßen. Dabei müssen wir noch nicht einmal die geheimen Gefängnisse erwähnen, die »schwarzen Orte« der CIA, in denen Folter und Tod herrschen. Der Zustand der Bundesgefängnisse und die ungeheure Zahl von Isolationstrakten sind schon schlimm genug. Dann das öffentliche Schulsystem – es bricht schneller zusammen als Eisberge in der Antarktis. Lehrer werden in der Öffentlichkeit bewußt verteufelt und mit Geringschätzung gestraft. So sollen sie aus dem Schuldienst getrieben werden, damit anstelle der staatlichen Schulen Privatschulen errichtet werden können, aus denen privater Profit zu schlagen ist. Die heruntergewirtschafteten öffentlichen Schulen sind Vorhöfe der Gefängnisse und Orte, an denen unsere Kinder geistig verkümmern.

Und schließlich die Wohnverhältnisse: Die Diebe und Betrüger aus Banken und Finanzbranche der Wall Street haben durch die illegale Manipulation von Hypothekengeschäften mehr Vermögen gestohlen als jede andere Form organisierter Kriminalität es je vollbracht hat. Wie die Autorin Laura Gottesdiener in ihrem gerade erschienenen Buch »A Dream Foreclosed: Black America and the Fight for a Place to Call Home« (auf deutsch: »Der zwangsgeräumte Traum: Das schwarze Amerika und sein Kampf für einen Ort, den man Zuhause nennen kann«) nachweist, sind über zehn Millionen Menschen wegen der Krise, die die Immobi­lienblase hervorgebracht hat, aus ihren Eigenheimen geworfen worden. Zehn Millionen! Laut US-Finanzministerium bedeutet das die Vernichtung eines Vermögens von mehr als 19,2 Billionen US-Dollar. Damit haben schwarze US-Bürger in den letzten zehn Jahren mehr Vermögen verloren als zu jeder anderen Zeit seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Auch der hispanische Teil der US-Bevölkerung hatte überproportional unter den Folgen der geplatzten Immobilienblase zu leiden.

Martin Luther King sprach 1963 in seiner Rede nicht nur über »Träume«, sondern über ökonomische und soziale Gerechtigkeit. Durch die dramatische Passage seines Ausrufs »Ich habe einen Traum« geriet seine Botschaft jedoch in den Hintergrund. Heutige schwarze Politiker, von denen sich einige ihr Schweigen zum gigantischen Raub der Eigenheime gut bezahlen ließen, schließen die Augen vor dem Gemetzel, von dem das schwarze Amerika zerrissen wird. Deshalb wird es kommende Woche prunkvolle Feierlichkeiten geben, man wird lachende Gesichter sehen, Glocken werden läuten, Flöten ertönen, Gebete gesprochen. Und gerade jene politischen Kräfte, die sich zu Kings Lebzeiten gegen ihn stellten, werden ihn heute zum stummen Popanz machen. King war indes vor allem in seiner letzten Lebensphase ein radikaler Gegner des Materialismus und Militarismus, des globalen imperialen Krieges und Rassismus. Die Kräfte jedoch, die King heute feiern, brachten Unheil über sein Volk und die Armen dieser Nation, weil sie fünfzig Jahre lang in die falsche Richtung marschierten.

Hungerstreik am 60. Tag beendet

Erklärurung der Gefangenen 05.09.2013 - 22:05
Am 60. Tag haben die kalifornischen Gefangenen ihren Hungerstreik gegen Isoaltionshaft abgebrochen, um weitere Tote zu vermeiden. Gouverneur Brown und die Gefängnisbehörde CDCR hatten auf diese entschiedene und gewaltfreie Aktion der Gefangenen keine andere Antwort als Ignoranz, Verleumdung und Repression.

Hier eine von mehreren kämpfenden Gefangenen unterschriebene Erklärung, wie sie den Hungerstreik und die derzeitigen Entwicklungen in den kalifornischen Knästen einschätzen und wie der Kampf weiter gehen wird:
 http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/2013/09/05/statement-suspending-the-third-hunger-strike/