[Update: Hellersdorf]

Antifaschist_in 23.08.2013 19:46
Aktuelle Situation, Samstag NPD Kundgebung und antifaschistische Perspektiven
Was ist passiert?
Bereits im Vorfeld um dem geplanten Einzug von Geflüchteten in die ehemalige Schule im Berliner Stadtteil Hellersdorf kam es zu einer rassistischer Stimmungsmache durch die rechte „Bürgerinitiative Marzahn Hellersdorf“ (BMH). Ihren vorläufigen Höhepunkt fand sie in der Bürgerversammlung am 9. Juli, dem sog. „Braunen Dienstag“ (  http://www.avanti-projekt.de/news/nur-m ... eine-elite). Nachdem die BMH anfänglich noch versuchte, einen bürgerlichen Schein zu wahren, entlarvte sie sich mit einer von der NPD angeführten Spontandemonstration endgültig als extrem rechte Gruppierung. Durch ein Outing wurden die zentralen Personen der BMH unter Druck gesetzt ( https://linksunten.indymedia.org/de/node/91741). Ebenfalls in dieser Woche wurde die Facebook-Seite geschlossen und so ein wichtiges Propagandainstrument lahmgelegt.
Schon vorher waren in die rechte Szene verstrickte Hauptkader der BMH von antifaschistischen Gruppen geoutet worden.

Am vergangenen Montag, den 19. August 2013 zogen dann die ersten ungefähr 40 Geflüchteten aus der Motardstraße in die Unterkunft ein. Die Behörden versuchten den Einzugstermin geheim zuhalten, doch sowohl Unterstützer_innen der Geflüchteten, als auch die rechten Gegner_innen wussten bereits Bescheid.
Anwohner_innen versuchten sich bereits in der Nacht zum Montag vor dem Heim zu sammeln, wurden aber durch eine hohe Polizeipräsenz an Aktionen gehindert. Infolge dessen und den sich ansammelnden Anwohner_innen-Grüppchen entschieden sich Antifaschist_innen von vor Ort, zu einer Kundgebung in der Nähe des Heims zu mobilisieren. Ab Montagmittag gab es nun eine Mahnwache in Sichtweite des Heimes, um den Geflüchteten eine solidarische Stimmung zu vermitteln und einem rassistischen Mob etwas entgegenzusetzen. Trotzdem kam es den Tag über zu rassistischen Pöbeleien und einem Hitlergruß ( http://www.tagesschau.de/inland/asylbewerber162.html). Gegen Abend kam es zu versuchten Übergriffen und Flaschenwürfen auf Antifas am Cottbusser-Platz. Die Kontaktaufnahme zwischen Antifa- und Antiraaktivist_innen und Refugees gestaltete sich kompliziert, da der Zugang zur Unterkunft in der Hektik der Einzugstage nicht wie geplant gewährt wurde. So war für die Geflüchteten nicht sofort klar, wer „Freund und wer Feind“ ist. Zu größeren und organisierten Angriffen kam es glücklicherweise in der Nacht nicht.

Pleite für NPD & Pro Deutschland
Für Dienstag hatte die NPD eine Kundgebung angemeldet, die jedoch ohne Anwohner_innen auskam und völlig in antifaschistischen Sprechchören und Eierbewurf unterging. Im Nachklapp der Kundgebung erhielten einige Nazis und Rassist_innen noch deutliche antifaschistische Platzverweise. Acht Angehörige von Pro Deutschland versuchten sich durch Hetze gegen Geflüchtete zu profilieren, was aber auch unter Ausschluss der Anwohner_Innen stattfand. Bis heute, Freitag, den 23.08.13, hat sich die Lage ein wenig entspannt: Die Aktivist_innen aus Hellersdorf haben eine Wohnung in unmittelbarer Nähe der Unterkunft bekommen und haben die Mahnwache im Gegenzug aufgegeben, damit wieder ein bisschen Ruhe in den Kiez einkehrt und auch die Geflüchteten die Möglichkeit haben, sich besser einzufinden. Trotzdem reißen die Angriffe nicht ab: So gab es laut Berichten von Bewohner_innen der Unterkunft gestern Steinwürfe auf die Einrichtung ( https://twitter.com/AntiRa_Info_MH).

Hellersdorf ist nicht Lichtenhagen
Und doch ist nicht alles schlecht im Kiez. Von der Mahnwache wird berichtet, dass sie auch viel Zuspruch, Sachspenden und Unterstützung von Leuten aus Hellersdorf bekommen haben. Nun wird es darauf ankommen, dass sich die antirassistischen Anwohner_innen gegen die Hegemonie der Rechten organisieren. Nachdem sich Montagnacht die Situation an der Mahnwache durch Gerüchte über einen bevorstehenden Angriff durch Nazis zuspitzte und aus vielen Städten bereits Nachfragen von besorgten Menschen kamen, die Unterstützung anboten, sei festgestellt, dass die aktuelle Situation zwar angespannt aber bei weitem nicht so dramatisch ist. In den derzeitig kursierenden Bildern und Berichten scheinen viele Parallelen zu den Ereignissen vor Rostock-Lichtenhagen zu sehen. Das an diesem Wochenende der 21. Jahrestag ist, scheint diesen Eindruck zu verstärken. Dennoch sind die Verhältnisse und aktuelle Situation in Hellersdorf und Umgebung nicht zu vergleichen mit den Pogromen in Lichtenhagen. Ein direktes Hand in Hand von rassistischen Anwohner_innen und Nazis, die sich als Mob versammeln, gibt es in dieser Qualität nicht.

Dies ist in erster Linie dem entschlossenen Auftreten vieler antirassistischer Menschen zu verdanken, die seit Montag an der Mahnwache und im Viertel die rassistischen Formierungen zurückweisen und für ein solidarisches Miteinander werben. Ebenso wird auch in den Boulevardmedien kritisch über den offenen Rassismus in Hellersdorf und die BMH und NPD Aktivitäten berichtet. So porträtierte die Berliner Zeitung (BZ) einen Geflüchteten auf der Titelseite und sogar die BILD sprach von der „Nazi-Schande von Hellersdorf“. Auch die etablierte Politik bezieht inzwischen Stellung gegen die Nazis. Ein wichtiger Unterschied zu den 90ern bleibt weiterhin „dass das politische Establishment aktuell kein Interesse an einer gewaltförmigen rassistischen Mobilisierung hat“(siehe oben), auch wenn der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Wolfgang Bosbach, gerade den Willen äußerte, „das Thema (der steigenden Flüchtlingszahlen) nicht den Rechtspopulisten überlassen“ zu wollen ( http://www.tagesspiegel.de/politik/stre ... 68030.html). Im themenlosen Wahlkampf 2013 steckt also durchaus noch rechtes Potential.

Wie Weiter?
Am vergangenen Mittwoch fand für Interessierte eine erste Infoveranstaltung zur Situation in Hellersdorf statt, in deren Anschluss auch Unterstützungsangebote und Handlungsperspektiven für die lokalen Antifaschist_innen angeboten wurden.
Diese Antifaschistische Präsenz bleibt weiterhin wichtig im Kiez. Nun muss der zweite Schritt folgen: Die Stimmung im Kiez muss nachhaltig gegen die Rassist_innen und für die Flüchtlinge drehen. Die Zusammenarbeit mit Geflüchteten fängt gerade an. Die Initiativen vor Ort brauchen weiterhin Unterstützung für die Mahnwachen und Sachspenden für die Refugees. Für das Wochenende gilt eine erhöhte Wachsamkeit. Stark zu machen wäre nochmal die antirassistische Position in dem öffentlichen Diskurs, dass Lager an sich das Problem sind. Antirassistische und Flüchtlingsinitiativen kämpfen seit Jahren für eine dezentrale, menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen. Die aktuellen Auseinandersetzungen sind ein Präzedenzfall, den die Antifa – und Antirabewegung unbedingt gewinnen sollte. Denn hier versuchen organisierte Nazis, im Unterschied zu den anderen Protesten gegen Flüchtlingsheime ob in Bremen Vegesack, Duisburg oder Reinickendorf, sie zu dominieren und in eine andere Qualität der Auseinandersetzung zu überführen.

Ansonsten gilt: Morgen die NPD und ihrer rassistischen Propaganda nochmal eine deutliche Abfuhr erteilen! Kommt zu den antifaschistischen Protesten ab 15:00 Uhr zum Alice Salomon Platz.
Nazis & Rassismus bekämpfen! Refugees welcome!
Avanti Antifa AG


Anlaufpunkte am Samstag: ab 11 Uhr Randgestaltenfestival im La Casa
15 Uhr Alice Salomon Platz

Die Mobile Beratungsstelle gegen Rechts hat einen Pressespiegel erstellt. ( http://www.mbr-berlin.de/aktuelles/zur- ... /?back=%2F)
Aktuelle Infos gibt es weiterhin bei  https://twitter.com/AntiRa_Info_MH.
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Ergänzungen

Weitere Bilder und Berichte

Atzen-K 25.08.2013 - 02:41
Bilder von den gestrigen Aktionen in Marzahn:

 http://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157635213667547/

Hellersdorf

egal 25.08.2013 - 07:56
laut einem Bericht des Tagesspiegel haben die Nazis dann doch noch eine Spontandemo in der Wetlingstrasse durchführen können die ca 1/2 Std gedauert hat

Fotos

anonym 25.08.2013 - 09:14
Weitere Fotos von der NPD und ihrem Flaggschiff am 24. August in Hellersdorf gibt's hier:

 http://www.flickr.com/photos/rene_strammber/sets/72157635220248866/

oder für Facebook-Nutzer_innen hier:
 https://www.facebook.com/media/set/?set=a.209623262535171.1073741835.177803265717171


Bei diesen ist auch zu sehen, wie einer der eintreffenden Neonazis einen Hitlergruß zeigt.

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