„Club 88“ und „Titanic“: Nazi-Business in NMS
In einem Artikel im Holsteinischen Courier wurde bereits im Oktober 2006 vor dem Schulterschluss zwischen Freien Kameradschaften und Parteikreisen gewarnt, der auch in Schleswig-Holstein dazu führen könnte, dass die NPD in kommunale Parlamente einzieht. 2013 hat es die extrem rechte Partei in Neumünster u.a. durch eine niedrige Wahlbeteiligung und den Wegfall der 5%-Hürde geschafft: Nach den Kommunalwahlen im Mai sitzt der NPD-Spitzenkandidat Mark Michael Proch nun in der Ratsversammlung und kann dort seine menschenverachtende Propaganda verbreiten. Darauf, in welchem Maße neonazistische Infrastruktur an dieser Entwicklung beteiligt ist, gehen wir im Folgenden ein.
Die „Titanic“ in der Wippendorfstraße 38 in der Nähe des Neumünsteraner Bahnhofs spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in der lokalen Neonaziszene und hat im Laufe der Jahre sogar dem „Club 88“ den Rang abgelaufen.
Seit etwa 2005 gab es vermehrt Übergriffe von eher unorganisierten Nazis aus dem Umfeld der Familien Micheel und Martens, die sich in der damals noch in der Friedrichsstraße ansässigen “Titanic” zum Trinken trafen, auf Besucher_Innen des selbstverwalteten Jugendzentrums AJZ und Bewohner_Innen des Viertels. Bereits Anfang des Jahres 2006 führte ein antifaschistisches Bündnis eine Demonstration unter dem Motto „Kein Ort den Nazis“ durch, um auf die extrem rechte Gewalt aufmerksam zu machen. Der Verfassungsschutzbericht erwähnte die „Titanic“ erstmals 2006, die Lokalpresse wurde aber erst nach Redebeiträgen im Rahmen der „Club 88 schließen“-Kampagne auf die „City-Kneipe“ aufmerksam. Die im Mai 2009 durchgeführte Antifa-Demonstration unter dem Motto „Nazis aus der Deckung holen“ thematisierte u.a. die neonazistischen Aktivitäten von „Titanic“-Wirt Horst Micheel und -Pächter Wolfgang Tiemann, die sich seit 2007 beide an Nazi-Aufmärschen in Norddeutschland beteiligt hatten. Während der antifaschistischen Demonstration postierten sich die Mitglieder der „AG Kiel“ um Daniel Zöllner bzw. „AG Neumünster“ um Nico Seifert und Alexander Hardt vor der Titanic, bei ihrer Abreise überfielen sie eine Gruppe Tierrechtler_Innen und verletzten diese. Brisanter wurde die Lage noch, als sich für die Gründung der „Contras“ Neumünster, ein Ableger der Rocker-Gruppe „Bandidos“, etwa 130 Rocker aus dem Bundesgebiet in der „Titanic“ trafen. Der so genannte Rockerkrieg und die polizeiliche Repression setzten dem Ansehen der Kneipe weiter zu, im November 2010 trafen sich 170 Rocker zum „Contras“-Geburtstag in den neuen Räumlichkeiten in der Wippendorfstraße. Die neue Location zählte zu den Gebieten, die von der Polizei Anfang 2011 zu „gefährlichen Orten“ erklärt wurden, weshalb die „Titanic“ jede Gelegenheit nutzte, sich als „unpolitisch“ zu verkaufen: Sie zählt sich eher zur „Erlebnis-Gastronomie“ – und in der Tat, neben Kneipen-Schlägereien und Polizei-Einsätzen lässt sich hier allerhand erleben.
Einerseits wird mit Dart und Skat geworben, und gerade die zeitweise bis zu neun Dart-Teams der „Titanic“ sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Aufsehen: Mal sportlich (2010 errang ein Team der Titanic den dritten Platz bei den deutschen Meisterschaften), zumeist aber auf anderer Ebene. Im Forum der Norddart-Liga schrieb ein User: „Die Jungs haben immer schon Schwierigkeiten gemacht auch in anderen Ligen unter anderem Namen“ und beschwerte sich konkret darüber, dass bei ihnen ein Kerzenständer geklaut worden sei. Anfang 2011 wurden die Titanic-Teams vom EDSV (Elektronik Dart-Sportdachverband Norddeutschland e. V.) ausgeschlossen: “Wir können und wollen den Rechtsextremismus in keiner Weise für gut halten oder unterstützen”, kommentierte deren Vorsitzender das damals. Dem Verband seien Spenden von Einrichtungen aus Neumünster entgangen, weil die „Titanic“ in seinem Ligabetrieb aktiv war, so wird er in einem Artikel von Andreas Speit zitiert. Nicht „rechtsextremen“ Spieler_Innen empfahl er, sich in einer „anderen Gaststätte“ anzumelden – allerdings ohne sichtbaren Erfolg: Auch im Jahre 2013 führt Norddart e.V. zwei Mannschaften der Titanic, in denen u.a. die Horst Micheel und sein Sohn Pascal aktiv sind.
Just diese beiden kandidierten bei den diesjährigen Kommunalwahlen für die extrem rechte NPD, die Kampagne „DIY- In die antifaschistische Offensive gehen“ outete Horst Micheel erneut und ergänzte beispielsweise die Information, dass der „Titanic“-Wirt schon seit einiger Zeit im NPD-Kreisverband Segeberg-Neumünster als Beisitzer tätig war. Er besuchte im letzten Jahr den Infotisch seiner Partei in Boostedt und begleitete den neu gewählten NPD-Ratsherrn Mark Proch zu seiner Vereidigung ins Rathaus, traute sich angesichts antifaschistischer Proteste dann aber doch nicht über die Straße. Nicht nur Micheel, auch die „Titanic“ spielt für die NPD eine Rolle: Einerseits finden hier wie am 13.01.2013 Treffen der neonazistischen Partei statt, zu denen führende Köpfe wie Ingo Stawitz, Jens Lütke und Daniel Nordhorn anreisen. Auch Nazi-Konzerte wie das des Liedermachers Frank Rennicke werden hier veranstaltet. Andererseits ist die Titanic nicht wie der „Club 88“ nur eine Lokalität von Nazis für Nazis, sondern lockt durch die Dart- und Skat- Angebote, Spanferkel-Essen oder unpolitische Konzerte auch weniger politisierte Kneipengäste an. Die Gewinne können zur Finanzierung extrem rechter Aktivitäten in Neumünster genutzt werden, die Gäste werden zudem nach und nach mit rassistischer Propaganda konfrontiert.
Die verzweifelten Versuche von Horst Micheel, seine neonazistischen Umtriebe zu leugnen, zeigen: Rechte Infrastruktur ist angreifbar, wenn ihre Hintergründe aufgedeckt werden. Egal ob “Club 88″ oder “Titanic”: An die Substanz! – Nazis in die Pleite treiben!
Demnächst werden wir noch einen Abriss der Thematisierung von “Club88″ und “Titanic” in der lokalen Presse über die letzten Jahre veröffentlichen, checkt unseren Blog!
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Ergänzungen