Bad Nenndorf: Wincklerbad eingestürzt

O.M.F. OWL 29.07.2013 21:47 Themen: Antifa Antifa
Bad Nenndorf: Widerstand gegen neonazistischen "Trauermarsch"

Für den 3. August 2013 sind gegen den neonazistischen "Trauermarsch" beziehungsweise "8. Marsch der Ehre" in Bad Nenndorf vielfältige, bunte und kreative Proteste angekündigt.
Gemeinsam gegen NS-Verherrlichung

Für den 3. August 2013 sind gegen den neonazistischen "Trauermarsch" beziehungsweise "8. Marsch der Ehre" in Bad Nenndorf vielfältige, bunte und kreative Proteste angekündigt. Unter anderem der VVN-BdA appelliert öffentlich für die gemeinsame Gegenwehr und ruft dazu auf, die Bewegung gegen Neonazis nicht zu spalten: "Der vielfältige Widerstand der letzten Jahre hat den Neonazis immer weniger Raum für ihre Ehrung von Kriegsverbrechern gelassen. Es kommt nun darauf an, dieses Treiben vollständig zu verhindern." Die in mancher Hinsicht destruktiven und nicht zielführenden Auseinandersetzungen unter den Gegnerinnen der demonstrativen NS-Verherrlichung im Jahre 2012 haben sich dieses Jahr erfreulicher Weise nicht wiederholt. Im Gegenteil: Es hat sich in den letzten Monaten und insbesondere Wochen eine dynamische Mobilisierung entwickelt, die erstmals seit dem Jahr 2006 die reale Möglichkeit bietet, dem braunen Spuk ein vorläufiges Ende zu bereiten.

Mobilisierungsfähigkeit der Neonazis weiter rückläufig

Innerhalb der Neonazi-Szene erwies sich der "Trauermarsch" 2012 als Rückschlag: Nach dem Rückgang im Jahre 2011 mit 640 Teilnehmenden, nahmen 2012 nur noch 471 Neonazis und NS-Nostalgiker an der demonstrativen Verherrlichung des Nationalsozialismus teil, die von über 2.000 Polizistinnen und Polizisten geschützt wurde. Die aktuelle Mobilisierungsfähigkeit des Themas "Wincklerbad" in der extrem rechten und neonazistischen Szene nimmt nach dem deutlichen Einbruch 2012 und weiteren nachfolgenden personellen Ausfällen beim "Gedenkbündnis Bad Nenndorf" weiterhin ab. Gegenüber der Versammlungsbehörde wurde die Anzahl 500 als erwartete Teilnehmende am "Trauermarsch" 2013 angegeben. Nach zuletzt kontroversen Auseinandersetzungen innerhalb "Freier Kräfte", hat das "Ehrenkomitee 8. Mai" um den Hamburger Neonazi Thomas "Steiner" Wulff wohl auch deshalb am 22. Juli 2013 einen eigenen Mobilisierungsaufruf "Für die Opfer alliierter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen" an die Szene gerichtet.

"Trauern" durch die Hintertür?

Auch der Landkreis Schaumburg als Versammlungsbehörde, der Proteste in der Vergangenheit stets massiv und erheblich einschränkte, hatte sich bewegt. So wurden am 8. Juli 2013 Bescheide auf den Postweg gebracht, in welchen den Neonazis - im Gegensatz zur antifaschistischen Gegendemonstration - untersagt wurde, bei ihrer unter dem Motto "Gefangen, gefoltert, gemordet - damals, wie heute: Besatzer raus!" angemeldeten Versammlung direkt vor dem Wincklerbad zu demonstrieren.

Neonazis klagen erfolgreich gegen Demonstrationsroute

Heute, am 29. Juli 2013, entschied die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover im Eilverfahren über die am 23. Juli 2013 vom Verdener Neonazi Matthias Schultz, Anmelder und Versammlungsleiter des "Trauermarsches", und Szene-Anwalt Stefan Böhmer aus Erlangen eingereichte Klage gegen die Verbannung der Demonstration von der Vorderseite des Wincklerbades am 3. August 2013 in Bad Nenndorf. Demnach darf die Bündnis-Demonstration bis 14.00 Uhr vor dem Wincklerbad ihre Versammlung mit Kundgebung abhalten. Die Neonazis dürfen sodann ab 16.00 Uhr vor das Wincklerbad ziehen. Über die lang gestreckte Bahnhofstraße als bislang zentrale Aufmarschroute werden die NS-Nostalgiker dieses Mal aber nur ein kurzes Stück laufen. Der Rest der Strecke führt durch Randbezirke. Gegen die Entscheidung sind Rechtsmittel möglich. Aktenzeichen: 10 B 5753/13.

Bündnis-Demonstration

Die zahlreichen Gegendemonstrationen wurden mit einer Ausnahme ("Demonstration gegen Nazis und Rassismus") einvernehmlich von den anmeldenden Initiativen zu einer Großveranstaltung zusammengefasst, die vor die Tür des Wincklerbads ziehen darf. Die Gegendemonstration von "Bad Nenndorf ist bunt - Bündnis gegen Rechtsextremismus" und dem DGB beginnt um 10.30 Uhr mit einer Auftaktkundgebung an der Hauptstraße / Ecke Horster Straße. Nach einer Zwischenkundgebung um 11.00 Uhr am Jüdischen Mahnmal in der Kurhausstraße soll sich der Demonstrationszug zum "Kleinen Gymnasium" und von dort aus über die Bahnhofsstraße zum Wincklerbad ziehen.

Landesweite Unterstützung

Am 19. Juli 2013 riefen die DGB Region Niedersachsen-Mitte, der SPD-Landesverband Niedersachsen, der IG Metall-Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, der ver.di-Landesbezirk Niedersachen-Bremen und die Initiative "Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover in einem gemeinsamen Landesaufruf unter dem Motto "Propagandafeiern der Neonazis und Rechtsextremisten entgegentreten - Schluss mit den Aufmärschen der Feinde der Demokratie in Bad Nenndorf!" dazu auf, sich an den Protestaktionen am 3. August 2013 zu beteiligen.

Massenblockaden der Initiative "Kein Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf"

Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, die Neonazi-Demonstration mit dem Mittel von Massenblockaden zu verhindern und betont: "Von unseren Aktionen des Zivilen Ungehorsames wird dabei keine Eskalation ausgehen. Wir sind solidarisch mit allen, die das Ziel teilen, den Aufmarsch zu verhindern." Am 15. Juli 2013 gab die Initiative bekannt, dass der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, den Aufruf zu Massenblockaden unterzeichnet hat. Der Treffpunkt für die gemeinsame Anreise am 3. August 2013 ist um 09.00 Uhr vor dem Hauptbahnhof Hannover.

Aktuelle Informationen unter:

www.bad-nenndorf-ist-bunt.com
www.naziaufmaersche.de
www.badnenndorf-blockieren.mobi

- Am 3. August den ganzen Tag live aus Bad Nenndorf: www.radioflora.de
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Ergänzungen

Wincklerbad

Heinz Susal 30.07.2013 - 13:38
Ein wenig Hintergrundinformation hätte sicher nicht geschadet. Das Wincklerbad
wurde nach den zweiten Weltkrieg als Internierungslager für NS Kriegsverbrecher
und dessen Verhöre genutzt. Die rohe und nicht korrekte Umgangsart mit den
Gefangenen, wird nun von den Nazis thematisiert. Anscheinend vergessen diese
hierbei vollkommen in welchem zeitlichen Kontext das ganze steht. Unabhängig
davon, ist dieses Lager kein Vergleich zu den russischen Internierungs- und
Arbeitslagern.