(US)Trayvon Martin, Polizeigewalt & Gefängnis

Nach einer Studie der Malcolm X Grassroots Organisation (1) wurde allein im ersten Halbjahr 2012 alle 40 Stunden ein*e Afroamerikaner*in von der Polizei getötet, in Zahlen 110. Trayvon Martin war 2012 nur einer von insgesamt mehreren Hundert Todesopfern durch Polizei oder deren Hilfskräfte in den USA.

Martins Ermordung wurde durch den Mörder selbst akustisch aufgezeichnet, als dieser eigenmächtig handelnde Neighborhood Watch Beamte aus Florida sogar entgegen eindeutigen Anweisungen der Polizei die Verfolgung eines völlig harmlosen Jugendlichen aufnahm und zeitgleich Kommentare in sein Telefon sprach. Grund seiner Verfolgung waren ausschließlich rassistische Stereotypen, die Zimmermann dazu brachten, einen afroamerikanischen Jugendlichen auf dem Weg vom Kiosk nach Hause zu erschießen.

Trayvon Martin habe einen Kapuzenpullover getragen und sei vor seinem Verfolger weggerannt, gab der Hilfspolizist später an. Er habe den Verdacht gehabt, dass dieser Jugendliche irgend einen Blödsinn vorhabe... Als Zimmermann ihn schließlich mit gezogener Waffe, allerdings ohne Dienstabzeichen oder Uniform konfrontierte, wehrte sich Trayvon Martin. In dem darauf folgenden Gerangel erschoss Zimmermann den Jugendlichen.

Die kurz darauf eintreffende Polizei präparierte den Todesschützen sofort und erklärte, Zimmermann habe "in Selbstverteidigung" gehandelt. Vorlage ist das in Florida und einigen anderen US Bundesstaaten geltende "Stand Your Ground" Gesetz, welches von der Waffenindustrie und ihren Law And Order Lobbyist*innen in politischen Ämtern seit Jahren gefördert wird.

Als vor wenigen Tagen, ein Jahr nach dem Mord, eine fast ausschließlich weiße Jury George Zimmermann von jeder Schuld freisprach, breitete sich eine Welle des Entsetzens über die USA aus. Gerade Ältere People Of Color fühlten sich an eine Zeit der Lynchmobs sowie der völligen Rechtlosigkeit zurück versetzt, die bis in die 1970er selbst formal in etlichen Regionen der USA bestand.

Mumia Abu-Jamal kommentierte unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung: "... Was bedeutet das? Es bedeutet genau das, was einem dazu in den Sinn kommt: Dass das Leben eines Schwarzen keinen Pfifferling wert ist! Dass andererseits das Leben eines Weißen privilegiert und bedeutend und dass die Angst der Weißen die treibende Kraft ist, von der das Geschehen im Gerichtsverfahren bestimmt wird. Denn wenn wir die beiden Grundbestandteile des Konflikts austauschen und davon ausgehen, es wäre Trayvon und nicht Zimmerman gewesen, der die Auseinandersetzung überlebt hätte – wer wollte bezweifeln, dass der Teenager geradewegs im Todestrakt des Staatsgefängnisses von Starke, Florida, gelandet wäre und seine berüchtigte Hinrichtungskammer von innen kennen lernen würde?" (2)

Diese Jury-Entscheidung wird von vielen als Freifahrtsschein für weiße Rassist*innen gewertet, ungehindert gegen People Of Color vorzugehen. Bis auf einige Ausnahmen (3) scheinen die Mehrheit der US Amerikaner*innen zur Zeit jedoch sehr darum bemüht, nicht in rassistische Auseinandersetzungen verwickelt zu werden. Viele fordern grundsätzliche Veränderungen, die über Obamas Beschwichtigungswahlkämpfe von 2008 und 2012 inzwischen weit hinaus gehen.

Während in Kalifornien über 30.000 Gefangene gegen Isolationshaft, Folter und Arbeitszwang in der Gefängnisindustrie hungerstreiken und die Konzernmedien der USA nur wenig darüber berichten, verließ der Gouverneur Jerry Brown den "Sonnenstaat" in Richtung Deutschland, wo er seinen Sommerurlaub für Gespräche über Windenergie, Treffen mit FDP Bundestagsabgeordneten und einen Besuch der KZ Gedenkstätte in Dachau nutzen möchte (4). Die kalifornische Gefängnisbehörde begann am Freitag, vermeintliche Organisatoren des Hungerstreiks mit drakonischen Mitteln zu überziehen. Auch Vertrauensanwälte der Gefangenen dürfen die Gefängnisse nun nicht mehr betreten.

Die hungerstreikenden Gefangenen und ihre Angehörigen (5) sind empört, dass sich der Gouverneur für zwei Wochen aus dem Bundesstaat entfernt, während sie unter Einsatz ihres Lebens gegen die massiv angewandte Isolationsfolter in Kalifornien kämpfen. Brown als politisch Verantwortlicher und Lobbyist der Gefängnisindustrie hofft vermutlich auf einen ruhigeren Urlaub in der BRD ...


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Anmerkungen

(1) Studie der Malcolm X Grassroots Organisation, 10 Juli 2012 (engl)
 http://mxgm.org/wp-content/uploads/2012/07/MXGM-Report-on-Black-People-Executed-without-Trial-by-Police.pdf

(2) Krieg im Gerichtssaal - Der Freispruch des Mörders des Schwarzen Trayvon Martin war vorhersehbar (im Original am Tag der Gerichtsentscheidung, dem 13.07.2013, auf deutsch veröffentlicht am 20. Juli 2013)
Von Mumia Abu-Jamal
im Original  http://www.prisonradio.org/media/audio/mumia/trayvon-martin-209-mumia-abu-jamal
dt. Übersetzung  http://www.jungewelt.de/2013/07-20/032.php?sstr=Mumia|AbuJamal

(3) Chambers attack caught on tape
Woman decks elderly singer before anyone realizes what's happening
 http://social.entertainment.msn.com/music/blogs/post--chambers-attack-caught-on-tape

(4) CDCR PUNISHES HUNGER STRIKERS, BROWN GOES ON VACATION (17.07.2013)
 http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/2013/07/17/cdcr-punishes-hunger-strikers-brown-goes-on-vacation/ und (jW) Brandstifter zu Gast (19.07.2013)  http://www.jungewelt.de/2013/07-19/017.php

(5) Fotos von Protesten zur Unterstützung der hungerstreikenden Gefangenen
 http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/2013/07/15/photos-from-the-july-13-demonstration-at-corcoran-prison/